Die Stellenarchitektur, engl. Job Architecture, ist die Basis vieler Bereiche des Personalwesens. Im Besonderen ist sie die Basis der Entgeltsystematik. Mit der Job Architecture werden die Stellen strukturiert und in der Hierarchie geordnet. Die Einführung einer Job Architecture kommt daher eine entscheidende Tragweite zu. In Deutschland tritt hinzu, dass der Betriebsrat umfassende Mitbestimmungsrechte hat.
1. Bestandteile einer Job Architecture
Mit der Einführung einer Job Architecture werden alle Stellen und Rollen im Unternehmen strukturiert und kategorisiert. Jeder Stelle wird ein Job-Titel, eine Job-Familie, ein Carreer-Track (Karrierepfad), ein Job-Level und eine Gehaltsstufe zugewiesen.
- Der Job-Titel ist die spezifische Stellenbezeichnung.
- Die Job-Familien beschreiben die einzelnen Tätigkeitsbereiche fachlich.
- Die Career-Tracks bilden das Grundgerüst der Stellenarchitektur. Sie stellen dar, wie sich Mitarbeiter entwickeln können.
- Je Career-Track wird eine bestimmte Anzahl von Job-Leveln definiert. Die Job-Level bilden die unterschiedlichen Wertigkeiten der Stellen ab, indem sie durch berufliche Kriterien beschrieben und so voneinander abgegrenzt werden.
- Die Gehaltsstufen beinhalten jeweils ein Gehaltsband (Ober- und Untergrenze) für bestimmte Positionen. Die Gehaltsbänder sind den Job-Leveln in der Regel gleichgesetzt.
Die Job Architecture kann je nach Ausgestaltung weitere Elemente enthalten, wie (z. B. Job-Descriptions oder Job-Codes.
2. Bedeutung für das Personalwesen
Die Job Architecture wirkt sich auf viele Bereiche des Personalwesens aus. Hervorzuheben sind:
- Karriereentwicklung: Career-Tracks und Entwicklungsmöglichkeiten
- Talentmanagement: Identifikation von Talenten und Nachfolgeplanung
- Rekrutierung: Einheitliche Stellenanforderungen und Vergleichbarkeit von Bewerbern
- Vergütung und Benefits: Gehaltsstrukturen und Benchmarking
- Organisationsentwicklung: Unterstützung bei Restrukturierungen und strategischer Planung
3. Einführung in Betrieben ohne Betriebsrat
In einem Betrieb ohne Betriebsrat kann die Job Architecture mitbestimmungsfrei eingeführt werden. Unternehmen sollten den Prozess transparent gestalten und seine Bedeutung und Auswirkungen kommunizieren, um in der Belegschaft Akzeptanz zu schaffen.
Grundsätzlich gilt, dass es keiner arbeitsrechtlichen Maßnahmen bedarf, um Mitarbeiter einer Stelle organisatorisch zuzuordnen. Es ist insbesondere vom Direktionsrecht gedeckt, wenn beispielsweise Job-Titel geändert werden.
In der Rechtsprechung werden allerdings vereinzelt Fälle erörtert, in denen die Änderung des Job-Titels eine über das Direktionsrecht hinausgehende Maßnahme darstellen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitsvertrag eine konkrete Stellenbeschreibung nebst Job Titel enthält (u. a. LAG Rheinland-Pfalz v. 21.10.2013, 5 Sa 252/13). In diesen Fällen kann eine Umsetzung nur mit einer (betriebsbedingten) Änderungskündigung – oder einvernehmlich – erfolgen. Dies gilt zum einen dann, wenn sich aufgrund des neuen Job-Titels negative Rückschlüsse auf die Wertigkeit einer Stelle ergeben und der Stelleninhaber in der betrieblichen Gesamtschau herabgestuft (degradiert") wurde.
Zum anderen gilt dies, wenn die Stellenbezeichnung und/oder Stellenbeschreibung Bestandteil des Arbeitsvertrages ist.
4. Einführung in Betrieben mit Betriebsrat
In Betrieben mit Betriebsrat ist die Einführung einer Job Architecture deutlich komplexer, da zusätzlich die folgenden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats mit der Folge ausgelöst werden, dass vorab das Mitbestimmungsverfahren – im Zweifel in der Einigungsstelle – abzuschließen ist.
- Die Job Architecture enthält in der Regel nach Job-Leveln abgestufte Kriterien, die Rückschlüsse auf die Wertigkeit der Tätigkeiten geben. Mithin werden Entlohnungsgrundsätze festgeschrieben, sodass das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG greift. Dies gilt erst recht, wenn die Job-Level mit Gehaltsstufen verbunden werden.
- Soweit die Job Architecture Kriterien für die Leistungsbeurteilung oder Karriereentwicklung enthält, sind diese als allgemeine Beurteilungsgrundsätze im Sinne von § 94 Abs. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtig.
- Wenn die neue Job Architecture dazu führt, dass die Eingruppierung von Mitarbeitern geändert wird, etwa durch neue Tätigkeitsbeschreibungen oder Bewertungsmaßstäbe, sind die Mitarbeiter in das neue System einzugruppieren. Dies bedingt die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG.
- Ferner sind generelle Informations- und Beratungsrechte bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung nach §§ 90, 91 BetrVG zu beachten. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat frühzeitig über geplante Maßnahmen informieren und mit ihm beraten, insbesondere, wenn sich die Job Architecture auf Arbeitsplätze oder -abläufe auswirkt.
Ein wesentlicher Punkt bei der Mitbestimmung des Betriebsrats liegt in der Frage, welches Gremium zuständig ist. Das BetrVG geht von der Primärzuständigkeit des örtlichen Betriebsrats aus. Nur ausnahmsweise ist die originäre gesetzliche Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bzw. des Konzernbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 bzw. § 58 Abs. 1 BetrVG gegeben.
- In der Praxis kann eine Job Architecture unter bestimmten Parametern nur unternehmens- bzw. konzerneinheitlich eingeführt werden.
- Insoweit spricht vieles dafür, bei der Einführung einer Job Architecture die Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats zu argumentieren.
5. Vorgaben der Entgelttransparenzrichtlinie
Vergütungssysteme können schon heute nur zukunftssicher implementiert werden, soweit die Vorgaben der neuen Entgelttransparenzrichtlinie (RL (EU) 2023/970) bereits mitgedacht werden. Im Kern verpflichtet die RL die Mitgliedsstaaten in Art. 4 Abs. 1, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Arbeitgeber über Vergütungsstrukturen verfügen, durch die gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gewährleistet wird.
Die RL konkretisiert die Anforderungen an zukünftige Vergütungsstrukturen in Art. 4 Abs. 4 wie folgt:
Entgeltstrukturen sind so beschaffen, dass anhand objektiver, geschlechtsneutraler und mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarter Kriterien, [...], beurteilt werden kann, ob sich die Arbeitnehmer im Hinblick auf den Wert der Arbeit in einer vergleichbaren Situation befinden. Diese Kriterien dürfen weder in unmittelbarem noch in mittelbarem Zusammenhang mit dem Geschlecht der Arbeitnehmer stehen. Sie umfassen Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen und gegebenenfalls etwaige weitere Faktoren, die für den konkreten Arbeitsplatz oder die konkrete Position relevant sind. Sie werden auf objektive, geschlechtsneutrale Weise angewandt, wobei jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ausgeschlossen wird. Insbesondere dürfen relevante soziale Kompetenzen dabei nicht unterbewertet werden."
Eine Job Architecture wird daran gemessen werden, ob sie eine richtlinienkonforme Vergütungsstruktur gewährleistet.
Aus dem Erwägungsgrund 26 der RL lassen sich weitere Kriterien ableiten; auszugsweise wörtlich wie folgt:
[...] Im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs sollte der Wert der Arbeit anhand objektiver Kriterien, einschließlich berufliche Anforderungen, Bildungs-, Aus- und Weiterbildungsbildungsanforderungen, Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen, unabhängig von Unterschieden in den Beschäftigungsmodellen, bewertet und verglichen werden [...]
Da nicht alle Faktoren für eine bestimmte Position gleichermaßen relevant sind, sollte jeder der vier Faktoren vom Arbeitgeber nach Maßgabe der Relevanz dieser Kriterien für den jeweiligen Arbeitsplatz oder die betreffende Position gewichtet werden. [...]"
Der Inhalt der RL ist für den deutschen Gesetzgeber als Mindestvorgabe zwingend. Der Handlungsbedarf für Unternehmen ist daher – ungeachtet der nach dem Koalitionsvertrag angestrebten bürokratiearmen" Umsetzung – prognostizierbar. Eine Job Architecture dürfte bereits deshalb praktisch unverzichtbar werden, um die geforderte Gewichtung einzelner Kompetenzen nachweislich abzubilden.
6. Fazit
Die Einführung einer Job Architecture ist zwar als solche rechtlich nicht zwingend. Allerdings aus zwei Gründen gleichwohl unverzichtbar:
Erstens: Sie ist Basis und Arbeitserleichterung für die Personalpraxis – insbesondere in größeren Unternehmen. Zweitens: Unter Compliance-Gesichtspunkten ist eine rechtssichere Ausgestaltung der Vergütungsstruktur im Lichte der Entgelttransparenzrichtlinie ohne Job Architecture faktisch nicht möglich.
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