Die regionalen Berufungsgerichte, die zwar nach dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 5235 am 1. Juni 2005 innerhalb von zwei Jahren errichtet werden sollten, haben erst am 20. Juli 2016 ihren Betrieb aufgenommen. Mit der Aufgabenübernahme der Berufungsgerichte ist die Türkei von einem zweistufigen Instanzenzug zu einem dreistufigen Instanzenzug übergegangen.

Im zweistufigen Instanzenzug wurden die Urteile der erstinstanzlichen Gerichte sowohl auf die Rechtsanwendung als auch auf die Tatsachenfeststellung vom Kassationshof überprüft. Heute werden die Urteile der erstinstanzlichen Gerichte von den regionalen Berufungsgerichten auf Rechtsanwendung und Tatsachenfeststellung überprüft und der Kassationshof überprüft lediglich auf Rechtsanwendungsfehler. Nachdem die regionalen Berufungsgerichte ihren Betrieb aufgenommen haben, wird der Kassationshof als Revisionsgericht" agieren.

Die Einführung der regionalen Berufungsgerichte wird auch in den EU-Dokumenten zur türkischen Beitrittspartnerschaft als eine der kurzfristigen Prioritäten genannt. Die Gründung und Inbetriebnahme der regionalen Berufungsgerichte ist deshalb auch für den Partnerschaftsprozess der Türkei von Bedeutung. In diesem Zusammenhang fand die Einführung der regionalen Berufungsgerichte im EU-Fortschrittsbericht zur Türkei für das Jahr 2016 positive Resonanz. In dem Bericht wurde erwähnt, dass die Einführung der regionalen Berufungsgerichte der Vereinheitlichung der Rechtsprechung beitragen und die hohe Aufgabenlast des Kassationshofs verringern werde.

Berufung und Revision im Zivilprozess werden in der türkischen Zivilprozessordnung (das Gesetz Nr. 6100) (ZPO") geregelt. Nach den betreffenden Vorschriften ist die Berufung gegen die Endurteile und gegen einstweilige Verfügungen und Arrestbeschlüsse der erstinstanzlichen Gerichte zulässig. In der ZPO ist eine Zulassungsschranke vorgesehen: Demnach ist die Berufung für das Jahr 2016 nur dann zulässig, wenn der Streitwert 3,000 TRY übersteigt. Anders ausgedrückt, Urteile unter einem Streitwert von 3,000 TRY werden sofort rechtskräftig. Weitere Zulassungsschranken sind im Arbeitsgesetz (AG") und im Zwangsvollstreckungs- und Konkursgesetz (ZKG") vorgesehen. Nach dem AG und dem ZKG ist die Berufung für das Jahr 2016 nur dann zulässig, wenn der Streitwert 3,000 TRY bzw. 7,000 TRY übersteigt.

Die Berufungsfrist beträgt zwei Wochen ab Zustellung des begründeten Urteils an jede Partei, soweit in den spezialgesetzlichen Vorschriften keine andere Bestimmung vorgesehen ist. Die diesbezüglichen spezialgesetzlichen Bestimmungen sind in dem AG und dem ZKG enthalten. Nach dem AG beträgt die Berufungsfrist acht Tage ab der Beschlussfassung bzw. Verkündung des Urteils. Nach dem ZKG beträgt die Berufungsfrist zehn Tage ab der Beschlussfassung bzw. Verkündung des Urteils.

Die Einlegung der Berufung hemmt die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils, aber in der Regel hat allein die Einlegung der Berufung keine Auswirkungen auf die Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Urteils. Für die Hemmung der Vollstreckung ist es erforderlich, ein Urteil vom regionalen Berufungsgericht gemäß ZKG zu erhalten.

Das Berufungsverfahren beschränkt sich auf die Gründe, die von dem Berufungskläger in der Berufungsschrift vorgebracht und begründet wurden. Dabei werden Fälle, die der öffentlichen Ordnung widersprechen, bei dem regionalen Berufungsgericht von Amts wegen (ex officio) berücksichtigt. Die ZPO sieht keine Beschränkung hinsichtlich der Berufungsgründe vor. Alle Angelegenheiten, die sowohl materiell rechtlich als auch prozessrechtlich das Urteil beeinflussen, können zur Berufungsbegründung herangezogen werden.

Das regionale Berufungsgericht hat in der Regel eine mündliche Verhandlung abzuhalten. Im Berufungsprozess sind die Erhebung einer Widerklage, eine Klageänderung oder ein Klagebeitritt nicht zulässig. Die Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug nicht vorgebracht wurden, können auch nicht im Berufungsprozess vorgebracht werden - außer in den Fällen, die der öffentlichen Ordnung widersprechen - neue Beweise dürfen grundsätzlich nicht angetreten werden. Zulässig sind neue Beweismittel nur dann, wenn sie im ersten Instanzenzug trotzt ordnungsgemäßen Beweisantritts ohne Prüfung zurückgewiesen worden sind oder wenn sie wegen höherer Gewalt im ersten Instanzenzug nicht angetreten werden konnten.

Wenn das Berufungsgericht nach Überprüfung die Berufung nicht statthaft findet, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Sollte das Berufungsgericht die vorgetragenen Berufungsgründe als gegeben erachten, hebt es, wenn das erstinstanzliche Urteil auf einem prozessrechtlichen Fehler beruht, die erstinstanzliche Entscheidung auf und verweist die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurück. Sollte die erstinstanzliche Entscheidung auf einen materiell rechtlichen Fehler beruhen, hebt das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil auf und entscheidet in der Sache selbst.

Gegen die Entscheidungen der Berufungsgerichte ist die Revision grundsätzlich zulässig. In vermögensrechtlichen Streitigkeiten ist die Revision für das Jahr 2016 nach der ZPO, dem AG und dem ZKG nur dann zulässig, wenn der Streitwert 40,000 TRY übersteigt.

Es bleibt abzuwarten, ob die Einführung der Berufungsinstanzen, die hohe Aufgabenlast des Kassationshofs verringern, sich auf die Verfahrensdauer positiv auswirken und das Recht auf ein faires Verfahren stärken wird.

© Kolcuoğlu Demirkan Koçaklı Attorneys at Law 2015

The content of this article is intended to provide a general guide to the subject matter. Specialist advice should be sought about your specific circumstances.