To the Point:
Rechtsprechung des VfGH
VfGH 03.10.2024, E4003/2023
Videoüberwachung, Verschleierungsverbot
- Ein Mann trug eine Burka, um nicht von einer öffentlichen
Videoüberwachungskamera erfasst zu werden.
Aufgrund des Verstoßes gegen § 2 Abs 1
Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz (AGesVG) wurde
ihm mit Bescheid eine Geldstrafe auferlegt. Der Mann erhob
Bescheidbeschwerde beim LVwG Niederösterreich und behauptete,
das AGesVG sei verfassungswidrig, weil es gegen das
verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Datenschutz
verstoße. Da das LVwG die Bescheidbeschwerde abwies, erhob
der Mann Erkenntnisbeschwerde an den VfGH.
Der VfGH hat erwogen: Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privatlebens. Ein Eingriff in dieses Grundrecht ist nur statthaft, wenn dieser gesetzlich vorgesehen ist und dem materiellen Gesetzesvorbehalt des Art 8 Abs 2 EMRK entspricht. Zudem muss der Eingriff geeignet und erforderlich sein, um ein legitimes Ziel zu erreichen und er muss verhältnismäßig sein.
Das AGesVG zielt auf die Förderung von Integration durch die Stärkung der Teilhabe an der Gesellschaft und die Sicherung des friedlichen Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion in einer pluralistischen Gesellschaft ab. Dies dient der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Zur Umsetzung dieses Ziels hat der Gesetzgeber den Verbotstatbestand des § 2 Abs 1 AGesVG normiert, der neutral formuliert ist und sämtliche Gesichtsverhüllungen in der Öffentlichkeit erfasst. Der EGMR erkennt dem Staat einen weiten Ermessensspielraum bei der Frage zu, ob es erlaubt sein soll, seine Gesichtszüge in der Öffentlichkeit zu verhüllen. Diesen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum hat der österreichische Gesetzgeber nicht überschritten, sodass keine Verletzung im Recht auf Achtung des Privatlebens vorliegt.
Da auch keine Verletzung in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder in einem sonstigen Recht zu erkennen ist, ist der Beschwerdeführer wegen Anwendung des § 2 Abs 1 AGesVG nicht in seinen Rechten verletzt worden
Rechtsprechung des OGH
Aus der Rechtsprechung des OGH
- Soweit für eine Person eine Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit besteht, dürfen personenbezogene Daten und andere Umstände, die Rückschlüsse auf die Identität oder die höchstpersönlichen Lebensumstände der gefährdeten Person zulassen, von der Akteneinsicht ausgenommen werden (§ 51 Abs 1 iVm § 162 StPO). Eine darüber hinausgehende Beschränkung des Rechts auf Akteneinsicht des Beschuldigten ist unzulässig (OGH 24.09.2024, 11Os75/24z; 24.09.2024, 11Os74/24b).
- Der Kläger begehrt die Unterlassung der erneuten unrechtmäßigen Offenlegung seiner personenbezogenen Daten, nicht aber die Löschung seiner Daten. Beim EuGH sind in der Rs C-655/23, Quirin Privatbank, Vorlagefragen zu Unterlassungsansprüchen nach der DSGVO anhängig, die für die Beantwortung der Frage, ob und wann sich ein Unterlassungsanspruch aus der DSGVO ergibt, präjudiziell sind. Es ist daher zweckmäßig und geboten, mit der Entscheidung über Unterlassungsansprüche bis zur Entscheidung des EuGH über das bereits gestellte Vorabentscheidungsersuchen zuzuwarten und das Revisionsverfahren zu unterbrechen (OGH 20.09.2024, 6Ob112/24z).
Rechtsprechung des BVwG
BVwG 28.08.2024, W221 2279014-1
Tesla, Dash-Cam, Beweislast
- Tesla-Fahrzeuge sind mit mehreren
Dash-Cams ausgestattet, die das Umfeld
überwachen. Der "Sentry Mode" speichert Aufnahmen
bei Bedrohungen. Der "Alert Mode" wird bei
Erschütterungen oder ähnlichen Ereignissen aktiviert.
Für die Speicherung der Videos auf einem USB-Laufwerk muss
dieses korrekt formatiert und angeschlossen sein.
Ein Passant fühlte sich durch die vermeintliche Videoaufzeichnung eines Teslas in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt. Das Fahrzeug parkte in einer Fußgängerzone, als der Passant vorbeiging. Seiner Ansicht nach filmte das Fahrzeug ihn im "Sentry Mode" und "Alert Mode", speicherte die Aufnahmen und übertrug diese in die USA. Weiters erachtete er sich in seinen Rechten auf Auskunft, Berichtigung und Löschung verletzt. Die Fahrzeughalterin verstieße gegen Art 6 DSGVO, weil es weder eine gesetzliche Grundlage noch eine Einwilligung für die Verarbeitung gebe. Zudem verletze sie mangels Kennzeichnung die Informationspflicht nach Art 13 DSGVO.
Die DSB wies die Datenschutzbeschwerde des Passanten wegen Verletzung in den Rechten auf Auskunft, Berichtigung und Löschung in einem Teilbescheid ab, weil der Passant kein entsprechendes Ersuchen an die Fahrzeughalterin richtete. In einem zweiten Teilbescheid wies die DSB auch die Datenschutzbeschwerde wegen behaupteter Verletzung der Rechte auf Information und Geheimhaltung ab, weil zum entscheidungsrelevanten Zeitpunkt der "Sentry Mode" zwar aktiv gewesen sei, die Kameras jedoch nicht eingeschaltet waren. Es habe somit keine Datenverarbeitung stattgefunden. Daraufhin erhob der Passant (erfolglose) Bescheidbeschwerde gegen den zweiten Teilbescheid an das BVwG.
Das BVwG hat erwogen: Die Aktivierung des "Sentry Mode" (auch wenn er nicht in den "Alert Mode" wechselt) ist eine Datenverarbeitung, die eine Informationspflicht des datenschutzrechtlich Verantwortlichen auslösen kann. Entscheidend ist daher, ob der "Sentry Mode" zum entscheidungsrelevanten Zeitpunkt tatsächlich aktiviert war.
Der Verantwortliche iSd Art 4 Z 7 DSGVO trägt die Beweislast für die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung iSd Art 5 DSGVO. Darüber hinaus finden sich in der einschlägigen Judikatur und in den anzuwendenden Normen jedoch keine Hinweise auf eine entsprechende Beweislastumkehr in Bezug auf das Vorliegen einer Datenverarbeitung.
Weiters ist in diesem Zusammenhang auf den Amtswegigkeitsgrundsatz zu verweisen. Dieser verpflichtet die Behörde, den Sachverhalt vollständig von Amts wegen zu ermitteln, ohne in tatsächlicher Hinsicht an das Parteienvorbringen gebunden zu sein (§ 39 Abs 2 iVm § 37 AVG). Wenn es nicht gelingt, die anspruchsbegründenden Tatsachen festzustellen, geht dies zulasten des Betroffenen.
Der "Sentry Mode" war zum entscheidungsrelevanten Zeitpunkt nicht aktiviert. Folglich fanden auch keine Videoaufnahmen über Passanten statt. Da keine personenbezogenen Daten verarbeitet wurden, ist das Geheimhaltungsrecht des Passanten nicht verletzt worden. Weiters gelangt Art 13 DSGVO mangels Erhebung personenbezogener Daten nicht zur Anwendung. Anm: Nach der ständigen Rechtsprechung der DSB können die Rechte auf Auskunft, Berichtigung und Löschung in einer Datenschutzbeschwerde erst geltend gemacht werden, nachdem ein Auskunfts-, Berichtigungs- oder Löschungsersuchen an den Verantwortlichen gestellt worden ist. Deshalb ist die Datenschutzbeschwerde hinsichtlich dieser Rechte mit dem ersten (unbekämpften) Teilbescheid der DSB zurückgewiesen worden (vgl auch unten BVwG 12.09.2024, W287 2296629-1).
BVwG 22.08.2024, W256 2246158-1
SPG, Identitätsdokumentenregister, AuvBZ,
Unzuständigkeit
- Anlässlich einer Lärmerregung im öffentlichen
Raum forderten Polizeibeamte eine Passantin zur
Identitätsfeststellung in Form einer Ausweisleistung auf. Da
sich die Passantin weigerte, ihren Ausweis vorzuzeigen, wurde sie
schließlich von den Polizeibeamten festgenommen und zur
nächstgelegenen Polizeiinspektion verbracht, wo eine Abfrage
ihres Lichtbildes im Identitätsdokumentenregister
("IDR") erfolgte. Die von der Passantin auf
Verletzung im Recht auf Geheimhaltung gestützte
Datenschutzbeschwerde wies die DSB ab. Die hiergegen erhobene
Bescheidbeschwerde wies das BVwG mit der Maßgabe ab, dass die
ursprüngliche Datenschutzbeschwerde wegen
Unzuständigkeit der DSB zurückgewiesen
wird.
Das BVwG hat erwogen: Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind gemäß § 35 Abs 2 und 3 SPG zur Feststellung der Identität einer tatverdächtigen Person ermächtigt. Dabei reicht die Skala der für die Feststellung der Identität einsetzbaren Maßnahmen vom Befragen des Betroffenen bis zur Einsichtnahme in einen amtlichen Lichtbildausweis.
Über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verarbeiten personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entscheidet grundsätzlich die DSB. Davon ausgenommen ist jedoch die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von personenbezogenen Daten infolge der Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ("AuvBZ").
Eine AuvBZ liegt vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Die Passantin wurde Zwecks Feststellung ihrer Identität festgenommen, worin die Ausübung physischen Zwangs zu sehen ist. Daraus ergibt sich, dass in die personenbezogenen Daten der Passantin infolge einer AuvBZ eingesehen wurde, deren Beurteilung gemäß § 88 Abs 1SPG in die Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte fällt. Demzufolge hätte die DSB die Datenschutzbeschwerde der Passantin als unzulässig zurückzuweisen gehabt.
BVwG 05.09.2024, W176 2273820-1
Rechtsanwaltskammer, AuskunftspflichtG
- Ein Rechtsanwalt verlangte Auskunft gemäß
§ 1 AuskunftspflichtG bei der für ihn
zuständigen Rechtsanwaltskammer
("RAK") über die Zusammensetzung, das
Abstimmungsverhalten der Mitwirkenden sowie über internen
Abläufe und Entscheidungen der Kammer in den ihn betreffenden
Ausschüssen. Die RAK lehnte das Auskunftsersuchen pauschal
ohne vertiefende Begründung ab, weil die Fragen das interne
Beratungs- und Willensbildungsverhalten der RAK sowie die
detaillierten Abstimmungsergebnisse dem Amtsgeheimnis unterliegen
würden. Der Rechtsanwalt erhob daraufhin Bescheidbeschwerde an
ein LVwG, das die Bescheidbeschwerde zuständigkeitshalber an
das BVwG weiterleitete. Das BVwG wies die Bescheidbeschwerde
hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens ab. Im Übrigen behob
das BVwG den Bescheid und verwies die Angelegenheit zur Erlassung
eines neuen Bescheids an die RAK zurück.
Das BVwG hat erwogen:Auskünfte über den Beratungs- und Willensbildungsprozess von Mitgliedern eines Kollegialorgans gefährden dessen Unabhängigkeit und unterliegen dem Beratungsgeheimnis. Wenn Mitglieder von Kollegialorganen die Offenlegung ihres Abstimmungsverhaltens befürchten müssen, kann dies das Stimmverhalten und die Unabhängigkeit gefährden. Der Begriff "Auskunft" umfasst nur die Pflicht zur Information über die Tätigkeit der Behörde, nicht aber eine Verpflichtung zur Begründung behördlichen Handelns oder Unterlassens gegenüber dem Anfragenden.
Das Abstimmungsverhalten von Mitgliedern des Ausschusses der RAK sind interne Beratungs- und Willensbildungsprozesse, die dem für die Unabhängigkeit des Kollegialorgans wesentlichen Beratungsgeheimnis unterliegen, sodass die betreffenden Aktenteile von der Akteneinsicht auszunehmen sind.
Im Verfahren des Ausschusses der RAK ist das AVG anzuwenden. Gemäß § 18 Abs 4 AVG hat jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Einzelne Mitglieder einer Kollegialbehörde müssen namentlich zwar nicht genannt werden. Die Bekanntgabe der Mitglieder der über eine Sache entscheidenden Behörde kann jedoch für die Überprüfung der richtigen Zusammensetzung und der Unbefangenheit erforderlich sein. Bei Auskünften nach dem AuskunftspflichtG hat eine Interessenabwägung zwischen der Amtsverschwiegenheit und dem Interesse des Auskunftswerbers an der Information zu erfolgen.
Angelegenheiten, in denen jemand Parteistellung hat, stehen einer Auskunftserteilung nach dem AuskunftspflichtG entgegen, weil die Möglichkeit zur Akteneinsicht besteht. In Angelegenheiten, in denen der Rechtsanwalt keine Parteistellung hatte, könnte sein Interesse an der Erlangung der Informationen über die Zusammensetzung der entscheidenden Behörde überwiegen. Da die RAK hierzu keine Feststellungen traf, war der Bescheid zu beheben und die Angelegenheit an die RAK zurückzuverweisen.
BVwG 02.09.2024, W292 2292958-1
BVwG, Verfristung
- Ein Betroffener behauptete, durch das BVwG in
seinem Grundrecht auf Datenschutz und Geheimhaltung sensibler
personenbezogener Daten verletzt worden zu sein.
Der Betroffene wies sich bei einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beim BVwG mit seinem Behindertenpass aus. Da im Verhandlungsprotokoll der mündlichen Verhandlung die Information über seinen Behindertenpass aufschien, erhob der Betroffene eine Beschwerde gemäß Art 130 Abs 2aB-VG. Er führte aus, dass er nicht darüber informiert wurde, dass seine Daten an Dritte weitergegeben werden würden. Mit diesem Wissen hätte er sich mit dem Reisepass ausgewiesen. Dem Betroffenen wurde jedoch bereits nach der Verhandlung ein Kurzprotokoll vorgelegt, auf dem vermerkt wurde, dass er sich mit einem Behindertenpass ausgewiesen hat, wogegen er am Ende der Verhandlung keine Einwände erhob. Auch nach Zustellung einer Vollschrift des Verhandlungsprotokolls, in welchem die Information über den Behindertenpass übernommen wurde, erhob der Betroffene Einwendungen nur gegen das Verhandlungsprotokoll, jedoch nicht gegen die Protokollierung des Behindertenpasses selbst.
Das BVwG entschied in einem aus drei Berufsrichtern gebildeten Senat und wies die Beschwerde als verspätet zurück.
Das BVwG hat erwogen: Wer durch ein Organ in Ausübung seiner justiziellen Tätigkeit im Grundrecht auf Datenschutz verletzt wurde, kann gemäß § 85 Abs 8 GOG dem Bund gegenüber die Feststellung dieser Verletzung begehren. Gemäß § 24a BVwGG gelten die §§ 84 und 85 GOG sinngemäß für Organe des BVwG mit der Maßgabe, dass über behauptete Datenschutzverletzungen ein Senat des BVwG entscheidet. Der behaupteten Verletzung liegt das Handeln eines Organs des BVwG in Ausübung seiner justiziellen Tätigkeit iSd Art 55 Abs 3 DSGVO und den §§ 84 und 85 GO – nämlich die Aufnahme einer Information zum Ausweisdokument in eine Verhandlungsschrift – zugrunde.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Jahres ab dem Tag, an dem der Betroffene von der Entscheidung oder dem Vorgang Kenntnis erlangt hat, beim BVwG einzubringen. Nach Ablauf von drei Jahren nach der Entscheidung oder dem Vorgang kann die Feststellung nicht mehr begehrt werden. Der Betroffene musste die behauptete Datenschutzverletzung bereits im Rahmen der Unterzeichnung des Kurzprotokolls am 21.04.2021 kennen. Er erhob die Beschwerde jedoch erst am 01.06.2024. Zudem hat der Betroffene fünf Tage nach Zustellung der Vollschrift des Verhandlungsprotokolls Einwendungen erhoben, welche sich damals nicht auf die Protokollierung des Behindertenausweises bezogen. Vor diesem Hintergrund war die Beschwerde als verfristet zurückzuweisen.
BVwG 12.09.2024, W252 2272069-1
Impferinnerungsschreiben, Mitwirkungspflicht
- Der Empfänger eines COVID-19-Impferinnerungsschreibens
behauptete, dass der (vermeintlich) absendende Verantwortliche sein
Grundrecht auf Geheimhaltung verletzt habe. Der (vermeintliche)
Verantwortliche soll rechtswidrig auf seine im Impfregister
hinterlegten Daten zugegriffen haben. Das Impferinnerungsschreiben
legte der Empfänger der Datenschutzbeschwerde nicht bei. Die
DSB legte einen anderen Verantwortlichen als Beschwerdegegner fest
und gab der Datenschutzbeschwerde statt. Daraufhin erhob der
Beschwerdegegner eine (erfolgreiche) Bescheidbeschwerde.
Das BVwG hat erwogen: Gemäß Art 77 DSGVO kommt jeder Person das Recht zu, Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde zu erheben, wenn sie der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden Daten gegen die DSGVO verstößt. Art 77 DSGVO macht keine inhaltlichen Vorgaben, verlangt jedoch ausreichende Angaben, damit die DSB die Art und Weise der Verarbeitung sowie den Verstoß gegen die DSGVO nachvollziehen kann.
Wenn es der DSB nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, besteht eine Mitwirkungspflicht der Partei. Dies vor allem dann, wenn die DSB sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen nicht von Amts wegen beschaffen kann. Der Empfänger machte eine Verletzung seines Rechts auf Geheimhaltung geltend, legte auf Nachfrage des BVwG jedoch kein Impferinnerungsschreiben vor. Aufgrund der Mitwirkungspflicht wäre der Empfänger dazu verpflichtet gewesen, den Beweis zu erbringen, dass seine personenbezogenen Daten tatsächlich verarbeitet wurden. Da der Empfänger mittlerweile verstorben ist, kann er dieser Mitwirkungspflicht nicht mehr nachkommen. Die Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung konnte somit nicht festgestellt werden. Vor diesem Hintergrund war der Bescheidbeschwerde stattzugeben und die ursprüngliche Datenschutzbeschwerde abzuweisen. Anm: Dem BVwG ist zwar beizupflichten, dass der Empfänger des Impferinnerungsschreibens seine Betroffenheit durch Vorlage des Impferinnerungsschreibens nachzuweisen gehabt hätte. Da der Empfänger während des laufenden Verfahrens verstorben ist, wäre der Bescheid jedoch ersatzlos zu beheben und das Verfahren einzustellen gewesen (vgl zB BVwG 07.06.2023, W214 2263568-1).
Aus der weiteren Rechtsprechung des BVwG:
- Das Recht auf eine Kopie der personenbezogenen Daten gemäß Art 15 Abs 3 DSGVO ist eine Regelung für die Form der Unterrichtung des Betroffenen. Art 15 Abs 3 Satz 1 DSGVO räumt dem Betroffenen neben dem Recht auf Auskunft gemäß Art 15 Abs 1 DSGVO kein zusätzliches – eigenständiges – Recht auf Kopien von Auszügen aus Dokumenten, von ganzen Dokumenten oder Auszügen aus Datenbanken, die personenbezogene Daten enthalten, ein (BVwG 09.09.2024, W176 2283061-1).
- In der Systematik des Art 12 Abs 3 und 4 DSGVO kommt zum Ausdruck, dass das in Art 15 DSGVO normierte Betroffenenrecht auf Auskunft jedenfalls (zunächst) im Wege eines Antrags an den Verantwortlichen durchzusetzen ist. Ist an den Verantwortlichen kein Auskunftsersuchen gestellt worden, ist die Datenschutzbeschwerde von der DSB abzuweisen. Die Auslegung einer Erklärung ist am Empfängerhorizont zu messen. Ist für den objektiven Erklärungsempfänger kein Auskunftsersuchen ersichtlich, ist von keinem Auskunftsersuchen auszugehen (BVwG 12.09.2024, W287 2296629-1).
- Wird eine Datenschutzbeschwerde während des laufenden Verfahrens vor dem BVwG zurückgezogen, entfällt die Zuständigkeit der DSB rückwirkend, sodass der Bescheid der DSB ersatzlos zu beheben und das Verfahren einzustellen ist (BVwG 16.09.2024, W137 2262841-1; W137 2263387-1; W137 2257622-1).
- Wird eine Bescheidbeschwerde während des laufenden Verfahrens vor dem BVwG zurückgezogen, ist das Verfahren mit Beschluss einzustellen (BVwG 10.09.2024, W292 2285395-1).
Rechtssprechung des BFG
- Bescheidbeschwerden gegen Bescheide der DSB unterliegen einer Pauschalgebühr, die zum Zeitpunkt des Einbringens der Bescheidbeschwerde bei der DSB zu entrichten ist. Die Gebührenschuld entsteht bereits beim Einbringen der Bescheidbeschwerde (BFG 27.09.2024, RV/5100356/2024).
Vorschau EuGH-Rechtsprechung
- Am 17.10.2024 wird das Urteil in der Rs C-302/23, Jarocki, verkündet. Der EuGH wird sich mit der eIDAS-Verordnung auseinandersetzen. Anm: Dem Urteil sind keine Schlussanträge vorausgegangen.
- Am 13.11.2024 wird das Urteil des EuG in der Rs T-223/20, Orion / Kommission, verkündet. Gegenstand des Verfahrens ist der Datenschutz betreffend Arzneimittel.
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