Die "Verrechtlichungswelle" im (nachhaltigen) Kapitalmarkt geht weiter! Die Europäische Kommission veröffentlichte neue Regeln einerseits für Wertpapierfirmen und andererseits für Verwalter von alternativen Investmentfonds (AIFs) sowie von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere (OGAW). Nach der Offenlegungs-Verordnung, die bereits im vergangenen März eine umfassende Erweiterung der Informationspflichten brachte, betreffen die nun veröffentlichen Verordnungen hauptsächlich die Beratungstätigkeit und das Risikomanagement. Die Regelungen werden sind August 2022 anzuwenden. Da dadurch eine Anpassung des Beratungsprozesses (und daher auch der Kundendokumentation) bzw der Investitionsentscheidungen und des Risikomanagements erforderlich ist, sollte mit der Vorbereitung frühzeitig begonnen werden.

Unsere Experten von DORDAs Sustainability Group haben die wichtigsten Eckpunkte hier zusammengefasst:

1. Neue Regeln für Wertpapierfirmen

Die Delegierte Verordnung 2021/1253 bringt im Rahmen des MiFID2-Regelwerks durchgreifende Änderungen für Wertpapierfirmen sowie Kreditinstitute, die Wertpapierdienstleistungen erbringen:

Die sogenannte "Nachhaltigkeitspräferenz" des Kunden soll bei der Beratung zukünftig eine zentrale Rolle spielen. Sowohl bei der Anlageberatung als auch bei der Portfolioverwaltung müssen Wertpapierfirmen in der Lage sein, Finanzinstrumente zu empfehlen oder auszuwählen, die der konkreten "Nachhaltigkeitspräferenz" des Kunden entsprechen.

Das bedeutet, dass die Thematisierung nachhaltiger Anlagen verpflichtender Teil des Beratungsprozesses sein muss. Dies auch dann, wenn der Kunde schlussendlich nicht "nachhaltig" veranlagen möchte. Genau wie etwa bisher unter anderem die Risikotoleranz wird zukünftig deshalb die "Nachhaltigkeitspräferenz" abzufragen und zu berücksichtigen sein. Letztlich handelt es sich hier um eine Präzisierung der schon bisher abzufragenden Anlageziele - der Kunde könnte daher auch bereits jetzt von sich aus Vorgaben bezüglich der Nachhaltigkeit seiner Investments machen. Gibt es keine Anlage, die der "Nachhaltigkeitspräferenz" des Kunden entspricht, darf auch nicht empfohlen/gehandelt werden, bis der Kunde darüber nicht aufgeklärt wurde und seine "Nachhaltigkeitspräferenz" allenfalls angepasst hat.

Was bedeutet also "Nachhaltigkeitspräferenz? Eine gesetzliche Definition gibt es nicht und die Praxis zeigt, dass man darüber sehr geteilter Meinung sein kann. Die Verordnung lässt das offen und bezieht sich unter anderem auf die Definition der Taxonomie-VO (die nur ökologische Kriterien berücksichtigt) und die Definition der Offenlegungs-VO (die neben Umwelt auch Soziales und gute Unternehmensführung abdeckt, also das ganze ESG-Spektrum). Um die neuen Pflichten erfüllen zu können und Missverständnisse zu vermeiden, wird zu Beginn also mit dem Kunden zu besprechen sein, was dieser überhaupt unter "Nachhaltigkeit" versteht. Bei Bestandskunden, bei denen bereits eine Eignungsbeurteilung durchgeführt wurde, sollten Wertpapierfirmen die Möglichkeit haben, die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen des betreffenden Kunden erst bei der nächsten regelmäßigen Aktualisierung der bestehenden Eignungsbeurteilung in Erfahrung zu bringen (aus unserer Sicht spätestens bei der nächsten vom Kunden beauftragten Transaktion).

Neben dem Beratungsprozess bringt die Verordnung auch noch weitere Änderungen. So sind Nachhaltigkeitsaspekte zukünftig auch bei der Identifizierung von Interessenkonflikten einzubeziehen. Außerdem müssen Wertpapierfirmen künftig bei der Einrichtung der Systeme und Verfahren, die die Sicherheit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen gewährleisten, Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen. Das gilt auch für die Einrichtung des Risikomanagements.

Die Delegierte Verordnung gilt ab 2.8.2022. Ab diesem Zeitpunkt wird sie in der ganzen EU unmittelbar anwendbar sein, der österreichische Gesetzgeber muss also nicht mehr tätig werden. Aufgrund der steigenden Kundennachfrage nach nachhaltigen Produkten kann es aber schon aus Wettbewerbsgesichtspunkten zweckmäßig sein, die Neuregelungen bereits vorzeitig im Unternehmen umzusetzen.

2. Neue Regeln für Verwalter von AIF

Die Delegierte Verordnung 2021/1255 bringt außerdem neue Regeln für Verwalter von Alternativen Investmentfonds (AIF) - in Österreich unterliegen diese dem AIFMG.

Alternative Investmentfonds-Manager (AIFM) haben bekanntlich schon bisher bei der Auswahl und laufenden Überwachung der Vermögenswerte der von Ihnen verwalteten AIF große Sorgfalt zu walten und über ausreichende Kenntnisse und ausreichendes Verständnis zu verfügen. In Zukunft sind dabei auch Nachhaltigkeitsrisiken und etwaige nachteilige Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren zu berücksichtigen.

Nachhaltigkeitsrisiken sind auch sonst im laufenden Geschäftsbetrieb mehrfach zu berücksichtigen:

  • Nachhaltigkeitsrisiken sind in die Prozesse, System und internen Kontrollen eines AIFM einzubeziehen. Führt dies zu Interessenkonflikten, sind diese zu identifizieren und zu berücksichtigen.
  • Neben den bisherigen Risikokategorien, also insbesondere Markt-, Liquiditäts- und Gegenparteirisiko, sind zukünftig auch Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement zu berücksichtigen.
  • Das bedeutet auch, dass bei der Auswahl und Bestellung von Gegenparteien und Primebrokern zukünftig Nachhaltigkeitsrisiken einzubeziehen sind und AIFM über ausreichend Ressourcen für eine solche Beurteilung zu verfügen haben.
  • AIFM haben sicherzustellen, dass die Geschäftsleitung die Verantwortung für die Einbeziehung der Nachhaltigkeitsrisiken trägt.

Zusammengefasst wird der Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zukünftig essenzieller Teil der Tätigkeit jedes AIFM. Diese sind sowohl bei Investitionsentscheidungen als auch im Risikomanagement zu berücksichtigen.

Die Delegierte Verordnung gilt ab 1.8.2022. Auch diese Verordnung wird ab diesem Zeitpunkt in der ganzen EU unmittelbar anwendbar sein und erfordert keine gesonderte Umsetzung ins österreichische Recht. Wie bei den Regelungen zur Vermögensberatung kann aufgrund der jetzt schon großen Bedeutung von Nachhaltigkeit für viele Anleger eine vorzeitige Implementierung zweckmäßig sein, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden.

3. Neue Regeln für Kapitalanlagegesellschaften

Auch Verwaltungsgesellschaften von OGAWs (UCITS) - in Österreich Kapitalanlagegesellschaften nach dem InvFG 2011 - müssen sich mit den Nachhaltigkeitsregularien auseinandersetzen. Die Delegierte Richtlinie 2021/1270 sieht entsprechende Änderungen vor.

Folgendes wird in Zukunft von Verwaltungsgesellschaften zu beachten sein:

  • Verwaltungsgesellschaften werden dazu verpflichtet, Nachhaltigkeitsrisiken in die Verwaltung von OGAW einzubeziehen.
  • Es müssen auch Interessenkonflikte berücksichtigt werden, die sich aus der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in die Prozesse, Systeme und internen Kontrollen von Verwaltungsgesellschaften ergeben können.
  • Die Geschäftsleitung muss Nachhaltigkeitsrisiken in ihre verschiedenen Tätigkeiten (zB Anlagepolitik, Risikomanagement) einbeziehen.
  • Ebenso müssen Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen der Sorgfaltspflichten, wie beispielweise bei der Auswahl von Anlagen für den OGAW, berücksichtigt werden.
  • Die Risikomanagement-Grundsätze müssen nun auch die Verfahren erfassen, die notwendig sind, damit die Verwaltungsgesellschaft bei jedem von ihr verwalteten OGAW auch dessen Nachhaltigkeitsrisiko bewerten kann.

Die Richtlinie gilt - anders als die oben vorgestellten Verordnungen - nicht unmittelbar, sondern muss vom Gesetzgeber noch im österreichischen Recht umgesetzt werden. Diese nationale Umsetzung muss bis zum 31.7.2022 erfolgen. Die Maßnahmen sind ab dem folgenden 1.8.2022 anzuwenden. Wie schon zu den anderen Neuregelungen erwähnt, wird auch hier eine vorzeitige Implementierung durch die betroffenen Unternehmen zu erwägen sein.

4. Was machen die Aufsichtsbehörden?

Die österreichische FMA veröffentlichte vergangenes Jahr ihren Leitfaden zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken (vgl die kurze Besprechung hier). Obwohl Nachhaltigkeit ein Schwerpunkt 2021 ist, hält sie sich seitdem mit weiteren Veröffentlichungen aber zurück.

Die deutsche Aufsichtsbehörde BaFin ist bei Regeln zu nachhaltigen Fonds bereits vorgeprescht: Sie veröffentliche am 2.8.2021 den Entwurf einer Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen. Dieser Konsultationsentwurf bestimmt, wieviel "Nachhaltigkeit" wirklich in Fonds sein muss, damit sie als nachhaltig gelten. Grundregel: 75 % müssen in "nachhaltige Vermögensgegenstände" investiert werden. Was "nachhaltig" bedeutet, ist damit aber immer noch nicht beantwortet. Allerdings wird diese Regelung in Deutschland sehr kontrovers diskutiert, da durch dieses "gold-plating" Wettbewerbsnachteile für deutsche Fonds befürchtet werden. Ebenso offen ist, wie die österreichische FMA darüber denkt.

Es bleibt also weiterhin spannend im Nachhaltigkeitsrecht. Nur eines ist sicher: Die nächste Gesetzesänderung kommt bestimmt. Wir begleiten Sie dabei gerne!

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