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19 September 2025

Revision Des Heilmittelgesetzes (HMG): Erhöhte Medikationssicherheit Und Arzneimittel Für Neuartige Therapien

BK
Bär & Karrer

Contributor

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Am 3. September 2025 hat der Bundesrat die Botschaft zur Teilrevision des HMG zuhanden des Parlaments verabschiedet.
Switzerland Food, Drugs, Healthcare, Life Sciences

Am 3. September 2025 hat der Bundesrat die Botschaft zur Teilrevision des HMG zuhanden des Parlaments verabschiedet. Ziel ist es, (i) die Digitalisierung im Bereich Verschreibung, Abgabe und Anwendung von Heilmitteln zu fördern, (ii) die Arzneimittelsicherheit in der Pädiatrie zu erhöhen, (iii) den Zugang zu Arzneimitteln für neuartige Therapien zu regeln und (iv) weitgehende Äquivalenz zum EU-Recht bei den Tierarzneimitteln zu schaffen.

E-Rezepte für Heilmittel

Arzneimittelrezepte können bereits heute freiwillig elektronisch erstellt werden. Mit der Revision wird ein Paradigmenwechsel vollzogen, sodass Rezepte künftig grundsätzlich elektronisch ausgestellt und eingelöst werden müssen. Verschreibungsberechtigte Personen werden verpflichtet, Verschreibungen für Heilmittel digital auszustellen. Dies dient der durchgängigen elektronischen Übertragung, der verbesserten Lesbarkeit, einer Verringerung potenzieller Fehlerquellen sowie der Vermeidung von Fälschungen und unzulässigen Mehrfacheinlösungen.

Im Ergebnis soll die Sicherheit der Patientinnen und Patienten erhöht werden. Die technischen Anforderungen an die zu verwendenden elektronische Systeme sollen durch den Bundesrat zu einem späteren Zeitpunkt ausgearbeitet und in der Arzneimittelverordnung (VAM) verankert werden. Auf ein vom Bund betriebenes System wird verzichtet.

Die Gesundheitsfachpersonen sind dafür verantwortlich, dass sie für die Ausstellung und Einlösung der Verschreibungen Systeme verwenden, die den Datenschutz und die Datensicherheit gemäss Datenschutzgesetz (DSG) gewährleisten. Darüber hinaus sind sie zur Protokollierung der Zugriffe verpflichtet, was über die allgemeinen Vorschriften des DSG hinausgeht. Eine Datenschutzfolgeabschätzung i.S.v. Art. 22 DSG kann ebenfalls erforderlich sein.

Auf Verlangen des Patienten ist das Rezept zusätzlich in Papierform auszustellen (Druckversion des E-Rezepts), wobei in jedem Fall eine elektronisch lesbare Signatur vorausgesetzt wird. Handschriftliche Signaturen sollen nicht mehr möglich sein.

Die (elektronische) Bereitstellung einer Verschreibung gehört bereits heute zum Auftrag der Leistungserbringer im Rahmen einer zeitgemässen und qualitativ hochwertigen Versorgung. Eine zusätzliche tarifarische Vergütung ist daher nicht vorgesehen.

Neuer E-Medikationsplan

Die Revision sieht die Einführung einer gesetzlichen Grundlage für einen elektronischen Medikationsplan vor, der obligatorisch bei jeder Verschreibung, Abgabe oder Anwendung eines Arzneimittels durch die behandelnden Gesundheitsfachpersonen erstellt oder laufend aktualisiert werden muss. Der Medikationsplan führt die einzunehmenden Medikamente und deren Anwendung auf. Er hilft, Fehleinnahmen zu vermeiden, die Therapietreue zu steigern und vereinfacht den Informationsaustausch zwischen Gesundheitsfachpersonen. Zudem reduziert er Medikationsfehler und hilft, mögliche Wechselwirkungen frühzeitig zu erkennen.

Der Bundesrat regelt die Details und kann Ausnahmen von der Pflicht zur Erstellung oder Aktualisierung des Medikationsplans oder Ausnahmen von den offenzulegenden Informationen (z.B. stigmatisierende Arzneimittel) vorsehen. Für den Medikationsplan sollen darüber hinaus die gleichen technischen Anforderungen und Standards gelten wie für das E-Rezept.

Falls die neue Verpflichtung zusätzlichen Aufwand bei den Leistungserbringern verursacht, ist es Aufgabe der Tarifpartner, entsprechende Anpassungen der Tarife auszuhandeln, um eine Vergütung sicherzustellen.

Arzneimittelsicherheit in der Pädiatrie

Bei Kindern stellt die Medikation eine grosse Herausforderung dar, da es nur wenige spezifisch für Kinder zugelassene Arzneimittel gibt und Arzneimittel deshalb regelmässig Off-Label eingesetzt werden. Ausserdem sind die Dosierungen komplex, weil sie individuell pro Kind anhand von Alter, Gewicht, Körpergrösse und weiteren relevanten Faktoren zu berechnen sind.

Mit der Revision werden in einem ersten Schritt stationäre pädiatrische Einrichtungen verpflichtet, ein Clinical Decision Support System ("CDSS") zur Dosierungsberechnung einzusetzen. Damit sollen Berechnungsfehler verhindert und die Anwendungssicherheit erhöht werden. Die Pflicht gilt unabhängig davon, ob die stationäre Einrichtung als Leistungserbringer im Sinne des KVG gilt oder nicht. Ebenfalls ist unbeachtlich, ob die Behandlung stationär oder ambulant durchgeführt wird. Im Rahmen einer Verschreibung, Abgabe oder Anwendung muss ein CDSS mindestens einmal angewendet werden.

CDSS qualifizieren grundsätzlich als Medizinprodukte und müssen somit die Anforderungen des geltenden Medizinprodukterechts erfüllen.

Der Bundesrat hat bereits angekündigt, dass die Pflicht zur Verwendung von CDSS für ambulante Betriebe zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls eingeführt werden soll. Der Bundesrat kann die Anwendung auf weitere spezifische Bevölkerungsgruppen ausweiten und Ausnahmen vorsehen (z.B. Notfall Situationen).

Die Gesundheitsfachpersonen sind dafür verantwortlich, dass sie CDSS verwenden, die den Datenschutz und die Datensicherheit gemäss DSG gewährleisten und insbesondere eine Re-Identifikation des Patienten ausschliessen.

Die Verwendung von CDSS soll in den Tarifen nicht berücksichtigt werden, da sie bereits heute verbreitet sind. Die Gestehungs- und Betriebskosten des CDSS können hingegen in die Tarifberechnung einfliessen. Die Aushandlung ist wiederum Sache der Tarifpartner.

Arzneimittel für neuartige Therapien

Mit der Revision wird im HMG neu die Kategorie der Arzneimittel für neuartige Therapien eingeführt und geregelt. Die Schweiz übernimmt hierfür weitgehend die Bestimmungen der EU zu den Arzneimitteln für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, "ATMP"). Damit werden die Wettbewerbsfähigkeit und Kompatibilität zwischen den Märkten verstärkt, und der einfache und sichere Zugang zu innovativen und qualitativ hochstehenden Produkten soll gewährleistet werden.

ATMP umfassen einerseits Gentherapeutika, somatische Zelltherapeutika, biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte und Kombinationen aus ATMP und Medizinprodukten. Andererseits wird mit der ATMP-Regulierung die im Transplantationsgesetz enthaltene Kategorie der Transplantatprodukte vollständig aus dem Transplantationsgesetz ausgegliedert und in das HMG überführt.

Transplantatprodukte werden folglich neu ebenfalls als ATMP erfasst.

Dadurch entsteht ein einheitlicher regulatorischer Rahmen für Arzneimittel inkl. ATMP, und die bisherige Parallelität von HMG und Transplantationsgesetz entfällt.

Die Schweiz führt indessen mit dem neuen Art. 4 Abs. 1 Bst. aundecies E-HMG eine von der EU-abweichende Legaldefinition für ATMP ein. Wesentliche Unterschiede bestehen darin, dass die Schweiz unter den Begriff der Arzneimittel für neuartige Therapien zusätzlich auch Tierarzneimittel, mRNA-Impfstoffe und Produkte des sog. Zell- und Tissue Engineering einschliesst.

Die Einführung von ATMP führt zu zahlreichen Änderungen des HMG (u.a. Anpassungen der Zulassungsvoraussetzungen; spezifische Anforderungen an Abgabe oder Anwendung von ATMP; erweiterte Pflichten für die Nachbeobachtung, Rückverfolgbarkeit und Dokumentationsaufbewahrung; Bewilligungsvoraussetzungen für klinische Versuche; Inspektionsverantwortlichkeit von Swissmedic; Anpassung der Strafbestimmungen), und es sollen teilweise zusätzliche Vorschriften gelten (namentlich für ATMP hergestellt aus menschlichen Organen, Geweben oder Zellen, aus Stammzellen oder aus tierischen Organen, Geweben oder Zellen für die Anwendung am Menschen).

Tierarzneimittel: Weitgehende Äquivalenz zum EURecht

Um die Versorgungssicherheit mit Tierarzneimitteln in der Schweiz zu gewährleisten, sollen die Anforderungen an eine Schweizer Zulassung abgebaut werden. Unter anderem wird hierfür die geltende zeitliche Begrenzung der Zulassung für Tierarzneimittel aufgehoben, sodass diese nun grundsätzlich unbefristet gilt.

Zur Beibehaltung der Exportfähigkeit für Tiere und Tierprodukte in die EU erweitert die Schweiz die bestehenden Massnahmen gegen Antibiotikaresistenzen auf antimikrobielle Resistenzen. Nachdem mittels eines autonomen Nachvollzugs des EU-Rechts bereits das Verbot von bestimmten antimikrobiellen Arzneimitteln auf Verordnungsstufe übernommen wurde, wird nun die gesetzliche Grundlage hierfür geschaffen.

Schliesslich erfasst die Legaldefinition für ATMP auch die Tierarzneimittel. Damit wird die Gewährleistung des Marktzugangs zu neuartigen und innovativen Therapien in der Veterinärmedizin angestrebt.

Parlamentarische Beratung ausstehend

Die Botschaft zum Entwurf des revidierten HMG Anfang September dem Parlament überwiesen. Wann die parlamentarische Beratung dazu stattfinden wird, ist derzeit noch nicht bekannt.

Ausblick und Empfehlungen

Der vorliegende Entwurf zu den revidierten HMG-Bestimmungen enthält noch keine Übergangsbestimmungen, sodass der zeitliche Rahmen der technischen Umstellungen noch unklar ist. Eine frühzeitige Vorbereitung ist dennoch zu empfehlen.

Gesundheitsinstitutionen und Leistungserbringer sollten die Beschaffung der für E-Rezept, E-Medikationsplan und CDSS nötigen digitalen Infrastrukturen planen und budgetieren. Zu prüfen sind auch die datenschutzrelevanten Eigenschaften der gewählten Lösungen, damit die Compliance bei Inbetriebnahme gewährleistet ist.

Krankenversicherungsrechtliche Auswirkungen sind abhängig davon, ob und wie die Vergütungsstruktur und Tarifpositionen im Rahmen der neuen Regulierungen angepasst und ausgehandelt werden. Die Einführung der neuen Pflichten kann zwar zu höheren Kosten führen, allerdings dürfte die verbesserte Patientensicherheit auch Kosten senken.

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