Die Bundesregierung setzt auf eine zügige Ausrüstung der Bundeswehr, wofür die Lockerung der Schuldenbremse bereits den Weg geebnet hat. Im nächsten Schritt nimmt sie sich nun (erneut) die Vergabevorschriften vor. Der Referentenentwurf des BwPBBG bringt umfangreiche Vergabeerleichterungen und Beschleunigungseffekte, aber auch Nachteile mit sich, etwa beim Umgang mit ungesicherter Finanzierung und verminderten Rechtsschutz.
Die sicherheitspolitische Zeitenwende infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat bereits 2022 in Form des Gesetzes zur Beschleunigung von Beschaffungsmaßnahmen der Bundeswehr (BwBBG) zu vergaberechtlichen Erleichterungen geführt. Nun geht die Bundesregierung einen Schritt weiter: Am 25. Juni 2025 präsentierten das BMWE und das BMVg gemeinsam den Entwurf des Bundeswehr-Planungs- und -Beschaffungsbeschleunigungsgesetzes (BwPBBG), das nun dem Kabinett zum Beschluss vorliegt.
Ziel ist es, die Vergabeverfahrenfür Rüstungsprojekte zu beschleunigen, um die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit schnellstmöglich zu erhöhen. Der notwendige rasche Fähigkeitenzuwachs der Truppe soll nicht an zu komplexen Beschaffungsverfahren scheitern.
Wesentliche Neuerungen im Überblick
Das BwPBBG bündelt wie das BwBBG eine Vielzahl von Sonderregeln in einem eigenständigen Gesetz. Statt einzelne Vergabevorschriften zu ändern, wird das BwPBBG als lex specialis das Vergaberecht im Bundeswehrbereich bis 2035 punktuell modifizieren. Ein Überblick über die wichtigsten geplanten Neuerungen:
- Weiter Anwendungsbereich: Der Entwurf stellt klar, dass künftig alle Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge der Bundeswehr den Sonderregeln des BwPBBG unterliegen. Erfasst sind alle Aufträge im Geschäftsbereich des BMVg sowie bei Beschaffungen für Streitkräfte anderer EU- bzw. EWR-Mitgliedstaaten und im Auftrag des Bundes tätige Landesbehörden.
- Direktvergaben sollen vermehrt möglich sein. Wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik, aufgrund derer eine Direktvergabe bereits nach geltendem Recht möglich ist, sollen fortan u. a. auch bei Beschaffungen zum Erreichen der europäischen bzw. NATO-Verteidigungsbereitschaft berührt sein.
- Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb, sind künftig über die bisherigen Anwendungsfälle hinaus zulässig, wenn dringende Gründe einen Teilnahmewettbewerb nicht zulassen und eine kontinuierliche Leistungserbringung aus Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen sichergestellt werden muss. Ferner wird neben den erweiterten Dringlichkeitsvergaben die Ausnahmeregelung wegen eines Alleinstellungsmerkmals ergänzt. Der Teilnahmewettbewerb kann nun entfallen, wenn keine Interoperabilität gegeben ist – also dann, wenn aufgrund eines technischen Alleinstellungsmerkmals nur ein bestimmter Hersteller infrage kommt, um die Kompatibilität mit EU- und NATO-Partnern sicherzustellen.
- Losaufteilung: Die Pflicht, öffentliche Aufträge in Teillose aufzuteilen, wird bis 2030 ausgesetzt (§ 8 BwPBBG-E). Großprojekte können so ohne Zeitverzögerung aus einem Guss entstehen. Auch wenn die Auswirkungen auf die Beteiligung des Mittelstandes zu beobachten" sind (RefE, S. 30), wird die Neuregelung Beteiligungen potentiell kleinerer und mittelständischer Unternehmen sowie Startups erschweren.
- Ausschluss von Drittstaaten-Unternehmen: Öffentliche Auftraggeber können Vergaben auf Unternehmen aus EU-Staaten beschränken und verlangen, dass ein bestimmter Anteil der Waren oder Dienstleistungen von dort stammt. Bieter aus GPA- und Freihandelspartnerländern (etwa den USA) werden Unternehmen aus EU-Staaten insoweit gleichgestellt (§ 11 Abs. 5 BwPBBG-E).
- Eingeschränkter Rechtsschutz: Bieter müssen künftig erkennbare Vergabeverstöße auch bei De-Facto-Vergaben rügen. Hinzu kommt, dass die sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen der Vergabekammer keine aufschiebende Wirkung mehr hat, wenn sie den Antrag auf Nachprüfung ablehnt. Damit kann der öffentliche Auftraggeber nach einem günstigen Vergabekammerbeschluss sofort den Zuschlag erteilen, selbst wenn ein Bieter Beschwerde einlegt. Dem unterliegenden Bieter bleibt in dem Fall der Sekundärrechtsschutz.
- Vergabeverfahren ohne gesicherte Finanzierung: Zukünftig können Vergabeverfahren eingeleitet werden, obwohl der Haushaltsbeschluss noch aussteht. Die Finanzierungslücke ist in den Vergabeunterlagen transparent zu machen. Der Entwurf verspricht sich davon einen signifikanten Zeitgewinn, da Vergabe- und Haushaltsprozesse parallel laufen können. Fällt die Mittelbindung aus, darf der öffentliche Auftraggeber das Verfahren sanktionslos aufheben und das Risiko tragen die Bieter allein. Es bleibt abzuwarten, ob die Industrie angesichts eines solchen Risikos Zurückhaltung bei der Beteiligung an finanziell nicht gesicherten Vorhaben walten lässt.
- Innovationspartnerschaften: Der Entwurf nimmt die bislang nur allgemein im Vergaberecht verankerte Innovationspartnerschaft in das militärische Beschaffungsregime auf. Von dem allgemeinen Grundsatz, dass die Industriepartner bei Ausscheiden oder Abbruch keine Erstattung ihrer Entwicklungsleistungen erhalten, macht der Entwurf keine – von Unternehmerverbänden schon lange geforderte – Ausnahme. Öffentliche Auftraggeber dürfen Marktsondierung, Entwicklung und Serienbeschaffung künftig in einem Vertrag bündeln und dabei funktionale Leistungsbeschreibungen nutzen.
Ausblick
Mit leichteren Direkt- und Interimsvergaben, der Aussetzung des Losgrundsatzes oder der Rechtsschutzverkürzung hat die Bundesregierung die Voraussetzungen für eine Beschleunigung der Rüstungsvergabe geschaffen. Dem stehen – einkalkulierte – Nachteile und Risiken gegenüber:
- Die Marktzugänge für Startups und KMUs werden zwangsläufig enger. Die befristete Aussetzung der Losaufteilung und die Privilegierung bei Interoperabilität begünstigen Anbieter, die bereits großvolumig in NATO- und EU-Strukturen verankert sind.
- Zudem treffen Finanzierungsrisiken kleine Bieter ungleich härter. Verfahren ohne gesicherte Haushaltsmittel oder fehlende Kompensationsmöglichkeiten stellen allerdings Großkonzerne wie Early-Stage-Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Die Industrie fordert hier entsprechende Ausgleichsmöglichkeiten und eine sachgerechte Risikoverteilung.
- Die bewusste Verkürzung des Rechtsschutzes greift spürbar in die Bieterrechte ein, ist jedoch dem höhergewichtigen Ziel eines zeitkritischen Wehrfähigkeitsaufbaus geschuldet. Unterlegenen Bietern bleibt in den Fällen lediglich die Möglichkeit etwaiger Schadensersatzansprüche.
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