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9 September 2025

Leitfaden für Schweizer Anleihen

Dieser Leitfaden soll schweizerischen und internationalen Unternehmen, welche die Ausgabe von Anleihen auf dem Schweizer Markt (oder auf dem EUR-Markt durch Schweizer Emittenten)...
Switzerland Corporate/Commercial Law

Dieser Leitfaden soll schweizerischen und internationalen Unternehmen, welche die Ausgabe von Anleihen auf dem Schweizer Markt (oder auf dem EUR-Markt durch Schweizer Emittenten) planen, bei den damit verbundenen rechtlichen und regulatorischen Überlegungen helfen. Er ist besonders nützlich für Erstemittenten oder solche, die nur selten Anleihen emittieren, dient aber auch als praktisches Nachschlagewerk für Daueremittenten (frequent issuer). Der Leitfaden bietet einen Überblick über die Rechte und Pflichten von Anleihensemittenten aus Sicht des Schweizer Rechts und untersucht die Beziehung zwischen Emittenten und Anleihegläubigern. Er erhebt kein Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll als Übersicht dienen.

1 WAS IST EINE ANLEIHE?

Das schweizerische Recht enthält keine Definition für Anleihen (ausser im Zusammenhang mit der Besteuerung, siehe unten). Das Bundesgericht und die Literatur definieren Anleihen (oder Obligationenanleihen) als Darlehen, die in gleiche Tranchen mit denselben Bedingungen (wie Zinssatz und Laufzeit) aufgeteilt sind und auf derselben Rechtsgrundlage beruhen. Rechtlich gesehen schliesst der Emittent mit einer Vielzahl von Anlegern einen identischen Vertrag ab, der jeweils auf den sogenannten Anleihebedingungen basiert. Solche Anleihen sind leicht übertragbar und gelten nach dem Schweizer Finanzmarktrecht als "Effekten". Charakteristisch für Anleihen ist die Aufteilung in mehrere Obligationen, die dieselbe Stückelung aufweisen und einzeln sowie unabhängig voneinander übertragen werden können.

Obwohl das Schweizer Recht keine Legaldefinition für Anleihen vorsieht, ist die Qualifikation einer Anleihe besonders wichtig, da das Schweizer Recht für Anleihen andere Rechtsfolgen vorsieht als für Darlehen. Anleihen werden hauptsächlich in drei verschiedenen Rechtsbereichen geregelt:

  1. Das schweizerische Obligationenrecht (das "OR") auferlegt Emittenten mit Sitz oder Geschäftsniederlassung in der Schweiz, die Anleihen im Wege eines öffentlichen Angebots ausgegeben haben, besondere Pflichten. Es regelt insbesondere die Gläubigerversammlungen und setzt dem Emittenten Grenzen für die vertraglichen Vereinbarungen, die er mit den Anleihegläubigern treffen kann.
  2. Das Schweizer Finanzdienstleistungsgesetz (das "FIDLEG") regelt die öffentliche Emission und Handelszulassung von Anleihen sowie den Inhalt von Schweizer Anleiheprospekten.
  3. Das Schweizer Steuerrecht sieht für Anleihen andere steuerliche Konsequenzen vor als für Darlehen. Nach Schweizer Steuerrecht unterliegen Darlehen der sogenannten "10/20-Nichtbanken-Regel" (10/20 non-bank rule). Damit die Zinszahlungen von Darlehen eines Schweizer Kreditnehmers nicht der schweizerischen Verrechnungssteuer unterliegen, darf der Kreditnehmer nicht mehr als 10 Nichtbanken als Kreditgeber für einen Kredit und höchstens 20 Nichtbanken als Kreditgeber für alle ausstehenden Kredite dieses Kreditnehmers von mindestens CHF 500'000 haben. Es sei darauf hingewiesen, dass sich die steuerliche Definition von Anleihen von derjenigen, die in der Praxis üblicherweise als Anleihen im Sinne der schweizerischen börsenrechtlichen Bestimmungen gelten, unterscheidet (siehe Abschnitt 7 für weitere Einzelheiten).

Schweizer Emittenten von Anleihen gelten aus Sicht der Rechnungslegung als öffentliche Unternehmen, unabhängig davon, ob die Instrumente an einer Börse kotiert sind oder nicht. Daher unterliegen solche Unternehmen erhöhten Prüfungsanforderungen (siehe Abschnitt 5.1).

2 EMISSION UND PLATZIERUNG VON ANLEIHEN

2.1 Schweizer vs. ausländische Emittenten

Das schweizerische Börsenrecht unterscheidet im Allgemeinen nicht zwischen schweizerischen und ausländischen Emittenten. Wenn also ein ausländischer Emittent ein Angebot in der Schweiz durchführt, unterliegt er grundsätzlich denselben Vorschriften.

Was jedoch die Aufrechterhaltungspflichten eines Emittenten unter dem OR betrifft, so gelten diese nur für Schweizer Emittenten. Dasselbe gilt für Schweizer Emittenten in Bezug auf die Vorschriften über die Gläubigerversammlung (z. B. im Falle einer Umstrukturierung); diese Regelung wurde jedoch vor kurzem gelockert, indem Anleihen von Schweizer Emittenten, die zumindest teilweise ausserhalb der Schweiz öffentlich angeboten werden, die Möglichkeit erhalten, sich für ein anderes, d. h. ausländisches Recht zu entscheiden (vgl. Abschnitt 4.2).

Der Hauptgrund für Schweizer Unternehmen für die Wahl eines ausländischen Emittenten ist oft steuerlicher Natur: Unter der Voraussetzung, dass bestimmte Kriterien erfüllt sind, unterliegen Zinszahlungen auf Anleihen ausländischer Emittenten nicht der Schweizer Verrechnungssteuer, was für nicht-schweizerische Investoren von entscheidender Bedeutung ist. Daher entscheiden sich viele Schweizer Unternehmen bei einer internationalen Emission für die Ausgabe von Anleihen über eine ausländische Tochtergesellschaft mit einer Garantie der Schweizer Muttergesellschaft (siehe Abschnitt 7 zur Besteuerung).

2.2 Öffentliches Angebot vs. Privatplatzierung in der Schweiz

Ein öffentliches Angebot löst in der Regel die Pflicht zur Veröffentlichung eines von einer Prospektprüfstelle genehmigten Prospekts aus, sofern keine Ausnahmen anwendbar sind. Das Schweizer Recht definiert ein "öffentliches Angebot" als ein Angebot an die Öffentlichkeit. Ein öffentliches Angebot ist ein Angebot an eine unbegrenzte Anzahl von Personen. Während diese Definition in der Praxis Fragen offen lässt, ist unter Praktikern allgemein anerkannt, dass das entscheidende Kriterium für die Unterscheidung zwischen einem öffentlichen Angebot und einer Privatplatzierung vielmehr qualitativer anstelle quantitativer Natur ist (mithin wie Investoren ausgewählt werden). In der Praxis stellt sich oft die Frage, welche Ausnahmeregelungen von der Prospektpflicht es gibt, um eine wasserdichte Lösung zu haben, wenn bei der Lancierung kein Prospekt veröffentlicht wird. Oftmals liegt jedoch bei der Emission ein Prospekt vor, weshalb in solchen Fällen die Frage obsolet wird. Weitere Einzelheiten zu den Prospektanforderungen sind in Abschnitt 3.1 unten zu finden.

2.3 Kotierung bzw. Handelszulassung

Emittenten von Anleihen streben häufig eine Kotierung ihrer Anleihen an, um den Handel für Anleihegläubiger zu erleichtern. In der Regel werden auf CHF lautende Anleihen an der SIX Swiss Exchange kotiert, während auf EUR lautende Anleihen in der Vergangenheit an EU-Börsen kotiert wurden. In letzter Zeit haben Schweizer Emittenten jedoch zunehmend die SIX Swiss Exchange für ihre EUR-Anleihen gewählt, da das schweizerische Recht bzw. die SIX im Vergleich zur EU ein vereinfachtes Angebots- und Kotierungssystem bietet.

Auch die Handelszulassung von Anleihen an einem Schweizer Handelsplatz erfordert nach Schweizer Recht die Veröffentlichung eines Prospekts. Im Gegensatz zu einem öffentlichen Angebot gibt es bei der Handelszulassung eines neuen Instruments regelmässig keine Ausnahmen.

SIX bietet eine schlanke und schnelle Möglichkeit, Anleihen zu kotieren: Sofern es sich nicht um einen Neuemittenten handelt, können Emittenten über einen anerkannten Vertreter drei Handelstage vor dem geplanten ersten Handelstag über ein Online-Tool eine provisorische Handelszulassung beantragen. Das formelle Kotierungsgesuch muss innerhalb von zwei Monaten nach dem ersten Handelstag eingereicht werden. Neuemittenten müssen vorab ein zusätzliches Gesuch stellen (vgl. Abschnitt 6.1.1).

3 PROSPEKTE

3.1 Prospektanforderungen

Die schweizerische Prospektpflicht wird durch das FIDLEG und seine Ausführungsverordnung, die Finanzdienstleistungsverordnung (die "FIDLEV"), geregelt. Das Schweizer Recht schreibt grundsätzlich die Veröffentlichung eines Prospekts vor, wenn es sich um (i) ein öffentliches Angebot in der Schweiz oder (ii) eine Zulassung zum Handel an einem Schweizer Handelsplatz wie die SIX Swiss Exchange handelt. Das FIDLEG sieht einige Ausnahmen von der Prospektpflicht vor, u.a. wenn das öffentliche Angebot an weniger als 500 Anleger (Kleinanleger oder andere) gerichtet ist, wenn sich das öffentliche Angebot nur an professionelle Anleger (professionelle Kunden im Sinne von Art. 4 Abs. 3 FIDLEG) richtet oder wenn die Stückelung mindestens CHF 100'000 beträgt. Weitere Ausnahmen bestehen für bestimmte Effekten oder für die Zulassung zum Handel, die im vorliegenden Zusammenhang jedoch von geringerer Bedeutung sind.

Das FIDLEG schreibt vor, dass ein Prospekt von einer schweizerischen Prüfstelle genehmigt werden muss. Beide Schweizer Börsen, SIX Swiss Exchange und BX Swiss, verfügen über eine Prüfstelle. Während bei Beteiligungspapieren der Prospekt vor seiner Veröffentlichung von einer schweizerischen Prüfstelle genehmigt werden muss, erlaubt das FIDLEG den Emittenten bestimmter Effekten, wie z.B. Anleihen, die Genehmigung erst nach der Veröffentlichung des Prospekts zu beantragen (ex post), sofern eine Schweizer Bank oder ein Schweizer Effektenhändler bestätigt, dass alle wichtigen Informationen über den Emittenten und die Effekten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorlagen. Daher ist eine Schweizer Bank in der Regel an einem öffentlichen Angebot von Anleihen in der Schweiz beteiligt, damit der Emittent von einem flexibleren Zeitplan profitieren kann, da weder die Prospektgenehmigung noch die Genehmigung für die Kotierung zum Zeitpunkt der Lancierung vorliegen muss.

Wird eine Anleihe im Rahmen einer Privatplatzierung angeboten, danach aber an der SIX Swiss Exchange kotiert, ist für die Handelszulassung ein Prospekt erforderlich. In der Regel wird der Prospekt in solchen Fällen auch für das Angebot erstellt, um die Prospekthaftung zu minimieren, indem sichergestellt wird, dass die Investoren, welche die Anleihen kaufen, im Voraus über alle relevanten Informationen verfügen und sich nach der Veröffentlichung des Prospekts nicht darauf berufen können, dass sie nicht über alle relevanten Informationen verfügten. Die Handelszulassung muss jedoch nicht unmittelbar nach der Platzierung stattfinden; sie kann auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen (vorbehältlich einer anderen Verpflichtung in den Anleihebedingungen). In diesem Fall wird der Prospekt im Zusammenhang mit der Zulassung zum Handel an der Börse veröffentlicht.

3.2 Form des Prospekts

Während sich die meisten Emittenten für die Veröffentlichung eines eigenständigen (stand-alone) Prospekts für eine Anleihensemission entscheiden, stehen den Emittenten verschiedene Optionen zur Verfügung: Im Falle eines Anleihe-Programms können die Emittenten die Bedingungen der neu ausgegebenen Anleihe nur dann durch die Veröffentlichung von Bedingungen bekannt geben, wenn der Basisprospekt auf dem neuesten Stand ist. Um den Basisprospekt auf dem neuesten Stand zu halten, kann bzw. muss der Emittent Nachträge veröffentlichen.

Da die Aufnahme von Querverweisen zulässig ist, verweisen Emittenten regelmässig auf die in den Prospekt aufzunehmenden Finanzabschlüsse, indem sie auf den Pfad auf ihrer Website verweisen, unter dem diese Abschlüsse zu finden sind. Wird nicht nur der Jahresabschluss, sondern der gesamte Jahresbericht in Form eines Querverweises aufgenommen, ist auf den gesamten Inhalt des Jahresberichts zu achten, da alle darin enthaltenen Informationen als Teil des Prospekts gelten und der Prospekthaftung unterliegen, was in der Regel nicht wünschenswert ist. Im internationalen Kontext ist es üblich, nur Finanzabschlüsse durch Querverweise einzubeziehen.

3.3 Prospekthaftung

Das FIDLEG sieht eine zivilrechtliche Haftung für alle Personen vor, die an der Erstellung eines Prospekts beteiligt sind, und dabei falsche, irreführende oder gegen die gesetzlichen Vorschriften verstossende Angaben machen und dabei die gebotene Sorgfalt ausser Acht lassen. Diese Personen sind dem Erwerber der jeweiligen Effekten gegenüber zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. Es ist wichtig zu beachten, dass die Haftung nicht nur für Prospekte gilt, sondern auch für ähnliche Mitteilungen, wie z. B. Investorenpräsentationen oder andere Dokumente, die im Zusammenhang mit dem Angebot erstellt worden sind.

Die zivilrechtliche Haftung ist weniger streng für (i) die Zusammenfassung, bei denen die Haftung auf Informationen beschränkt ist, welche irreführend, unrichtig oder widersprüchlich sind, wenn sie zusammen mit den übrigen Teilen des Prospekts gelesen werden, und (ii) Zukunftsaussagen (wesentliche Perspektiven), bei denen eine Person nur dann haftbar gemacht werden kann, wenn die betreffenden irreführenden oder nicht konformen Informationen wider besseres Wissen oder ohne Hinweis auf die Ungewissheit künftiger Entwicklungen gegeben oder unterlassen werden.

Das FIDLEG sieht zudem eine strafrechtliche Haftung vor: Gegen jede Person kann eine Busse von bis zu CHF 500'000 verhängt werden, die vorsätzlich falsche Angaben macht, wesentliche Informationen in einem Prospekt verschweigt oder es unterlässt, zu Beginn des öffentlichen Angebots einen Prospekt zu veröffentlichen.

3.4 Angleichung der Investorenpräsentation an den Prospekt

Häufig verwenden Emittenten und die beteiligten Konsortialbanken den Prospekt nicht als primäres Marketinginstrument sondern präsentieren stattdessen die Informationen an einem Investorenmeeting oder stellen den Investoren zusammen mit dem Prospekt eine Investorenpräsentation zur Verfügung. Die Investorenpräsentation fasst das Businessmodell eines Emittenten in einer übersichtlicheren Form zusammen. Es ist deshalb wichtig zu verstehen, dass auch eine Investorenpräsentation der Prospekthaftung unterliegt. Da der Prospekt das einzige Dokument darstellt, das als Grundlage für den Investitionsentscheid dienen soll, müssen Emittenten sicherstellen, dass der Inhalt der Präsentation mit dem Inhalt des Prospekts übereinstimmt und dass alle wesentlichen Informationen der Investorenpräsentation im Prospekt enthalten sind.

4 BEZIEHUNG ZU DEN ANLEIHEGLÄUBIGERN (ANLEIHEBEDINGUNGEN)

4.1 Freiheit in der Gestaltung der Anleihebedingungen?

Vorbehältlich gewisser Ausnahmen, können Schweizer und ausländische Emittenten das anwendbare Recht und die Anleihebedingungen grundsätzlich frei wählen. In diesem Zusammenhang sind folgende Ausnahmen erwähnenswert:

  1. Schweizer Emittenten, die ihre Anleihen in der Schweiz öffentlich anbieten, sind an zwingende Bestimmungen in Bezug auf die Gläubigerversammlung gebunden, inkl. der Änderung der Anleihebedingungen. Schweizer Emittenten können von diesen Bestimmungen abweichen, wenn eine Anleihe zumindest teilweise im Ausland öffentlich ausgegeben wird (vgl. dazu auch unter Abschnitt 4.2).
  2. Die SIX Swiss Exchange verlangt, dass die Anleihebedingungen, die an ihrer Börse kotiert werden sollen, schweizerischem Recht oder einer Jurisdiktion eines Mitgliedstaates der OECD unterstellt sind. Ausnahmen sind jedoch möglich. So lässt die SIX Swiss Exchange beispielsweise New Yorker Recht als anwendbares Recht zu. In der Praxis ist nicht (nur) das anwendbare Recht von Bedeutung, sondern vorwiegend die Anleihebedingungen (Terms and Conditions; Ts&Cs), die der Marktpraxis entsprechen sollen. Im CHF-Anleihemarkt dominiert das Schweizer Recht. Im EUR-Anleihemarkt ist überwiegend englisches Recht anwendbar, obwohl einige Schweizer Emittenten schweizerisches Recht wählen, um ihre EUR-Anleihen an ihre inländischen Anleihen anzugleichen.

4.2 Bedingungen, die schweizerischem Recht unterstehen

Das schweizerische Recht schreibt den Emittenten nicht direkt spezifische Regeln vor, die in den Anleihebedingungen umgesetzt werden müssen. Es verpflichtet Schweizer Emittenten jedoch zur Einhaltung einer Reihe von Regeln im Zusammenhang mit Gläubigerversammlungen und bestimmten Änderungen der Anleihebedingungen. Es gibt einige Besonderheiten bei den schweizerischen Bestimmungen für Anleihegläubiger, die erwähnenswert sind:

Die Bestimmungen für Schweizer Anleihegläubiger sind im OR und in der Verordnung über die Gläubigergemeinschaft bei Anleihensobligationen geregelt. Sie gelten grundsätzlich für alle Emittenten mit Sitz oder Geschäftsniederlassung in der Schweiz, die ihre Anleihen im Rahmen eines öffentlichen Angebots anbieten. Ausgenommen sind der Bund, die Kantone, die Gemeinden und andere Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts. Während das Recht, dem die Anleihebedingungen unterliegen, frei gewählt werden kann, gelten in solchen Fällen stets die schweizerischen Bestimmungen über die Gläubigergemeinschaft bei Anleihensobligationen. Eine Ausnahme ist nur zulässig, wenn die Anleihen (zumindest teilweise) im Ausland öffentlich angeboten werden; in diesem Fall erlaubt das Gesetz die Anwendung einer anderen, mit der öffentlichen Ausgabe zusammenhängenden Rechtsordnung.

Die Bestimmungen für Schweizer Gläubigergemeinschaften bei Anleihensobligationen wurden in den letzten 70 Jahren im Wesentlichen nicht abgeändert. Die Verfahrensvorschriften sind entsprechend umständlich und können es Emittenten schwer machen, die Anleihebedingungen nach der Emission zu ändern wie beispielsweise im Falle einer Umstrukturierung. Bestimmte Änderungen, wie z.B. die Verlängerung der Amortisationsfrist oder die Ermässigung des jährlichen Zinssatzes, erfordern die Zustimmung von zwei Dritteln der ausstehenden Anleihe (d. h. nicht nur der bei einer Anleihegläubigerversammlung vertretenen Anleihen). Da es kein Anleihegläubigerregister gibt, haben Emittenten öffentlich gehandelter Anleihen Schwierigkeiten, Anleihegläubiger für Gläubigerversammlung zu kontaktieren oder zu veranlassen, dass die Anleihegläubiger an einer Gläubigerversammlung vertreten sind, insbesondere da Anleihegläubiger, die sich vertreten lassen möchten, eine schriftliche Vollmacht benötigen – eine Anforderung, die im Falle einer internationalen Investorenbasis schwer erfüllbar ist. Das schweizerische Recht bietet jedoch die Möglichkeit eines nachträglichen Zustimmungsverfahrens (consent solicitation), d.h. die Möglichkeit, die Anleihegläubiger innerhalb von zwei Monaten nach der Gläubigerversammlung um schriftliche und beglaubigte Zustimmungen zu bitten. Da die Anleihegläubiger häufig nicht bekannt sind, kann sich die Durchführung von Anleiherestrukturierungen unter diesen Bedingungen in der Praxis als komplex erweisen.

Anstatt eine Gläubigerversammlung zur Umstrukturierung einer Anleihe abzuhalten, entscheiden sich die Emittenten häufig dafür, ihren Anleihegläubigern neue Anleihen mit abgeänderten Bedingungen zum Tausch gegen bestehende Anleihen anzubieten. Diese Methode ist im Regelfall wirksam, da die Emittenten üblicherweise Anreize für Investoren vorsehen, die sich am Tausch ihrer Anleihen beteiligen.

Ausländische Emittenten können Schweizer Recht als anwendbares Recht wählen und Regeln für die Gläubigerversammlung aufstellen, die von den Regeln des OR abweichen.

5 ANFORDERUNGEN AN DEN EMITTENTEN VON ANLEIHEN

5.1 Gesellschaftsrechtliche Anforderungen

Das schweizerische Gesellschaftsrecht erlegt den schweizerischen Emittenten von Anleihen zusätzliche Pflichten auf:

  1. Jahresrechnung: Das OR verpflichtet Anleihensemittenten, ihre Jahresrechnung und gegebenenfalls ihre Konzernrechnung im Rahmen einer ordentlichen Revision prüfen zu lassen (Art. 727 OR).
  2. Revisionsstelle: Die Revision muss von einem staatlich beaufsichtigten Revisionsunternehmen durchgeführt werden (Art. 727b OR).
  3. Nicht-finanzielle Berichterstattung: Sofern ein Emittent und seine konsolidierten Tochtergesellschaften im Jahresdurchschnitt von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren mindestens 500 Vollzeitstellen aufweisen und in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren entweder eine Bilanzsumme von CHF 20 Mio. und/oder einen Umsatz von CHF 40 Mio. überschreiten, ist der Emittent zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet (Art. 964a ff. OR).

Ein Schweizer Emittent, dessen Aktien an einer Schweizer Börse kotiert sind, erfüllt die oben genannten Pflichten bereits (sofern anwendbar). Für einen nicht-kotierten Emittenten, der zum ersten Mal Anleihen ausgeben möchte, können diese Pflichten einen zusätzlichen Arbeits- und Organisationsaufwand bedeuten, welcher vor der Emission der Anleihen berücksichtigt werden sollte.

5.2 Anwendbare Gesetzesbestimmungen für kotierte Anleihen

Im Falle einer Kotierung an einer Schweizer Börse kommen die Schweizer Gesetzesbestimmungen über Insiderhandel und Marktmissbrauch zur Anwendung. Obwohl diese Bestimmungen für den Handel mit Anleihen weniger relevant sind als für Aktien, da die Kurse von Anleihen – abgesehen von Restrukturierungsfällen – in der Regel nicht auf Unternehmensnachrichten reagieren, sind diese Bestimmungen dennoch anwendbar und sollten in den jeweiligen Richtlinien der Emittenten berücksichtigt werden.

Andere Bestimmungen, wie das Übernahmerecht und das Offenlegungsrecht von wesentlichen Beteiligungen, gelten nicht für Anleihen (straight bonds).

Die von der SIX Swiss Exchange erlassenen Pflichten für Anleiheemittenten sind im nächsten Abschnitt zu finden.

6 KOTIERUNGSREGLEMENT DER SIX

6.1 Wichtigste Voraussetzungen für die Kotierung: Übersicht

Anleihen werden regelmässig an der SIX Swiss Exchange kotiert. Die SIX Swiss Exchange hat ihre eigenen Zulassungsregeln, deren wichtigste Bedingungen wie folgt sind:

Regelung Inhalt
Dauer 3 Jahre
Jahresabschlüsse Jahresberichte der letzten zwei Jahre nach einem anerkannten Rechnungslegungsstandard.
Kapitalausstattung Mindestens CHF 25 Millionen gemäss dem anwendbaren Rechnungslegungsstandard.
Anerkannter Rechnungslegungsstandard US GAAP, IFRS oder Swiss GAAP FER. Für Schweizer Banken anerkennt die SIX auch den bankengesetzlichen Standard und für öffentlich-rechtliche Anstalten oder Körperschaften mit Sitz in der Schweiz das harmonisierte Rechnungsmodell. Für ausländische Emittenten werden EU-IFRS, UKIFRS, ASBE (aus der Volksrepublik China) anerkannt. Ausländische Emittenten können andere Rechnungslegungsstandards verwenden, sofern die Anleihe des Emittenten auf der Grundlage des angewandten Rechnungslegungsstandards an einem geregelten Markt eines Mitgliedstaates der EU oder des EWR zugelassen werden würde oder der angewandte Rechnungslegungsstandard an einem von der SIX Swiss Exchange anerkannten Markt zugelassen ist und die Unterschiede zwischen dem angewandten Rechnungslegungsstandard und IFRS oder US GAAP detailliert in Textform erläutert werden.
Revisionsstelle Gemäss Art. 8 des Revisionsaufsichtsgesetzes unterliegen Revisionsstellen der staatlichen Aufsicht; sie müssen die Übereinstimmung der Abschlüsse mit dem angewandten Rechnungslegungsstandard bestätigen.
Anwendbares Recht Es kann schweizerisches Recht oder eine andere von der SIX Swiss Exchange anerkannte Rechtsordnung (z.B. eines OECD-Mitgliedstaates) angewendet werden. Auf Gesuch hin können weitere ausländische Rechtsordnungen anerkannt werden, sofern sie in Bezug auf den Anlegerschutz und die Transparenzvorschriften internationalen Standards genügen. Die Anleger müssen die Möglichkeit haben, den Emittenten vor einem staatlichen Gericht anzuklagen, das sich (zumindest alternativ) in der gleichen Jurisdiktion befinden muss wie das auf die betreffende Anleihe anwendbare Recht.
Mindestkapitalisierung der Anleihe Nominalbetrag der Anleihe muss mindestens CHF 20 Mio. betragen.
Garantie (falls zutreffend) Garantie gemäss Art. 111, Bürgschaft nach Art. 496 OR (Solidarbürgschaft) oder eine Patronatserklärung (sog. KeepWell Agreement). Die Garantie muss schweizerischem Recht unterliegen; ausländisches Recht ist zulässig, wenn es sich um ein von der SIX Swiss Exchange anerkanntes Recht handelt (z.B. eines OECD-Mitgliedstaates). Gerichtsstand muss ein staatliches Gericht sein, wobei mindestens ein Gericht des angewandten Rechts zuständig sein muss.
Dienstleistungen von Zahlstellen Der Emittent muss mindestens eine schweizerische Zahlstelle benennen, die als Bank oder Effektenhändler qualifiziert und der Aufsicht der FINMA untersteht.

6.1.1 Neuemittenten

Neuemittenten müssen über ihren anerkannten Vertreter Gesuch auf Vorabprüfung einreichen. Das Gesuch muss im Wesentlichen Folgendes enthalten: (i) eine kurze Beschreibung des Emittenten unter Angabe der Dauer seines Bestehens, seiner Kapitalausstattung und seiner Rechnungslegung (Rechnungslegungsstandard und Angaben zur Unabhängigkeit der Revisionsstelle; Datum des Jahresabschlusses und dessen geplantes Veröffentlichungsdatum), (ii) die Statuten (oder ein gleichwertiges Dokument nach ausländischem Recht) und (iii) ein Auszug des zuständigen Handelsregister über den Emittenten (oder ein gleichwertiges Dokument aus einem ausländischen Register). Als Neuemittent gilt ein Emittent, der in den letzten drei oder mehr Jahren keine von ihm emittierten Effekten an der SIX Swiss Exchange kotieren liess.

6.1.2 Besonderheiten für Garanten

Damit Emittenten von einer Befreiung bestimmter Kotierungsvoraussetzungen profitieren können, verlangt die SIX, dass eine Garantie im Sinne von Art. 111 OR oder eine Solidarbürgschaft im Sinne von Art. 496 OR vorliegt. Bestimmte Garantien nach ausländischem Recht werden von der SIX ebenfalls anerkannt. Zudem sind auch Patronatserklärungen (Keep-Well Agreement) zulässig.

Die Bestimmungen der SIX erlauben es, dass der Garantiegeber anstelle des Emittenten bestimmte Kotierungsanforderungen erfüllt, sofern der Emittent mit dem Garantiegeber vollständig konsolidiert ist.

Zudem erlaubt die Prüfstelle der SIX (Prospectus Office) gestützt auf den Anforderungen der FIDLEV die Veröffentlichung der Jahresrechnung des Garantiegebers und befreit Emittenten von der Veröffentlichung ihrer Jahresrechnung, wenn der Emittent mit dem Garantiegeber vollständig konsolidiert ist.

Die Verlagerung der Erfüllung der Zulassungsanforderungen vom Emittenten auf den Garantiegeber ermöglicht es Unternehmen, ihre Anleihen mittels einer Tochtergesellschaft (i.d.R. ein Finanzierungsvehikel) zu begeben, wobei die Muttergesellschaft als Garantiegeber fungiert.

Für Emittenten und Garantiegeber gelten im Falle von Cross- und Upstream-Garantien gesonderte Bestimmungen.

6.2 Wesentliche Verpflichtungen für die Aufrechterhaltung der Kotierung

Im Nachfolgenden findet sich ein kurzer Überblick über die wichtigsten Pflichten für Anleiheemittenten, die sich aufgrund der Kotierung an der SIX Swiss Exchange ergeben:

Verpflichtung Inhalt
Ad-hoc Publizität* Pflicht, den Markt über alle kursrelevanten Tatsachen zu informieren, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind.
Jährliche Berichterstattung* Veröffentlichung des Jahresberichts innerhalb von 4 Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahrs des Emittenten. Es sind keine Zwischenabschlüsse (Halbjahresabschlüsse oder Quartalsabschlüsse) erforderlich.
Von der SIX Swiss Exchange anerkannter Rechnungslegungsstandards* US GAAP, IFRS oder Swiss GAAP FER. Für Schweizer Banken anerkennt die SIX auch den bankengesetzlichen Standard und für öffentlich-rechtliche Anstalten oder Körperschaften mit Sitz in der Schweiz das harmonisierte Rechnungsmodell. Für ausländische Emittenten werden EU-IFRS, UK-IFRS, ASBE (aus der Volksrepublik China) anerkannt. Ausländische Emittenten können andere Rechnungslegungsstandards verwenden, sofern die Anleihe des Emittenten auf der Grundlage des angewandten Rechnungslegungsstandards an einem geregelten Markt eines Mitgliedstaates der EU oder des EWR zugelassen werden würde oder der angewandte Rechnungslegungsstandard an einem von der SIX Swiss Exchange anerkannten Markt zugelassen ist und die Unterschiede zwischen dem angewandten Rechnungslegungsstandard und IFRS oder US GAAP detailliert in Textform erläutert werden.
Regelmeldepflichten (in Bezug auf den Emittenten und die Anleihe) Beispiele sind die Substitution des Emittenten, die vorzeitige Rückzahlung oder Erhöhungen oder die Einladung zu einer Gläubigerversammlung.

* Anmerkung: Diese Verpflichtungen können vom Garantiegeber anstelle des Emittenten erfüllt werden, wenn der Emittent mit dem Garantiegeber vollständig konsolidiert ist.

Die Regeln der SIX erlauben es Garantiegebern, einen Grossteil der laufenden Kotierungspflichten zu erfüllen und befreien Emittenten von vielen Pflichten, wenn der Emittent mit dem Garantiegeber vollständig konsolidiert ist: Der Garantieerbringer kann sich verpflichten, die Pflichten des Emittenten in Bezug auf die Ad-hoc-Berichterstattung und die Veröffentlichung des Geschäftsberichts zu erfüllen. Dies ist insbesondere für Emittenten, die als Finanzierungsvehikel fungieren und kein anderes Geschäft betreiben, eine wichtige Erleichterung. Für Garanten, die bereits Beteiligungsrechte an der SIX Swiss Exchange kotiert haben, bedeutet dies, dass sie keine wesentlichen Zusatzpflichten haben, da die Standards für Beteiligungsrechte höher sind als für Forderungsrechte. Regelmeldepflichten des Emittenten/Garanten und der Anleihe müssen hingegen vom Emittenten und vom Garantiegeber erfüllt werden, d.h. sie können nicht an den Garanten delegiert werden. Dies stellt jedoch regelmässig kein Problem dar, da die Berichtspflichten eher formaler Natur sind.

7 STEUERLICHE ÜBERLEGUNGEN

Bei schweizerischen Emittenten ist eine schweizerische Verrechnungssteuer von 35% auf Zinszahlungen fällig. Handelt es sich bei dem Emittenten um eine ausländische Tochtergesellschaft und werden die Anleihen von einer schweizerischen Gesellschaft (in der Regel der Muttergesellschaft) garantiert, ist keine schweizerischen Verrechnungssteuer fällig, sofern die ausländische Tochtergesellschaft ihren rechtlichen Sitz ausserhalb der Schweiz hat und nicht de facto in der Schweiz verwaltet wird. Darüber hinaus werden die Erlöse nicht in der Schweiz verwendet; wenn die Erlöse in der Schweiz verwendet werden, muss (i) der Höchstbetrag dem konsolidierten Eigenkapital aller nichtschweizerischen Tochtergesellschaften der Gruppe entsprechen oder (ii) die Höchstbeträge dürfen nicht höher sein als die Summe aller Darlehen, die von den schweizerischen Unternehmen an die nichtschweizerischen Unternehmen der Gruppe gewährt werden. (i) und (ii) können auch kombiniert werden. Infolgedessen verwenden Schweizer Emittenten häufig eine EmittentenGaranten-Struktur, wenn sie den EUR oder andere ausländische Märkte erschliessen möchten oder – allgemeiner ausgedrückt – erwarten, dass ein erheblicher Teil der Investoren ausserhalb der Schweiz ansässig ist und daher die Schweizer Verrechnungssteuer nicht (vollständig) zurückfordern können.

The content of this article is intended to provide a general guide to the subject matter. Specialist advice should be sought about your specific circumstances.

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