To the Point:
Rechtsprechung des BVwG
BVwG 27.11.2024, W603 2280263-1
- Eine Inhaberin
von Urheberrechten ("Rechteinhaberin")
übermittelte eine Abmahnung an
einen Anbieter von
Internetzugangsdiensten ("Internet Service
Provider; ISP"). Der ISP teilte aufgrund
dieser Abmahnung der zuständigen Telekom-Control-Kommission
("TKK") mit, dass er wegen eines
Streaming-Links ua
eine IP-Zugangssperre eingerichtet
hat.
Die TKK leitete daraufhin von Amts wegen ein Verfahren ein und sprach mit Bescheid aus, dass die IP-Zugangssperre, die auf die Sperre einer IPv4-Adresse gerichtet war, gegen Art 3 Abs 3 der VO 2015/2120 verstoßen habe. Gegen den Bescheid der TKK wurde Bescheidbeschwerde an das BVwG erhoben.
Das BVwG setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH zur Vorabentscheidung fünf Fragen zur Auslegung des Art 3 Abs 3 der VO 2015/2120 vor. Im Wesentlichen fragt das BVwG, welche Verkehrsmanagementmaßnahmen gemäß Art 3 VO 2015/2120 ein ISP zum Schutz urheberrechtlich geschützter Inhalte dritter Rechtsinhaber zu ergreifen hat. Konkret geht es dem BVwG um die Unterscheidung zwischen IP-Sperren und DNS-Sperren, um IP-Overblocking zu vermeiden. Dabei kritisiert das BVwG die Rechtsprechung des OGH, die keine entsprechende Unterscheidung trifft.
Das BVwG hat u.a. erwogen: In der Rechtsprechung des OGH, der über das Bestehen von Unterlassungsansprüchen in letzter Instanz entscheidet, wurde bisher nur die Sphäre jener Endnutzer beachtet, die selbst Kunden jenes ISP sind, der die IP-Sperren einrichtet. Die Definition der "Endnutzer" umfasst jedoch ausdrücklich auch Nutzer, die Informationen, Inhalte, Anwendungen und Dienste bereitstellen, also beispielsweise Webseiten bereitstellen und dort Dienste wie zB Webshops betreiben.
In den bisherigen nationalen zivilgerichtlichen Entscheidungen, in denen von ISP's drohendes Overblocking als Argument gegen die Zulässigkeit der Einrichtung von IP-Sperren ins Treffen geführt wurde, ist keine Differenzierung und konkrete Auseinandersetzung mit der Art des Overblockings (DNS vs IP-Overblocking) erfolgt. Diese Entscheidungen scheinen – in technischer Hinsicht irrig – davon auszugehen, dass unabhängig davon, ob eine IP- oder DNS-Sperre vom ISP angewandt wird, nur etwaige legale Inhalte, die unter derselben Domain abrufbar sind, wie die zu sperrenden illegalen Inhalte, mitblockiert werden.
Tatsächlich ergeben sich jedoch bei Vorliegen eines IP-Overblockings potenziell deutlich weitergehende Auswirkungen der Sperrmaßnahmen, weil Inhalte bzw Dienste Dritter mitblockiert werden könnten, die unter anderen Domains angeboten werden und in keinem näheren Zusammenhang mit den erwähnten illegalen Inhalten bzw Diensten stehen.
Aus der weiteren Rechtsprechung des BVwG:
- Ein Berufsdetektiv darf zum Zweck der Verteidigung von Rechtsansprüchen mit der Erhebung (sensibler) personenbezogener Daten durch Observierung eines Klagegegners beauftragt werden, soweit die Datenerhebung für die Zweckerreichung erforderlich ist (BVwG 23.09.2024, W274 2257472-1).
Nationale Rechtsakte
- Am 27.12.2024 wurde das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024, BGBl I 2024/157, kundgemacht. In Folge des Erkenntnisses des VfGH vom 14.12.2023, G 352/2021, wird die "Beschlagnahme" von Datenträgern (zB Mobiltelefone) und Daten sowie die Aufbereitung und Auswertung von Daten neu geregelt. Ausdrücklich umfasst ist ebenso die "Beschlagnahme" von Daten, die an anderen Speicherorten als auf einem Datenträger gespeichert sind (zB in der Cloud). Neben der Strafprozessordnung (StPO) wurden mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024 ua auch das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Finanzstrafgesetz und das AVG novelliert. Anm: Mit der Neuregelung der Beschlagnahme mobiler Daten(träger) hat sich unser Kollege Oliver M. Loksa vertieft auseinandergesetzt: https://www.schoenherr.eu/content/seizure-and-examination-of-mobile-data-in-austria-new-legal-framework-finally-passed-in-parliament.
Vorschau EuGH-Rechtsprechung
- Am 08.01.2024 wird
das Urteil des EuG in
der Rs T-354/22, Bindl/Kommission,
veröffentlicht. Gegenstand des Verfahrens ist ua
ein Datentransfer in die USA.
- Am 09.01.2024 wird
das Urteil in der Rs C-416/23, Österreichische
Datenschutzbehörde (Demandes excessives),
verkündet. Der EuGH wird Fragen des VwGH zur Auslegung der
Wortfolge "exzessive Anfragen" in
Art 57 Abs 4 DSGVO beantworten. Anm: Die
Zusammenfassung der Schlussanträge kann in der 36. Ausgabe des Schönherr
Datenschutzmonitors vom 11.09.2024 nachgelesen
werden.
- Am 09.01.2024 wird das Urteil in der Rs C-394/23, Mousse, verkündet. Geklärt wird, ob ein Websitebetreiber über seinen Warenkorb die "geschlechtsspezifischen Daten" "Herr" und "Frau" erheben darf. Anm: Die Zusammenfassung der Schlussanträge kann in der 28. Ausgabe des Schönherr Datenschutzmonitors vom 17.07.2024 nachgelesen werden.
The content of this article is intended to provide a general guide to the subject matter. Specialist advice should be sought about your specific circumstances.