I. Einleitung

Diese Arbeit befasst sich mit der Rechtsfolge von Vertragsverletzungen, welche zum Zweck der Vorteilserlangung begangen werden. Solche Vertragsverletzungen weisen gegenüber einer gewöhnlichen" Vertragsverletzung zwei besondere Eigenschaften auf: Zum einen ist dies die aus der Verletzung resultierende Vermögensverbesserung des Verletzers, zum anderen ist es der Vorsatz des Verletzers, der sowohl die Vertragsverletzung als auch seine daraus folgende Vermögensverbesserung umfasst. Die Festlegung der sachgerechten Rechtsfolge verlangt eine umfassende Abwägung der einander entgegenstehenden Interessen. Ausgangspunkt dieser Interessenabwägung ist zunächst der Grundsatz pacta sunt servanda, wonach abgeschlossene Verträge grundsätzlich einzuhalten sind. Gleichzeitig gilt es aber auch, das Prinzip der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Demnach soll jede Vertragspartei stets das bestmögliche wirtschaftliche Fortkommen anstreben dürfen.

Die zentrale Stossrichtung der Rechtsfolge von Vertragsbrüchen ist klar. Die Verletzung einer vertraglichen Pflicht begründet sowohl nach schweizerischem Recht wie auch nach ausländischen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerken typischerweise einen Anspruch auf Schadenersatz. Erleidet eine Vertragspartei aufgrund eines dem Vertragspartner zurechenbaren Ereignisses einen Vermögensnachteil, so soll der Verletzer diesen Nachteil kompensieren. Massgeblich sind dabei gewöhnlich einzig die Auswirkungen der Pflichtverletzung auf das Vermögen der verletzten Partei. Deren Vermögensveränderung stellt sowohl die Grundlage als auch die Begrenzung des Ersatzanspruchs dar. Es ist somit möglich, dass der Verletzer durch seinen Vertragsbruch Vorteile erlangt, welche allfällig geschuldete Ersatzzahlungen übersteigen. Aus der Perspektive des Schuldners liegt diesfalls eine gewinnbringende Vertragsverletzung vor.

Fraglich ist, ob die Leistung von Schadenersatz an den Gläubiger in einem solchen Fall angemessen ist. Wie eingangs erwähnt, steht das Interesse des vertragsbrüchigen Schuldners, mittels einer Vertragsverletzung wirtschaftliche Vorteile erzielen zu können, dem Interesse des auf pacta sunt servanda vertrauenden Vertragspartners entgegen. Nebst den konkreten Parteierwartungen sind aber auch abstrakte moralische Interessen zu berücksichtigen. Soll es möglich sein, dass eine Vertragspartei durch gezielte Vertragsverletzung eine wirtschaftliche Besserstellung erfährt? Dass dazu verschiedene Auffassungen bestehen, lässt bereits der unterschiedliche Schutz der vertraglichen Erwartungen in den verschiedenen Rechtstraditionen erahnen: Während sich im Bereich des civil law eher das Interesse an der Vertragserfüllung durchgesetzt hat – man denke insbesondere an den gerichtlich durchsetzbaren

Anspruch auf Realerfüllung –, werden im common law kompensatorische Ansätze und ökonomische Überlegungen verhältnismässig stärker gewichtet.1 Auf die Interessenabwägung bei gewinnbringenden Vertragsverletzungen ist im Folgenden näher einzugehen. Fällt diese zugunsten des Grundsatzes pacta sunt servanda aus, so könnte ein Anspruch des Gläubigers auf Vorteilsherausgabe den wirtschaftlichen Anreiz des Schuldners zum Vertragsbruch wirksam reduzieren. Anders als bei der Verletzung absoluter Rechte wie Eigentums- oder Persönlichkeitsrechte ist eine Pflicht zur Vorteilsherausgabe bei Vertragsverletzungen indessen keine typische" Rechtsfolge. Es soll deshalb der Frage nachgegangen werden, unter welchen Umständen eine Vorteilsherausgabe als Folge einer Vertragsverletzung sinnvollerweise zur Anwendung kommen sollte. Vor diesem Hintergrund ist schliesslich zu prüfen, wann die Vorteilsherausgabe unter Schweizer Recht sowie ausgewählten internationalen Regelwerken zur Anwendung kommen kann.

1 Vgl. HACHEM, FS Schwenzer, 652; ZWEIGERT/KÖTZ, 477 f.; BÄRTSCHI, 88.

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Originally published 28 May, 2020

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