Key Take-aways
1. Bei Auslandtätigkeit eines Mitarbeitenden sind die am Arbeitsort geltenden zwingenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen einzuhalten. Zudem sind die ausländischen Visaund Einreisebestimmungen zu beachten. | 2. Sozialversicherungsrechtlich ist zu prüfen, ob ein internationales Sozialversicherungsabkommen Anwendung findet. | 3. Steuerrechtlich sind zwingend das anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen sowie allfällige zusätzliche staatsvertragliche Vereinbarungen zu beachten. |
1 Einführung
Unsere Arbeitsweise hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Telearbeit ist in vielen Berufen längst technisch möglich, und für viele Mitarbeitende ist die Möglichkeit, remote zu arbeiten, heutzutage ein Muss bei der Jobsuche.
Telearbeit innerhalb der Schweiz stellt für Schweizer Arbeitgeber in der Regel kaum eine rechtliche Herausforderung dar. Zunehmend äussern Mitarbeitende jedoch den Wunsch, auch ausserhalb der Schweiz zu arbeiten. Besonders Grenzgänger mit Wohnsitz im Ausland möchten vermehrt von zu Hause arbeiten, anstatt in die Schweiz zu pendeln. Gleichzeitig häufen sich Anfragen von Mitarbeitenden mit Wohnsitz in der Schweiz, ihren Arbeitsplatz zeitweise ins Ausland zu verlegen, sei es, um Verwandte zu besuchen, betagten Eltern im Ausland beizustehen oder ihre Ferien zu verlängern (sog. Workation).
Doch Telearbeit im Ausland kann für Schweizer Arbeitgeber zu einwanderungs-, arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Problemen führen. Nachfolgend werden die diesbezüglich wichtigsten rechtlichen Risiken sowie Lösungen zur Risikominimierung aufgezeigt. Zudem werden aktuelle Entwicklungen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht beleuchtet.
2 Einwanderungsrecht
Reguläre Arbeitstätigkeit im Ausland und in der Schweiz: Beschäftigt ein Schweizer Unternehmen Mitarbeitende mit Wohnsitz im Ausland, so dürfte die teilweise Arbeitstätigkeit im Wohnsitzstaat einwanderungsrechtlich keine Probleme bereiten, da der ausländische Mitarbeitende in seinem Wohnsitzstaat in der Regel zur Arbeit berechtigt ist. Soll der Mitarbeitende jedoch teilweise oder gar vorwiegend in der Schweiz arbeiten, so bedarf der ausländische Mitarbeitende einer Schweizer Arbeitserlaubnis.
Während EU/EFTA-Bürger von der Personenfreizügigkeit profitieren und ihre teilweise Erwerbstätigkeit in der Schweiz lediglich anmelden müssen oder Anspruch auf eine Grenzgängerbewilligung haben, benötigen ausländische Arbeitnehmer aus Drittstaaten eine Arbeitsbewilligung.
Diese Bewilligungen sind kontingentiert und werden nur qualifizierten Fachkräften unter strengen Auflagen erteilt. Für Schweizer Arbeitgeber ist es daher schwierig, Drittstaatsangehörige zu beschäftigen, wenn diese in der Schweiz arbeiten sollen. Wichtig ist, dass das Schweizer Unternehmen vor Aufnahme der Arbeit in der Schweiz die richtige Bewilligung für den ausländischen Mitarbeitenden einholt. Verstösse gegen die schweizerischen Einwanderungsbestimmungen können mit Geldstrafe oder Haftstrafen geahndet werden. Zudem ist empfohlen, die Gültigkeit des Arbeitsvertrags von der Erteilung einer Arbeitsbewilligung abhängig zu machen.
Workation: Schweizer Mitarbeitende, die vorübergehend im Ausland arbeiten möchten, müssen vorgängig die an der Destination geltenden Einreise- und Arbeitsbewilligungsvorschriften prüfen. Touristenvisa erlauben meist keine Erwerbstätigkeit, weshalb in vielen Ländern spezielle Visa erforderlich sind, wenn vor Ort gearbeitet werden soll. Einige Staaten, wie bspw. Australien oder Griechenland, bieten inzwischen Visa für digitale Nomaden an, die es ausländischen Mitarbeitenden erlauben, für eine begrenzte Dauer im entsprechenden Hoheitsgebiet zu arbeiten. Die Einreise- und Arbeitsbewilligungsvorschriften sind zwingend einzuhalten. Andernfalls drohen je nach Reiseland Geldstrafen, Ausweisung oder zukünftige Einreiseverbote.
Ausländische Staatsangehörige mit Schweizer Aufenthaltsbewilligung riskieren zudem deren Verlust, wenn sie die Schweiz für mehr als drei bzw. sechs Monate (je nach Bewilligungstyp) verlassen. Länger dauernde Auslandaufenthalte sollten von diesen Personen deshalb vermieden werden.
3 Arbeitsrecht
Arbeitet eine Person für einen Schweizer Arbeitgeber mehrheitlich in der Schweiz, untersteht das Arbeitsverhältnis in der Regel Schweizer Recht, und Schweizer Gerichte sind zuständig, über mögliche Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis zu urteilen. Oft schliessen die Parteien im Arbeitsvertrag eine Rechtswahl zugunsten des Schweizer Rechts ab. Unabhängig davon gelten für alle Mitarbeitenden, welche auf Schweizer Boden arbeiten, die zwingenden Mindestvorschriften des Schweizer Arbeitsgesetzes (bspw. betreffend Höchstarbeits- und Ruhezeiten).
Verlegen Mitarbeitende ihren Arbeitsort vorübergehend ins Ausland oder arbeiten sie regelmässig im Wohnsitzstaat im Ausland für ein Schweizer Unternehmen, so kann dies zu einer Verschiebung der anwendbaren Vorschriften zugunsten des ausländischen Rechts und der Zuständigkeit ausländischer Gerichte führen. Die Mindestvorschriften des Schweizer Arbeitsgesetzes finden keine Anwendung mehr, sobald Mitarbeitende im Ausland arbeiten. Die meisten Länder haben ähnliche zwingende Vorschriften, die automatisch für alle dort arbeitenden Personen gelten. Bei Auslandtätigkeit eines Mitarbeitenden muss der Schweizer Arbeitgeber diese grundsätzlich einhalten.
Dies ist vor allem bei kurzen Auslandeinsätzen problematisch, da es Schweizer Arbeitgebern in der Praxis - zumindest mit vernünftigem Aufwand - nicht möglich sein wird alle Mindestschutzstandards an jedem Reiseziel zu kennen. Zur Risikominimierung sollten Schweizer Arbeitgeber deshalb während kurzer Arbeitseinsätze ihrer Mitarbeitenden zumindest die Mindestvorschriften des Schweizer Arbeitsgesetzes einhalten. Dies entbindet den Arbeitgeber jedoch nicht von seinen Verpflichtungen im Ausland nach dem dort geltenden Recht.
Bei längeren oder regelmässigen Auslandeinsätzen besteht das Risiko, dass der Mitarbeitende basierend auf internationale Abkommen (bspw. Lugano Übereinkommen) gegen den Schweizer Arbeitgeber im Ausland klagt und sich dabei erfolgreich auf die Anwendbarkeit zwingender ausländischer Bestimmungen beruft. Dies insbesondere, wenn ausländische Bestimmungen zwingender Natur für den Mitarbeitenden günstiger sind als die Schweizer Rechtsvorschriften.
Zur Risikominimierung wird empfohlen, Auslandeinsätze in einem Reglement festzulegen, einschliesslich Beschränkung der Dauer und Destinationen (z. B. max. 30 Tage pro Jahr, nur EU-Länder). Bei regelmässiger oder dauerhafter Auslandstätigkeit einzelner Mitarbeitenden kann es auch sinnvoll sein, einen lokalen Anwalt zu konsultieren, um zwingend anwendbare Mindeststandards zu prüfen.
Einhaltung zwingender Schweizer Mindestvorschriften auch bei Arbeitstätigkeit im Ausland empfohlen
4 Sozialversicherungsrecht
4.1 Versicherungsunterstellung
Bei grenzüberschreitender Telearbeit ist abzuklären, in welchem Staat eine Sozialversicherungspflicht begründet wird. Dabei ist entscheidend, ob ein Sozialversicherungsabkommen Anwendung findet oder ausschliesslich lokales Schweizer Sozialversicherungsrecht gilt. In Beziehung zu den EU/EFTA Staaten gelten die Bestimmungen der Grundverordnung (EG) Nr. 883/2004 und ihrer Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 (zusammen “EU/EFTA Abkommen”). Bei Tätigkeiten oder Wohnsitz ausserhalb der EU/EFTA ist zu prüfen, ob die Schweiz mit dem betreffenden Staat ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat, und ob dieses im konkreten Fall Anwendung finden kann.
4.2 EU/EFTA Abkommen
Das EU/EFTA Abkommen gilt nur für Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates, welche in einem oder mehreren Mitgliedstaaten tätig sind. Bei Tätigkeit in mehreren Staaten wird anhand der Koordinationsregeln im Abkommen analysiert, welcher Staat der zuständige Trägerstaat ist. Die Sozialversicherungsunterstellung erfolgt ausschliesslich im zuständigen Trägerstaat. Das heisst, dass Einkommen aus Tätigkeiten in anderen EU/EFTA Staaten ebenfalls im zuständigen Trägerstaat abgerechnet wird, und es nicht zu einer Mehrfachunterstellung in verschiedenen Mitgliedstaaten kommt.
Eine Person, die in mehreren Mitgliedstaaten unselbständig tätig ist, unterliegt dem Sozialversicherungssystem des Wohnstaats, sofern sie dort mindestens 25% ihrer Tätigkeit ausübt. Falls die Person ausschliesslich bei einem Arbeitgeber angestellt ist und die unselbständige Tätigkeit im Wohnstaat weniger als 25% beträgt, liegt die Versicherungspflicht im Staat des Arbeitgebers.
Bei gleichzeitiger unselbständiger- und selbständiger Erwerbstätigkeit liegt die Versicherungsunterstellung im Staat, in dem die unselbständige Tätigkeit ausgeübt wird. Ob eine Tätigkeit für die Festlegung des Trägerstaats als „unselbständig“ oder „selbständig“ qualifiziert, bestimmt sich nach dem Sozialversicherungsrecht des Tätigkeitsstaates (sog. Qualifikation 1. Ordnung). Für die Abrechnung der Sozialversicherungsbeiträge ist aber ausschliesslich die Qualifikation des Trägerstaats ausschlaggebend (sog. Qualifikation 2. Ordnung).
Unbedeutende Tätigkeiten unter 5% werden für die Festlegung des zuständigen Trägerstaats nicht berücksichtigt. Die Leitung eines Schweizer Unternehmens (z.B. Tätigkeit als Verwaltungsrat) gilt jedoch unabhängig vom Pensum nie als unbedeutend.
4.3 Rahmenvereinbarung für grenzüberschreitende Telearbeit
Das EU/EFTA Abkommen sieht vor, dass zwei oder mehrere Mitgliedstaaten einvernehmlich Ausnahmen zu den Regelungen im Abkommen treffen können. Eine solche Ausnahme wurde am 1. Juli 2023 mit der multilateralen Rahmenvereinbarung über die Telearbeit („TA-Vereinbarung“) geschaffen. Die TA-Vereinbarung wurde in der Zwischenzeit von der Schweiz und diversen EU/EFTA Mitgliedstaaten unterzeichnet, darunter insbesondere von den Nachbarstaaten Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Frankreich und Italien.
Die TA-Vereinbarung sieht vor, dass die Versicherungsunterstellung auf Antrag im Sitzstaat des Arbeitgebers verbleibt, wenn die Tätigkeit im Wohnstaat 25% überschreitet aber keine 50% erreicht. D.h. bei grenzüberschreitender Telearbeit zwischen 25% bis 49.9% besteht Gestaltungsfreiraum betreffend Versicherungsunterstellung im Wohnstaat oder im Arbeitgeberstaat. Wenn von der TA-Vereinbarung Gebrauch gemacht werden kann, sind bei einem Vollzeitpensum beispielsweise zwei ausländische Home-Office Tage (= 40%) pro Woche möglich, ohne dass die Versicherungsunterstellung in den Wohnstaat kippt.
Flexibilität betreffend Trägerstaat bei Telearbeit zwischen 25% - 49.9%
Die TA-Vereinbarung gilt nur bei ausschliesslicher Telearbeit im Wohnstaat (d.h. für gewöhnlich keine Kundenbesuche etc.) und auch nur, wenn der Mitarbeitende nicht für gewöhnlich noch in einem dritten Staat tätig ist.
5 Steuerrecht
Die steuerlichen Auswirkungen von grenzüberschreitender Telearbeit sind komplex und vielfältig. Sie hängen vom Steuerstatus (Grenzgänger vs. internationaler Wochenaufenthalter) und von der jeweiligen Länderkonstellation ab. Bei grenzüberschreitender Telearbeit sind daher zwingend das auf den konkreten Sachverhalt anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen sowie allfällige zusätzliche staatsvertragliche Vereinbarungen zu prüfen.
Erwähnenswert ist, dass die Schweiz sowohl mit Frankreich als auch mit Italien eine Vereinbarung betreffend die Besteuerung von grenzüberschreitender Telearbeit im Home-Office abgeschlossen hat. Basierend darauf hat Telearbeit im Ansässigkeitsstaat bis zu einem gewissen Umfang keinen Einfluss auf den Grenzgängerstatus und die damit verbundenen Einkommensbesteuerungsregeln (Frankreich: jährlich bis zu 40% der Arbeitszeit; Italien: jährlich bis zu 25% der Arbeitszeit.).
Bundesgesetz über die Besteuerung der Telearbeit seit 1. Januar 2025 in Kraft
Damit die Schweiz im Ausland erwirtschaftete Erwerbseinkünfte von ausländischen Arbeitnehmenden besteuern kann, ist am 1. Januar 2025 das Bundesgesetz über die Besteuerung der Telearbeit im internationalen Verhältnis in Kraft getreten. Es bezieht sich ausschliesslich auf die fünf Nachbarstaaten, und setzt voraus, dass ein internationales Abkommen mit dem jeweiligen Nachbarstaat der Schweiz das Besteuerungsrecht auf die ausländischen Arbeitstage zuweist.
Bei grenzüberschreitender Telearbeit im Home-Office ist zu empfehlen, mit lokalen Steuerspezialisten abzuklären, ob ein Betriebsstättenrisiko besteht, d.h. ob der Schweizer Arbeitgeber am Ort der ausländischen Tätigkeit steuerpflichtig werden könnte.
6 Fazit
Grenzüberschreitende Telearbeit birgt viele Chancen, aber auch Risiken. Die Komplexität liegt im Detail und je nach Fallkonstellation können die Auswirkungen von grenzüberschreitender Telearbeit sehr unterschiedlich ausfallen. Um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen, ist vor dem Start der grenzüberschreitenden Tätigkeit dringend eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der verschiedenen Rechtsgebiete empfohlen.
The content of this article is intended to provide a general guide to the subject matter. Specialist advice should be sought about your specific circumstances.