Die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen bemisst sich jedenfalls auf Basis des Mindestlohns. Gewährt ein Tarifvertrag einen Nachtarbeitszuschlag, basierend auf dem tatsächlichen Stundenverdienst, kann der Zuschlag nicht auf Grundlage einer geringeren Vergütung als der des Mindestlohns berechnet werden.Tariflich gewährtes Urlaubsgeld ist nicht auf den Mindestlohn anzurechnen. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 20.09.2017 – 10 AZR 171/16).

Sachverhalt

Die Parteien stritten über die Anrechnung von zusätzlichem Urlaubsgeld auf den der Klägerin zustehenden gesetzlichen Mindestlohn sowie über die Berechnung des von der Beklagten gewährten Nachtarbeitszuschlags und der Feiertagsvergütung für den Monat Januar 2015. Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin, die bei der Beklagten als Montagekraft beschäftigt war, findet kraft Nachwirkung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Sächsischen Metallund Elektroindustrie in der Fassung vom 24.02.2004 (MTV) Anwendung. Dieser sieht unter anderem einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25% des tatsächlichen Stundenverdiensts und ein Urlaubsentgelt" in Höhe des eineinhalbfachen durchschnittlichen Arbeitsverdiensts vor.

Im Jahr 2014 – vor Geltung des zum 01.01.2015 eingeführten Mindestlohns – zahlte die Beklagte einen festgesetzten Stundenlohn von 7,00 Euro brutto. Im Januar 2015 gewährte sie neben dem vereinbarten Stundenverdienst eine Zulage nach MiLoG". Die in der Abrechnung enthaltene Vergütung für einen Feiertag, einen Urlaubstag sowie den Zuschlag für geleistete Nachtarbeit basierte jedoch auf dem vertraglich festgesetzten Stundenverdienst anstatt auf dem inzwischen geltenden Mindestlohn. Des Weiteren rechnete die Beklagte ein gezahltes Urlaubsgeld auf die Mindestlohnansprüche der Klägerin an.

Die Klägerin beanstandete die Abrechnung in mehrfacher Hinsicht: Zunächst sei ihr nicht der zustehende Mindestlohn von (damals) 8,50 Euro brutto je Zeitstunde gezahlt worden, da die Beklagte das zusätzlich gewährte, tarifliche Urlaubsentgelt zu Unrecht auf die Mindestlohnansprüche angerechnet habe. Darüber hinaus müsse der Nachtarbeitszuschlag auf den Mindestlohn und nicht auf den Stundenlohn von 7,00 Euro brutto gezahlt werden. Die Arbeitnehmerin machte klageweise eine Differenz von 35,78 Euro brutto zuzüglich Zinsen für ihre im Januar 2015 erfolgte Gehaltsabrechnung geltend.

Entscheidung der Vorinstanzen

Das ArbG Bauzen (Urteil vom 25.06.2015 – 1 Ca 1094/15) sowie das Sächsische LAG (Urteil vom 27.01.2016 – 2 SA 375/15) hatten der Klage stattgegeben. Die Entgeltabrechnung war nach Ansicht der Gerichte nicht korrekt.

Das Urlaubsgeld sei nicht auf den Mindestlohnanspruch der Arbeitnehmerin nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 MiLoG anrechenbar, da es nicht für die normale Arbeitsleistung gezahlt werde, sondern der Kompensation der während des Erholungsurlaubs entstehenden Zusatzkosten diene. Diese gesonderte Zahlung verfolge den Zweck, dem Arbeitnehmer während des Urlaubs zusätzliche Leistungen zukommen zu lassen, um den Erhalt der Arbeitsfähigkeit zu unterstützen. Hinsichtlich des Nachtarbeitszuschlags müsse die Berechnung auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro statt auf jener des niedrigeren vertraglich vereinbarten Stundenlohns erfolgen. Soweit der Manteltarifvertrag zur Berechnung des Nachtarbeitszuschlags auf den tatsächlichen Stundenverdienst" Bezug nehme, könne es sich, so die Ansicht des Gerichts, nur um den Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG handeln.

Revision der Beklagten beim BAG erfolglos

Auch das BAG (Urteil vom 20.09.2017 – 10 AZR 171/16, bislang nur als Pressemitteilung veröffentlicht) schloss sich der Ansicht der Vorinstanzen an. Dem Grundsatz nach gewähre das MiLoG einen Mindestlohn für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Im Fall eines gesetzlichen Feiertags seien dem Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 1 EFZG jedoch die ausgefallenen Arbeitszeiten dieses Tages zu vergüten, die er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Dieses Entgeltausfallprinzip gelte auch, wenn sich die Arbeitsentgelthöhe nach dem MiLoG bestimme, da das Gesetz insbesondere keine Abweichung von diesem im Entgeltfortzahlungsgesetz verankerten Grundsatz festhalte. Ein Rückgriff auf den vertraglich vereinbarten, unterhalb des Mindestlohns liegenden Stundenverdienst sei ausgeschlossen.

Weiter seien der im MTV verankerte Nachtzuschlag und das tarifliche Urlaubsgelt mindestens auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen, da der Manteltarifvertrag insoweit auf den tatsächlichen Stundenverdienst" abstelle. Hiermit könne nur der Mindestlohn und nicht die vertraglich vereinbarte geringere Stundenvergütung gemeint sein, da der Mindestlohn für die geleistete Arbeitsstunde zu zahlen sei. Weiter ist zudem nach Ansicht des BAG eine Anrechnung des tariflich gewährten Urlaubsgelds auf den Mindestlohn nicht möglich, da der MTV einen eigenständigen Anspruch auf dessen Gewährung gebe und es sich überdies nicht um Entgelt handele, das für tatsächlich geleistete Arbeit gewährt werde.

Einordnung in die bisherige Rechtsprechung des BAG

Das BAG hat sich in den vergangenen zwei Jahren mit einer Vielzahl von Einzelentscheidungen zur Anrechnung von Vergütungsbestandteilen auf den gesetzlich verankerten Mindestlohn auseinandergesetzt und in der grundlegenden Entscheidung vom 25.05.2016 (Az. 5 AZR 135/16) Leitlinien für die Möglichkeit der Anrechnung von Entgeltzahlungen auf den gesetzlichen Mindestlohn festgesetzt. Grundsätzlich sind demnach alle Geldleistungen des Arbeitgebers, die im Synallagma zur durch den Arbeitnehmer geschuldeten Leistung stehen, geeignet, den gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung eines Mindestlohns zu erfüllen. Eine Erfüllungswirkung der Zahlungen aus diesem vorherrschenden Austauschverhältnis fehle dann, wenn der Arbeitgeber die jeweilige Zahlung ohne Rücksicht auf die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung oder auf Grundlage einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung leiste. Entsprechend haben die Gerichte in der Vergangenheit Zahlungen des Arbeitgebers zugeordnet: So hat das BAG die vorbehaltlos gezahlte Treueprämie auf den Mindestlohnanspruch für anrechenbar erklärt (Urteil vom 22.03.2017 – 5 AZR 424/16), Gleiches galt für die Gewährung einer Anwesenheitsprämie (LAG MecklenburgVorpommern, Urteil vom 22.11.2016 – 5 Sa 298/15; Revision eingelegt unter 5 AZR 864/16). Nicht auf den Mindestlohn anrechenbar sind etwa vermögenswirksame Leistungen, da insoweit keine funktionale Gleichheit" zwischen der Vergütung und der originären Arbeitsleistung bestehe (vgl. Sächsisches LAG, 24.05.2016 – 3 Sa 680/15; Revision eingelegt unter 5 AZR 441/16).

Das vorliegende Urteil stellt in Kontinuität mit der bisherigen Rechtsprechung klar, dass nur solche Zahlungen des Arbeitgebers auf den Mindestlohn angerechnet werden können, die der Arbeitgeber als Gegenleistung für die Arbeitsleistung an sich erbringt. Diesen abweichenden Zweck sah das BAG hier gegeben. Das tariflich begründete Urlaubsgeld sei kein Entgelt für geleistete Arbeit, sondern sehe einen Ausgleich des höheren finanziellen Bedarfs der Urlaubszeit vor. Auch der Zweck der Nachtarbeitszuschläge weiche von der Vergütung der unmittelbaren Arbeitsleistung ab, da sie regelmäßig für die besondere Erschwernis der nächtlichen Arbeit gezahlt würden.

Originally published by Deutscher AnwaltSpiegel.

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