Sachverhalt
Ein deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in Konstanz (Deutschland) wird bei der AB Service AG mit Sitz in Zürich (Schweiz) als Servicetechniker angestellt. Er wird seine Tätigkeit überwiegend im benachbarten Ausland ausüben. Es handelt sich um ein sogenanntes grenzüberschreitendes Anstellungsverhältnis.
Wohn- und Familiensituation
- Der Mitarbeiter lebt mit seiner Ehefrau und den zwei gemeinsamen Kindern in Konstanz, Deutschland.
- Die Ehefrau ist nicht erwerbstätig.
- Die Kinder (16 und 18 Jahre) leben noch im gemeinsamen Haushalt mit dem Mitarbeiter.
Arbeitssituation
- Die AB Service AG mit Sitz in Zürich ist der Arbeitgeber.
- Der Mitarbeiter pendelt täglich von Konstanz nach Zürich zur Arbeit, d. h. er fährt jeden Tag über die Grenze zur Arbeitsstelle in der Schweiz und kehrt danach am Abend wieder nach Deutschland zurück.
- Die Tätigkeit beinhaltet auch regelmässige Arbeitseinsätze von mehreren Tagen in Frankreich.
- Zusätzlich arbeitet der Mitarbeiter zu 20 % im Homeoffice in Deutschland.
Vergütung
- Das Gehalt wird von der Schweiz aus bezahlt (Schweizer Arbeitgeber überweist das Salär auf das Konto des Mitarbeiters).
Bewilligungsrechtliche Lösung
Für die Tätigkeit im Homeoffice in Deutschland gibt es keinen Handlungsbedarf. Der Hauptarbeitsort des Mitarbeiters befindet sich in Zürich, in der Schweiz. Da der Mitarbeiter keinen Wohnsitz in der Schweiz hat, handelt es sich um ein klassisches Grenzgängerverhältnis. Aus diesem Grund ist es notwendig, vor Arbeitsbeginn eine Grenzgängerbewilligung (Ausweis G) beim Zürcher Migrationsamt zu beantragen. Das Gesuch ist durch den Arbeitgeber in der Schweiz zu stellen.
Sollte der Mitarbeiter mehrere Arbeitsorte innerhalb der Schweiz haben, ist es erforderlich, dafür zusätzliche Einverständniserklärungen der betroffenen Kantone oder Arbeitgeber einzuholen, um die Gültigkeit der Bewilligung sicherzustellen.
Im Rahmen seiner Tätigkeit sind für den Mitarbeiter auch kurzzeitige Arbeitseinsätze in Frankreich vorgesehen. Da der Mitarbeiter keinen Wohnsitz in Frankreich hat und aber tageweise in Frankreich arbeitet, müssen in Frankreich diese Arbeitstage (im Rahmen der Posted Worker Notification) gemeldet werden. Frankreich ist bezüglich der Kontrolle dieser Meldungen sehr streng.
Steuerrechtliche Lösung
Im grenzüberschreitenden Kontext ist die Bestimmung der steuerlichen Ansässigkeit eines Mitarbeiters von zentraler Bedeutung. In der Regel ist die steuerliche Ansässigkeit in dem Land gegeben, in dem der Mitarbeiter seinen Wohnsitz oder auch gewöhnlichen Aufenthalt bzw. der Lebensmittelpunkt sich befindet.
In unserem Beispiel hat der Mitarbeiter seinen Wohnsitz in Deutschland und hält sich dort gewöhnlich auf. Das bedeutet, dass er dort als steuerlich ansässig gilt und sein weltweites Einkommen in Deutschland zu versteuern ist (unbeschränkte Steuerpflicht).
Der Arbeitgeber des Mitarbeiters befindet sich in der Schweiz, wo auch die Erwerbstätigkeit im Rahmen eines regulären Arbeitsverhältnisses ausgeübt wird. Aus Sicht der Schweiz unterliegt der Mitarbeiter der beschränkten Steuerpflicht, da er keinen Wohnsitz in der Schweiz hat.
Im Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland gibt es eine besondere Regelung betreffend die Besteuerung für Grenzgänger, welche in unserem Beispiel auch zum Tragen kommt.
Im Rahmen der sogenannten Grenzgängerbesteuerung gelten besondere Regelungen:
- Bei einer Rückkehr an mehr als 240 Tagen pro Jahr (d.h. maximal 60 berufsbedingten Nichtrückkehrtagen) gilt der Mitarbeiter als echter Grenzgänger". In diesem Fall wird in der Schweiz eine Quellensteuer von pauschal 4,5 % auf das Bruttoeinkommen erhoben.
- Bei mehr als 60 berufsbedingten Nichtrückkehrtagen pro Jahr liegt ein sogenannter unechter Grenzgänger" vor. In diesem Fall erfolgt eine reguläre Quellenbesteuerung in der Schweiz auf die dort geleisteten Arbeitstage.
Zusätzlich muss der Mitarbeiter jedoch in Deutschland eine Einkommensteuererklärung abgeben und das Einkommen dort entsprechend deklarieren. Als echter Grenzgänger wird die Besteuerung des Einkommens in Deutschland vorgenommen.
Grundsätzlich hat Deutschland das Besteuerungsrecht der Arbeitstage in Frankreich, sofern die Arbeitstage nicht in Frankreich zur Besteuerung gelangen. Hierfür ist das Doppelbesteuerungs- abkommen zwischen Deutschland und Frankreich und die daran enthaltene 183-Tage-Regel massgeben. Sofern der Mitarbeiter nicht mehr als 183 Tage im Kalander sich in Frankreich aufhält, keinen Lohn aus Frankreich ausbezahlt erhält sowie die Kosten seiner Tätigkeit nicht in Frankreich von einer Betriebsstätte getragen werden, entsteht keine Steuerpflicht in Frankreich.
Sozialversicherungsrechtliche Lösung
Im Sozialversicherungsrecht sowie auch im Steuerrecht gilt grundsätzlich das Erwerbsortsprinzip. Dies bedeutet das Erwerbseinkommen ist grundsätzlich in dem Land abgabepflichtig, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird.
In unserem Beispiel übt der Mitarbeiter seine Tätigkeit sowohl in Deutschland, der Schweiz als auch in Frankreich aus.
Mit der Einführung des Personenfreizügigkeitsabkommens wollte man vermeiden, dass eine Person in mehreren Ländern sozialversicherungspflichtig wird, und erreichen, dass die Sozialversicher- ungspflicht nur in einem Land vorhanden ist.
Hierbei ist die Prüfung der Sozialversicherungsunterstellung gemäss EU-Verordnung (EG) Nr. 883/2004 von zentraler Bedeutung. Wird die Erwerbstätigkeit zu mindestens 25 % im Wohnsitzland (hier: Deutschland) ausgeübt (z. B. durch Homeoffice oder weitere Tätigkeiten vor Ort), unterliegt der Mitarbeiter der Sozialversicherungspflicht im Wohnsitzland.
In diesem Fall ist müsste der Arbeitgeber sich in Deutschland registrieren und die Sozialver- sicherungsbeiträge auf dem gesamten Einkommen in Deutschland abführen. Der Mitarbeiter wäre dann sowohl von der Schweizer als auch von der französischen Sozialversicherungspflicht befreit.
Es empfiehlt sich daher, die genaue Arbeitszeitverteilung zwischen den Ländern frühzeitig zu prüfen, um die Zuständigkeit der Sozialversicherung eindeutig zu klären. Des weiteren müsste eine A1-Bescheinigung vor allem für die Tätigkeiten in den anderen Ländern entsprechend eingeholt werden.
Unser Beispiel:
Da der Arbeitgeber und teilweise Erwerbsort in der Schweiz liegt und die Tätigkeit in Deutschland lediglich 20 % der Gesamtarbeitszeit umfasst, unterliegt der Mitarbeiter grundsätzlich der Schweizer Sozialversicherungspflicht. In diesem Fall gelten die Schweizer Regelungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV/IV), Arbeitslosenversicherung (ALV) sowie Pensionskasse (BVG). Die entsprechenden Schweizer Sozialversicherungsbeiträge sind vom Arbeitgeber direkt vom Lohn einzubehalten und an die zuständigen Stellen abzuführen.
Bezüglich der Krankenversicherung besteht ein Wahlrecht (Optionsrecht), d. h. der Mitarbeiter kann sich entscheiden, entweder in der Schweiz oder in Deutschland krankenversichert zu sein – vorausgesetzt, die Entscheidung wird innerhalb der Frist nach Beginn der Tätigkeit in der Schweiz offiziell geltend gemacht.
Besondere Aufmerksamkeit ist der Dokumentation der Homeoffice-Tage zu widmen. Sollte die Tätigkeit in Deutschland 25 % oder mehr der Gesamtarbeitszeit betragen (z. B. durch eine Ausweitung des Homeoffice-Anteils), würde dies dazu führen, dass die Sozialversicherungspflicht gemäss dem anzuwendenden Abkommen nach Deutschland verlagert wird. Eine lückenlose und nachvollziehbare Dokumentation der Arbeitstage je Land ist daher essenziell.
Aufgrund dessen, dass die Sozialversicherungsunterstellung innerhalb der EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz nur in einem Land gegeben sein soll, und der Mitarbeiter im Sitzstaat des Arbeitgebers ebenfalls tätig ist sowie in seinem Wohnsitzland weniger als 25%, ist die Sozialversicherungspflicht in der Schweiz gegeben. In Frankreich kann er im Rahmen dieser Mehrstaaten-Beschäftigung von der Sozialversicherungspflicht befreit werden. Der Mitarbeiter benötigt jedoch für jede Tätigkeit in Frankreich ein von der Schweizer Behörde abgestempeltes A1, welches die Sozialversicherungs- pflicht in der Schweiz bestätigt.
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