Willkommen zu unserem wöchentlichen Datenschutz-Update.
Mit diesem wöchentlichen Newsletter wollen wir eine kurze und aktuelle Rechtsprechungsübersicht für das Datenschutzrecht schaffen. Erfasst wird die relevante Rechtsprechung in Österreich und auf europäischer Ebene. Neben der kurzen Zusammenfassung der einzelnen Entscheidungen zeigt der Datenschutzmonitor die Entwicklung von Rechtsprechungslinien auf.
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Die Datenschutzmonitor Jahresausgabe 2024 mit allen Ausgaben des Datenschutzmonitors des vergangenen Jahres, einem Abkürzungsverzeichnis, Begriffslexikon, Rechtsprechungslinien und Übersichtstabellen finden Sie hier.
In der vergangenen Woche wurden die nachstehenden Entscheidungen und Rechtsakte veröffentlicht:
- Rechtsprechung des EGMR
EGMR 23.01.2025, 31175/14, Reznik/Ukraine (Durchsuchung, Beschlagnahme, Anwaltsgeheimnis, wirksames Rechtsmittel)
- Rechtsprechung des BVwG
BVwG 04.12.2024, W176 2295345-1 (Trafik, Video, Piktogramm, Geldstrafe)
BVwG 16.12.2024, W137 2292450-1 (Rechtsanwalt, Anwaltsgeheimnis, Beschwerdegegner)
BVwG 16.12.2024, W137 2288040-1 (Rollenverteilung, Identitätsdokumentenregister)
BVwG 25.10.2024, W211 2295570-1 (Besetzung des Präsidiums des BVwG, "social watchdog")
BVwG 27.11.2024, W252 2299666-1 (Beschwer, Untersagung, keine Geldbuße)
- Rechtsprechung des BFG
BFG 19.12.2024, RV/7102904/2021 (WiEReG, Meldepflicht)
- Rechtsprechung der DSB
DSB 16.10.2024, 2024-0.641.771 (Geldstrafe, handelsrechtlicher Geschäftsführer, Datenschutzbeauftragter)
DSB 21.09.2022, 2022-0.672.331 (Videoüberwachung, Mitwirkungspflicht, freie Beweiswürdigung)
- Vorschau EuGH-Rechtsprechung
To the Point:
Rechtsprechung des EGMR
EGMR 23.01.2025, 31175/14, Reznik/Ukraine
Durchsuchung, Beschlagnahme, Anwaltsgeheimnis, wirksames Rechtsmittel
- Ein Anwalt schloss einen Vertrag über
Rechtsdienstleistungen mit dem ukrainischen Informationszentrum ab,
in dem die Übermittlung von Dokumenten zur Untersuchung und
Analyse vereinbart wurde. Nach Beginn strafrechtlicher Ermittlungen
gegen die Leitung des Informationszentrums forderte dieses den
Rechtsanwalt zur Rückgabe der übergebenen Dokumente auf.
Dieser Aufforderung kam der Anwalt nach. Dennoch wurde ein
Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Anwalts genehmigt.
Der stellvertretende Generalstaatsanwalt wurde ermächtigt,
Dokumente über die finanzielle und kommerzielle Tätigkeit
des Informationszentrums und anderer konkret benannten Unternehmen
und Einzelpersonen, die mit dem Informationszentrum in Verbindung
standen, sowie IT-Geräte, mobile Kommunikationsgeräte und
Datenspeicher sicherzustellen. Der Beschluss wurde für
unanfechtbar erklärt. Während der Durchsuchung, bei der
ua auch Vertreter der Anwaltskammer anwesend waren, wurden ua ein
Computer und ein USB-Stick beschlagnahmt und zur forensischen
Untersuchung weitergeleitet. Die Einwände und Beschwerden der
Vertreter der Anwaltskammer und des Anwalts blieben zunächst
erfolglos. Schlussendlich wurden dem Anwalt die beschlagnahmten
Datenspeicher zurückgegeben.
Der EGMR stellte fest, dass eine Verletzung von Art 8 und Art 13 EMRK vorliegt und sprach dem Anwalt EUR 6.000 immateriellen Schadenersatz und EUR 3.450 Kostenersatz zu.
Der EGMR hat erwogen: Die Durchsuchung der Wohnung und die Beschlagnahme von Dokumenten und Geräten greifen in die Rechte des Anwalts auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs ein. Ein solcher Eingriff muss gesetzlich vorgesehen sein, einem legitimen Ziel dienen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein.
Der Durchsuchungsbeschluss basierte auf der ukrainischen Strafprozessordnung und dem Anwaltsgesetz, die spezifische Verfahrensgarantien zum Schutz des Anwaltsgeheimnisses vorsahen. Die Gesetze verlangten, dass Durchsuchungen von Anwaltspraxen nur mit richterlicher Genehmigung und unter Anwesenheit eines Vertreters der Anwaltskammer durchgeführt werden. Der Vertreter der Anwaltskammer hatte das Recht, Fragen zu stellen und Einwände zu erheben, die im Durchsuchungsprotokoll festzuhalten waren.
Die Einwände des Vertreters hatten jedoch keine praktische Wirkung, und sie konnten die Beschlagnahme der Gegenstände nicht verhindern. Die Durchsuchung und die Beschlagnahme wurden daher ohne ausreichende verfahrensrechtliche Schutzmaßnahmen durchgeführt, was zu einem unverhältnismäßigen Eingriff führte. Außerdem waren die Durchsuchung und Beschlagnahme in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig, weil die richterliche Anordnung zu weit gefasst war und keine ausreichenden Gründe für die Annahme enthielt, dass relevante Beweismittel bei dem Anwalt gefunden würden.
Es muss ein wirksames Rechtsmittel zur Verfügung stehen, um die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung und Beschlagnahme anzufechten. Das ukrainische Recht bietet keine Möglichkeit, eine Durchsuchungsanordnung anzufechten, sodass die verfügbaren Rechtsmittel unzureichend sind. Die Möglichkeit, beschlagnahmte Gegenstände zurückzufordern, reicht nicht aus, um die Beschwerden über die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung zu behandeln.
Rechtsprechung des BVwG
BVwG 04.12.2024, W176 2295345-1
Trafik, Video, Piktogramm, Geldstrafe
- Ein Trafikant brachte an der Außenmauer seiner Trafik
zwei Videokameras an, um sich vor Überfällen zu
schützen. Die Kameras erfassten Teile des öffentlichen
Gehsteigs, den angrenzenden Fahrradweg und einen Abschnitt der
Straßenbahngleise. Durch die Überwachung konnte der
Trafikant ein Foto einer Passantin anfertigen, welches sie dabei
zeigte, wie diese von Ihrem Hund hinterlassenen Exkremente nicht
wegräumte. Um auf das seines Erachtens
unrechtmäßige Verhalten der Passantin aufmerksam zu
machen, brachte der Trafikant das aufgenommene Foto vor seiner
Trafik an. Durch einen leicht entfernbaren Sticker über das
Gesicht der Passantin anonymisierte er das Foto. Der Sticker
löste sich jedoch. Ein Bürger erhob gegen dieses Vorgehen
Datenschutzbeschwerde bei der DSB. Die DSB verhängte wegen der
unrechtmäßigen Datenverarbeitung und der nicht erteilten
Information zu der Datenverarbeitung eine Geldstrafe iHv EUR 1.500
(zzgl Verfahrenskostenbeitrag von EUR 150). Gegen das
Straferkenntnis erhob der Trafikant (hinsichtlich der
Strafhöhe erfolgreiche) Bescheidbeschwerde an das BVwG.
Das BVwG hat erwogen: Mangels Öffnungsklausel in der DSGVO kommen die §§ 12 und 13 DSG bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Videoüberwachung nicht zur Anwendung. Nach der DSGVO dürfen personenbezogene Daten nur auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden.
Das Interesse am Schutz des Vermögens vor Angriffen in Form von Sachbeschädigungen, Raubfällen, etc überwiegt die Interessen Betroffener in einem kleinen Bereich vor der Trafik. Auch bei einer unbedingt erforderlich erscheinenden Videoüberwachung müssen jedoch Maßnahmen zur Einschränkung des Erfassungsbereichs getroffen werden. Videoüberwachungsanlagen dürfen den angrenzenden öffentlichen Raum geringfügig erfassen, sofern dies erforderlich ist, um eine sinnvolle Videoüberwachung zu ermöglichen. Eine Überwachung des gesamten öffentlichen Gehsteigs inkl weiter Teile des angrenzenden öffentlichen Raums ist nicht vom berechtigten Interesse gedeckt.
Am Aufzeigen des Fehlverhaltens einer Passantin besteht kein berechtigtes Interesse. Ein Überkleben mit einem leicht entfernbaren Sticker ist kein geeignetes Mittel zur Anonymisierung.
Die Erfüllung der Informationspflicht durch Kennzeichnung einer Videokamera durch Piktogramme kann zulässig sein, wenn es sich um die erste "Schicht" der Informationserteilung handelt und weitere Informationen zur Datenverarbeitung aufliegen.
Die Geldstrafe ist wegen des Hinzutretens eines Milderungsgrundes und der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Trafikanten auf EUR 750 (zzgl EUR 75 Verfahrenskostenbeitrag) zu reduzieren.
BVwG 16.12.2024, W137 2292450-1
Rechtsanwalt, Anwaltsgeheimnis,
Beschwerdegegner
- Ein Fitnesscentermitglied führte gegen die Betreiberin des
Fitnesscenters wegen der unberechtigten Erhöhung von
Mitgliedsbeiträgen ein zivilgerichtliches Verfahren. Im
Verfahren vor dem Landesgericht
("LG") wurde vom Rechtsanwalt der
Betreiberin des Fitnesscenters eine Mailkorrespondenz mit einer
Zeugin als Beweis für das Zustandekommen von
Mitgliederverträgen vorgelegt. Die Korrespondenz enthielt den
Namen, die Mailadresse und die Information über das
Vertragsverhältnis der Zeugin. Die Zeugin fühlte sich
durch die Vorgehensweise in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt
und brachte explizit Datenschutzbeschwerde gegen die Betreiberin
des Fitnesscenters bezüglich der Vorlage der E-Mails beim LG
ein.
Die Betreiberin stütze die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der Daten auf die Erfüllung eines Vertrags und auf ihr berechtigtes Interesse. Die DSB gab der Datenschutzbeschwerde statt. Dagegen erhob die Betreiberin des Fitnesscenters Bescheidbeschwerde an das BVwG, das den Bescheid der DSB ersatzlos behob.
Das BVwG hat erwogen: Rechtsanwälte handeln, wenn sie Daten für den Zweck der Vertretung ihrer Mandanten verarbeiten, regelmäßig als für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der DSGVO. Die Entscheidung, welche Daten für die Erfüllung des Mandats zu verarbeiten sind, wird, vorbehaltlich eines Beweises für das Gegenteil, vom Rechtsanwalt ohne Weisung des Mandanten getroffen.
Die Rechte der Betroffenen kommen nur in dem Umfang zur Anwendung, als dem nicht das Recht des Rechtsanwalts auf Verschwiegenheit zum Schutz der Partei oder der Rechte und Freiheiten anderer Personen oder der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche entgegensteht, sonst bestünde die Gefahr, dass der (Prozess-)Gegner einer zivilrechtlichen Streitigkeit im Weg des Auskunftsrechts nach der DSGVO Auskünfte aus den Akten des gegnerischen Rechtsanwalts erhalten könnte.
Ausschließlicher Gegenstand des Verfahrens war die Übermittlung der E-Mailkorrespondenz als Beweismittel im Gerichtsprozess durch den eigenständig agierenden Rechtsanwalt. Das Verfahren hätte aber gegen den Rechtsanwalt der Betreiberin des Fitnesscenters und nicht gegen diese selbst geführt werden müssen.
Die nicht rechtskundige Zeugin hat in der Datenschutzbeschwerde den falschen Beschwerdegegner bezeichnet. Die richtige Einordnung des Rechtsanwalts als Verantwortlichen für die Datenverarbeitung kann aber von ihr nicht verlangt werden.
Da das BVwG das Beschwerdeverfahren nicht gegen den Rechtsanwalt anstelle der Betreiberin des Fitnesscenters führen darf, ist der Bescheid der DSB ersatzlos zu beheben. Das Verfahren ist damit erneut zur inhaltlichen Entscheidung bei der DSB anhängig.
BVwG 16.12.2024, W137 2288040-1
Rollenverteilung,
Identitätsdokumentenregister
- Anlässlich einer Lärmerregung und Störung der
öffentlichen Ordnung forderten Polizeibeamte eine Passantin
zur Identitätsfeststellung in Form einer Ausweisleistung auf.
Da sich die Passantin weigerte, ihren Ausweis vorzuzeigen, wurde
sie schließlich von den Polizeibeamten festgenommen und zur
nächstgelegenen Polizeiinspektion verbracht, wo eine Abfrage
ihres Lichtbildes im Identitätsdokumentenregister
("IDR") erfolgte. Die Passantin brachte
eine auf das Recht auf Geheimhaltung gestützte
Datenschutzbeschwerde gegen den Magistrat der Stadt Wien
als Passbehörde ("MA 62")
ein. Die DSB wies die Datenschutzbeschwerde ab. Die hiergegen
erhobene Bescheidbeschwerde wies das BVwG ab.
Das BVwG hat erwogen: Die Stellung als datenschutzrechtlicher Verantwortlicher hat diejenige natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Ergibt sich die Stellung als Verantwortlicher nicht aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, muss die Qualifikation einer Partei als Verantwortlicher auf der Grundlage einer Bewertung der tatsächlichen Umstände der Verarbeitung festgestellt werden.
Die Bestimmung des § 52 SPG ermächtigt die Sicherheitsbehörden, personenbezogene Daten von Personen zu verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erforderlich ist. Das SPG regelt jedoch nicht, wem die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit für eine Abfrage aus dem IDR im Zuge einer Identitätsfeststellung zukommt. Die Mittel- und Zweckentscheidung war daher aufgrund der tatsächlichen Umstände zu beurteilen. Die Polizeibeamten als Bedienstete der Landespolizeidirektion ("LPD") haben selbst und allein für die LPD bestimmt, dass sie nach einer erfolgten Festnahme der Beschwerdeführerin eine Abfrage aus dem IDR im Zuge der Identitätsfeststellung tätigen. Sie haben damit den Zweck der Datenverarbeitung – in concreto die Feststellung der Identität der Passantin – allein bestimmt. Damit ist die LPD, der das Handeln der Polizeibeamten zuzurechnen ist, als alleinige Verantwortliche anzusehen. Mangels Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids war die Bescheidbeschwerde vom BVwG als unbegründet abzuweisen.
Aus der weiteren Rechtsprechung des BVwG:
- Die Besetzung des Präsidiums des
BVwG ist eine Angelegenheit
des Interesses der Allgemeinheit. Dem um die
Auskunft ersuchenden Journalisten kommt
als "social watchdog" eine wichtige
Rolle für die Garantie
der Meinungsäußerungs- und
Informationsfreiheit zu. Die Namen jener
Bewerber, die von der eingesetzten Kommission nicht
vorgeschlagen wurden, sind jedoch schützenswerte
personenbezogene Daten. Diese Bewerber mussten nicht damit rechnen,
dass ihre Identität und die Einschätzungen und Wertungen
der Kommission veröffentlicht werden. Die Herausgabe
des ungeschwärzten Gutachtens der
Kommission sowie des ungeschwärzten
Minderheitsvotums wird
daher verweigert (BVwG 25.10.2024, W211 2295570-1).
- Gibt die DSB einer Datenschutzbeschwerde statt, ist der Betroffene in keinem subjektiven Recht verletzt. Die Bescheidbeschwerde ist mangels formeller Beschwer unzulässig. Voraussetzung für eine Untersagung der Verarbeitung iSd § 22 Abs 4 DSG ist, dass die Datenverarbeitung noch nicht abgeschlossen ist. Zudem gibt es keinen subjektiven Rechtsanspruch auf eine solche Untersagung. Im Administrativverfahren kann keine Geldbuße gegen einen Verantwortlichen verhängt werden. Auf das Verhängen einer Geldbuße besteht auch kein subjektiver Rechtsanspruch. Weiters kann gegen Körperschaften des öffentlichen Rechts gemäß § 30 Abs 5 DSG keine Geldbuße verhängt werden (BVwG 27.11.2024, W252 2299666-1).
Rechtsprechung des BFG
- Der EuGH hat mit Urteil vom 22.11.2022, C-37/20 und C-601/20, Luxembourg Business Registers, entschieden, dass die Bestimmung des Art 30 Abs 5 der 5. Geldwäscherichtlinie, die den öffentlichen Zugang zu Informationen über wirtschaftliche Eigentümer vorsieht, ungültig ist. Der EuGH begründete dies mit einem schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie das Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Diese Entscheidung betrifft jedoch nur die öffentliche Einsicht in das Register der wirtschaftlichen Eigentümer gemäß § 10 WiEReG und nicht die Meldepflicht selbst. Die Verpflichtung zur Meldung und deren Erzwingung verletzen keine Grundrechte (BFG 19.12.2024, RV/7102904/2021).
Rechtsprechung der DSB
DSB 16.10.2024, 2024-0.641.771
Geldstrafe, handelsrechtlicher Geschäftsführer, Datenschutzbeauftragter
- Die DSB verhängte eine Geldstrafe von EUR 5.500 gegen
ein Unternehmen, weil dieses ihren handelsrechtlichen
Geschäftsführer ("Gf")
als Datenschutzbeauftragten ("
DSBA") benannte, ohne sicherzustellen, dass
diese Doppelrolle nicht zu einem
Interessenkonflikt führt. Das Unternehmen hat dadurch eine
ungeeignete Person als Datenschutzbeauftragten benannt. Der
Verstoß erstreckte sich über den Zeitraum von etwa drei
Jahren.
Die DSB hat erwogen: Das Unternehmen verstieß gegen ihre Pflicht gemäß Art 38 Abs 6 DSGVO, indem sie ihren Gf zum DSBA benannte, obwohl dieser aufgrund seiner gleichzeitigen Tätigkeit als Gf und DSBA einem Interessenkonflikt unterlag, weshalb im Ergebnis eine ungeeignete Person als DSBA benannt wurde. Ein Interessenkonflikt liegt vor, wenn der DSBA zugleich Aufgaben oder Pflichten wahrnimmt, die die Ausübung seiner Stellung beeinträchtigen könnten. Dies ist insbesondere bei leitenden Managementpositionen wie der Geschäftsführung der Fall. Dem DSBA dürfen keine Aufgaben oder Pflichten übertragen werden, die ihn dazu veranlassen, die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten festzulegen, weil deren Überwachung unabhängig durchgeführt werden muss.
Bei der Strafzumessung ist insb der Umsatz (Geschäftsjahr 2023: EUR 4 Millionen), die Schwere der Zuwiderhandlung (niedrig; "low level of seriousness"), die Vorsätzlichkeit oder Fahrlässigkeit des Verstoßes (Fahrlässigkeit, weil sich das Unternehmen nicht mit seinen Verpflichtungen auseinandergesetzt hat, obwohl dies zumutbar und möglich gewesen wäre), die bisherigen Verstöße (keine) und die Mitwirkung im Ermittlungsverfahren als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Eine Geldstrafe von EUR 5.000 (zzgl EUR 500 Verfahrenskostenbeitrag) ist angemessen.
DSB 21.09.2022, 2022-0.672.331
Videoüberwachung, Mitwirkungspflicht, freie
Beweiswürdigung
- Die Nachbarin der Betroffenen betrieb eine Kamera mit Video-
und Tonüberwachung an ihrer Wohnungstüre, welche auch die
Wohnungstüre der Betroffenen sowie den Stiegen- und
Liftbereich umfasste. Nachdem die Nachbarin trotz Aufforderung, die
Überwachung zu unterlassen, nicht reagierte, brachte die
Betroffene bei der DSB eine Datenschutzbeschwerde wegen Verletzung
ihres Rechts auf Geheimhaltung ein.
Die DSB forderte die Nachbarin mehrmals zur Stellungnahme auf, jedoch ohne Erfolg. Daraufhin leitete die DSB amtswegig ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht iSd Art 31 DSGVO ein und verhängte eine Geldbuße.
Anschließend setzte die DSB das Administrativverfahren fort, stellte eine Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung fest und trug der Nachbarin auf, den Bild- und Tonaufnahmebereich der von ihr betriebenen Kamera einzuschränken.
Die DSB hat erwogen: Dort, wo der Behörde die Ermittlung von Tatsachen ohne Mitwirkung der Partei nicht möglich ist, liegt es an der Partei, ihr Wissen einzubringen. Die nicht gehörige Mitwirkungspflicht im Beweisverfahren unterliegt der freien Beweiswürdigung, in dessen Rahmen die Behörde auch negative Schlüsse ziehen kann.
Die Kamera der Nachbarin erfasste den Wohnungseingangsbereich der Betroffenen und weitere genutzte Flächen in Bild und Ton, wodurch personenbezogene Daten verarbeitet wurden. Die Nachbarin hat keine Einwilligung der Betroffenen eingeholt. Die Verarbeitung kann auf Art 6 Abs 1 lit f DSGVO gestützt werden, wenn sie zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist und die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person nicht überwiegen. Der Schutz des Eigentums oder der Gesundheit kann ein berechtigtes Interesse sein. Die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung muss sich aber auf das für die Zwecke der Verarbeitung absolut notwendige Maß beschränken.
Die Erfassung des Wohnungseingangsbereichs der Betroffenen sowie des gesamten Stiegen- und Liftbereichs war nicht erforderlich, um die allenfalls verfolgten Zwecke der Nachbarin zu erreichen. Die Kamera könnte so eingestellt werden, dass nur der unmittelbare Wohnungseingangsbereich der Nachbarin erfasst wird. Die von der Nachbarin angebrachte Kamera zeichnete nicht nur zeitlich beschränkte Momente auf, sondern filmte bereits vor Betätigen der Türklingel. Die Möglichkeit zur ortsungebundenen Betrachtung der Kameraübertragung und die Tonaufnahme stellen einen intensiveren Eingriff in die Rechte der Betroffenen dar. Die Verarbeitung war daher unverhältnismäßig und rechtswidrig.
Vorschau EuGH-Rechtsprechung
- Am 29.01.2025 wird
das Urteil des EuG in
den verbundenen Rs T-70/23, T-111/23, T-84/23, Data Protection
Commission/Europäischer Datenschutzausschuss,
verkündet. Die irische Aufsichtsbehörde erhob Klage an
das EuG gegen Teile eines verbindlichen
Beschlusses des EDSA, weil
der EDSA seine Befugnisse überschritten
habe.
- Am 04.02.2025 wird
die mündliche Verhandlung in der
Rs T-183/23, Ballmann/Europäischer
Datenschutzausschuss, stattfinden. Die Klägerin
beantragt die Aufhebung eines Beschlusses des EDSA, mit dem ihr die
Akteneinsicht zum Akt eines verbindlichen
Beschlusses des EDSA verwehrt wurde. Anm: Es
geht um denselben verbindlichen Beschluss betreffend Meta
(Facebook), zu dem am 29.01.2025 ein Urteil des EuG ergehen
wird.
- Am 06.02.2025 werden
die Schlussanträge in der
Rs C-413/23 P, EDSB/SRB,
veröffentlicht. Gegenstand des Verfahrens ist
der Begriff
des Personenbezugs.
- Am 06.02.2025 werden
die Schlussanträge in der
Rs C-492/23, Russmedia Digital und Inform
Media Press, veröffentlicht. Gegenstand des
Verfahrens sind Pflichten
von Hostingprovidern. Anm: Diese
Schlussanträge waren bereits für den 12.12.2024
angekündigt, ihre Verkündung wurde jedoch
verschoben.
- Am 13.02.2025 wird das Urteil
des EuGH in der Rs
C-383/23, ILVA (Amende pour violation du RGPD),
verkündet. Der EuGH wird Rechtsfragen zum Verhängen
von Geldbußen gegen Unternehmen beantworten. Anm:
Die Zusammenfassung der Schlussanträge können Sie im
Schönherr Datenschutzmonitor vom 18.09.2024 nachlesen.
- Am 13.02.2025 wird
das Urteil des EuGH in
der Rs C-612/23, Verbraucherzentrale Berlin,
verkündet. Der EuGH wird über
die Mindestvertragslaufzeit von
Telekommunikationsverträgen absprechen.
- Am 27.02.2025 wird
das Urteil des EuGH in
der Rs C-203/22, Dun & Bradstreet
Austria, verkündet. Der EuGH wird entscheiden, in
welchem Umfang
eine Auskunft gemäß
Art 15 Abs 1 lit h
DSGVO (automatisierte Entscheidung) zu erteilen
ist. Anm: Die Zusammenfassung der Schlussanträge
können Sie im Schönherr Datenschutzmonitor vom 18.09.2024 nachlesen.
- Am 27.02.2025 wird
das Urteil des EuGH in
der Rs C-638/23, Amt der Tiroler
Landesregierung, verkündet. Der EuGH wird Fragen des
VwGH zur Rolle von öffentlichen
Stellen in der Datenverarbeitung
beantworten. Anm: Dem Urteil sind keine Schlussanträge
vorangegangen.
- Am 27.02.2025 werden
die Schlussanträge in der
Rs C-57/23, Policejní
prezidium, veröffentlicht. Gegenstand des Verfahrens
ist die Zulässigkeit der Verarbeitung
von genetischen
Daten und DNA-Profilen für
den Zweck der strafrechtlichen
Verfolgung.
- Am 27.02.2025 werden die Schlussanträge in der Rs C-654/23, Inteligo Media, veröffentlicht. Gegenstand des Verfahrens sind der Versand eines elektronischen Newsletters und das Verhängen einer Geldbuße.
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