Zugang zu Netzen und anderen Einrichtungen Ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf mit Bemerkungen aus methodischer Sicht

I. Übersicht1

Am 2. September 1997 ist vom Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (nachfolgend OLG) ein Urteil gefällt worden, das in zweifacher Hinsicht bemerkenswert ist:

Erstens wird die Frage nach einem Mitbenutzungsrecht und dessen Preis für bestehende An tennenmasten zwischen verschiedenen Telekommunikationsanbietern auf einem liberalisierten Fernmeldemarkt behandelt. Eine Frage, die sich in der Schweiz heute ebenso stellt. Zweitens wird ein bisher wenig beachtetes methodisches Instrument - nämlich Folgenerwägungen - dazu benutzt, die vorliegende Entscheidung zu begründen.

II. Sachverhalt und rechtliche Würdigung2

1. Sachverhalt (Zusammenfassung)

  1. Seit dem 1.1.1995 ist die Deutsche Telekom AG als privatwirtschaftliches Unternehmen konzipiert. Bisher dem Monopol zugeordnete Geschäftsbereiche wurden dem Markt geöffnet, so auch das Betreiben des digitalen zellularen Mobilfunks nach dem europaweit vereinheitlichten GSM-Standard. Dabei handelt es sich um den Betrieb eines Telekommunikationsnetzes für den rasch wachsenden Markt der mobilen Funktelefone.
  2. In Deutschland gibt es insgesamt drei Lizenznehmer (Konzessionäre), wovon im vorliegenden Prozess die Klägerin (M.M. GmbPI) mit ihrem sogenannten X-Netz und die Beklagte (Deutsche Telekom AG und Rechtsnachfolgerin des ehemaligen Monopolbetriebs) mit ihrem sogenannten Y-Netz, zwei der drei Lizenznehmer bilden. Lizenzgeber für den Betrieb der digitalen Mobilfunknetze ist der Bundesminister für Post und Telekommunikation.
  3. Technisch erfolgt die Verbindung zwischen dem mobilen Telefon des einzelnen Benutzers und dem Telefonnetz über sogenannte Basisstationen. Die begrenzte Sendereichweite der Mobilfunktelefone erfordert ein flächendeckendes Netz von Basisstationen, wobei zwischen Mobiltelefon und Basisstation regelmässig 10 km und höchstens 20 km Distanz liegen dürfen. Jede Basisstation benötigt zudem eine Verbindung zur sogenannten Vermittlungsstelle, die ihrerseits die Verbindung mit dem allgemeinen Telefonnetz herstellt. Dabei kann die Verbindung zur Vermittlungsstelle über Kabel3 oder durch Richtfunk erfolgen. Der Funkverkehr zwischen Mobiltelefon und Basisstation erfolgt über tonnenförmige GSM-Antennen; derjenige zwischen Basisstation und Vermittlungsstelle (Richtfunk) über Parabolantennen mit 60 cm Durchmesser. Weil der Richtfunk in noch stärkerem Masse von der Beschaffenheit des Geländes abhängig ist als der Funkverkehr zwischen Mobiltelefon und Basisstation, sind für den Richtfunk besonders günstige Standorte wie hohe Gebäude, Schornsteine oder eigentliche Antennenmasten erforderlich.
  4. Die Beklagte errichtete 1993 in Mecklenburg-Vorpommern an optimaler Lage einen Antennenmast von 69 m Höhe. Dieser wird von ihrer Konzerntochter für den Betrieb des Y-Mobilfunknetzes genutzt. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Mitbenutzung dieses Mastes durch die Klägerin und zwar hinsichtlich der Anbringung einer für den Richtfunk erforderlichen Parabolantenne. Aufgrund einer vertraglichen Abrede konnte die Klägerin bereits eine tonnenförmige GSM-Antenne für den Funkverkehr mit den Mobiltelefonen anbringen.
  5. Die Klägerin zieht folgende rechtliche Grundlagen heran:

In § 3 Abs. 2 des Kaufvertrags über das Betriebsgelände des Antennenträgers mit der Stadt L. verpflichtete sich die Beklagte, «die Mitnutzung des Fernmeldeturms anderen Anbietern zu gewähren».

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Footnotes

1 Prof. Dr. Roger Zäch hat mich auf vorliegendes Urteil aufmerksam gemacht und es mir zur Verfügung gestellt, ihm danke ich freundlich; insbesondere für die hilfreichen Anregungen. Ebenso danke ich Jean-Claude Dubacher für das Korrekturlesen des Manuskripts.

2 Die Schilderung lehnt sich eng an die schriftliche Begründung des Urteils an.

3 Diese Anwendung bildet einen wichtigen Bereich der sogenannten Interkonnektion; vgl. dazu IV.

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