Sehr geehrte Damen und Herren

Wir beziehen uns auf Ihre Einladung vom 18. Mai 2022, im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zum Vorentwurf des Investitionsprüfungsgesetzes (VE-IPG), in welcher Sie uns die Gelegenheit geben, bis zum 9. September 2022 eine Stellungnahme zum VE-IPG einzureichen.

Als eine der führenden Schweizer Anwaltskanzleien im Bereich Mergers & Acquisitions hat Bär & Karrer AG viel praktische Erfahrung mit ausländischen "Foreign Direct Investment"(FDI)-Regelungen. Die vorliegende Stellungnahme rückt deshalb die praktischen Aspekte des VE-IPG in den Vordergrund.

Die Stellungnahme ist wie folgt gegliedert:

A Vorbemerkung: FDI-Regelung nicht wünschbar, da bürokratisch und willkürbehaftet

1 Die vorliegende Stellungnahme setzt sich nicht mit der Frage auseinander, ob mit einem Investitionsprüfverfahren (i) die damit angestrebten politischen Ziele erreicht werden können und ob (ii) die damit verbundenen negativen Auswirkungen nicht den erhofften Nutzen überwiegen. Anzumerken ist indessen, dass wir aus praktischer Sicht keinen Regulierungsbedarf sehen. Kritische Sektoren sind heute weitgehend in staatlicher Hand (Bund, Kantone oder Gemeinden). Zu denken ist beispielsweise an die Telekommunikation, das Transportwesen (Bahn und sonstiger öffentlicher Verkehr), das Postwesen, die Stromversorgung oder das Gesundheitswesen. Bedenkenswert ist zudem die Tatsache, dass der Bundesrat eine Investitionsprüfung aufgrund des aus seiner Sicht ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses ablehnt und die Regulierungsfolgeabschätzung im Auftrag des SECO zu keiner eindeutigen Empfehlung kam.1

2 Die praktische Erfahrung mit Investitionskontrollregimen anderer Staaten zeigt, dass die entsprechenden Verfahren den Abschluss von Transaktionen teilweise erheblich verzögern, und dies auch in Fällen, in denen die betreffenden Transaktionen offensichtlich unproblematisch sind. Oft sind die Aufgreifkriterien (d.h. die Frage, welche Transaktionen zu melden/bewilligen sind) unklar (dies gilt insbesondere für Aufgreifkriterien, welche sich auf Branchenzugehörigkeiten stützen) und werden in der Folge von der anwendenden Behörde unnötigerweise sehr weit ausgelegt. Zudem sind auch die Eingreifkriterien (meist öffentliche Ordnung und Sicherheit) diffus und entsprechend anfällig für Willkürentscheide. Dies hat auch viel damit zu tun, dass der Gesetzgeber keine genaue Vorstellung davon hat, welche Investitionen er verbieten will. Die damit einhergehenden bürokratischen und willkürbehafteten Leerläufe schwächen die Standortattraktivität eines Landes. Dies ist v.a. für eine kleine und offene Volkswirtschaft wie die Schweiz ein Nachteil. In diesem Kontext darf nicht vergessen werden, dass ausländische Investitionen massgeblich zur Entwicklung der schweizerischen Volkswirtschaft beigetragen haben und bisher kein Bedarf bestand, solche Investitionen auf breiter Basis einzuschränken.

Aus all diesen Gründen sollte von der Einführung einer Schweizer FDI-Regelung abgesehen werden. Wenn trotzdem eine Schweizer FDI-Regelung eingeführt wird, dann sollten v.a. zwei Punkte beachtet werden:

  • Erstens sollte der Kreis der genehmigungspflichtigen Transaktionen strikte auf diejenigen Transaktionen begrenzt werden, die als problematisch angesehen werden.
  • Zweitens sollten die Kriterien, unter denen eine Transaktion untersagt werden kann, möglichst genau formuliert werden.

Diese Anforderungen erfüllt der Vorentwurf des Investitionsprüfgesetzes nicht. Der Vorentwurf verletzt zudem teilweise fundamentale rechtsstaatliche Grundsätze (vgl. etwa Art. 16 Abs. 3 VE-IPG). In der vorliegenden Stellungnahme machen wir deshalb Vorschläge, wie der Entwurf diese Anforderungen besser erreichen kann.

B Abschnitt 1: Allgemeine Bestimmungen

I Art. 2 VE-IPG - Geltungsbereich

1 Art. 2 Abs. 2 VE-IPG – Örtlicher Geltungsbereich / Auswirkungsprinzip

4 Art. 2 Abs. 2 VE-IPG statuiert das Auswirkungsprinzip. Es ist nicht klar, was hiermit erreicht werden soll und welche Funktion das Auswirkungsprinzip haben soll. Ein Verweis auf das Auswirkungsprinzip ist unnötig, weil die Genehmigungspflicht an formellen Kriterien (nämlich dem Eintrag im Schweizer Handelsregister) anknüpft. Art. 2 Abs. 2 VE-IPG ist deshalb zu streichen.

Art. 2 Abs. 3 VE-IPG – Ausnahme für Investoren aus bestimmten Staaten

5 Art. 2 Abs. 3 VE-IPG sieht vor, dass der Bundesrat Übernahmen durch ausländische Investoren aus bestimmten Staaten vom Geltungsbereich des IPG ausnehmen kann.

6 Diese Ausnahmebestimmung geht von der Annahme aus, dass ausländische Investitionen grundsätzlich problematisch sind und nur in Ausnahmefällen, z.B. bei Übernahmen durch Investoren aus "befreundeten" Staaten, keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz darstellen. Dies ist indessen falsch. Die Fälle, in denen Übernahmen durch ausländische Investoren für problematisch befunden werden können, stellen die Ausnahme und eben gerade nicht die Regel dar. In der politischen Diskussion werden denn auch nur einzelne Staaten genannt, bei denen es unerwünscht ist, dass Investoren aus diesen Staaten Schweizer Unternehmen übernehmen, nämlich primär China und daneben noch Russland, SaudiArabien und Katar

7 Dementsprechend sollten nicht Übernahmen von Investoren aus grundsätzlich allen Staaten in den Geltungsbereich des IPG fallen (und nur mittels Ausnahme hiervon ausgenommen werden können). Vielmehr sollten mit dem IPG nur Übernahmen von Investoren erfasst werden, die aus Staaten stammen, die als problematisch empfundenen werden. Dies ist auch aus verfahrensökonomischen Gründen geboten. Wenn in der Politik nur Übernahmen von chinesischen Investoren für problematisch empfunden werden, sollen auch nur diese Übernahmen einer Genehmigungspflicht unterstellt werden und nicht noch zusätzlich Übernahmen von Investoren aus anderen Ländern, von denen von vornherein klar ist, dass diese unproblematisch sind. Die jetzige Konzeption des IPG einer generellen Bewilligungspflicht mit möglichen Ausnahmen schafft einen unnötigen und unverhältnismässigen bürokratischen Aufwand.

8 Die Kriterien, die für eine Aufnahme in die Liste der erfassten Staaten relevant sind, sollten in Art. 2 Abs. 3 IPG ebenfalls umschrieben werden. Mögliche Kriterien sind das Betreiben von Industriespionage, die Reziprozität, die Einhaltung des Völkerrechts, das Bestehen von Sanktionen und das Schaffen von staatlichen Wettbewerbsverzerrungen durch Subventionen und Beihilfen.

9 Art. 2 Abs. 3 VE-IPG ist wie folgt zu formulieren (Streichungen durchgestrichen, Hinzufügungen unterstrichen):

"Der Bundesrat kann Übernahmen durch ausländische Investoren aus bestimmten Staaten vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausnehmen, sofern die öffentliche Ordnung und Sicherheit gewährleistet ist bestimmt die Staaten, bei welchen Übernahmen durch Investoren, die in diesen Staaten ihren Hauptsitz oder ihre Hauptverwaltung haben, vom Geltungsbereich dieses Gesetzes erfasst werden. Der Bundesrat berücksichtigt dabei folgende Kriterien:

a. ob der betreffende Staat Industriespionage betreibt oder betrieben hat;

b. ob der betreffende Staat Investitionen von Unternehmen mit Hauptsitz oder Hauptverwaltung in der Schweiz im gleichen Ausmass wie die Schweiz zulässt (Prinzip der Reziprozität);

c. ob der betreffende Staat völkerrechtliche Verpflichtungen einhält;

d. ob der betreffende Staat Gegenstand von Sanktionen gemäss dem Embargogesetz vom 22. März 2002 ist; oder

e. ob der betreffende Staat den Wettbewerb in der Schweiz durch Subventionen oder staatliche Beihilfen verzerrt."

10 Sollte der Bundesrat beim geplanten System der Ausnahme von bestimmten Staaten bleiben wollen, sollten zumindest Investoren aus sämtlichen OECD-Ländern vom Geltungsbereich des IPG ausgenommen werden. Damit würde die Genehmigungspflicht für die meisten unproblematischen Transaktionen entfallen.

Footnote

1. Erläuternder Bericht, S. 2; SECO, RFA zur Einführung einer Investitionsprüfung, Mai 2022

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