Im gestern publizierten Entscheid in Sachen Sanktionsverfügung: Hors-Liste Medikamente (Preisempfehlungen) (2C_149/2018 vom 4. Februar 2021) konkretisiert das Bundesgericht den Begriff der aufeinander abgestimmten Verhaltensweise und klärt in diesem Zusammenhang noch offene Fragen.

Abgestimmte Verhaltensweise als Abrede nach Art. 4 Abs. 1 KG

Nach Art. 4 Abs. 1 KG gelten als Wettbewerbsabreden rechtlich erzwingbare Vereinbarungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen gleicher oder verschiedener Marktstufen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken. Eine abgestimmte Verhaltensweise fällt gemäss Bundesgericht dann unter den Abredebegriff, wenn es sich um ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der betreffenden Unternehmen handelt.

Wie das Bundesgericht festhält, besteht der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise aus zwei Elementen: Die Abstimmung ("Fühlungnahme") einerseits und das darauf gestützte Marktverhalten andererseits. Zwischen der Abstimmung und dem Verhalten hat sodann ein Kausalzusammenhang zu bestehen.

Gemäss Bundesgericht beruht die von Art. 4 Abs. 1 KG erfasste Verhaltensabstimmung auf der Verwertung von Informationen, die unter normalen Marktbedingungen nicht ohne Weiteres zugänglich, sondern nur aufgrund eines bewussten Informationsaustausches unter den Marktteilnehmern verfügbar sind. Der Begriff der aufeinander abgestimmten Verhaltensweise stellt gemäss Bundesgericht zwar nicht auf einen Austausch von Willensbekundungen ab, trotzdem sei eine minimale Kommunikation, eine "Fühlungnahme" notwendig. Dabei soll bereits einseitiges Informationsverhalten eines Unternehmens ausreichen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass Wettbewerber ihr Marktverhalten entsprechend anpassen.

Das zweite Element der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bildet die Umsetzung der Abstimmung. Dieser Abstimmungserfolg muss sich gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung in der Regel in einem mehr oder weniger sichtbaren, tatsächlichen Marktverhalten zeigen. Das Marktverhalten muss damit von der aufeinander bezogenen Abstimmung beeinflusst sein.

Hinsichtlich des Kausalzusammenhangs gilt gemäss Bundesgericht bei nachgewiesener Abstimmung die widerlegbare Vermutung, dass die beteiligten Unternehmen die ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigt haben. Dies gelte umso mehr, wenn die Abstimmung während eines langen Zeitraums regelmässig stattfindet. Im umgekehrten Fall, wenn also ein Gleichverhalten von Wettbewerbern vorliegt, könne dieses eine abgestimmte Verhaltensweise indizieren; allerdings seien in der Regel weitere Indizien notwendig, damit von einem solchen Verhalten ausgegangen werden kann. Mit diesen beiden Beweiserleichterungen für den Nachweis der Kausalität folgt das Bundesgericht der Rechtsprechung des EuGH.

Eine Abrede in Form einer abgestimmten Verhaltensweise stellt sodann nur dann eine Wettbewerbsabrede i.S.v. Art. 4 Abs. 1 KG dar, wenn sie eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt.

Insbesondere Preisempfehlung

In 2C_149/2018 vom 4. Februar 2021 hatte das Bundesgericht zu beurteilen, ob vertikale Preisempfehlungen für Viagra eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise i.S.v. Art. 4 Abs. 1 KG darstellen. Es stellt klar, dass das Befolgen der Preisempfehlung allein für die Annahme einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise nicht genügt, dass aber neben dem Befolgen nicht zwingend eine Druckausübung oder weitere Elemente notwendig sind. Vielmehr sei eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Das Zusammenspiel zwischen Abstimmung und Abstimmungserfolg müsse ein gewisses qualitatives Mass erreichen, damit bei vertikalen Preisempfehlungen von einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise ausgegangen werden kann. Schliesslich hält das Bundesgericht in diesem Zusammenhang fest, dass an die tatsächliche Befolgung der empfohlenen Preise keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen.

Im konkreten Fall bejaht das Bundesgericht, dass mit der Übermittlung der Preisempfehlungen eine Abstimmung vorliegt. Zwischen dem Hersteller und den Verkaufsstellen hätte eine intensive Kommunikation stattgefunden, aufgrund welcher die Unsicherheiten über die Reaktionen anderer Marktteilnehmer auf das eigene Verhalten zumindest habe vermindert werden können. Gemäss Bundesgericht liegt die Befolgungsrate der betroffenen Verkaufsstellen ferner über einem Befolgungsgrad von 50 %, bei dem der Abstimmungserfolg – ein der Abstimmung entsprechendes Marktverhalten – bejaht werden könne. Das Bundesgericht erachtet sodann die Abstimmung als kausal für das Marktverhalten. Es stützt sich dabei insbesondere auf den erleichterten Beweis der Kausalität bei nachgewiesener Abstimmung und dem Gleichverhalten der Marktteilnehmer als Indiz für abgestimmtes Verhalten. Schliesslich würde die zu beurteilende Preisempfehlung eine Wettbewerbsbeschränkung sowohl bezwecken als auch bewirken. Damit kommt das Bundesgericht, anders als die Vorinstanz zum Schluss, dass die vertikalen Preisempfehlungen eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise i.S.v. Art. 4 Abs. 1 KG darstellen, die in einem nächsten Schritt auf ihre Zulässigkeit unter Art. 5 KG zu prüfen sei.

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