- Allgemeine Einführung
In der EU besteht einer der Hauptzwecke von Zöllen darin, die EU-Hersteller von Waren vor ausländischer Konkurrenz (d. h. Waren aus Nicht-EU-Ländern) zu schützen, indem eine Steuer auf importierte Waren (so genannte Schutzzölle) erhoben wird; eine solche Steuer wird daher nicht auf in der EU hergestellte Waren erhoben.
Zölle werden also nur einmal erhoben- im Rahmen einer Einfuhr von Waren aus Nicht-EU-Ländern. Der Zweck der Einnahmeerzielung (sog. Finanzzölle) ist für die Mitgliedsstaaten dagegen zweitrangig, da 75% der erhobenen Zölle in den EU-Haushalt und 25% in den jeweiligen erhebenden Mitgliedsstaat fließen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des europäischen Zolltarifs ist die Möglichkeit der EU, mit Drittländern Präferenzabkommen zu schließen, um eine gegenseitige Senkung der Zölle und eine wirtschaftliche Integration zu erreichen (Freihandels- und Zollunionsabkommen). Darüber hinaus gewährt die EU autonome Zollaussetzungen und Zollkontingente für Waren, die von den EU-Produzenten benötigt werden (und die in der EU nicht oder nicht in ausreichenden Mengen verfügbar sind), sowie autonome Zollpräferenzen für Entwicklungsländer (Handel statt Hilfe). All dies wäre ohne die Existenz eines Zolltarifs für Waren aus Nicht-EU-Ländern nicht möglich. Ein weiterer zusätzlicher Zweck des Zollrechts ist der Schutz der Sicherheit der internationalen Lieferkette. Zu diesem Zweck wurde insbesondere das Institut des "Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (AEO)" geschaffen sowie Risikoanalysen und Risikomanagement in das Zollrecht implementiert.
Der Zweck der Mehrwertsteuer und der besonderen Verbrauchsteuern besteht hingegen darin, Einnahmen für den öffentlichen Haushalt zu erzielen. Im Falle der Zölle und der Mehrwertsteuer gilt dies für alle Waren, im Falle der besonderen Verbrauchsteuern nur für bestimmte Waren. Darüber hinaus umfasst die Mehrwertsteuer auch Dienstleistungen.
- Anfall von Zoll und Mehrwertsteuer
Im Zollrecht ist die Einfuhr nicht mit dem Entstehen einer Zollschuld verbunden; vielmehr unterliegen Nicht-Unionswaren der zollamtlichen Überwachung, wenn sie über die Grenze gebracht werden. Lediglich der Zollschuldbegriff des vorschriftswidrigen Verbringens in das Zollgebiet der Union in Art. 201 des Zollkodex (im Folgenden: "ZK") verweist die Einfuhr auf die Zollforderung des Staates, die nach dem Wirtschaftszollkonzept an den unmittelbaren oder unmittelbar bevorstehenden Eintritt einer Ware in den Wirtschaftskreislauf gebunden ist.
Art. 203 ZK regelt den Entzug von Nicht-Unionswaren aus der zollamtlichen Überwachung. Nach herrschender Meinung in Deutschland und Österreich folgt die EUSt immer der Zollschuld, auch bei unrechtmäßiger Zollschuld. Demnach ist die EUSt eine Art Zollabgabe. Diese traditionelle Auffassung ist jedoch nicht haltbar, da die Einfuhr von Gegenständen einen Umsatz im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellt und die Einfuhr im Sinne einer tatsächlichen inländischen Verwendung steuerbar sein muss. Dies ergibt sich aus dem verbrauchsteuerlichen Charakter der Mehrwertsteuer, die keine zollamtliche Überwachung oder Sicherheit vorsieht, die für das Zollrecht charakteristisch ist. Die Einfuhr ist die Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr in dem Sinne, dass die Waren tatsächlich in den Wirtschaftskreislauf für den inländischen Gebrauch gelangt sind.
- Vorsteuerabzug bei der Einfuhr
Nach Art. 15 Abs. 1 Ziff. 2 UStG bzw. Art. 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) UStG setzt das Recht auf Vorsteuerabzug voraus, dass die Umsatzsteuer entrichtet worden ist. Dem steht Art. 168 lit. e) MwStSystRL, denn danach muss nur die Einfuhrumsatzsteuer geschuldet sein. Im Urteil in der Rechtssache Veleclair (EuGH vom 29.03.2012, C-414/10) hat der EuGH entschieden, dass das deutsche (und österreichische) Erfordernis der Entrichtung der Mehrwertsteuer der MwSt-Richtlinie widerspricht und daher unanwendbar ist.
Die Mehrwertsteuerrichtlinie verlangt nicht, dass die Einfuhrumsatzsteuer entrichtet werden muss, bevor sie im Wege des Vorsteuerabzugs zurückgefordert werden kann. Die Kernaussage der Richtlinie lautet wie folgt: "Die Vorschriften über den Vorsteuerabzug bei der Einfuhr zielen darauf ab, die Wirtschaftsbeteiligten vollständig von der im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer zu befreien. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet daher die vollständige Neutralität der Steuerbelastung für alle wirtschaftlichen Tätigkeiten, unabhängig von deren Zweck und Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen. Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, das Recht auf Vorsteuerabzug bei der Einfuhr von der tatsächlichen vorherigen Entrichtung dieser Steuer durch den Steuerschuldner abhängig zu machen, wenn dieser auch zum Vorsteuerabzug berechtigt ist." Mit dem System des Vorsteuerabzugs soll eine- wenn auch nur vorübergehende- Belastung vermieden werden, die entstünde, wenn die Einfuhrumsatzsteuer erst nach ihrer Entrichtung als Vorsteuer abgezogen werden könnte.
Dieses Urteil hat den deutschen Gesetzgeber veranlasst, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG zu ändern und an die Rechtsprechung des EuGH anzupassen. Da nach Ansicht des Gerichts des Ausgangsverfahrens keine Steuerhinterziehung oder versuchte Steuerhinterziehung vorliegt, kann die Sanktion, eine erneute Zahlung der bereits gezahlten Mehrwertsteuer zu verlangen, ohne dass diese zweite Zahlung ein Recht auf Vorsteuerabzug bei der Einfuhr begründet, nicht als mit dem Grundsatz der Steuerneutralität vereinbar angesehen werden.
- Einfuhrumsatzsteuerabzug je nach Verfügungsberechtigung
Nach derzeitiger Praxis kann ein Unternehmer die Mehrwertsteuer nur dann als Vorsteuer abziehen, wenn die Drittlandsware nach der zoll- und steuerrechtlichen Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zur Ausführung eigener Umsätze im Inland verwendet werden soll, was eine Verfügungsbefugnis im Zeitpunkt der Einfuhr, d.h. der Überführung der Drittlandsware in den zollrechtlich freien Verkehr voraussetzt.
Diese Auffassung widerspricht dem EU-Recht, das bei der Umsatzsteuer weder auf einen Gegenstand der Lieferung noch auf die Verfügungsbefugnis abstellt. Nach dem Urteil des Finanzgerichts Hamburg 5 K 302/09 vom 19.12.2012 wird dem steuerpflichtigen Unternehmer grundsätzlich das Recht auf Vorsteuerabzug gewährt, wenn er Schuldner der Umsatzsteuer ist und dies durch den Einfuhrabgabenbescheid nachgewiesen wird.
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