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25 November 2025

Bitcoin-Transfer

KH
KNOETZL HAUGENEDER NETAL Rechtsanwaelte GmbH

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Die Verbreitung virtueller Währungen hat in den vergangenen Jahren explosionsartig zugenommen.
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Die Verbreitung virtueller Währungen hat in den vergangenen Jahren explosionsartig zugenommen. Durch die Kombination aus pseudoanonymer Natur des Kryptomarkts, Dezentralisierung der Blockchaintechnologie sowie der Schnelligkeit, mit der Transaktionen weltweit und nahezu in Echtzeit abgewickelt werden können, sind Kryptowährungen zu einer innovativen Alternative im Zahlungsverkehr geworden. Gleichzeitig erschwert die eingeschränkte Zuordenbarkeit von Kryptowährungstransfers eine wirksame Überwachung erheblich, wodurch ein erhöhtes Risiko für illegale Aktivitäten besteht.

Es war lange Zeit unklar, ob Anbieter von Handelsplattformen für Kryptowerte in den Anwendungsbereich des § 4 Zahlungsdienstegesetz 2018 (ZaDiG 2018) fallen und somit die Verbraucherschutzmechanismen, wie sie Nutzern regulierter Zahlungsdienste zustehen, auch auf Nutzer von Handelsplattformen für Kryptowerte Anwendung finden.

„Dass Bitcoins weder Banknoten noch Münzen sind, die auf eine gesetzliche Währung lauten, noch als Buchgeld gelten, ist offensichtlich.“

Vor diesem Hintergrund hat der Oberste Gerichtshof nun eine erste Entscheidung zur Anwendbarkeit des ZaDiG 2018 und des E-Geldgesetzes 2010 (E-GeldG 2010) auf Transaktionen mit Kryptowährungen getroffen.

OGH bringt Licht ins Blockchain-Dickicht: OGH 4 Ob 234/23

In vorliegendem Fall registrierte sich die Klägerin auf der Handelsplattform für Kryptowerte der Beklagten. Zu diesem Zweck ist automatisch eine digitale Geldbörse (sogenannte Wallet) erstellt worden, in die Geldbeträge überwiesen und in Bitcoin umgewandelt werden konnten. Die Klägerin sicherte den Zugang zu dieser Wallet mit einem persönlichen Passwort. Auf die Aktivierung einer Zwei-Faktor-Authentifizierung, die als zusätzliche Schutzmaßnahme zur Erhöhung der Sicherheit der Wallet verfügbar gewesen wäre, verzichtete die Klägerin.

Im Laufe des Jahres 2021 veranlasste die Klägerin acht Überweisungen. Innerhalb von zwei bis drei Tagen nach jeder Überweisung konnte die Klägerin die Transaktion – den auf das Konto überwiesenen Betrag in Fiat-Währung (Fiat-Währung ist jede durch das Gesetz anerkannte gültige Währung, so etwa Bargeld und Buchgeld) sowie den damit erworbenen entsprechenden Betrag in Bitcoin – überprüfen.

In der Folge ist die Klägerin durch eine bislang unbekannte Person, welche vorgab, sie bei der Nutzung der Plattform unterstützen zu wollen, Opfer krimineller Handlungen geworden. Durch die Installation der Fernzugriffssoftware „AnyDesk“, einer Anwendung, die die externe Steuerung von Computerprogrammen ermöglicht, gelang es dieser, unbefugt auf die digitale Wallet der Klägerin zuzugreifen und die in der Wallet verfügbaren Bitcoin auf eine externe Wallet-Adresse zu übertragen. Der Inhaber dieser Wallet konnte nicht ermittelt werden, die Klägerin erlitt dadurch einen erheblichen finanziellen Verlust.

Die Klägerin wollte das ihr widerfahrene Unglück nicht akzeptieren und klagte gegen die Handelsplattform für Kryptowerte. Sie stützte sich auf den Standpunkt, dass der Schaden hätte verhindert werden können, wenn die Handelsplattform für Kryptowerte die verpflichtenden Bestimmungen der §§ 67 und 87 ZaDiG 2018 eingehalten hätte. Durch die Einhaltung der Rückerstattungspflichten bei nicht autorisierten Zahlungen und die Durchführung einer starken Kundenauthentifizierung wäre das Risiko eines Missbrauchs deutlich reduziert worden.

Das Gericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass Anbieter von Handelsplattformen für Kryptowerte nicht in den Anwendungsbereich des § 4 ZaDiG 2018 fallen. Konsequenterweise sind die Bestimmungen der §§ 67 und 87 ZaDiG 2018 nicht auf Anbieter von Handelsplattformen für Kryptowerte anwendbar. Eine Haftung nach den Bestimmungen des ZaDiG scheidet daher aus.

Die relevante Rechtsfrage im Detail

Die Rechtslage wirft die zentrale Frage auf, inwieweit das ZaDiG 2018 und das E-GeldG 2010 auf Kryptowährungen sowie die Anbieter von Handelsplattformen für Kryptowerte Anwendung finden.

Das ZaDiG definiert die Voraussetzungen, zu denen Personen Zahlungsdienste gewerblich in Österreich erbringen dürfen (Zahlungsdienstleister). Es legt zudem die Rechte und Pflichten von Zahlungsdienstleistern und Zahlungsdienstnutzern im Zusammenhang mit Zahlungsdiensten fest (OGH 8 Ob 106/20a; § 1 Abs. 1 ZaDiG 2018).

Gemäß der Begriffsbestimmung in § 4 ZaDiG 2018 sind die nachstehenden Begriffe wie folgt zu verstehen:

  • Geldbetrag: Banknoten und Münzen, Giralgeld oder E-Geld gemäß § 1 Abs. 1 des E-GeldG 2010,
  • Zahlungsdienstleister: ein Rechtsträger gemäß der erschöpfenden Liste in § 1 Abs. 3 ZaDiG 2018,
  • Zahlungsvorgang: vom Zahler, im Namen des Zahlers oder vom Zahlungsempfänger ausgelöste Bereitstellung, Transfer oder Abhebung eines Geldbetrags, unabhängig von etwaigen zugrundeliegenden Verpflichtungen im Verhältnis zwischen Zahler und Zahlungsempfänger,
  • Starke Kundenauthentifizierung (Zwei-Faktor-Authentifizierung): eine Authentifizierung unter Heranziehung von mindestens zwei Elementen der Kategorien Wissen (etwas, das nur der Nutzer weiß), Besitz (etwas, das nur der Nutzer besitzt) oder Inhärenz (etwas, das nur der Nutzer ist), die insofern voneinander unabhängig sind, als die Nichterfüllung eines Kriteriums die Zuverlässigkeit der anderen nicht infrage stellt, und die so konzipiert ist, dass die Vertraulichkeit der Authentifizierungsdaten geschützt ist.

Besonderes Augenmerk liegt auf § 67 Abs. 1 ZaDiG 2018, der vorsieht, dass Zahlungsdienstleister im Fall eines nicht autorisierten Zahlungsvorganges das belastete Zahlungskonto unverzüglich in den Zustand versetzen muss, in dem es sich ohne den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte.

Darüber hinaus verpflichtet § 87 Abs. 1 ZaDiG 2018 Zahlungsdienstleister, eine starke Kundenauthentifizierung zu verlangen, wenn der Zahler online auf das Zahlungskonto zugreift, einen elektronischen Zahlungsvorgang auslöst oder eine Handlung über einen Fernzugang vornimmt, die mit einem Risiko eines Betrugs im Zahlungsverkehr oder einem anderen Missbrauch einhergeht.

Nach § 1 Abs. 1 E-GeldG 2010 bezeichnet E-Geld jeden elektronisch gespeicherten Geldwert (einschließlich magnetisch gespeicherter Geldwerte) in Form einer Forderung gegenüber einem der vom Gesetz definierten E-Geld-Emittenten, der nach Erhalt eines Geldbetrags mit der Absicht ausgegeben wird, einen Zahlungsvorgang im Sinne des § 4 ZaDiG 2018 auszulösen.

Die Befugnis zur Ausgabe von E-Geld ist auf die vom Gesetz definierte erschöpfende Liste der E-Geld-Emittenten in § 1 Abs. 2 E-GeldG 2010 beschränkt.

Daraus ergibt sich, dass das Vorliegen eines Zahlungsvorgangs eine Verbindung mit einem Geldbetrag voraussetzt, der sich in gesetzlichen Zahlungsmitteln in Form von Banknoten, Münzen, Buchgeld oder elektronischem Geld widerspiegelt, und eine Übertragung von Kryptowährungen in der etablierten Form von Bitcoins nicht unter die Definition des „Zahlungsvorgangs“ gemäß § 4 ZaDiG 2018 fällt.

Rechtliche Lösung des Obersten Gerichtshofs

Eine Kryptowährung entspricht schon nach dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 1 E-GeldG 2010 nicht der dort getroffenen Definition von E-Geld. Aus diesem Grund scheitert die direkte Anwendung des ZaDiG 2018.

Wie vom Obersten Gerichtshof festgestellt, handelt es sich bei Kryptowährungen in der etablierten Form von Bitcoins unstrittig um ein im Rechenweg durch eine Computerleistung erzeugtes, verschlüsseltes elektronisches Zahlungssystem. Das Zahlungssystem wird in einem für jeden zugänglichen Netzwerk verwaltet und gespeichert und ermöglicht die Übertragung auf jeden, der ebenfalls über ein internetfähiges Computersystem verfügt. Bitcoins werden weder von einer Zentralbank noch von einer öffentlichen Behörde ausgegeben, noch ist es möglich, einen allgemein gültigen Emittenten dieses als Ersatzwährung genutzten Zahlungsdienstes zu identifizieren (OGH 4 Ob 234/23z).

Dass Bitcoins weder Banknoten noch Münzen sind, die auf eine gesetzliche Währung lauten, noch als Buchgeld (als Forderung gegenüber einem Kreditinstitut) gelten, ist offensichtlich (vgl. Kaufmann/Schneckenleitner/Tuder, in: Weilinger/Knauder/Miernicki, ZaDiG 2018 § 4 [2022] Rz. 175 f.). Darüber hinaus können Bitcoins somit nicht unter die Definition von E-Geld in § 1 Abs. 1 E-GeldG 2010 subsumiert werden. Der Grund dafür ist, dass Bitcoins keinen Geldwert darstellen, der in Form einer Forderung gegenüber einem der durch das Gesetz definierten E-Geld-Emittenten gespeichert wird.

Da Bitcoins weder von einer Zentralbank, einer öffentlichen Behörde noch von einem allgemeinen Anbieter gemäß § 1 Abs. 3 ZaDiG 2018 ausgegeben werden und ein Bitcoin-Transfer nicht als Zahlungsvorgang mit „Geldwert“ qualifiziert werden kann, können Anbieter von Handelsplattformen für Kryptowerte, die die Bereitstellung, Überweisung oder Auszahlung von Kryptowährungen in der etablierten Form von Bitcoins ermöglichen, nicht als Zahlungsdienstleister eingestuft werden.

Dementsprechend erstrecken sich die Anwendbarkeit des ZaDiG 2018 und des E-GeldG 2010, die spezifische Rechte und Pflichten in Bezug auf Zahlungsvorgänge festlegen, nicht auf den Transfer von Kryptowährungen. Konsequenterweise sind die Bestimmungen der §§ 67 und 87 ZaDiG 2018 nicht auf Anbieter von Handelsplattformen für Kryptowerte anwendbar, wodurch diese von der Haftung für finanzielle Verluste im Fall einer nicht autorisierten Bitcoin-Transaktion befreit sind.

Regulatorischer Ausblick

Die Verordnung (EU) 2023/1114, 31.05.2023, über Märkte für Kryptowerte stellt eine bedeutende Entwicklung in der Finanzaufsichtslandschaft der EU dar. Die Verordnung führt erstmals einen umfassenden Rahmen zur Harmonisierung der Regulierung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Kryptowerten ein (ErwGr 4 MiCA-VO). Damit einher gehen strenge Anforderungen an Transparenz, IT-Sicherheit, Risikomanagement und die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation von Kryptodienstleistern.

Es wird erwartet, dass regulatorische Unsicherheiten wie im vorliegenden Fall mit der neuen Gesetzgebung verringert werden, mit dem Ziel, einen einheitlichen und transparenten Standard im europäischen Wirtschaftsraum zu schaffen, um so den Kundenschutz und die Marktintegrität zu verbessern.

Originally Published by Dispute Resolution Online

https://www.linkedin.com/company/knoetzl/

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