Das Parlament revidiert das Kartellgesetz und führt das Konzept der "relativen Marktmacht" ein. Zukünftig sollen die bis anhin nur für marktbeherrschenden Unternehmen geltenden Verbote auch für "relativ marktmächtige" Unternehmen gelten. Gleichzeitig verankert es ein Geoblockingverbot im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

Einleitung

Mit der heutigen Schlussabstimmung hat das Parlament den Gegenvorschlag zur sogenannten Fair-Preis-Initiative angenommen. Die neuen Gesetzesbestimmungen werden folgendes vorsehen:

Einführung des Konzepts "relative Marktmacht"

Die Revision des Kartellgesetzes ("KG") dehnt die bisher nur für marktbeherrschende Unternehmen geltenden Verbote wie z.B. die missbräuchliche Lieferverweigerung oder Preisdiskriminierung (vgl. Art. 7 KG) auf "relativ marktmächtige" Unternehmen aus. "Relative Marktmacht" liegt vor, wenn ein Geschäftspartner in Bezug auf die Nachfrage oder das Angebot einer Ware oder Leistung von einem anderen Unternehmen "abhängig" ist, also keine ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeit besteht.

Im Gegensatz zu dem bereits im Gesetz verankerten Konzept der Marktbeherrschung (vgl. Art. 4 Abs. 2 KG) spielt es dabei keine Rolle, ob das "relativ marktmächtige" Unternehmen in der Lage ist, sich auf dem Markt von anderen Marktteilnehmern in wesentlichem Umfang unabhängig zu verhalten. Ob ein Unternehmen über relative Marktmacht verfügt, muss vielmehr immer in Bezug auf eine konkrete Geschäftsbeziehung bestimmt werden.

Zusammen mit dem Konzept der relativen Marktmacht wird zusätzlich der Beispielkatalog von missbräuchlichen Verhaltensweisen in Art. 7 Abs. 2 KG um den Tatbestand ergänzt, wonach "relativ marktmächtige" und marktbeherrschende Unternehmen, Nachfrager nicht darin behindern dürfen, Waren oder Dienstleistungen, die in der Schweiz und im Ausland angeboten werden, im Ausland zu den dortigen Marktpreisen und Bedingungen zu beziehen.

Ob ein Geschäftspartner vom Unternehmen abhängig ist, dürfte die Wettbewerbskommission ("WEKO") anhand der deutschen Praxis beurteilen, welche ähnliche Bestimmungen kennt. Gemäss dieser bestehen folgende Fallgruppen:

  • Sortimentsbedingte Abhängigkeit: Angewiesensein von Wiederverkäufern auf das Führen von Waren bestimmter Hersteller in ihrem Sortiment.
  • Unternehmensbedingte Abhängigkeit: Angewiesensein auf bestimmtes Unternehmen infolge Ausrichtung des Geschäftsbetriebs auf eine langfristige Vertragsbeziehung.
  • Knappheitsbedingte Abhängigkeit: Angewiesensein, weil durch plötzlichen Ausfall von Liefermöglichkeiten keine Alternativen bestehen.
  • Nachfragebedingte Abhängigkeit: Angewiesensein der Anbieter auf Nachfrager aufgrund fehlender alternativer Nachfrager.

Einführung des Verbots des Geoblockings

Die Revision des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb ("UWG") sieht, im Einklang mit der EU, in Art. 3a die Einführung desVerbots der Diskriminierung im Fernhandel (Geoblocking) vor. Mit dem Verbot einer solchen Diskriminierung ist es künftig unzulässig, wenn ein Online-Händler von Schweizer Kunden höhere Preise verlangte, ihren Zugang zu einem Online-Portal beschränkte oder Schweizer Kunden auf eine Schweizer Website mit höheren Preisen umleitete.

Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass in Art. 3a Abs. 2 UWG diverse Ausnahmen verankert wurden (etwa für Finanzdienstleistungen, den öffentlichen Verkehr oder Glücksspiele) und die Regelung keine Lieferpflicht in die Schweiz begründet. Die so möglicherweise günstiger erhältliche Leistung muss also allenfalls im Ausland selbst abgeholt werden.

Aufgrund der Verankerung des Verbots im UWG sind für die Durchsetzung die Zivilgerichte und nicht die WEKO zuständig.

Auswirkungen auf Unternehmen

Die Einführung des Konzepts der "relativen Marktmacht" im Kartellgesetz wird die Anwendbarkeit des Tatbestands von Art. 7 KG auf eine Vielzahl von ausländischen und inländischen Unternehmen ausweiten. Die WEKO hat bereits angekündigt, dass sie rasche Leitentscheide für die verschiedenen Fallgruppen und Branchen fällen möchte. Wie stark parallel auch der Zivilrechtsweg beschritten wird, bleibt abzuwarten.

Unternehmen sollten jedenfalls, die Stellung ihres Geschäftspartners auf potenzielle Abhängigkeiten analyisieren. Dies gilt insbesondere vor Abschluss der Geschäftsbeziehung. Die neue Regelung dürfte dazu führen, dass auch mittlere und kleinere Unternehmen von ihren Geschäftspartnern vermehrt mit dem Missbrauchstatbestand von Art. 7 KG konfrontiert werden.

Zwar sind Verstösse von "nur" "relativ marktmächtigen" Unternehmen nicht direkt sanktionierbar. Jedoch sind Untersuchungen der WEKO regelmässig kosten- und zeitintensiv. Stellt die WEKO in einer rechtskräftigen Verfügung darüber hinaus ein unzulässiges Verhalten eines "relativ marktmächtigen" Unternehmens fest und verbietet sie dieses, kann eine Verletzung dieses Verbots mit Bussen von bis zu 10% des in den letzten drei Geschäftsjahren in der Schweiz erzielten Umsatzes sanktioniert werden. Es drohen zudem Zivilverfahren mit allfälligen Schadenersatzforderungen.

Hinsichtlich des Verbots des Geoblockings müssen Unternehmen in Zukunft unter anderem sicherstellen, dass von Schweizer Kunden keine höheren Preise verlangt werden. Bei Verstoss gegen diese Bestimmung drohen zivilrechtliche Verfahren.

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