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14 April 2025

Schiedsfreundlichkeit Der Französischen Rechtsprechung – Quo Vadis?

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Qivive Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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In ihrem Urteil vom 10. September 2024 (CC Devas v. India, CA Paris n°24/00152) hat die Cour d'appel de Paris die Intervention eines Zessionars im Berufungsverfahren...
Germany Litigation, Mediation & Arbitration

In ihrem Urteil vom 10. September 2024 (CC Devas v. India, CA Paris n°24/00152) hat die Cour d'appel de Paris die Intervention eines Zessionars im Berufungsverfahren gegen die Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischen Schiedsspruchs zwischen dem Zedenten und dem Schuldner für unzulässig erklärt. Die restriktive Anwendung der Interventionsmöglichkeit durch französische Gerichte wird dadurch ausgeweitet. Dies hat erhebliche praktische Konsequenzen, da die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Schiedsspruchs für die Beteiligten eingeschränkt wird.

!Praxistipp: Aufgrund der Entscheidung kann es nunmehr angezeigt sein, schon beim Abschluss einer Schiedsvereinbarung die Folgen einer möglichen Übertragung der Forderung nach Erlass des Schiedsspruches zu regeln, um den wirtschaftlichen Wert der ausgeurteilten Forderung nicht zu gefährden.

  1. Sachverhalt und Verfahren
  2. Argumente der Parteien
  3. Entscheidung des Gerichts
  4. Auswirkungen

I. Sachverhalt und Verfahren

Das Gericht war mit zwei Berufungsverfahren befasst, die von der Republik Indien gegen zwei Vollstreckbarerklärungen des Tribunal Judiciaire de Paris zweier internationaler Schiedssprüche eingelegt wurden.

Der Rechtsstreit ging ursprünglich auf die Kündigung eines Vertrags zurück, der zwischen der nach indischem Recht gegründeten Gesellschaft Devas Multimedia Private Limited (Devas") und dem indischen Staatsunternehmen Antrix Corporation Ltd (Antrix") geschlossen wurde. Mit dem Vertrag hatte Antrix Devas einen Teil des indischen elektromagnetischen Spektrums für die Erbringung von Telekommunikationsdiensten eingeräumt. Der Vertrag wurde seitens Antrix gekündigt, worüber es zum Streit kam.

Darüber hinaus strengten die mauritischen Anteilseigner von Devas, ein Investitionsschutz-Schiedsverfahren gegen die Republik Indien auf Grundlage desbilateralen Investitionsvertrags zwischen der Republik Indien und der Republik Mauritius (BIT") an, das zu zwei Schiedssprüchen führte.

In dem am 25. Juli 2016 erlassenen Schiedsspruch über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts und die Haftung Indiens dem Grunde nach gab das Schiedsgericht den Schiedsklagen der Devas-Aktionäre teilweise statt und erkannte sie als vom BIT geschützte Investoren an.

In dem am 13. Oktober 2020 erlassenen Schiedsspruch entsprach das Schiedsgericht teilweise den von denselben Devas-Aktionären gegen Indien erhobenen Schadensersatzforderungen.

Beide Schiedssprüche wurden in Frankreich durch Exequaturbeschluss für vollstreckbar erklärt und von der Republik Indien mit der Berufung angegriffen.

Die Devas-Aktionäre schlossen in der Folge mit den US-Gesellschaften CCDM Holdings LLC, Telcom Devas LLC und Devas Employees Fund US dem englischen Recht unterliegende Übertragungsvereinbarungen (assignment agreements). Mit diesen sollten die in den Schiedssprüchen genannten Rechte der Devas-Aktionäre auf die US-Gesellschaften übertragen werden.

Die drei Devas-Aktionärsgesellschaften beantragten die Aufrechterhaltung des Exequaturbeschlusses. Sodann stellten die US-Gesellschaften an der Seite der Devas-Aktionäre einen Antrag auf intervention volontaire (vergleichbar mit einer Mischung aus Haupt- und Nebenintervention im deutschen Recht) und beantragten die Bestätigung der Vollstreckungsanordnung mit der Begründung, dass ihnen die Rechte an den Schiedssprüchen und deren Vollstreckung durch die oben erwähnten assignment agreements übertragen worden seien.

Die Republik Indien reichte daraufhin beim Magistrat de la mise en éta t bei der Cour d'appel Zwischenanträge ein, die darauf abzielten, die Interventionen der US-Gesellschaften für unzulässig zu erklären. Mit Verfügungen vom 13. Februar 2024 erklärte das Gericht durch den Magistrat de la mise en état die Interventionen der US-Gesellschaften für zulässig und verwies die Prüfung im Übrigen an die zuständige Kammer der Cour d'appel.

Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2024 legte die Republik Indien dem Gericht in nunmehr voller Besetzung diese Beschlüsse vor.

II. Argumente der Parteien

Der Sachverhalt wirft im Wesentlichen die Frage auf, ob eine freiwillige Intervention des Zessionars im Berufungsverfahren zwischen dem Zedenten und dem Schuldner über die Vollstreckbarkeit eines ausländischen Schiedsspruchs möglich ist.

1. Argumente der Republik Indien

Die Republik Indien argumentierte gegen diese Möglichkeit und verwies auf die Gesetzesystematik der französischen Zivilprozessordnung (Code de procédure civile, CPC). Art. 1527 CPC verweist nicht explizit auf Art. 554 CPC, in dem die freiwillige Intervention geregelt ist.

Aus teleologischer Sicht wendet die Republik Indien ein, dass eine freiwillige Intervention dem Wesen der Schiedsgerichtsbarkeit entgegenstehe, da die Schiedsabrede und der daraus folgende Schiedsspruch nur die Parteien binde und daher eine Übertragung der Rechte nicht dazu führen, dass auch der Zessionar prozessual intervenieren könne. Da Indien nie einer Übertragung des Schiedsspruches zugestimmt habe, könne sich der Dritte auch nicht in den Prozess einmischen.

2. Argumente der amerikanischen Gesellschaften

Die Zessionare stellten zunächst heraus, dass Art. 554 CPC mit dem Sinn und Zweck der Schiedsgerichtsbarkeit vereinbar sei.

In den Art. 900 bis 930-1 CPC würde die Existenz einer intervention volontaire vorausgesetzt, sodass auch im Falle einer Berufung gegen die Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischen Schiedsspruchs eine freiwillige Intervention möglich bleiben müsse.

Die Zessionare ziehen eine Parallele zum Rechtsinstitut der tierce opposition. Bei dieser handelt es sich um einen Rechtsbehelf, mit dem ein Dritter ein Urteil angreifen kann, welches ihn in seinen Rechten verletzt. So habe die Cour de Cassation (oberstes französisches Ziviltgericht) in einem aktuellen Urteil die Zulässigkeit dieses Rechtsinstituts gegen den Exequaturbeschluss eines ausländischen Schiedsspruchs angenommen. Daraus möchten die amerikanischen Gesellschaften ableiten, dass Art.1527 CPC nicht als abschließend zu verstehen ist.

Schließlich folge schon aus dem materiellen Recht, dass die Abtretung auch zu einer Übertragung des Schiedsspruchs führen müsse.

III. Entscheidung des Gerichts

Die Cour d'appel lehnte die Möglichkeit der intervention volontaire ab. Dabei folgt sie in der Argumentation im Wesentlichen der Republik Indien:

Eine Anwendung des Art. 554 CPC wird aus systematischen Gründen abgelehnt. Die Bezugnahme auf die Intervention in den Art. 900 bis 930-1 CPC könne nicht zu der generellen Annahme führen, dass eine freiwillige Intervention vom Gesetz vorgesehen wäre. Dies wird mit dem besonderen Charakter des Berufungsverfahren gegen die Vollstreckbarkeitserklärung ausländischer Schiedssprüche begründet. Diese sei besonders restriktiv gestaltet und die Möglichkeit einer freiwilligen Intervention des Zessionars bestehe daher nur, wenn dies vorher vertraglich vereinbart wurde, um dem vertraglichen Charakter der Schiedsgerichtsbarkeit Rechnung zu tragen.

Das Gericht nimmt an, dass durch die Übertragungsvereinbarung keine Rechtsnachfolge in Bezug auf den Schiedsspruch eingetreten ist und die amerikanischen Gesellschaften vielmehr ein eigenes Recht geltend machen, welches neben das der Aktionäre tritt, die Partei des Rechtsstreits bleiben. Für die Vornahme von Prozesshandlungen in diesem Kontext ist aber nach der Rechtsauffassung des Gerichts bei fehlender Vereinbarung Parteiqualität erforderlich.

Auch die von den amerikanischen Gesellschaften gezogene Parallele zur tierce opposition vermag an der Lösung des Gerichts nichts zu ändern. Die Cour d'appel begründet dies damit, dass mit dem Rechtsinstitut nicht gegen den Schiedsspruch als solchen vorgegangen wird, sondern der Beschluss, der den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt, Streitgegenstand ist. Da Art. 585 CPC die Möglichkeit der tierce oppositionaber gegen Urteile vorsieht unterscheide sich die Situation von einerintervention volontaire.

Bereits 2022 hatte die Cour d'appel in der Sache entschieden, da Devas ein erstes Schiedsverfahren gegen Antrix bei der ICC eingeleitet hatte, das zu einem Schiedsspruch führte. Der Schiedsspruch verurteilte Antrix und wurde in Frankreich für vollstreckbar erklärt, wogegen sich Antrix wendete. Auch in diesem Verfahren wurde die Frage der intervention volontaire relevant, da die Aktionäre der Gesellschaften intervenieren wollten. Da diese aber nicht Parteien des Schiedsspruches waren, wurde die Intervention mit einer ähnlichen Begründung wie im vorliegenden Fall abgelehnt. Das hiesige Urteil geht aber noch deutlich darüber hinaus und lehnt auch die Intervention des Zessionars ab.

Im Übrigen wird nach Ansicht des Gerichts der Zugang zur Gerichtsbarkeit im Allgemeinen für die Intervenierenden nicht unzumutbar eingeschränkt.

IV. Auswirkungen

Auf der Grundlage der Entscheidung der Cour d'appel ist stets eine Vereinbarung im Vorhinein nötig, um eine freiwillige Intervention des Zessionars im Berufungsverfahren vor einem französischen Gericht zwischen dem Zedenten und dem Schuldner über das Exequatur eines ausländischen Schiedsspruchs zu ermöglichen. Problematisch ist daran insbesondere, dass die bestehende wirtschaftliche Realität nach einer Rechteübertragung außer Acht gelassen wird.1

Eine solche restriktive Auslegung, wie von der Cour d'appel vorgenommen, schränkt die Übertragbarkeit der Rechte aus dem Schiedsspruch und letztlich auch dessen Wert als Vollstreckungstitel ein. Dieses Ergebnis lässt sich mit der ansonsten so schiedsfreundlichen französischen Rechtsprechung kaum in Einklang bringen.

Footnote

1. Vgl. Clay, Arbitrage et modes amiables de règlement des conflits-D.2024.2207

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