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9 June 2025

Neue 60-Tägige Mindestrügefrist Bei Grundstückkauf- Und Werkverträgen

BK
Bär & Karrer

Contributor

Bär & Karrer is a renowned Swiss law firm with more than 170 lawyers in Zurich, Geneva, Lugano and Zug. Our core business is advising our clients on innovative and complex transactions and representing them in litigation, arbitration and regulatory proceedings. Our clients range from multinational corporations to private individuals in Switzerland and around the world.
Ab 1. Januar 2026 gilt für die Rüge von Mängeln an Grundstücken und unbeweglichen Werken neu zwingend eine Rügefrist von mindestens 60 Tagen.
Switzerland Real Estate and Construction

Ab 1. Januar 2026 gilt für die Rüge von Mängeln an Grundstücken und unbeweglichen Werken neu zwingend eine Rügefrist von mindestens 60 Tagen. Diese Frist ersetzt die bisher im Obligationenrecht vorgesehene sofortige Rügepflicht und kann vertraglich nicht verkürzt werden. Die neuen Bestimmungen gelten für Verträge, die nach dem Inkrafttreten am 1. Januar 2026 abgeschlossen werden.

Änderungen im Kaufvertragsrecht

GRUNDSTÜCKKAUFVERTRÄGE

Bei Grundstückkäufen galt im dispositiven Gesetzesrecht bisher eine Pflicht zur sofortigen Rüge. Neu beträgt die Rügefrist zwingend mindestens 60 Tage (nArt. 219a OR). Da insbesondere bei institutionellen Käufern eine sofortige Mängelrüge kaum praktikabel war, wurde in der Praxis regelmässig vertraglich eine längere Rügefrist vereinbart.

Die 60-tägige Rügefrist gilt neu auch für Käufe von beweglichen Sachen, die bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert worden sind und die Mangelhaftigkeit des unbeweglichen Werkes verursacht haben (nArt. 201 Abs. 4 OR).

Zudem ist eine Verkürzung der im Gesetz vorgesehenen fünfjährigen Verjährungsfrist bei Grundstückkäufen künftig nicht mehr zulässig (nArt. 219a Abs. 3 OR).

KAUF SCHLÜSSELFERTIGER BAUTEN

Käufer von schlüsselfertigen Bauten erhalten zusätzlich neu ein unentgeltliches Nachbesserungsrecht gegenüber dem Verkäufer. Dieses Nachbesserungsrecht untersteht den Bestimmungen des Werkvertragsrechts und kann zum Voraus nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden (nArt. 219 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. nArt. 368 Abs. 2bis OR).

Diese Bestimmung gilt nicht nur bei Grundstücken mit noch zu errichtenden Bauten, sondern auch beim Kauf von Grundstücken mit Neubauten, die weniger als zwei Jahre vor dem Kauf errichtet worden sind (nArt. 219 Abs. 2 Satz 1 OR).

Neu muss der Verkäufer einen Mangel somit unentgeltlich nachbessern, wenn der Käufer diesen innert 5 Jahren nach dem Kauf entdeckt und fristgerecht innert 60 Tagen rügt.

Damit wird es ab 1. Januar 2026 nicht mehr zulässig sein, dass der Verkäufer sämtliche Gewährleistungen gegenüber dem Käufer für das neu gebaute Gebäude ausschliesst und stattdessen nur seine eigenen Gewährleistungsansprüche gegenüber den einzelnen Unternehmern an den Käufer abtritt. Diese Praxis wurde als nicht adäquat für den Käufer empfunden, da er sich bei Mängeln an Unternehmer des Verkäufers halten musste, ohne diese, deren Verträge und die bisherigen Besprechungen zwischen Verkäufer und Unternehmer zu kennen.

Änderungen im Werkvertragsrecht

NEUE 60-TÄGIGE RÜGEFRIST

Auch bei Werkverträgen galt im bisherigen dispositiven Recht eine Pflicht zur sofortigen Rüge. Neu gilt bei unbeweglichen Werken zwingend eine Rügefrist von mindestens 60 Tagen ab Abnahme des Werkes oder ab Entdeckung eines verdeckten Mangels (nArt. 367 Abs. 1bis Satz 1 OR und nArt. 370 Abs. 4 OR).

Das Gleiche gilt auch bei Mängeln eines beweglichen Werkes, welches bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert wird sowie bei Mängeln eines Werkes, das von einem Architekten oder Ingenieur erstellt und bestimmungsgemäss als Grundlage für die Erstellung eines unbeweglichen Werkes verwendet wird, sofern diese Mängel die Mangelhaftigkeit eines unbeweglichen Werks verursacht haben (nArt. 367 Abs. 1bis Satz 2 OR und nArt. 367 Abs. 4 Satz 3 OR)

ZWINGENDES NACHBESSERUNGSRECHT

Neu kann das Nachbesserungsrecht des Bestellers zum Voraus nicht mehr eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn der Mangel eine Baute betrifft (nArt. 368 Abs. 2bis OR).

FÜNFJÄHRIGE VERJÄHRUNGSFRIST

Bereits bisher galt eine fünfjährige Verjährungsfrist im Zusammenhang mit den Mängelrechten von unbeweglichen Werken gegen den Unternehmer sowie gegen Architekten oder Ingenieure, die zum Zwecke der Erstellung Dienste geleistet haben (Art. 371 Abs. 2 OR). Auch bestand bereits eine fünfjährige Verjährungsfrist bei Mängelrechten von beweglichen Werken, die bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert werden und die Mangelhaftigkeit eines unbeweglichen Werkes verursacht haben (Art. 371 Abs. 1 OR).

Diese fünfjährige Verjährungsfrist kann neu nicht mehr verkürzt werden (nArt. 371 Abs. 3 OR).

AUSWIRKUNGEN AUF DIE SIA-NORM 118

Bei der SIA-Norm 118 handelt es sich um die Allgemeinen Bedingungen für Bauarbeiten des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA), die nur gelten, wenn sie im Werkvertrag ausdrücklich oder stillschweigen übernommen werden.

Weil die SIA-Norm 118 in der Praxis vielfach in Bauwerkverträge übernommen wird und die SIA-Norm 118 bereits bisher eine zweijährige Rügefrist für offene Mängel vorsah, hat die Revision bei reinen Bauwerkverträgen in der Praxis weniger Auswirkungen. Die SIA-Norm 118 bleibt damit nach wie vor ein bewährtes und zu empfehlendes Regelwerk für Bauwerkverträge sowie für den Kauf schlüsselfertiger Bauten.

Allerdings werden einzelne Regelungen der aktuellen SIA-Norm 118 nicht mehr gesetzeskonform sein: So sieht die aktuelle SIANorm 118 eine sofortige Rügepflicht für bei der Abnahme offensichtliche Mängel sowie für verdeckte Mängel vor. Die entsprechenden Bestimmungen widersprechen der neuen zwingenden Mindestrügefrist von 60 Tagen im Obligationenrecht und müssen entsprechend revidiert werden.

Es ist davon auszugehen, dass die SIA-Norm 118 zeitnah an die neuen zwingenden Bestimmungen des Obligationenrechts angepasst wird. Sollte dies nicht bis zum 1. Januar 2026 geschehen sein, werden die neuen zwingenden Bestimmungen des Obligationenrechts den Bestimmungen der SIA-Norm 118 vorgehen.

Änderungen im Bauhandwerkerpfandrecht

Eine weitere Änderung betrifft die Sicherstellung im Zusammenhang mit Bauhandwerkerpfandrechten im Zivilgesetzbuch.

Zur Verhinderung der definitiven Eintragung oder zur Löschung von provisorisch eingetragenen Bauhandwerkerpfandrechten kann die Bauherrschaft eine hinreichende Sicherheit leisten (Art. 839 Abs. 3 ZGB).

Gemäss bisheriger Praxis des Bundesgerichts musste die Sicherheitsleistung die Pfandsumme zuzüglich Verzugszinsen ohne zeitliche Begrenzung abdecken, was zu erheblichen Belastungen der Bauherrschaft führte und kaum möglich war.

Neu genügt eine Sicherheitsleistung, welche die Pfandsumme zuzüglich Verzugszinsen für zehn Jahre abdeckt (nArt. 839 Abs. 3 ZGB).

Fazit

Die Erhöhung der Rügefrist auf 60 Tage ist zu begrüssen, da eine sofortige Mängelrüge bei Grundstücken und Bauwerken in der Praxis kaum praktikabel ist. Gleichzeitig verhindert die Revision gewisse missbräuchliche Praktiken beim Verkauf schlüsselfertig zu erstellender Bauten, die in der Vergangenheit teilweise vorkamen.

Die Revision erfordert eine Anpassung der SIA-Norm 118 sowie gängiger Vertragsstandards – insbesondere bei Grundstückkaufverträgen mit schlüsselfertiger Erstellung sowie General- oder Totalunternehmerverträgen.

The content of this article is intended to provide a general guide to the subject matter. Specialist advice should be sought about your specific circumstances.

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