Herausforderungen bei der internationalen Rechtsdurchsetzung von Regressansprüchen

In den letzten Jahren haben speziell Russlands Krieg gegen die Ukraine sowie die mittlerweile gelockerte Coronapolitik der Volksrepublik China zu immensen Verzögerungen und Ausfällen in der globalen Lieferkette geführt. Dies hatte bei vielen Unternehmen unweigerlich Schäden zur Folge.

Weitere Schäden und potentielle Streitigkeiten drohen durch das seit Anfang des Jahres in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz."

Weitere Herausforderungen in Lieferketten stellen sich aus dem seit dem 01.01.2023 national geltenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Ein Verstoß gegen die dort normierten Sorgfaltspflichten kann ebenfalls zu mannigfaltigen Schäden, etwa in Form von Bußgeldern, Reputationsverlusten, damit zusammenhängenden Geschäftsunterbrechungen, dem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen oder kostspieligen Anpassungen in der eigenen Beschaffungskette führen. Ein europarechtliches Pendant zum Lieferkettengesetz steht bereits in den Startlöchern.

In beiden Fällen stellt sich die Frage, ob und inwieweit eventuell Ersatz gegenüber Dritten, also insbesondere Zulieferern geltend gemacht werden kann. Ebenso stellt sich die Frage, ob entsprechende Forderungen eigener Kunden drohen können. Die damit zusammenhängenden Herausforderungen bei der Rechtsdurchsetzung in der internationalen Lieferkette sind komplex. Der folgende Überblick über mögliche Problemstellungen stellt daher allenfalls einen Ausschnitt dar.

Wahl des richtigen Forums

Bedarf es einer gerichtlichen Durchsetzung der eigenen Ansprüche, ist man bereits bei der Frage des richtigen Gerichtsstands vor eine erste Herausforderung gestellt, was bereits in der Vertragsgestaltung beachtet werden sollte. Denn sollte keine Gerichtsstandsklausel vereinbart sein, muss man regelmäßig vor die staatlichen Gerichte am Sitz des Vorlieferanten ziehen. Hier kann die Neutralität und die Qualität der Gerichte sowie die Dauer der Gerichtsverfahren stark divergieren. Wird hingegen ein deutscher Gerichtsstand gewählt, ist unbedingt darauf zu achten, dass die Vollstreckbarkeit deutscher Urteile im Ausland gewährleistet ist. Dies ist vielfach nicht oder nur eingeschränkt der Fall. Insoweit kann häufig eine Schiedsabrede von Vorteil sein, da über die New York Convention eine Vollstreckbarkeit nahezu weltweit gewährleistet ist.

Materielle Rechtsfragen und mögliche unterschiedliche Antworten

Zudem stellen sich bei Lieferstörungen materielle Rechtsfragen, etwa ob im konkreten Fall Unmöglichkeit, höhere Gewalt oder ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegt, wenn zum Beispiel durch Sanktionsfolgen bestimmte Rohstoffe nicht mehr oder nur stark verteuert zur Verfügung standen, durch den Lockdown notwendige Lieferungen ausgeblieben oder verspätet sind, und was die daraus resultierenden Folgen sind. Die Verflechtung verschiedener Vertragsbeziehungen und unterschiedlicher Rechtsordnungen verkomplizieren diese materiell-rechtliche Fragen, da sie jeweils unterschiedlich beantwortet werden können.

Streitverkündung als (un-)geeignetes Instrument bei Mehrparteienproblematik?

In diesem Zusammenhang kann es insbesondere vorkommen, dass auf der einen Seite ein Kunde Ansprüche zugesprochen bekommt, in einem eigenen Prozess gegenüber dem Vorlieferanten Ansprüche aus demselben Sachverhalt hingegen abgelehnt werden, man also selbst auf dem Schaden sitzen bleibt". Um solch divergierende Entscheidungen zu vermeiden, gibt es bei innerdeutschen Gerichtsverfahren die Möglichkeit der Streitverkündung (§§ 72 ff. ZPO). Durch die mit einer Streitverkündung ausgelöste sogenannte Interventionswirkung sind tatsächliche und rechtliche Feststellungen des Erstgerichts auch für einen Folgeprozess gegen den Vorlieferanten bindend. Zudem hemmt die wirksame Streitverkündung die Verjährung möglicher Regressansprüche gegen den Vorlieferanten.

Aber was ist, wenn der Vorlieferant seinen Sitz im Ausland hat, zumal in einem Staat, der das Institut der Streitverkündung nicht kennt? Und welche Auswirkungen hat es, wenn mit dem Kunden und/oder Vorlieferanten eine Schiedsabrede getroffen worden ist? Häufig treffen in internationalen Lieferketten ganz unterschiedliche Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsklauseln aufeinander.

Jedenfalls wenn der Vorlieferant seinen Sitz in der EU hat, ist gemäß Art. 65 Abs. 2 EuGVVO gewährleistet, dass das Gericht des Folgeprozesses an die Wirkungen der Streitverkündung gebunden ist, auch wenn der jeweilige Staat das Institut der Streitverkündung nicht kennt. Wichtig ist jedoch, die besonderen Voraussetzungen nach der EU-Zustellungsverordnung (EuZVO) bei Zustellung zu beachten. Zudem sollte – auch wenn dies bei innerdeutschen Prozessen nicht Aufgabe des Erstgerichts und daher unüblich ist – unbedingt auf eine Feststellung der Streitverkündungswirkung durch das Erstgericht hingewirkt werden, wenn der Staat des Folgeprozesses das Institut der Streitverkündung (so) nicht kennt.

Außerhalb der EU ist die internationale Streitverkündung jedoch noch schwieriger und hängt unter anderem von der sogenannten Verbürgung der Gegenseitigkeit bei der Vollstreckung ab. Sitzt der Vorlieferant etwa in Russland oder China, ist die internationale Streitverkündung daher wenig erfolgversprechend.

Wenn für Streitigkeiten vom Kunden und/oder Vorlieferanten eine Schiedsvereinbarung getroffen worden ist, ist ebenfalls fraglich, ob eine Streitverkündung möglich ist. In aller Regel wird dies in diesen Fällen nicht ohne weiteres möglich sein, ohne dass sich nicht alle Parteien hierauf einigen. Nur wenige Schiedsordnungen sehen die Möglichkeit einer Streitverkündung vor. In manchen Fällen mag ein Mehrparteienschiedsverfahren möglich sein

Ansprüche wegen Schäden im Zusammenhang mit Lieferkettensorgfaltspflichten?

Weitere Schäden und potentielle Streitigkeiten drohen durch das seit Anfang des Jahres in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

Das LkSG normiert umfassende unternehmerische Sorgfaltspflichten zur Achtung von Menschenrechten und Belangen des Umweltschutzes. Zu diesen gehören unter anderem die Einrichtung eines Risikomanagements, die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen, die sofortige Ergreifung von Abhilfemaßnahmen, die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens sowie die Dokumentations- und Berichtspflicht. Aus einer Verletzung menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten kann allerdings noch kein Verstoß gegen Bemühungspflichten gefolgert werden, solange der Regelungsadressat in angemessenem Umfang Vorkehrungen getroffen hat, um den Eintritt einer Verletzung zu verhindern.

Insoweit stellt sich die Frage, ob bei einer Verletzung entsprechender Sorgfaltspflichten eine Haftung des Unternehmens gegenüber Verletzten oder gegenüber Kunden drohen kann.

Anders als noch der Regierungsentwurf regelt § 3 Abs. 3 S. 1 LkSG allerdings ausdrücklich, dass eine Verletzung der Sorgfaltspflichten keine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen begründen soll. Das LkSG stellt daher insbesondere ausdrücklich kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar. Hierdurch sollten schwer kalkulierbare Haftungsrisiken sowie die Benachteiligung inländischer Unternehmen im internationalen Wettbewerb vermieden werden.

Eine unabhängig von den neu geschaffenen Sorgfaltspflichten begründete zivilrechtliche Haftung bleibt nach § 3 Abs. 3 S. 2 LkSG allerdings ausdrücklich unberührt. Das Bestehen solcher Haftungsansprüche wird insbesondere durch die Regelung des § 11 LkSG impliziert. Demnach kann derjenige, der geltend macht, ohne in einer überragend wichtigen geschützten Rechtsposition im Sinne von § 2 Abs. 1 LkSG verletzt zu sein, zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Rechte einer inländischen Gewerkschaft oder einer Nichtregierungsorganisation die Ermächtigung zur Prozessführung erteilen (sogenannte gewillkürte Prozessstandschaft). Eine solche Haftung kommt allerdings allein nach anderen Rechtsvorschriften als dem LkSG in Betracht. Wird dabei die Verletzung von Menschenrechtsstandards durch Vorlieferanten oder Produzenten im Ausland gerügt, ist dabei zu beachten, dass regelmäßig das Sachrecht am Ort der Rechtsgutverletzung zur Anwendung kommen wird (Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO).

Der Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts unterstellt, ist es fraglich, woher solche Ansprüche rühren sollen. Dass aus dem Vertrag zwischen Abnehmer und ausländischem Zulieferer Schutzpflichten erwachsen, deren Verletzung Ansprüche gemäß den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter begründen, dürfte mangels erforderlicher Leistungsnähe und der Schutzbedürftigkeit des Dritten regelmäßig abzulehnen sein. Auch eine Haftung auf Grundlage von vertragsähnlichen Vertrauenstatbeständen durch die nach dem LkSG abzugebende Grundsatzerklärung oder Berichtspflichten scheidet wohl aus.

Auch eine Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB, bei der das LkSG zur Konkretisierung der Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden könnte, dürfte die Wertung des § 3 Abs. 3 S. 1 LkSG unterlaufen und daher ebenfalls abzulehnen sein. Schließlich dürfte auch eine Haftung des Unternehmens für Lieferanten aus § 831 Abs. 1 BGB ausscheiden, weil der Lieferant nicht weisungsgebunden und nicht in den Organisationsbereich des Unternehmens eingegliedert ist. Auch ein Tochterunternehmen wird regelmäßig nicht als Verrichtungsgehilfe der Konzernmutter angesehen.

Drohende Ansprüche seitens etwaiger Betroffener dürften damit regelmäßig ausscheiden. Möglich bleibt je nach Vertragsgestaltung und erklärten Einhaltung der LkSG-Pflichten allerdings eine zivilrechtliche Haftung gegenüber den Kunden. Insbesondere kommt eine kaufrechtliche Gewährleistung in Betracht. Auch die Nichteinhaltung bestimmter Standards kann einen Mangel im Sinne von §§ 434 ff. BGB begründen, auch wenn eine Verletzung dieser Standards von Seiten eines Zulieferers grundsätzlich nicht nach § 278 BGB zurechenbar ist.

Betreffende Regressmöglichkeiten

Sowohl bezüglich solcher Schäden in Form einer eigenen zivilrechtlichen Haftung als auch in Form von Bußgeldern, Reputationsverlusten oder Geschäftsanpassungen stellt sich die Frage, ob und inwieweit (unter Zugrundelegung des deutschen Rechts) von Zulieferern Regress verlangt werden kann, die die betreffenden Standards nicht eingehalten haben.

Ein erstes Problem in Bezug auf mögliche Bußgelder als Schaden stellt dabei die Tatsache dar, dass diese wegen eines Verstoßes gegen Sorgfaltspflichten und nicht wegen der Verletzung von Menschenrechts- oder Umweltstandards selbst verhängt werden. Insoweit handelt es sich dabei nicht um einen durch den Zulieferer, sondern um einen selbst verursachten Schaden, der aus der Nichteinhaltung der Sorgfaltspflichten rührt.

Im Gegensatz zum LkSG sieht der Richtlinienentwurf eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen für unzureichende Präventions- oder Abhilfemaßnahmen ausdrücklich vor."

Anders stellt sich dies allerdings bei Reputationsverlusten oder sonstigen Schäden dar. Insoweit scheiden zwar deliktische Ansprüche gegenüber Vorlieferanten regelmäßig aus, da es sich bei den Schäden des in Anspruch genommenen Unternehmens in der Regel um reine Vermögensschäden handeln dürfte, die nicht nach dem Deliktsrecht ersatzfähig sind. Zudem stellen sowohl das LkSG als auch Grundrechte oder Menschenrechte in internationalen Abkommen keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar.

Vertragliche Regressansprüche des Unternehmens gegen den Zulieferer können aber – jedenfalls bei Abschluss entsprechender vertraglicher Vereinbarungen – begründet sein. Voraussetzung für einen vertraglichen Ersatzanspruch ist die Einbeziehung der Einhaltung von menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflichten in den jeweiligen Vertrag.

Daneben können Regressansprüche bestehen, die auf der kaufrechtlichen Gewährleistung des Unternehmens gegenüber seinen Endabnehmern beruhen. Zu berücksichtigen sind dann auch die Besonderheiten nach § 445a BGB, die die Geltendmachung von Regressansprüchen innerhalb von Lieferketten insoweit erleichtern sollen. Eine kaufrechtliche Haftung des Zulieferers setzt voraus, dass die menschenrechtswidrige oder umweltschädigende Herstellung der Kaufsache auch im Verhältnis des Unternehmens zum Zulieferer nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entspricht, was durch Auslegung unter Berücksichtigung etwaiger Complianceklauseln zu beurteilen ist. Auch könnte ein Mangel wegen betreffender Werbung wegen Nichteinhaltung der objektiven Beschaffenheit begründet sein, wobei dies eher im Verhältnis zu Kunden als im Verhältnis zu Zulieferern eine Rolle spielen dürfte, jedoch ebenfalls nicht auszuschließen ist.

Anstehende Änderungen durch die europäische Lieferkettenrichtlinie

Die Lage in Bezug auf Ansprüche wegen Verletzung von Lieferkettensorgfaltspflichten dürfte sich schließlich in Zukunft ändern und noch virulenter werden. Am 01.06.2023 hat das Europaparlament mehrheitlich für eine seitens der Kommission vorgeschlagene Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 [Englisch: Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)] gestimmt.

Im Gegensatz zum LkSG sieht der Richtlinienentwurf eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen für unzureichende Präventions- oder Abhilfemaßnahmen ausdrücklich vor (Art. 22 Abs. 1 CSDDD-E). Dies birgt unübersichtliche Haftungsrisiken; auch ist der Umfang der Haftung aufgrund zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe (etwa, wann von haftungsausschließenden angemessenen" Maßnahmen gesprochen werden kann) sowie bislang dem nationalen Gesetzgeber überlassenen Fragen (zum Beispiel zur Beweislast) noch offen. Auch soll nach Art. 22 Abs. 3 CSDDD-E die Haftung des Zulieferers im Übrigen unberührt bleiben, wobei offen bleibt, ob es sich hierbei um eine gesamtschuldnerische Haftung handelt oder wie das Innenverhältnis zum Zulieferer aussieht. Jedenfalls dürfte sich die Frage einer eigenen Haftung sowie von Regressansprüchen vermehrt stellen.

Fazit

Die dargestellten Beispiele verdeutlichen, dass es eine Standardlösung für Fragen der Anspruchsdurchsetzung in internationalen Lieferketten nicht gibt. Sowohl die tatsächlichen Störungen in der Lieferkette und die Schäden als auch die vertraglichen Regelungen hierzu divergieren stark von Fall zu Fall. Die richtige" Lösung ist jeweils die, die die Risiken für ein Unternehmen minimiert. Eine Einzelfallbetrachtung ist unabdingbar.

Originally published by DisputeResolution, Ausgabe 2/14, S. 3ff.

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