Key Take-aways
- Die Bedeutung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen nimmt in der heutigen Geschäftswelt ständig zu. Die Festlegung geeigneter Schutzmechanismen ist zur strategischen Entscheidung geworden, die Unternehmen treffen müssen.
- In der Schweiz gibt es keine umfassenden Vorschriften. Der Geschäftsgeheimnisschutz wird durch eine Reihe verteilter Bestimmungen geregelt, unter anderem im Strafrecht und im Lauterkeitsrecht.
- Die Schaffung eines Gesamtrahmens, vom Abschluss von Geheimhaltungsvereinbarungen bis zu einer Durchsetzungsstrategie, ist für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen in der digitalen Wirtschaft zentral.
1 Einführung
Geschäftsgeheimnisse, die von (geschützten) Formeln und Prozessen bis hin zu einzigartigen Geschäftsstrategien und Kundenlisten reichen, sind von unschätzbarem Wert und können Unternehmen von ihrer Konkurrenz unterscheiden. Nach schweizerischem Recht sind Informationen nur dann als Geschäftsgeheimnis geschützt, wenn sie (1) nicht allgemein zugänglich sind, (2) einen wirtschaftlichen Wert haben und (3) der Eigentümer ein objektiv berechtigtes Interesse an ihrer Geheimhaltung sowie (4) den subjektiven Willen und die Absicht hat, sie geheim zu halten.
Im heutigen Geschäftsumfeld ist die Festlegung geeigneter Mechanismen zum Schutz sensibler Informationen zu einer strategischen Entscheidung geworden, die Unternehmen treffen müssen. Dieser Newsletter untersucht die wachsende Bedeutung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen in der heutigen Zeit, die eskalierenden Bedrohungen, die die Notwendigkeit eines robusten Schutzes unterstreichen, und die Strategien, die Unternehmen anwenden können, um ihre Geschäftsgeheimnisse zu schützen und einen Wettbewerbsvorteil zu wahren.
2 Aktuelle Trends und Entwicklungen
2.1 Geschäftsgeheimnisse werden wichtiger
Patente werden seit jeher zum Schutz von Erfindungen eingesetzt. Das Patentrecht beruht auf dem Grundsatz, dass dem Patentinhaber im Gegenzug für die Offenlegung seiner Erfindung für einen begrenzten Zeitraum Exklusivrechte gewährt werden. Ziel ist es, Innovationen zu fördern, indem technische Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Umgekehrt kann der Schutz von Geschäftsgeheimnissen im Prinzip dauerhaft sein, wenn Vertraulichkeit und wirtschaftlicher Wert gewahrt bleiben. In den letzten Jahren haben Geschäftsgeheimnisse zunehmend an Bedeutung gewonnen.
Künstliche Intelligenz (KI) macht weiterhin grosse Fortschritte und spielt eine immer wichtigere Rolle im Innovationsprozess. Nach dem geltenden Patentrecht herrscht jedoch die Auffassung, dass KI nicht als Erfinder qualifiziert werden kann, da das Erfinden auf den Menschen beschränkt ist. Folglich können Erfindungen, die von KI autonom gemacht werden, nicht patentiert werden. Wenn ein menschlicher Erfinder KI lediglich als Werkzeug im Erfindungsprozess einsetzt, kann der Mensch als Erfinder qualifiziert werden, und KI-gestützte Erfindungen können so patentiert werden. Die Rechtsunsicherheit bleibt jedoch bestehen und kann den Antragsteller davon abhalten, Patente anzumelden, und ihn dazu veranlassen, sich stattdessen auf Geschäftsgeheimnisse zu verlassen.
Das hohe Innovationstempo unterstreicht, wie wichtig es ist, kritische Informationen in Branchen, in denen der technologische Wandel sehr schnell voranschreitet, unter Verschluss zu halten. In einem solchen Szenario ist eine Erfindung nur für einen kurzen Zeitraum marktfähig, und die relativ lange Schutzdauer eines Patents rechtfertigt nicht den Zeitaufwand, die Kosten und die Risiken, die eine Patentanmeldung mit sich bringen würde.
Geschäftsgeheimnisse haben heute einen unschätzbaren Wert für jedes Unternehmen
Schliesslich stellt die Digitalisierungstechnologie einen Paradigmenwechsel bei der Erzeugung und Sammlung riesiger Datenmengen dar. Daten, die im Zuge geschäftlicher und technischer Aktivitäten entstehen, bilden die Grundlage für jede Entwicklung in der digitalen Wirtschaft. Da Daten an sich nicht durch Patente geschützt werden können, kann der Schutz von Geschäftsgeheimnissen als solider Schutz gegen den Zugang und die Nutzung nicht personenbezogener Daten dienen.
2.2 Bedrohungen von Geschäftsgeheimnissen
Gleichzeitig werden Geschäftsgeheimnisse immer angreifbarer. Internationale F&E- und Lieferkettenkooperationen zwischen Unternehmen sowie Fusionen und Übernahmen sind an der Tagesordnung. Beide Szenarien beinhalten die Offenlegung vertraulicher Informationen und das Risiko des Missbrauchs, insbesondere wenn das Vorhaben nicht erfolgreich ist.
Darüber hinaus sind Co-Working-Spaces und – inspiriert durch die Pandemie – Home Office auf dem Vormarsch, wodurch Geschäftsgeheimnisse (z.B. Kundenlisten) der Gefahr der Offenlegung gegenüber Dritten ausgesetzt sind.
Es ist ein zunehmender Trend, dass Arbeitnehmer ein eigenes Unternehmen im selben Bereich wie der alte Arbeitgeber gründen. Arbeitnehmer wechseln auch häufiger den Arbeitsplatz. Diese erhöhte Mobilität der Arbeitnehmer birgt für den ehemaligen Arbeitgeber das Risiko, dass seine Geschäftsgeheimnisse an einen Konkurrenten weitergegeben werden. Aber auch der neue Arbeitgeber läuft Gefahr, der Veruntreuung von Geschäftsgeheimnissen beschuldigt zu werden und einen Ansehensverlust zu erleiden. Es ist daher nicht überraschend, dass die Zahl der Rechtsstreitigkeiten über Geschäftsgeheimnisse zunimmt.
Schliesslich stellt auch Cyberspionage (z. B. unbefugter digitaler Zugriff auf die Daten eines Unternehmens) eine ernsthafte Bedrohung für vertrauliche, digital gespeicherte Informationen dar.
Diese Trends unterstreichen die dringende Notwendigkeit eines soliden Schutzes von Geschäftsgeheimnissen.
2.3 Rechtlicher Rahmen und aktuelle Entwicklungen
Gegenwärtig gibt es in der Schweiz keine spezifischen und umfassenden Rechtsvorschriften über Geschäftsgeheimnisse. Der Schutz erfolgt durch eine Reihe von verstreuten Bestimmungen, unter anderem im Strafrecht (z.B. unbefugte Aneignung von Daten, Verletzung von Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnissen, Wirtschaftsspionage), in spezifischen Gesetzen (z.B. Bestimmungen für Finanzdienstleistungen) und im Recht des unlauteren Wettbewerbs (Anstiftung zum Verrat/Spionage, Verbot der Verwertung/Veröffentlichung unrechtmässig erworbener Geheimnisse, siehe unseren Newsletter 04/2020).
Im Gegensatz zu der EU-Richtlinie über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen (2016/943), die darauf abzielt, Mindeststandards für ihre Mitgliedstaaten festzulegen, wird der Begriff des Geschäftsgeheimnisses im Schweizer Recht durch Anforderungen definiert, die im Wesentlichen durch die Rechtsprechung bestimmt werden. Auch wenn die EU-Gesetzgebung in der Schweiz nicht gilt, können Schweizer Unternehmen davon betroffen sein, z. B. wenn sie Niederlassungen in der EU haben, in der EU geschäftlich tätig sind und/oder Partei in einem Geschäftsgeheimnisprozess vor einem EU-Gericht sind (siehe unseren Newsletter 04/2020).
Es gibt derzeit keine spezifischen Rechtsvorschriften über Geschäftsgeheimnisse
Ein praktisches Problem bei Rechtsstreitigkeiten über Geschäftsgeheimnisse besteht darin, dass relevante vertrauliche Informationen im Rahmen des Verfahrens möglicherweise an die andere Partei weitergegeben werden müssen. Das Schweizer Recht bietet eine Reihe von Massnahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen während eines Gerichtsverfahrens (z.B. durch Beantragung von Schutzmassnahmen). Während jedoch Schutzmassnahmen in Fällen angewendet werden können, in denen Geschäftsgeheimnisse nur ein Nebenaspekt des Rechtsstreits sind (z.B. Teil einer Beweisofferte), wird die Angelegenheit komplexer, wenn ein Geschäftsgeheimnis selbst im Mittelpunkt des Rechtsstreits steht. Diese Herausforderung ergibt sich aus dem inhärenten Konflikt zwischen der Wahrung der Vertraulichkeit und der Gewährleistung des Rechts der anderen Partei auf rechtliches Gehör. Infolgedessen bestehen für Unternehmen, die ihre Rechte in Bezug auf Geschäftsgeheimnisse durchsetzen wollen, nach wie vor erhebliche Hürden, insbesondere in Fällen der widerrechtlichen Aneignung von Geschäfts geheimnissen.
Unternehmen müssen eine umfassende Schutzstrategie verfolgen
Während die Nutzung nicht-personenbezogener Daten für den Einsatz von KI und für die Erschliessung neuer Forschungsaktivitäten in der digitalen Wirtschaft von zentraler Bedeutung ist, beschäftigt die Beschränkung des Zugangs von Dateneigentümern und deren Anspruch auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen den Gesetzgeber bereits seit mehreren Jahren. Als Ergänzung zum Gesetz über digitale Dienstleistungen (DSA) und zum Gesetz über den digitalen Markt (DMA), die erlassen wurden, um einen sichereren digitalen Raum zu schaffen, der einen faireren Zugang und Austausch von Daten ermöglicht, hat der EU-Rat die EU-Datenschutzverordnung (2023/2854) verabschiedet, die auch einen angemessenen Schutz von Geschäftsgeheimnissen und Rechten des geistigen Eigentums im Falle der Offenlegung solcher Daten vorsieht. Für die Schweiz gibt es bis heute keine vergleichbare Gesetzgebung oder gar gesetzgeberische Bemühungen. Im Februar 2025 empfahl der Schweizer Bundesrat, das Übereinkommen des Europarats über KI zu ratifizieren und die erforderlichen Änderungen im Schweizer Recht vorzunehmen. Im Wesentlichen wird der Schweizer Ansatz in Bezug auf KI so sektorspezifisch wie möglich sein (z.B. mit Schwerpunkt auf dem Gesundheitswesen und dem Verkehr) und darauf abzielen, eine breite sektorübergreifende Regulierung zu vermeiden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit der Schutz von Geschäftsgeheimnissen für nicht-personenbezogene Daten berücksichtigt wird.
3 Was Unternehmen tun können
Die Schaffung eines Gesamtrahmens, der die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen sicherstellt, ist von entscheidender Bedeutung. Dazu gehören Richtlinien, die den Zugang beschränken, die Vertraulichkeit betonen und die Mitarbeiter regelmässig schulen, um Risiken zu erkennen und zu mindern. In diesem Zusammenhang sollten Unternehmen auch eine Geschäftsgeheimnispolitik für ihre Mitarbeiter einführen (z. B. solide Arbeitsverträge, Need-to-know-Prinzip, Zugangskontrollen). Hilfreich ist eine Instruktion jedes neuen Mitarbeitenden über die Geschäftsgeheimnispolitik des Unternehmens und die mit Geschäftsgeheimnissen Dritter verbundenen Risiken. Darüber hinaus können mit ausscheidenden Mitarbeitern gesonderte nachvertragliche Vertraulichkeits- und Konkurrenzverbotsvereinbarungen in Betracht gezogen werden, soweit dies gesetzlich zulässig ist.
Die Unternehmen sollten nicht nur den Schutz ihrer eigenen Geschäftsgeheimnisse sicherstellen, sondern auch geeignete Massnahmen ergreifen, um das Risiko von Rechtsstreitigkeiten zu verringern (d.h. die Kontamination mit Geschäftsgeheimnissen Dritter zu vermeiden).
Bei der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen ist es von entscheidender Bedeutung, die Vertraulichkeit durch Geheimhaltungsvereinbarungen zu formalisieren, um Geschäftsgeheimnisse zu schützen, die im Rahmen von Partnerschaften oder gemeinsamen Projekten ausgetauscht werden. Die Geheimhaltungsvereinbarungen sollten die vertraulichen Informationen (z. B. Kundenlisten usw.) und die Grenzen ihrer zulässigen Verwendung so genau wie möglich beschreiben, um die spätere Durchsetzung zu erleichtern. Im Zusammenhang mit Fusionen und Übernahmen kann der Einsatz eines „Clean Team“- Ansatzes dazu beitragen, dass sensible Informationen nur mit befugten Personen auf kontrollierte und sichere Weise ausgetauscht werden. Dies ist besonders wichtig während der Due-Diligence-Prüfung, wenn eine grosse Menge an Daten ausgetauscht werden kann und noch unklar ist, ob die Transaktion letztendlich abgeschlossen wird.
Schliesslich ist eine Durchsetzungsstrategie von entscheidender Bedeutung, um wirksam auf Verstösse und drohende Offenlegungen zu reagieren. In diesem Zusammenhang ist es für ein Unternehmen ratsam, bereits eine Person zu bestimmen, die für die Koordinierung und Unterstützung interner Sofortmassnahmen und die Beauftragung eines externen Anwalts mit superprovisorischen Massnahmen zuständig ist. In der Tat ist Zeit in solchen Szenarien von entscheidender Bedeutung und kann weiteren Schaden verhindern.
4 Fazit
Der richtige Umgang mit Geschäftsgeheimnissen ist für jedes Unternehmen von zentraler Bedeutung und erfordert eine massgeschneiderte rechtliche Strategie. Mit einem proaktiven und reaktionsschnellen Ansatz können Unternehmen das Risiko, dass ihre Geschäftsgeheimnisse veruntreut oder der Öffentlichkeit preisgegeben werden, verringern und gleichzeitig das Vertrauen und die Zusammenarbeit bei geschäftlichen Unternehmungen aufrechterhalten. Die rechtzeitige Vereinbarung und Durchsetzung von Vertraulichkeitsverpflichtungen mit Mitarbeitenden und Auftragnehmern ist für jedes Unternehmen von entscheidender Bedeutung.
The content of this article is intended to provide a general guide to the subject matter. Specialist advice should be sought about your specific circumstances.