Key Take-aways
- Nach der kürzlich in Kraft getretenen Revision der für Banken und Versicherungen anwendbaren Gesetze soll die Verordnung über Insolvenz- und Sanierungsverfahren bei Finanzmarktinstituten das anwendbare Recht auf Verordnungsebene anpassen.
- Diese Verfahren unterscheiden sich von den generellen Insolvenz- und Sanierungsverfahren und gelten für Banken, Wertpapierhäuser, Fondsleitungen, FINMA-regulierte kollektive Kapitalanlagen in Gesellschaftsform, Pfandbriefzentralen, Finanzmarktinfrastrukturen und Versicherungsunternehmen.
- Der Verordnungsentwurf bringt zwar keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen der bisherigen Regelungen, präzisiert aber den Kompetenzbereich der FINMA für das Insolvenz- und Sanierungsverfahren bei FINMA-beaufsichtigten Unternehmen.
1 Einführung
Nach Inkrafttreten der Revision des Bankeninsolvenz- und sanierungsverfahrens gemäss dem Bankengesetz vom 8. November 1934 (BankG) am 1. Januar 2023 und der Revision des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) vom 17. Dezember 2004 (VAG) am 1. Januar 2024, mit welcher neu ein Sanierungsverfahren für Direkt- und Rückversicherungsunternehmen eingeführt wurde, muss auch das Recht auf Verordnungsstufe, welches solche Verfahren regelt, angepasst werden. Die FINMA schlägt dies nun mit dem Entwurf der Verordnung über das Insolvenzverfahren bei Finanzmarktinstituten (E-InsV-FINMA), der am 9. Oktober 2024 publiziert wurde, vor. Die neue Verordnung sieht vor, die Insolvenzund Sanierungsverfahren für Banken, Versicherungen, kollektive Kapitalanlagen und andere Finanzmarktinstitute und Finanzmarktinfrastrukturen in einer einzigen Verordnung zusammenzufassen und damit die FINMA-Bankeninsolvenzverordnung vom 30. August 2012 (BIV-FINMA), die FINMA-Versicherungskonkursverordnung (VKV-FINMA) und die FINMA-Kollektivanlagen-Konkursverordnung (KAKV-FINMA) zu ersetzen.
2 Bankeninsolvenz- und Sanierungsverfahren
2.1. Anwendungsbereich
Eine von der FINMA bewilligte Bank unterliegt nicht der Zwangsvollstreckung nach dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG), sondern dem von der FINMA nach dem BankG angeordneten Verfahren. Hat die FINMA Grund zur Annahme, dass eine Bank entweder überschuldet ist, ernsthafte Liquiditätsprobleme hat oder die Eigenmittelanforderungen nicht erfüllt, kann sie gemäss Art. 25 ff. BankG je nach Sachlage (i) Schutzmassnahmen ergreifen, (ii) ein Sanierungsverfahren einleiten oder (iii) die Liquidation der Bank (Insolvenzverfahren) nach dem BankG anordnen. Diese Regelung gilt für Schweizer Banken mit einer Vollbanklizenz und für Inhaber einer Fintech-Lizenz nach BankG.
Schutzmassnahmen nach dem BankG können alleine oder in Kombination mit einem Sanierungsverfahren angeordnet werden. Als besonders einschneidende Schutzmassnahme können namentlich das Verbot von Zahlungen oder von Effektentransaktionen, die Schliessung der Bank oder die Stundung und Fälligkeitsaufschub von Bankschulden angeordnet werden. Die Regeln der E-InsV-FINMA sind nicht anwendbar, wenn die FINMA solche Schutzmassnahmen separat anordnet.
Aufgrund eines Querverweises auf das BankG im Finanzinstitutsgesetz vom 15. Juni 2018 (FINIG) und im Finanzmarktinfrastrukturgesetz vom 19. Juni 2019 (FinfraG) gelten alle Verfahren gemäss Artikeln 25 ff. des BankG auch für Wertpapierhäuser und für von der FINMA bewilligte Fondsleitungen (d.h. die Fondsleitungen, welche die Aktiven und Passiven einer vertraglichen kollektiven Kapitalanlage halten) sowie für die von der FINMA nach FinfraG bewilligten Schweizer Finanzmarktinfrastrukturen (darunter Börsen, multilaterale Handelssysteme, Handelssysteme für Vermögenswerte der Distributed-Ledger-Technologie (DLT), zentrale Gegenparteien, Transaktionsregister für die Meldung von Derivatgeschäften und Zahlungssysteme).
In den Anwendungsbereich solcher Verfahren nach dem BankG fallen auch (i) schweizerische Holdinggesellschaften solcher Schweizer Banken, Wertpapierhäuser, Fondsleitungen oder Finanzmarktinfrastrukturen und (ii) schweizerische Gruppengesellschaften mit Sitz in der Schweiz, die von der FINMA als Unternehmen eingestuft werden, die eine wesentliche Funktion in der Gruppe erfüllen, wie z.B. Liquiditäts-, Vermögens- oder Risikomanagement, Buchhaltungs-, IT- oder Personaldienstleistungen oder die Wahrnehmung von Rechtsund Compliance-Funktionen für Gruppengesellschaften (die FINMA veröffentlicht eine Liste solcher wesentlicher Gruppengesellschaften).
Für ausländische Unternehmen sieht das BankG ein Verfahren zur Anerkennung des ausländischen Insolvenzverfahrens vor, sofern das ausländische Unternehmen eine Schweizer Präsenz (z.B. eine Schweizer Niederlassung) oder in der Schweiz befindliche Vermögenswerte hat. Nach der Anerkennung eines solchen ausländischen Verfahrens kommt das Verfahren nach dem BankG, wie es durch die neue E-InsV-FINMA vorgesehen wird, zur Anwendung.
Was die Pfandbriefzentralen nach dem Pfandbriefgesetz vom 25. Juni 1930 betrifft, so verweist dieses Gesetz nicht auf die Verfahren des BankG. Vielmehr werden die Insolvenz- und Sanierungsverfahren direkt von der E-InsV-FINMA geregelt.
Die E-InsV-FINMA vereinheitlicht die Regeln für die Insolvenz von Banken, Wertpapierhäuser, Fondsleitungen und Versicherungen.
2.2. Wesentliche Änderungen der Regeln durch den Übergang zur E-InsV-FINMA
Die neuen Regeln der E-InsV-FINMA konsolidieren weitgehend die bisher in der BIV-FINMA, VKV-FINMA und KAKV-FINMA enthaltenen Regeln. An einigen Stellen passt die E-InsV-FINMA jedoch die bisherigen Regeln an, um dem aktuellen Stand des BankG Rechnung zu tragen. So sieht in Bezug auf die von einer Bank als Sicherheiten gestellten Vermögenswerte neben den unveränderten Safe-Harbour-Bestimmungen des Art. 27 BankG betreffend die Anerkennung von Aufrechnungs-, Verwertungs- und Übertragungsvereinbarungen etwa Art. 24 Abs. 2 E-InsV-FINMA in Anlehnung an Art. 27 Abs. 1 BankG vor, dass die Pflicht zur Herausgabe der verpfändeten Vermögenswerte an die insolvente Bank nicht nur bei verpfändeten Wertpapieren und Finanzinstrumenten, sondern auch bei verpfändetem Buchgeld und DLT-Vermögenswerten entfällt, sofern alle diese Vermögenswerte einen objektiv bestimmbaren Wert haben.
Im Rahmen der am 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Revision des BankG wurden einige wichtige Bestimmungen für Bankensanierungsverfahren, die zuvor in der BIV-FINMA enthalten waren, in das BankG verschoben Diese Bestimmungen müssen demnach nicht mehr in die E-InsV-FINMA aufgenommen werden.
3. Insolvenzverfahren bei kollektiven Kapitalanlagen
3.1. Schweizerische vertragliche Fonds
Ein von der FINMA nach dem Kollektivanlagengesetz vom 23. Juni 2006 (KAG) genehmigter vertraglicher Fonds besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit. Es handelt sich um einen Vertrag zwischen Anleger, Fondsleitung und Depotbank, wonach eine Fondsleitung das gesammelte Vermögen treuhänderisch für die Anlegerinnen und Anleger verwaltet. Da der vertragliche Fonds selbst keine Rechtspersönlichkeit besitzt, ist ein Insolvenzverfahren gegen einen vertraglichen Fonds nicht möglich. Das Konkursverfahren sollte sich daher gegen die Fondsleitung richten, die das Vermögen des vertraglichen Fonds hält. Für Fondsleitungen gelten im Prinzip die gleichen Insolvenzregeln wie für Banken und Wertpapierhäuser (siehe unter 2 oben). Ein vertraglicher Fonds kann aber, mit der Genemigung oder auf Anordnung der FINMA, mit allen Rechten und Pflichten auf eine solvente Fondsleitung übertragen werden, sofern die Weiterführung des vertraglichen Fonds im Interesse seiner Anlegerinnen und Anleger ist.
Im Konkurs einer Fondsleitung wird das Vermögen des vertraglichen Fonds, mit Ausnahme des Vermögens, das zur Deckung von Ansprüchen der Fondsleitung für die ordnungsgemässe Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, zugunsten der Anlegerinnen und Anleger aus der Konkursmasse der Fondsleitung ausgeschieden. Schulden der Fondsleitung, die nicht aus dem Fondsvertrag herrühren, können nicht mit Forderungen des betreffenden vertraglichen Fonds verrechnet werden.
Diese Grundsätze gelten auch für die Limited Qualified Investor Funds nach KAG (L-QIFs), welche als vertragliche Fonds ausgestaltet sind.
Marktteilnehmer, welche nicht über eine ordnungsgemässe Bewilligung verfügen, können von der FINMA nicht mehr basierend auf den Insolvenzregeln liquidiert werden.
3.2. Kollektive Kapitalanlagen in Gesellschaftsform
Eine Kollektive Kapitalanlage in Gesellschaftsform kann von der FINMA nach dem KAG als Investmentgesellschaft mit variablem Kapital (SICAV), als Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen (KmGK) oder als Investmentgesellschaft mit festem Kapital (SICAF) bewilligt werden. Im Gegensatz zu einem vertraglichen Fonds haben solche Vehikel eine eigene Rechtspersönlichkeit. Dies hat zur Folge, dass die SICAV, KmGK oder SICAF selbst Inhaberin der Bewilligung nach KAG ist und als Bewilligungsinhaberin Gegenstand eines von der FINMA angeordneten Insolvenzverfahrens nach der Sonderregelung der Artikel 137 ff. KAG sein kann. Das SchKG ist nur anwendbar, soweit das KAG bzw. die KKV-FINMA keine Sonderregelungen vorsehen. Die E-InsV-FINMA wird die KAKV-FINMA in Bezug auf Schweizer Fonds in Gesellschaftsform ersetzen
Besteht die Besorgnis, dass ein Bewilligungsinhaber überschuldet ist oder ernsthafte Liquiditätsprobleme hat und besteht keine Aussicht auf eine Sanierung oder ist eine solche gescheitert, so kann die FINMA über den Bewilligungsinhaber den Konkurs eröffnen, mit gleicher Wirkung wie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach dem SchKG.
L-QIFs, die als SICAV oder KmGK gegründet werden, sind als solche nicht von der FINMA bewilligt. Sie unterliegen daher nicht dem Insolvenzverfahren der FINMA und für ihren Konkurs gilt allein das SchKG.
4 Insolvenz- und Sanierungs- verfahren bei anderen Finanz- marktinstituten
Vermögensverwalterinnen und Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen und andere von der FINMA nach FINIG bewilligte Vermögensverwalterinnen und Vermögensverwalter sind nicht Gegenstand von Insolvenzverfahren, die von der FINMA nach FINIG, KAG oder BankG angeordnet werden können. Für den Konkurs und die Zahlungsunfähigkeit sowie die Restrukturierung solcher Finanzmarktinstitute ist daher allein das SchKG massgebend.
5 Insolvenz- und Sanierungs- verfahren bei Versicherern und Rückversicherern
Im Rahmen der Revision des VAG und der entsprechenden Versicherungsaufsichtsverordnung vom 9. November 2005 wurde ein Insolvenz- und Sanierungsverfahren für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen eingeführt. Dieses Verfahren ist konzeptionell an dasjenige für Banken und Wertpapierhäuser nach dem BankG angelehnt. Besteht die begründete Besorgnis, dass ein Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen überschuldet ist oder ernsthafte Liquiditätsprobleme hat, kann die FINMA Schutzmassnahmen anordnen, ein Sanierungsverfahren einleiten oder - wenn keine Aussicht auf Sanierung zumindest eines Teils des Versicherungsgeschäfts besteht - den Konkurs anordnen.
Die E-InsV-FINMA gilt für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, die einer Bewilligung der FINMA unterliegen, sowie für Holdinggesellschaften von Versicherungsgruppen und für wesentliche Gruppengesellschaften mit Sitz in der Schweiz, welche Schlüsselfunktionen für die bewilligungspflichtigen Tätigkeiten als Versicherungsunternehmen nach VAG ausüben.
Eine Besonderheit bei der Insolvenz eines Direktversicherungsunternehmens ist die Verteilung des gebundenen Vermögens an die Versicherten. Dieser Vorgang wird neu durch eine Bestimmung des VAG geregelt. Aus diesem Grund sind solche Regelungen im Gegensatz zu den bisherigen Regelungen der VKV-FINMA nicht mehr auf Verordnungsstufe in der E-InsV-FINMA enthalten.
6 Zahlungsunfähigkeit von Marktteilnehmern ohne Bewilligung
Marktteilnehmer, die eine FINMA-bewilligungspflichtige Tätigkeit ausüben, ohne ordnungsgemäss bewilligt zu sein, können von der FINMA nicht mehr nach den Regeln des BankG und der E-InsV-FINMA liquidiert werden. Die allgemeinen Regeln des SchKG sind massgebend.
7 Regeln für den Aufschub der Beendigung von Verträgen
Die neuen Regeln der E-InsV-FINMA haben keinen Einfluss auf die Möglichkeit der FINMA im Rahmen von Sanierungsverfahren die Beendigung von Verträgen aufzuschieben.
Der am 1. Januar 2016 in Kraft getretene Artikel 30a des BankG ermächtigt die FINMA, im Zusammenhang mit Schutzmassnahmen oder Sanierungsverfahren unter dem BankG (i) ein vertragliches Kündigungsrecht einer Gegenpartei oder (ii) die Ausübung von Aufrechnungs-, Verwertungs- und Übertragungsrechten (z.B. Verwertung von Sicherheiten) vorübergehend, in jedem Fall aber nicht länger als zwei Arbeitstage, aufzuschieben, wenn ein solches vertragliches Kündigungsoder sonstiges Recht ansonsten durch die Schutzmassnahmen oder das Sanierungsverfahren ausgelöst werden würde.
Diese Befugnisse gelten aufgrund des Querverweises auch für die von der FINMA beaufsichtigten Finanzmarktinstitute, die dem Sanierungsverfahren nach dem BankG unterstellt sind (siehe unter 2 oben). Für die Versicherer sind die entsprechenden Aufschubsbefugnisse im VAG geregelt.
Eine Bank muss von Gegenparteien von Verträgen, die einem anderen als dem schweizerischen Recht unterstehen oder die Zuständigkeit anderer Gerichte als der schweizerischen Gerichte vorsehen, die Aufschubsbefugnisse der FINMA nach Art. 30a BankG anerkennen lassen. Infolge des Querverweises in Art. 67 FINMAG gilt diese Pflicht auch für Wertpapierhäuser und Fondsleitungen.
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