Abstract
Im Rahmen einer mehrteiligen Artikelserie werden zunächst wesentliche öffentlich-rechtliche Eckpunkte, daran anknüpfend einzelne zivilrechtliche Details des Regimes des TVTG, das seit 1. Jänner 2020 die Erbringung von VT-Dienstleistungen in Liechtenstein reglementiert, beleuchtet. Im dritten Teil der Serie folgt ein Überblick über wesentliche, aufsichtsrechtlich determinierte Verhaltenspflichten von registrierten VT-Dienstleistern.
Schlagworte
VT-Dienstleister, Pflichten, Mindestkapital, Meldepflichten, Internes Kontrollsystem, Auslagerungen, Aufzeichnungspflichten, Sicherungsmanagement
Rechtsquellen
TVTG
I. Allgemeines
Die Art 13–29 TVTG statuierten wesentliche Verhaltenspflichten, die VT-Dienstleister ab erfolgter Eintragung in das VT-Dienstleisterregister ( Art 19 Abs 3 iVm Art 23 TVTG ) zu beachten haben. Diese Pflichten stellen einerseits, mit einzelnen Ausnahmen, Registrierungsvoraussetzungen dar und sind daher permanent zu erfüllen. Hält ein VT-Dienstleister beispielsweise nicht mehr das erforderliche Mindestkapital, hat die FMA die aufrechte Registrierung zu entziehen ( Art 21 TVTG ). Andererseits handelt es sich bei den in Rede stehenden Pflichten um zwingende gesetzliche Vorgaben,1 welche die staatliche Aufsicht über VT-Dienstleister erleichtern und effektuieren sollen; man denke etwa an die Vorgaben für Auslagerungen ( Art 27 TVTG ) oder die Meldepflichten der VT-Dienstleiter gem Art 28 TVTG. Diese Verhaltenspflichte stecken gleichzeitig den aufsichtsrechtlichen Rahmen für die ( zulässige ) Tätigkeit der VT-Dienstleister in Liechtenstein ab. Dadurch sollen die gesetzlichen Ziele ( Nutzerschutz und Finanzmarktstabilität ) effektuiert werden.
Im Anschluss werden die wesentlichen Verhaltenspflichten der registrierten VT-Dienstleister gem Teil III, Abschnitt B des TVTG erörtert; ausgeklammert werden die Vorgaben des Gesetzes betreffend Handlungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und fachliche Eignung, da diese Registrierungsvoraussetzungen keine2 regulatorischen Verhaltenspflichten von VT-Dienstleistern statuieren.
II. Mindestkapital ( Art 16 TVTG )
An der Spitze der Gruppe der relevanten Verhaltenspflichten stehen Art 16 Abs 1 iVm Art 13 Abs 1 Bst e TVTG. Sie normieren für registrierte VT-Dienstleister, die Dienstleistungen gem Art 2 Abs 1 Bst k, m, n, p und q berufsmässig erbringen, namentlich
- Token-Emittenten,3
- VT-Schlüssel-Verwahrer,
- VT-Token-Verwahrer,
- VT-Wechseldienstleister sowie
- Physische Validatoren,
die Vorgabe, dass diese Unternehmen ab Aufnahme ihrer Tätigkeit neben dem für den Geschäftsbetrieb erforderlichen Kapital ( zB aufgrund gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen ) zusätzlich über ein » Mindestkapital « von CHF 50.000–250.000, je nach Geschäftsmodell bzw Tätigkeitsumfang in verschiedener Höhe,4 verfügen müssen.5 Erbringt der VT-Dienstleister mehrere Dienstleistungen parallel, hat er zumindest das höchste, gesetzlich vorausgesetzte Mindestkapital zu halten ( Art 16 Abs 3 TVTG ). Es kommt zu keiner Kumulation der Anforderungen.
Grundsätzlich erfüllt » Kapital « eine Finanzierungsfunktion, da es eine wichtige betriebswirtschaftliche Kennzahl für Gläubiger zur Ermittlung der Bonität des VT-Dienstleisters darstellt. Es leistet auch eine Haftungsfunktion, da dieses das Geschäftsrisiko des Unternehmens begrenzt und damit dem Gläubigerschutz dient.6 Dies soll laut den Gesetzesmaterialien auch für das » Mindestkapital « nach Art 16 TVTG gelten ( arg » Schutz des Kunden im Haftungsfall « ). Zu den tendenziell entgegenlaufenden Bestimmungen nach Art 4 TVTV sowie zur Qualität des notwendigen Mindestkapitals s unten im Text.
Das Mindestkapital darf zu keinem Zeitpunkt, auch nicht in einer juristischen Sekunde ( zB im Zuge einer gesellschaftsrechtlichen » Harmonika « [ Kapitalherabsetzung mit gleichzeitiger Kapitalerhöhung ] ), unterschritten werden ( Art 16 Abs 2 TVTG ), da es eine Registrierungsvoraussetzung darstellt. Das Mindestkapital muss der Geschäftsleitung jederzeit uneingeschränkt zur Verfügung stehen, dh es muss vollinhaltlich zur Verlustdeckung beitragen können und darf nicht auf bestimmte Verbindlichkeiten zweckgebunden werden. Auch Gewinnabführungsverträge können einer Anerkennung als Mindestkapital entgegenstehen, wenn diese die Verlusttragung beeinträchtigen. Das Mindestkapital muss aber nicht zwingend im Inland » gehalten « werden ( zB bei einer Sacheinlage oder im Rahmen eines Sperrkontos nach Art 4 TVTV ). Das Mindestkapital muss geeignet sein, alle Arten von Verlusten, nicht nur VT-immanenten ( zB IT- oder sonstigen operationellen Risiken ), auszugleichen. Auch bei erhöhten Betriebsaufwendungen ( zB erhöhte Compliance-Kosten oder Mietaufwendungen ) darf das Mindestkapital nicht aufgezehrt werden.7 Für sonstige VT-Dienstleister gelten die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Mindestkapitalvorgaben nach Art 122 PGR.8
Die Mindestkapitalanforderungen gelten nur für juristische Personen. Natürliche Personen, die VT-Dienstleistungen erbringen, müssen – da sie » mangels Gesellschaft « über kein Gesellschaftskapital verfügen – eine gleichwertige Kapitalgarantie in gleicher Höhe vorhalten, zB eine Bankgarantie. Aufgrund der rein schuldrechtlichen Funktion einer Garantie wird die » Gleichwertigkeit « hier streng zu lesen sein und wohl nur Garantien durch beaufsichtigte Unternehmen zulassen. Eine Bürgschaft durch eine andere natürliche Person dürfte hier ausscheiden.
Wenn ein VT-Dienstleister ein Mindestkapital in bestimmter Höhe zu halten hat, ist die im Gesetz genannte ziffernmässige, in Geld ausgedrückte Summe nicht notwendig in Form von Kontenguthaben ( dh in Form von Buchgeldguthaben bei EWR-Banken ) zu halten ( keine Zweckbindung der Finanzierung ). Es ist zulässig, das Mindestkapital in beliebigen Sachen oder Rechten ( zB Beteiligungen, Goldeinlagen ) zu halten, die lediglich für Bilanzierungszwecken etc monetär bewertet werden ( vgl auch Art 122 Abs 4 PGR9 ).
Betreffend die Qualität des Mindestkapitals ist Art 4 TVTV10 beachtlich. Bemerkenswert ist, dass es sich hier formal nicht zwingend um bilanzielles Eigenkapital handeln muss und damit die üblichen aufsichtsrechtlichen Mindeststandards an Risikoabsorptionsmasse unterschritten werden. Mit Durchführung des Art 16 TVTG ( Art 13 Abs 2 TVTG ) ordnet Art 4 TVTV an, dass als Nachweis des erforderlichen Mindestkapitals schon gelten:
- eine aktuelle, nicht mehr als drei Monate alte
Saldobestätigung eines Kapitaleinzahlungs- oder Sperrkontos
einer Bank mit Sitz im EWR oder in der Schweiz;
oder - bei einer Sacheinlage in Form von Token: 1. eine aktuelle, nicht mehr als drei Monate alte Bewertung dieser Token durch einen von der FMA anerkannten Wirtschaftsprüfer oder eine von der FMA anerkannte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft; und 2. eine aktuelle, nicht mehr als drei Monate alte Bestätigung eines registrierten VT-Schlüssel- oder Token- Verwahrers, dass der Antragsteller tatsächlich über diese Token verfügungsberechtigt ist.
Es ist der FMA ferner nicht verwehrt, auch sonstige » gleichwertige Bürgschaften oder Garantien « ( wie etwa Bankgarantien ) als Mindestkapital zu akzeptieren.
Die Vorgaben an die Qualität des Mindestkapitals von VT-Dienstleistern sind insgesamt sehr milde und nicht annähernd mit den Qualitätsstandards in anderen Aufsichtsgesetzen zu vergleichen. Auch gesellschaftsrechtliche Gläubigerschutzstandards erreicht Art 4 TVTV tlw nicht. Art 4 TVTV fordert nicht einmal die Einstufung als Eigenkapital und gibt sich sogar mit nichtbilanziellen Vermögenswerten ( Sperrkonto, Garantien ) zufrieden. Streng genommen muss es sich bei Mindestkapital iSd Art 16 TVTG somit nicht um Kapital nach allg. Verkehrsauffassung handeln. Allerdings bleibt die Vorgabe nach Art 16 TVTG von zentraler Bedeutung, wonach die das Mindestkapital der Geschäftsleitung jederzeit uneingeschränkt ( zur Verlustdeckung [ ! ] ) zur Verfügung stehen muss. Die Erfüllung dieser Voraussetzung ist im Falle eines reinen Sperrkontos, dh bei ausstehender effektiver Einzahlung als bilanzielles Eigenkapital, grundsätzlich nicht gegeben. Auch die sonstigen Instrumente des Mindestkapitals erscheinen für einen effektiven Gläubigerschutz weitgehend ungeeignet zu sein. Spätestens bei Zweifel an der Bonität eines Garantiegebers ( vgl Art 16 Abs 1 TVTG ) kann nicht mehr von einer Gleichwertigkeit zu Mindestkapital ausgegangen werden. Auch die Variante der Refinanzierung über Token erscheint nicht Gläubigerschutzfreundlich, da diese rein auf den Marktwert bei Einbringung ( bzw sogar drei Monate davor ) abstellt und der Wert des Tokens seitdem wertlos ( zB weil illiquid ) sein könnte.
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Footnotes
1. Beachte die strafrechtliche Absicherung dieser Pflichten durch Art 47 Abs 2 TVTG.
2. Eine Fortbildungspflicht für VT-Dienstleister sieht das TVTG beispielsweise nicht vor.
3. Token-Emittenten nach Art 12 Abs 2 TVTG, welche Token im eigenen Namen oder nicht berufsmässig im Namen des Auftraggebers emittieren, unterstehen prinzipiell keiner Mindestkapitalanforderung nach TVTG ( vgl Art 16 Abs 1 Bst a TVTG sowie BuA 2019 / 93, 37 ).
4. Vgl Art 16 Abs 1 Bst a–e TVTG.
5. Dies gilt jedoch nicht für VT-Agenten, die VT-Dienstleistungen im Namen und auf Rechnung eines ausländischen VT-Dienstleisters im Inland vertreiben oder erbringen ( Art 13 Abs 1 a iVm Art 2 Abs 1 Bst u TVTG ). Warum es » überschiessend « sein soll, wenn VT-Agenten ebenfalls angemessenes Mindestkapital halten ( so aber BuA 2020 / 132, 125 ), obwohl sie vergleichbare Dienstleistungen ( wenn auch im nicht im eigenen Namen ) erbringen, erschliesst sich nicht. Ausländische VT-Dienstleister, die über keine feste Niederlassung in Liechtenstein verfügen, unterliegen nämlich keiner Registrierungspflicht in Liechtenstein und auch sonst keiner Haftungsregelung des TVTG. Ausländische VT-Dienstleister sind auch nicht verpflichtet, ihre VT-Dienstleistungen in Liechtenstein im Wege eines VT-Agenten zu erbringen. Die Ausnahme der VT-Agenten von der Mindestkapitalpflicht ist daher verfassungswidrig und verstösst gegen den Gleichheitssatz ( Art 31 Abs 1 LV ).
6. Vgl BuA 2019 / 54, 226 f: » In diesem Zusammenhang soll ein Grundvertrauen des Kunden in die Seriosität und die Nachhaltigkeit der Geschäftstätigkeit des VT-Dienstleisters gewährleistet werden. Umgekehrt soll aufgrund des geforderten Mindestkapitals der VT-Dienstleister nicht der Gefahr ausgesetzt werden, wegen eines einzelnen Haftungsfalls in die Zahlungsunfähigkeit resp. Überschuldung zu geraten.«
7. BuA 2019 / 93, 40 f. Vgl auch BuA 2019 / 54, 227: » Handelt es sich beim VT-Dienstleister um eine juristische Person, so geht Art. 16 den Vorschriften zum Mindestkapital gemäss Art. 122 Abs. 1 PGR vor. « Dies gilt allerdings nur mit der Massgabe, dass Art 16 TVTG für bestimmte VT-Dienstleister tatsächlich abweichende Vorschriften über das Mindestkapital statuiert. Für VT-Protektoren gilt Art 16 TVTG zB nicht.
8. Personen- und Gesellschaftsrecht ( PGR ) vom 20. Januar 1926, LGBl 1926.4.
9. BuA 2019 / 93, 41.
10. Verordnung vom 10. Dezember 2019 über Token und VT-Dienstleister ( Token- und VT-Dienstleister-Verordnung; TVTV ), LGBl 2019.349.
Originally published by Jan Sramek Verlag, 2021.
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