1. Einleitung
Üblicherweise werden durch den Autor in der Rubrik «Steuern» des Private Magazins steuerrechtliche Praxisfälle sowie deren rechtmässige Handhabung vorgestellt und eingehend diskutiert. Dem interessierten Leser werden steu errechtliche Praxishinweise mit auf den Weg gegeben, damit unschöne fiskali sche Überraschungen im besten Fall gänzlich ausbleiben.
Im aktuellen Beitrag werden nun wegweisende Gerichtsentscheide des Bundesgerichts aus den Jahren 2023/ 2024 diskutiert. Die betrofenen Steuer pflichtigen sahen sich mit unerwünsch ten steuerlichen Konsequenzen kon frontiert und ergriffen Rechtsmittel. Schliesslich wurde der Instanzenzug bis zur höchsten richterlichen Instanz in Steuerangelegenheiten durchlaufen – lehrreich für die tägliche Steuerpraxissind diese bundesgerichtlichen Ent scheide mitunter allemal.
2. BGer 9C_548/2023 vom 12. August 2024: Steuerrechtlicher Wohnsitz im interkantonalen Verhältnis und wes halb eine Getränkerechnung mitaus schlaggebend sein kann.
Der Steuerpflichtige war in der Steuer periode 2018 im Kanton Schwyz an gemeldet. Im Jahr 2007 hatte er eine Wohnung in Zürich erworben, die er im Juli 2017 wieder verkauft hatte. Im De zember 2016 kaufte er eine neue Woh nung in Zürich, welche ihm im Juli 2018 übertragen wurde. Mit Einschätzungs entscheid vom Februar 2022 besteuerte das Kantonale Steueramt Zürich den Steuerpflichtigen für die Steuerperiode 2018 in Zürich. Der Steuerpflichtige er hob dagegen erfolglos Rechtsmittel.
Gemäss §3 Abs. 1 StG ZH sind na türliche Personen aufgrund persönlicher Zugehörigkeit steuerpflichtig, wenn sie ihren steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt im Kanton Zürich haben. Einen steuerrechtlichen Wohnsitz hat eine Person im Kanton Zürich, wenn sie sich hier mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält oder wenn ihr das Bundesrecht hier einen besonderen ge setzlichen Wohnsitz zuweist (§3 Abs. 2 StG ZH).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt der Ort, an dem sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person befindet, als deren steuer rechtlicher Wohnsitz. Dieser Ort be stimmt sich nach der Gesamtheit der objektiven äusseren Umstände, aus de nen sich diese Interessen erkennen las sen. Der steuerrechtliche Wohnsitz ist daher nicht frei wählbar.
Es gilt grundsätzlich die natürliche Vermutung des Fortbestehens des bishe rigen Steuerdomizils, sofern der Nach weis der Tatsachen für eine Wohnsitz verlegung, also für die Etablierung überwiegender Beziehungen zu einem neuen Ort, nicht erbracht werden kann. Das Bundesgericht monierte im vorlie genden Entscheid, dass die Vorinstanz hätte prüfen müssen, ob es gelungen war, die natürliche Vermutung zu entkräften. Insbesondere konnte die Tatsache, dass der Steuerpflichtige eine grosszügige Eigentumswohnung erworben hatte, nicht automatisch den physischen Auf enthalt in dieser Wohnung belegen. Ebenso liess sich aus dem möglichen Wochenendaufenthalt des volljährigen Sohnes nicht zwangsläufig schliessen, dass der Steuerpflichtige ebenfalls phy sisch in der Wohnung anwesend war.
Eine Getränkelieferung im Novem ber 2018 könnte durch den Aufenthalt des Sohnes erklärt werden. Ebenso deu tete der Wasser- und Stromverbrauch ab Mitte 2018 darauf hin, dass die Woh nung in Zürich bewohnt war. Diese As pekte reichen jedoch allein nicht aus, um den steuerrechtlichen Wohnsitz des Beschwerdeführers in Schwyz im Jahr 2018 zu entkräften, da sie genauso gut durch den Aufenthalt des Sohnes er klärbar sind. Zudem wurden im Sep tember und November 2018 Möbel ge liefert. Die Richter kamen nach einge hender Prüfung zum Schluss, wonach es unwahrscheinlich sei, dass der Steu erpflichtige über mehrere Monate hin weg ohne Möbel in der neuen Wohnung gelebt habe. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde des Pflichtigen folge richtig gut.
Der Entscheid verdeutlicht, dass die natürliche Vermutung des Fortbeste hens des bisherigen Steuerdomizils auch zugunsten der Steuerpflichtigen ausge legt werden kann. In interkantonalen Hoheitskonflikten dürfte das hier vor liegende Urteil sowohl den Pflichtigen als auch den zuständigen kantonalen Steuerbehörden dienliche Hilfestellung sein, damit der Verfahrenszug von den involvierten Parteien gar nicht erst an gestrengt werden muss.
3. BGer 9C_541/2023 vom 20. August 2024: Resultiert durch den Verkauf ei nes grösseren Grundstückensembles gewerbsmässiger Liegenschaftenhan del?
Die Pflichtigen deklarierten in ihrer Steuererklärung für das Jahr 2019 für die direkte Bundessteuer steuerbare Einkünfte in Höhe von 761'339 Fran ken, darunter Liegenschaftserträge von 675'661. Im Liegenschaftsverzeichnis führten sie diverse Wohnhäuser im Kanton Zürich auf. Weiter wiesen sie die Veräusserung eines Teils ihrer Lie genschaften in Zürich aus, die sie im Jahr 2003 als historisches Grundstück - ensemble erworben hatten. Das Kanto nale Steueramt Zürich qualifizierte mit Veranlagungsvorschlag vom Mai 2021 die Teilveräusserung als gewerbsmässi gen Liegenschaftenhandel und rechnete 2'634'400 Franken als Einkünfte aus selbständigem Nebenerwerb auf. Da gegen gelangten die Pflichtigen erfolg los an das Kantonale Steuerrekursge richt Zürich sowie an das Zürcher Ver waltungsgericht als nächste Instanz.
Der Einkommenssteuer unterliegen alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte (Art. 16 Abs. 1 DBG). Private Kapitalgewinne sind steuerfrei (Art. 16 Abs. 3 DBG). Nach Art. 18 Abs. 1 DBG sind alle Einkünfte aus einem Handels und Gewerbebetrieb, aus einem freien Beruf sowie aus jeder anderen selbstän digen Erwerbstätigkeit steuerbar.
Ob eine auf Erwerb gerichtete Tä tigkeit vorliegt, ist unter Berücksichti gung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Nach ständiger Praxis des Bundesgerichts können verschiedene Indizien für eine selbständige Erwerbs tätigkeit sprechen: systematische oder planmässige Art und Weise des Vorge hens, Häufigkeit der Transaktionen, kurze Besitzdauer, enger Zusammen hang mit der beruflichen Tätigkeit der steuerpflichtigen Person, spezielle Fach kenntnisse, Einsatz erheblicher fremder Mittel zur Finanzierung der Geschäfte.
Das Bundesgericht stellte im vorlie genden Entscheid fest, dass die blosse Vermietung eigener Liegenschaften weder eine selbständige Erwerbstätig keit bzw. gewerbsmässigen Immobi lienhandel darstellt, da dabei lediglich eigenes Vermögen verwaltet wird. Ein wesentliches Indiz für die Tätigkeit ei nes gewerbsmässigen Liegenschafts händlers sei hingegen der Einsatz er heblicher Fremdmittel, soweit dieser über das hinausgeht, was in der privaten Vermögensverwaltung üblich ist, wie etwa die Finanzierung einer Liegen schaft durch eine Hypothek.
Ein unüblich hoher Fremdfinanzie rungsgrad ist regelmässig dann anzu nehmen, wenn der Erwerb der Immobi lie vollständig fremdfinanziert ist und allein dadurch die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschritten werden. Insbesondere wird bei einem ausschliesslichen Einsatz fremder Mit tel überhaupt kein privates Vermögen angelegt, auf dem ein privater Kapital gewinn erzielt werden könnte.
Das Verwaltungsgericht Zürich hat te im vorliegenden Fall festgestellt, dass die Steuerpflichtigen zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs über keine liqui den Mittel verfügten, um den Kauf zu finanzieren. Daher lag ein Fremdfinan zierungsgrad von 100% vor, was dafür sprach, dass die Einnahmen aus dem Verkauf der Liegenschaften im Jahr 2019 als Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren waren.
Zu diesem Zeitpunkt war kein privates Vermögen vorhanden, das hätte verwal tet werden können, um daraus einen Ge winn zu erzielen. Ebenfalls sprach für eine selbständige Erwerbstätigkeit der ofenkundige Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Beschwer deführers und dem Erwerb der Liegen schaften. Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Pflichtigen folgerich tig ab.
Der Entscheid präzisiert die bun desgerichtliche Rechtsprechung zum gewerbsmässigen Liegenschaftenhan del und setzt klare Leitplanken für Steu erpflichtige, im Zuge deren Einhaltung der Status der «Gewerbsmässigkeit» vermieden werden kann.
4. BGer 9C_591/2023 vom 2. April 2024: Ort der tatsächlichen Verwal tung – genügt die Anmietung eines Büros im steuergünstigeren Kanton?
Die im Februar 2003 mit Sitz im Kanton St. Gallen gegründete A. AG verlegte ihren Sitz im September 2008 nach Ap penzell Ausserrhoden. Mit Schreiben vom August 2021 teilte das Kantonale Steueramt St. Gallen der A. AG mit, dass Hinweise für eine Steuerpflicht im Kanton St. Gallen bestünden.
Mit Verfügung vom Oktober 2021 stellte das Kantonale Steueramt St. Gal len fest, dass die A. AG seit dem April 2011 (mindestens für die Steuerperio - den vom April 2011 bis zum März 2021) im Kanton aufgrund des Orts der tat sächlichen Verwaltung der unbeschränk ten Steuerpflicht unterliege.
Nach der bundesgerichtlichen Recht sprechung zu Art. 127 Abs. 3 BV liegt das Hauptsteuerdomizil einer juristi schen Person am Ort der tatsächlichen Verwaltung. Das bedeutet, so das Bun desgericht, dass die juristische Person zwar nach kantonalem Steuerrecht an ihrem Sitz unbeschränkt steuerpflichtig ist, selbst wenn sie dort nur einen Brief kasten unterhält. Dieser nach kantona lem Recht begründete Besteuerungs anspruch des Sitzkantons wird jedoch nach den Grundsätzen des Bundesrechts über das Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung durch den Besteue rungsanspruch des Kantons der tatsäch lichen Verwaltung verdrängt.
Die tatsächliche Verwaltung einer juristischen Person liege am Ort, wo die Fäden der Geschäftsführung zusam menlaufen, die wesentlichen Unterneh mensentscheide fallen, die normaler weise am Sitz sich abspielende Ge schäftsführung besorgt würde und die Gesellschaft den wirklichen, tatsächli chen Mittelpunkt ihrer ökonomischen Existenz habe. Massgebend sei somit die Führung der laufenden Geschäfte im Rahmen des Gesellschaftszwecks; finde sie an mehreren Orten statt, sei der Schwerpunkt der Geschäftsführung massgebend.
Das Verwaltungsgericht St. Gallen hatte festgestellt, dass die Beschwerde führerin per Oktober 2008 gleichzeitig mit der Sitzverlegung im Kanton Ap penzell Ausserrhoden als Untermiete rin ein Büro mit der Fläche von ca. 10 m2 bzw. 16,6 m2 und entsprechender Infra struktur gemietet hatte. Gegenstand des Untermietvertrags bildete ein «Co Working-Arbeitsplatz inkl. Nutzung der Infrastruktur» zum Mietpreis von 300 Franken pro Monat, einschliesslich Heiz- und Nebenkosten. Im Kanton St. Gallen wurden weiterhin grosszügige Räumlichkeiten unterhalten.
Wo die Geschäfte geführt werden und die einzelnen Entscheide getrofen würden, die den Ort der tatsächlichen Verwaltung einer juristischen Person bestimmen, sei eine Tatsache, deren Feststellung für die beweisführungsbe lasteten Steuerbehörden regelmässig unmöglich oder zumindest unzumutbar sei. Im Sinne einer Beweiserleichterung (Senkung des Beweismasses) sei des halb davon auszugehen, dass sich der Ort der tatsächlichen Verwaltung einer juristischen Person im Kantonsgebiet befinde, sobald eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass sich die relevante Geschäftsführung schwergewichtig an einem bestimmten Ort im Kantonsgebiet abspiele. Dabei stehe es der steuerpflichtigen juristi schen Person frei, den Gegenbeweis an zutreten und Beweismittel beizubrin gen, die gegen die tatsächliche Verwal tung im Kantonsgebiet sprechen würden.
In der Tat liessen es der Umstand, dass sich der Ort der tatsächlichen Ver waltung der Beschwerdeführerin bis zur Sitzverlegung im Jahr 2008 soweit er sichtlich unbestrittenermassen im Kan ton St. Gallen befunden hatte, sowie die dort nach der Sitzverlegung weiterhin unterhaltenen grosszügigen Räumlich keiten, der Aussenauftritt der Beschwer deführerin und die sehr bescheidenen Räumlichkeiten im Kanton Appenzell Ausserrhoden als zumindest überwie gend wahrscheinlich erscheinen, dass die relevanten Geschäftsentscheide schwer gewichtig am Standort der Beschwer deführerin im Kanton St. Gallen getrof fen würden und dort der Schwerpunkt der Geschäftsführung liegt.
Das Urteil des Bundesgerichts gibt stringent die gültige Praxis wieder. Für den tatsächlichen Sitz genügt die An mietung von Räumlichkeiten ohne sub stanzielle Aktivitäten vor Ort allein nicht. Die Steuerbehörden prüfen ver mehrt derartige Strukturen. Betrofene Pflichtige tun gut daran, ihre individu elle interkantonale steuerliche Situation rechtzeitig zu überprüfen und entspre chende Massnahmen zu ergreifen.
5. BGer 9C_195/2023 vom 20. Februar 2024: Schenkungssteuer im Konku binat – Vermutung einer Schenkungs absicht?
Mit Vertrag vom November 2019 (Be urkundungsdatum) wurde ein Grund stück zu je hälftigem Miteigentum von A. auf seinen Sohn B. und dessen Kon kubinatspartnerin, die Steuerpflichtige, übertragen. Vom Übertragungswert (1,55 Mio. Franken) wurden 550'000 begli chen und der Restbetrag von 1 Million wurde B. mittels Erbvorbezug erlassen. Mit Verfügung vom November 2020 auferlegte die Steuerverwaltung Basel land der Steuerpflichtigen eine Schen kungssteuer von 147'000 Franken (Steu ersatz von 30 % für Dritte; Bemessungs grundlage von 490'000 Franken nach Berücksichtigung des Steuerfreibetra ges; § 12 Abs. 1 lit. d ESchStG BL).
Das Steuer- und Enteignungsgericht Baselland hiess einen Rekurs gegen den abweisenden Einspracheentscheid inso fern gut, als der Steuersatz für Konku binatspaare (§ 12 Abs. 1 lit. b ESchStG BL) anzuwenden sei. Die Beschwerde der Steuerpflichtigen ans Kantongericht Baselland blieb erfolglos.
Gemäss § 2 Abs. 1 ESchStG BL gilt jede freiwillige und unentgeltliche Zu wendung von Geld, Sachen oder Rech ten irgendwelcher Art, mit Einschluss des Erbauskaufes und der Stiftung so wie des schenkungsweisen Erlasses von Verbindlichkeiten als (steuerbare) Schenkung. Der Erbvorbezug ist der Schenkung gleichgestellt (§ 2 Abs. 3 ESchStG BL). Diese kantonalrechtliche Schenkungsdefinition stimmt mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Abgrenzung steuerbarer Einkünfte von einkommenssteuerfreien Schen kungen überein. Demnach liegt eine Schenkung vor, wenn eine unentgelt liche Zuwendung unter Lebenden mit Schenkungsabsicht («animus donan di») erfolgt. Die Schenkungsabsicht setzt voraus, dass der Zuwendende Wis sen sowie Wollen bezüglich der Vermö genszuwendung und der Unentgeltlich keit hat.
Vorliegend ist unbestritten, dass A. seinen Sohn B. und nicht die Steuer pflichtige begünstigen wollte. Umstrit ten ist jedoch, ob B. der Steuerpflichti gen eine Schenkung des hälftigen Erb vorbezuges zukommen liess.
Das Bundesgericht schützt hier die Würdigung der Vorinstanz, wonach in folge des langjährigen Konkubinats verhältnisses die Schenkungsabsicht zu vermuten ist. Es sei unglaubwürdig, dass die Forderung in Höhe von 500'000 Franken im Erbfall (aufgrund der Aus gleichungspflicht gegenüber den Mit erben) oder bei Auflösung des Konku binats ohne schriftliche Vereinbarung geltend gemacht werde. Des Weiteren werde die Forderung in den Steuerer klärungen nicht aufgeführt, weshalb ins besondere aufgrund des Forderungs betrages von einer Schenkungsabsicht auszugehen sei. Daran ändert auch die nachträglich erstellte schriftliche Ver einbarung vom Oktober 2021 nichts. Diese ist untauglich, den Schenkungs willen im Zeitpunkt der Eigentumsüber tragung zu widerlegen. Zumal diese erst nach einer Verhandlung vor dem Steuer- und Enteignungsgericht Basel land erstellt wurde. Im Übrigen ist vor liegend eine Schenkung in Form des Forderungserlasses zu prüfen, welche – anders als das Schenkungsversprechen eines Grundstücks bzw. Grundstückan teils – keiner öfentlichen Beurkundung bedarf (Art. 243 Abs. 2 OR e contrario). Die Beschwerde der Steuerpflichtigen wird abgewiesen.
Der Entscheid zeigt, dass bei nicht steuerbefreiten Schenkungen Vorsicht geboten ist. Steuerplanerische Struktu rierungen, bspw. mittels eines simulier ten Darlehens, können schnell zu einem Bumerang werden.
6. BGer 9C_161/2023 vom 6. Juni 2023: Abzugsfähigkeit von Liegen schaftsunterhaltskosten bei der Ein kommenssteuer – es erfolgt keine Gesamtbetrachtung mehr.
Die Beschwerdeführer erwarben im Jahr 2015 ein ehemaliges Bauernhaus aus dem Jahr 1935. Ab dem Jahr 2016 bewohnten sie das Bauernhaus und be gannen mit der Renovation. Die Ver anlagungsbehörde anerkannte für die Steuerperiode 2016 Liegenschaftsun terhaltskosten in der Höhe von 163'098 Franken als von der Einkommenssteuer abzugsfähig. Für die Steuerperiode 2017 liess die Veranlagungsbehörde von den Unterhaltskosten von total 283'570 Franken lediglich Unterhaltskosten in der Höhe von 50'455 zum Abzug zu, nach einer Einsprache wurde der Abzug auf 60'455 erhöht.
Die Vorinstanz lehnte den Abzug der weiteren Unterhaltskosten aufgrund der Annahme eines «wirtschaftlichen Neu baus» ab. Im Rahmen des «wirtschaft lichen Neubaus» seien die Aufwen dungen integral als wertvermehrend zu charakterisieren. Dabei stützte sich die Vorinstanz auf mehrere unpublizierte Urteile des Bundesgerichts. Die in die sen Urteilen vertretene Aufassung wur de durch das Bundesgericht allerdings mit einem kürzlich ergangenen Leitur teil (9C_677/2021 vom 23. Februar 2023) aufgegeben. Das höchste Gericht führte in diesem Urteil aus, dass eine Totalsanierung bzw. ein Renovierungs oder Umbauprojekt einer neu erworbe nen Liegenschaft unter Berücksichti gung einer objektiv-technischen Be trachtung werterhaltende Liegenschafts unterhaltskosten darstellt und daher eine «wirtschaftliche» Gesamtbetrachtung nicht mit dem Wortlaut und der Entste hungsgeschichte von Art. 32 Abs. 2 DBG vereinbar ist. Daher ist für alle Liegenschaftsunterhaltsarbeiten – unter Mitwirkung des Steuerpflichtigen – eine individuelle Betrachtung, gestützt auf den vorerwähnten objektiv-technischen Charakter der Arbeiten, vorzunehmen, ob diese dazu dienen, den früheren Zustand der Liegenschaft wiederherzu stellen.
Der Einwand der Beschwerdeführer wurde durch das Bundesgericht als begründet erachtet und gutgeheissen. Steuerpflichtige sind gut beraten, im kantonalen Verfahren den werterhalten den Charakter der ausgeführten Arbei ten detailliert aufzuzeigen. Die zustän digen Steuerbehörden haben unter Be zug auf die geänderte Praxis in Sachen «wirtschaftlichen Neubaus» nach einer objektiv-technischen Herangehensweise die Abgrenzung zwischen Unterhalts und Anlagekosten vorzunehmen. Eine Gesamtbetrachtung ist nicht mehr ak zeptabel. Vergleichsmassstab bildet nicht der Wert des Grundstücks insgesamt, sondern derjenige der konkret instand gehaltenen oder ersetzten Installation.
7. Fazit
Die vorangehenden Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenhei ten an das Bundesgericht wurden teil weise gutgeheissen. Für die obsiegen den Steuerpflichtigen hat sich der auf wendige Gang nach Lausanne für ein mal gelohnt. So weit sollte es aber nicht kommen. Durch eine sorgfältige steuer liche Planung unter Berücksichtigung der aktuellen steuerlichen Verfahrens - praxis sowie der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und durch Einholung einer verbindlichen Auskunft seitens der zuständigen Steuerbehörden kön nen derartige unerwünschte Situationen bestenfalls von vorneherein vermieden werden.
Originally published by Private Magazine.
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