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22 May 2025

Die Reform der Ehepaar- und Familienbesteuerung sowie die Initiative für eine Steuer auf Millionenerbschaften – eine Übersicht und kritische Würdigung

BG
Blum & Grob

Contributor

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Der vorliegende Beitrag befasst sich mit zwei Steuerreforminitiativen von grosser Tragweite für den Schweizer Steuerstandort. Einerseits geht es um die Implementierung...
Switzerland Family and Matrimonial

1. Einleitung

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit zwei Steuerreforminitiativen von grosser Tragweite für den Schweizer Steuerstandort. Einerseits geht es um die Implementierung der Individualbesteuerung, womit die sog. «Heiratsstrafe» abgeschaft und Ehegatten künftig individuell besteuert werden sollen. Andererseits wird die Initiative für eine Steuer auf Millionenerbschaften vorgestellt. Während das erste Reformvorhaben das Schweizer Steuersystem vorwiegend im Innenverhältnis verändern dürfte, ist davon auszugehen, dass letztere Initiative sich auf das Innen- und Aussenverhältnis des Steuerstandortes Schweiz auswirkt.

2. Reform der Ehepaarund Familienbesteuerung

Heute werden in der Schweiz Ehegatten gemeinsam und unverheiratete Personen individuell besteuert. Bei Ehegatten werden die beiden Einkommen für die Bestimmung der Steuerbelastung zusammengezählt. Bei unverheirateten Personen ist das individuelle Einkommen massgebend. Dies kann im progressiven Schweizer Einkommenssteuersystem zu Ungleichbehandlungen zwischen verheirateten und unverheirateten Personen führen. Dabei spielt die Einkommensaufteilung zwischen den Ehegatten eine Rolle: Bei ungleicher Einkommensaufteilung ist die Steuerbelastung eines Ehepaars in vielen Fällen niedriger als bei einem unverheirateten Paar in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Ist die Einkommensaufteilung hingegen gleichmässig, können bei Ehepaaren auch Mehrbelastungen resultieren.

a) Geplante Gesetzesvorlage

Gemäss den vom Bundesrat festgelegten Eckwerten sieht die Vorlage zum Bundesgesetz über die Individualbesteuerung folgende Massnahmen vor:

  • Ehepaare sollen künftig wie unverheiratete Paare besteuert werden und zwei getrennte Steuererklärungen ausfüllen. Die Zuteilung der Einkommen und Vermögen erfolgt nach den zivilrechtlichen Verhältnissen.
  • Der Kinderabzug soll bei der direkten Bundessteuer von 6'700 Franken auf 12'000 Franken pro Kind erhöht werden, da der Übergang zur Individualbesteuerung die Entlastungswirkung des Kinderabzugs bei Ehepaaren reduziert.
  • Die Vorlage sieht keine speziellen Abzüge für Haushalte mit nur einer erwachsenen Person oder für Ehepaare mit keinem oder geringem Zweiteinkommen vor.
  • Weiterhin sieht die Vorlage eine Anpassung des Steuertarifs vor. So sollen die Steuersätze für tiefe und mittlere Einkommen abgesenkt und für sehr hohe Einkommen leicht erhöht werden. Diese Anpassungen verstärken die Progression des Tarifs; dem steht jedoch die Abschwächung der Progression namentlich bei Zweiverdienerehepaaren mit relativ gleichmässiger Einkommensaufteilung gegenüber, die durch den Wechsel zur Individualbesteuerung entsteht. Ziel der Tarifanpassungen ist eine gleich mässigere Entlastungswirkung der Reform über die Einkommensklassen.
  • Die Individualbesteuerung ist auf allen Staatsebenen vorgesehen.

b) Die geplante Reform im Besonderen

Bei einer reinen Individualbesteuerung würde bei jeder Person unabhängig vom Zivilstand nur das erfasst, was dieser an Einkommen zufliesst. Gleiches gilt für die Zurechnung des Vermögens. Es wird nicht berücksichtigt, wie viele erwachsene Personen von diesem Einkommen leben. Für Paare, bei welchen eine Person kein Einkommen erzielt (Eineinkommenspaare), werden keine Entlastungsmassnahmen vorgesehen. Ehepaare werden gleich besteuert wie unverheiratete Paare. Der verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Personen mit Kindern wird durch kinderrelevante Abzüge Rechnung getragen. Haushaltsvorteile, die Mehrpersonenhaushalte im Unterschied zu Einpersonenhaushalten erzielen, werden nicht berücksichtigt. Bei der reinen Individualbesteuerung haben Ehepaare stets die gleiche Steuerbelastung wie unverheiratete Ehepaare mit gleicher Einkommenshöhe und -aufteilung.

c) Kosten der Reform und administrativer Mehraufwand

Die vom Bundesrat geschätzten Mindereinnahmen belaufen sich auf Bundesebene auf 1 Mrd. Franken. Hinzu kommen finanzielle Auswirkungen auf Ebene der Kantone und Gemeinden. Gleichermassen ist mit einem vorübergehend deutlich höheren administrativen Mehraufwand auf Ebene der Steuerbehörden zu rechnen.

d) Kritische Würdigung

Durch die geplante Reform der Ehepaarund Familienbesteuerung soll die sog. «Heiratsstrafe» abgeschaft werden. Hierzu gab es bereits diverse Anläufe. Die Befürworter der Individualbesteuerung sind sich einig, dass am hiervor vorgestellten Modell kein Weg vorbeiführt. Kritiker bemängeln hingegen die hohen Kosten und die Zunahme des Verwaltungsaufwandes für die zuständigen Steuerbehörden. Tatsächlich gäbe es wohl einfachere Lösungen, bspw. mittels Einführung eines austarierten Splittingtarifs, um eine gerechtere Besteuerung zu ermöglichen.

3) Die Initiative für eine Steuer auf Millionenerbschaften

Mit der am 4. März 2024 zustande gekommenen Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» fordern die Jungsozialisten Schweiz die Einführung einer nationalen Erbschafts- und Schenkungssteuer auf dem Nachlass und den Schenkungen von natürlichen Personen. Die Initiative sieht vor, dass auf Nachlässe und Schenkungen ab einem Freibetrag von 50 Millionen Franken ein Steuersatz von 50% erhoben wird. Die Einnahmen würden zweckgebunden zur Bekämpfung der Klimakrise eingesetzt, wobei zwei Drittel dem Bund und ein Drittel den Kantonen zugutekommen. Zwischenzeitlich wurde die Initiative vom Bundesrat sowie vom National- und Ständerat ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag abgelehnt. Am Ende wird das Volk über die Initiative abstimmen.

a) Geplante Gesetzesvorlage

Die Initiative verlangt die Einführung einer Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer mit einem einmaligen Freibetrag von 50 Millionen Franken und einem Steuersatz von 50%. Mit der Steuer sollen also nicht nur Erbschaften, sondern konsequenterweise auch unentgeltliche Vermögensübertragungen unter Lebenden besteuert werden. Bei der vorgeschlagenen neuen Bundessteuer handelt es sich gemäss Initiativtext um eine Steuer auf dem Nachlass, d.h. sie beschlägt das gesamte hinterlassene, nicht aufgeteilte Vermögen eines Erblassers. Vorgesehen ist auch die Erhebung einer Schenkungssteuer. Die Steuer wird von den Kantonen veranlagt und einbehalten. Der Rohertrag der Steuer fliesst zu zwei Dritteln dem Bund und zu einem Drittel den Kantonen zu. Die Kompetenz der Kantone, eine Erbschafts- und Schenkungssteuer zu erheben, bleibt unberührt.

b) Beispiel 1

Eine Person verstirbt und hinterlässt einen Nachlass von insgesamt 150 Millionen Franken. Die Person hat zuvor keine Schenkungen getätigt. Nach Abzug des Freibetrages von 50 Millionen Franken werden 100 Millionen Franken des Nachlasses zu 50% besteuert. Dies entspricht einem Steuerbetrag zulasten des Nachlasses von 50 Millionen Franken.

c) Beispiel 2

Eine Person verschenkt im Jahr x und anschliessend im Jahr x+3 je 40 Millionen Franken ihres Vermögens. Mit der zweiten Schenkung wird der Freibetrag von 50 Millionen Franken überschritten und es treten Steuerfolgen ein: Es sind 30 Millionen Franken zu einem Steuersatz von 50% zu versteuern und folglich 15 Millionen Franken Bundesschenkungssteuer zu bezahlen. Zu einem späteren Zeitpunkt verstirbt die Person und hinterlässt einen Nachlass von 30 Millionen Franken. Da die Person den Freibetrag bereits durch die beiden Schenkungen ausgeschöpft hat, unterliegt der gesamte Nachlass (30 Millionen) der Bundeserbschaftssteuer von 50%, was einem Steuerbetrag von 15 Millionen Franken entspricht. Der gesamte Steuerbetrag beträgt 30 Millionen Franken.

Die Erben bzw. Beschenkten können für ihre eigenen künftigen Schenkungen und Nachlässe jeweils wieder den vollen Freibetrag in Anspruch nehmen.

d) Durchführungsbestimmungen

Der Wortlaut der Übergangsbestimmung sieht eine rückwirkende Anwendung der Ausführungsbestimmungen explizit für Nachlässe und Schenkungen vor, die nach einer allfälligen Annahme der Initiative ausgerichtet werden. Die vorgesehenen Massnahmen zur Steuervermeidung würden hingegen nicht rückwirkend auf den Zeitpunkt der Annahme der Initiative gelten, sondern erst ab Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen. Die Einführung einer nachgelagerten Wegzugsteuer zur Verhinderung von Steuervermeidung wäre denkbar.

Konkret bedeutet dies, dass Nachlässe und Schenkungen, die zwar vor dem Inkrafttreten eines Bundesgesetzes und nach der Annahme der Volksinitiative von Personen ausgerichtet werden, die im Zeitpunkt des Todes oder der Schenkung Wohnsitz in der Schweiz haben, von der Nachlass- und Schenkungssteuer erfasst würden. Hingegen können die von der Volksinitiative geforderten Massnahmen zur Verhinderung von Steuervermeidung nicht rückwirkend in Kraft gesetzt werden. Vielmehr würden diese erst gelten, wenn die entsprechenden Ausführungsbestimmungen in Kraft gesetzt sind, die der Gesetz- oder der Verordnungsgeber bis spätestens 3 Jahre nach einer allfälligen Annahme der Volksinitiative erlassen müsste.

e) Kritische Würdigung

Die Einführung einer Bundeserbschaftsund Schenkungssteuer dürfte weitreichende Folgen für den Standort Schweiz haben. Es ist fraglich, ob die Einführung einer solchen Steuer tatsächlich das geeignete Instrument für eine «sozial gerechte Bekämpfung der Klimakrise» darstellt. 

Die Volksinitiative würde insgesamt die Attraktivität der Schweiz als Wohnsitz für vermögende Personen senken. Vermögende Personen leisten bereits heute über die progressiven Einkommens- und Vermögenssteuern einen überproportionalen Beitrag an die Fiskaleinnahmen. Die Kontinuität in der Unternehmensführung und die Nachfolgeplanung wären gefährdet. Die Tatsache, dass Unternehmerfamilien aufgrund von Erbschaftssteuern gezwungen sein können, die Schweiz zu verlassen, hätte für die betrofenen Unternehmen weitreichende Folgen. Die Auswirkungen der Abwanderung von Unternehmern ins Ausland auf die heimische Wirtschaft sind in der Regel negativ. Sitzverlegungen und damit eine Einstellung der Geschäftstätigkeit in der Schweiz sind zu befürchten.

4. Fazit

Die Schweiz verfügt über ein ausbalanciertes Steuersystem. Der Steuerstandort Schweiz ist weiterhin attraktiv. Anpassungen sollten daher dosiert erfolgen. Andererseits läuft die Schweiz Gefahr, Standortvorteile aufzugeben und wichtiges Steuersubstrat dauerhaft zu verlieren. Was den möglichen Schritt zur Individualbesteuerung angeht, stellt sich die Frage, ob die Kosten und die vor - aussichtliche Zunahme des Verwaltungsaufwandes (und der hierfür notwendige Ausbau der Verwaltung) tatsächlich zielführend sind. Die mögliche Einführung einer Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer würde sodann einen Paradigmenwechsel darstellen und dürfte sich nachteilig auf die Schweiz gesamthaft auswirken. Für vermögende Personen – darunter viele Unternehmer – wäre die Schweiz wohl nicht mehr attraktiv. Sie dürften anderen Jurisdiktionen den Vorzug geben.

Originally Published by Das Geld-Magazin

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