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13 November 2024

To The Point: Datenschutzmonitor 44/2024

SA
Schoenherr Attorneys at Law

Contributor

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To The Point: Datenschutzmonitor 44/2024...
Austria Privacy

Rechtsprechung des VwGH

VwGH 30.09.2024, Ro 2022/04/0033 (Löschungsersuchen, Klaglosstellung, kein Kostenzuspruch)

Rechtsprechung des OGH

OGH 08.10.2024, 14Os26/24s (Amtsgeheimnis, Amtsmissbrauch, Strafverfolgung)

OGH 22.10.2024, 4Ob109/24v (Schadenersatz)

Rechtsprechung des BVwG

BVwG 19.09.2024, W287 2248365-1 (Auskunfts-pflichtG, Meinungsäußerungsfreiheit)

BVwG 25.09.2024, W108 2287986-1 (Präklusion, Haushaltsausnahme, Forderungsbetreibung)

BVwG 25.09.2024, W108 2284790-1 (materielle Wahrheit, Zurückverweisung)

BVwG 25.09.2024, W108 2274176-1 (materielle Wahrheit, Zurückverweisung)

BVwG 16.09.2024, W137 2293092-1 (Sozialversiche-rung, AMS, rechtliche Verpflichtung)

BVwG 15.10.2024, W254 2291347-1 (Warnung)

BVwG 23.09.2024, W274 2266396-1 (Anliegen rechtspolitischer Art, berufsmäßige Parteienvertre-ter)

BVwG 04.10.2024, W274 2291590-1 (Säumnisbe-schwerde)

BVwG 02.10.2024, W287 2273330-1 (Betroffenheit, Mitwirkungspflicht)

BVwG 20.09.2024, W214 2291552-1 (Präklusion)

BVwG 20.09.2024, W214 2291834-1 (Negativaus-kunft)

BVwG 23.09.2024, W274 2294608-1 (Exzess, Aus-setzung)

BVwG 03.10.2024, W258 2262116-1 (Beschwerde-gegner)

BVwG 04.10.2024, W211 2272474-1 (Zurückziehung der Datenschutzbeschwerde)

BVwG 15.10.2024, W176 2234682-1 (Berichtigungs-beschluss)

Rechtsprechung der LVwG

LVwG Wien 18.10.2024, VGW-123/095/6508/2024 (Vergaberecht, datenschutzrechtliche Bedenken)

Rechtsprechung der BDB

BDB 04.03.2024, 2022-0.711.297 (Amtsmissbrauch, Befangenheit)

EU-Rechtsakte

DurchführungsVO 2024/2835 zum DSA

Vorschau EuG- und EuGH-Rechtsprechung

To the Point:

Rechtsprechung des VwGH

Aus der Rechtsprechung des VwGH:

  • Ein Betroffener wird klaglos gestellt, wenn seinem Löschungsersuchen entsprochen wird. Eine auf Löschung gerichtete Revision ist daher auch dann wegen nachträglichen Wegfalls des rechtlichen Interesses als gegenstandslos geworden zu erklären, wenn die Löschung erst nach Entscheidung durch das BVwG erfolgt. Ohne einen unverhältnismäßigen Prüfungsaufwand kann in solchen Fällen nicht beurteilt werden, welchen Ausgang das Verwaltungsverfahren ohne die Gegenstandsloserklärung genommen hätte. Daher findet kein Kostenzuspruch statt (VwGH 30.09.2024, Ro 2022/04/0033

Rechtsprechung des OGH

OGH 08.10.2024, 14Os26/24s

Amtsgeheimnis, Amtsmissbrauch, Strafverfolgung

  • Ein Polizeibeamter wurde mutmaßlich bestochen, polizeiinterne Informationen preiszugeben und Daten aus der zentralen Datenanwendung des Bundesministers für Inneres (BMI) abzurufen. Er wurde (nicht rechtskräftig) schuldig gesprochen, mehrfach seine Amtsgewalt missbraucht und das Amtsgeheimnis verletzt zu haben, indem er ohne dienstliche Notwendigkeit personenbezogene Daten abrief und weitergab. Da der Polizeibeamte seine Bestecher auch über geplante Polizeikontrollen informiert und ihnen Fotos von Kollegen gezeigt haben soll, damit sie Kontrollen entgehen können, wurde er auch (nicht rechtskräftig) schuldig gesprochen, den Staat Österreich in seinem Recht auf Strafverfolgung geschädigt zu haben. Aufgrund von Rechtsfehlern hob der OGH den Schuldspruch gegen alle Beteiligten teilweise auf und verwies die Sache im Übrigen zur neuerlichen Entscheidung und Verhandlung an das Erstgericht zurück.

    Der OGH hat erwogen: Es ist zwischen der missbräuchlichen Abfrage von Datenbanken und der Weitergabe der daraus gewonnenen Informationen zu unterscheiden. Das Ermitteln der Daten erfüllt den Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt, wenn der Beamte ohne dienstliche Rechtfertigung handelt und dadurch seine Befugnis missbraucht. Bei der Weitergabe amtsgeheimer Informationen kommt Missbrauch der Amtsgewalt durch Geheimnisverrat nur dann in Betracht, wenn der Beamte dies aufgrund einer ihn konkret treffenden Pflicht zu unterlassen hat. Ansonsten ist die Strafbarkeit einer Informationsweitergabe primär nach § 310 StGB (Verletzung des Amtsgeheimnisses) zu prüfen.

    Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass die vom Polizeibeamten vorgenommenen Abfragen in den Datenbanken einen Befugnisfehlgebrauch darstellen. Es wurde jedoch nicht festgestellt, dass er durch die Weitergabe der Informationen eine konkrete tatbildliche Befugnis iSd § 302 StGB (Amtsmissbrauch) wahrgenommen oder eine ihn konkret treffende Pflicht verletzt hat.

    Im weiteren Verfahren wird zu beachten sein, dass das staatliche Recht auf Strafverfolgung auf Basis der bisherigen Aktenlage als Bezugspunkt des von § 302 StGB verlangten Schädigungsvorsatzes nicht in Betracht kommt. Eine durch die Datenabfrage bewirkte Schädigung der Betroffenen an deren Recht auf Datenschutz ist zwar denkbar, allerdings würde eine allfällige, den konkret erfolgten Eingriff umfassende, vorab erfolgte Einwilligung einen Rechtfertigungsgrund darstellen. Für die Weitergabe der durch die Datenabfrage gewonnenen Informationen wäre jedoch die Verletzung des Amtsgeheimnisses gemäß § 310 StGB zu prüfen.

Aus der weiteren Rechtsprechung des OGH:

  • Anders als die Produkthaftungs-RL 85/374/EWG ordnet Art 82 DSGVO ausdrücklich auch den Ersatz immaterieller Schäden an. Der Eintritt eines durch den Verstoß entstandenen Schadens ist jedoch auch dafür erforderlich (OGH 22.10.2024, 4Ob109/24v). Anm: Aus den Überlegungen des OGH könnte zumindest implizit abgeleitet werden, dass bloße Angst- und Unlustgefühle kein entstandener Schaden sind.

Rechtsprechung des BVwG

BVwG 19.09.2024, W287 2248365-1

AuskunftspflichtG, Meinungsäußerungsfreiheit

  • Im Zuge einer Demonstration sollen Mitglieder einer politischen Gruppierung den am Karl-Lueger-Denkmal angebrachten Betonschriftzug entfernt haben. Der Journalist einer Tageszeitung kommunizierte im Rahmen seiner Recherche über den Vorfall mit der Pressestelle einer Landespolizeidirektion ("LPD") und ersuchte um Auskunft, ob Ermittlungen gegen jene Polizeibeamten stattfinden würden, die nicht eingeschritten seien, als der Betonschriftzug gewaltsam entfernt wurde. Die Landespolizeidirektion teilte mit, dass eine interne Überprüfung der Vorgänge stattgefunden habe. Eine Auskunft über den Ausgang dieser internen Überprüfung lehnte die LPD mit der Begründung des Datenschutzes der involvierten Polizeibeamten ab. Gegen den hierüber von der LPD ausgestellten Bescheid erhob der Journalist (erfolgreich) Bescheidbeschwerde beim BVwG.

    Das BVwG hat erwogen: Grundsätzlich haben Organe des Bundes über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereichs Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht. Als solche gesetzliche Verschwiegenheitspflicht kommt auch das Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten in Betracht, welches jedoch nicht uneingeschränkt gilt. Bei einer Auskunft über den Ausgang einer internen Überprüfung des Verhaltens zweier Polizeibeamter handelt es sich um personenbezogene Daten, weil die betroffenen Beamten zumindest für einen gewissen Personenkreis identifizierbar sind. Die Reichweite der das Auskunftsrecht gegebenenfalls einschränkenden Bestimmungen über die zulässige Verweigerung der Auskunft aus Gründen der Verschwiegenheit ist aufgrund der im Verfassungsrang stehenden Bestimmung des Art 10 EMRK (Recht auf freie Meinungsäußerung) verfassungskonform auszulegen. Nach der Rechtsprechung des EGMR ist das Recht auf freie Meinungsäußerung dahingehend auszulegen, dass dieses – unter bestimmten Voraussetzungen – ein Recht auf Zugang zu Informationen miteinschließt. Bei der Ermittlung der Reichweite dieses Rechts auf Informationszugang kommt es nach der Rechtsprechung des EGMR darauf an, dass (i) ein Journalist als public watchdog (ii) das Informationsersuchen als Vorbereitungsschritt für journalistische Aktivitäten zur Schaffung eines Forums einer notwendigen und bedeutenden öffentlichen Debatte stellt und (iii) die Offenlegung der begehrten Information im großen öffentlichen Interesse liegt.

    Der Journalist war im Nachrichtenbereich tätig und erfüllte daher die Rolle eines "social watchdogs". Das Karl-Lueger-Denkmal ist ein polarisierendes und wiederholt in den Medien kontrovers diskutiertes Denkmal, sodass ein grundsätzliches Interesse der Allgemeinheit an der rechtlichen Einordnung des dienstlichen Verhaltens von Exekutivbeamten im Rahmen eines Einsatzes besteht. In diesem Licht ist die begehrte Auskunft jedenfalls geeignet, zur Transparenz über die Art und Weise der Führung von Amtsgeschäften beizutragen. Die vom Journalisten begehrte Information ist auch notwendig, um eine Beurteilung des Einsatzes vornehmen und eine Debatte eröffnen zu können.

    Das öffentliche Interesse überwiegt das Interesse der involvierten Polizeibeamten an der Geheimhaltung ihrer personenbezogenen Daten, ua deshalb, weil Journalisten im Umgang mit personenbezogenen Daten an die datenschutzrechtlichen Bestimmungen gebunden sind.

BVwG 25.09.2024, W108 2287986-1

Präklusion, Haushaltsausnahme, Forderungsbetreibung

  • Zwischen einem Ehemann und seiner damaligen Ehefrau war ein Scheidungsverfahren anhängig. Im Zuge dessen gab die Ehefrau Konto- und Bankdaten an eine dritte Person weiter. Diese verarbeitete die Daten in einer Excel-Tabelle und übermittele sie wieder an die Ehefrau zurück. Inhalt der Excel-Tabelle war eine Übersicht über die Ausgaben bzw Einnahmen der letzten Jahre auf dem gemeinsamen Konto des Ehepaars. Die Ehefrau nutzte die erstellte Excel-Tabelle, um die Einkommensverhältnisse des Ehemanns im Scheidungsverfahren darzulegen. In dieser "Datenmanipulation" sah der Ehemann einen Versuch, überhöhte Ansprüche geltend zu machen, und fühlte sich dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt. Infolgedessen erhob er Datenschutzbeschwerde an die DSB.Die DSB wies die Datenschutzbeschwerde zur behaupteten Weitergabe der Konto- und Bankdaten wegen Präklusion zurück. Die Tatsache, dass die Ehefrau seine Konto- und Bankdaten weitergegeben hatte, war dem Ehemann bereits im Jahr 2021 bekannt. Er hat damals eine Datenschutzbeschwerde gegen die dritte Person eingebracht. Hinsichtlich der Datenmanipulation wies die DSB die Datenschutzbeschwerde ab, weil der Ehemann keinen ausreichenden Beweis für eine Manipulation erbrachte und das berechtigte Interesse der Ehefrau zur Nutzung der Daten im Scheidungsverfahren überwog. Daraufhin erhob der Ehemann (erfolglos) Bescheidbeschwerde beim BVwG. Das BVwG hat erwogen: Gemäß § 24 Abs 4 DSG erlischt der Anspruch auf Behandlung einer Datenschutzbeschwerde, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres ab Kenntnis des beschwerenden Ereignisses, jedoch spätestens innerhalb von drei Jahren ab dem Ereignis, eingebracht wird. Bei den in § 24 DSG genannten Fristen handelt es sich um Präklusivfristen, auf die von Amts wegen, also bei feststehendem Sachverhalt ohne Einwendung, Bedacht genommen werden muss. Es ist nicht ersichtlich, dass die Fristen des § 24 DSG das Beschwerderecht nach der DSGVO unverhältnismäßig einschränken. Die Verjährung wird auch nicht durch ein allfällig noch anhängiges Strafverfahren hinausgeschoben. Die Weitergabe der Konto- und Bankdaten fand im Jahr 2020 statt und war dem Ehemann bereits seit 2021 bekannt.

    Gemäß Art 2 Abs 2 lit c DSGVO findet die DSGVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten. Nach der Rsp des OGH ist entscheidend für diese Haushaltsausnahme, dass der Datenumgang im privaten Aktionskreis stattfindet. Der persönlich-familiäre Bereich wurde durch die Vorlage der Daten im Scheidungsverfahren vor dem Bezirksgericht jedenfalls überschritten, weshalb die Haushaltsausnahme nicht zur Anwendung kommt.

    Nach der Judikatur des VfGH hat ein Ehegatte im Scheidungsprozess kein Recht auf Geheimhaltung seiner Einkommensdaten gegenüber dem anspruchstellenden Ehepartner, zumal nach der Judikatur des OGH ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung besteht und daher eine Verletzung des (Noch-)Ehemannes in seinem Recht auf Geheimhaltung von vornherein nicht in Betracht kommt.

    Selbst wenn man jedoch von einem Recht auf Geheimhaltung der Einkommensdaten des Ehemanns ausgeht, überwiegt das berechtigte Interesse der Ehefrau an deren Verarbeitung. Der EuGH hat bereits erkannt, dass die ordnungsgemäße Forderungsbetreibung ein berechtigtes Interesse (Art 6 Abs 1 lit f DSGVO) sein kann.

    Weiters sind gemäß § 76 Abs 1 ZPO in jedem Schriftsatz die tatsächlichen Verhältnisse, durch welche die gestellten Anträge begründet werden, darzustellen. Wenn es eines Beweises oder einer Glaubhaftmachung dieser Anführungen bedarf, sind auch die Beweismittel im Einzelnen zu bezeichnen. Die Vorlage der Excel-Tabelle war im Scheidungsverfahren jedenfalls als Beweismittel geeignet, zumal die Ermittlung der nötigen Beweismittel und deren Anbieten grundsätzlich den Verfahrensparteien obliegt. Folglich ist es jedenfalls auch zulässig, etwa die Informationen aus Kontoauszügen in einer Tabelle zusammenzufassen.

    Es kommt auch nicht darauf an, ob sich ex post herausstellt, dass die Datenverarbeitung im Prozess nicht zum Erfolg gereicht hat, sondern lediglich darauf, ob die vorgelegten Unterlagen ex ante denkmöglich als Beweismittel geeignet waren. Die Excel-Tabelle wurde von der erkennenden Richterin zum Verfahrensakt genommen, was die grundsätzliche Geeignetheit als Beweismittel bestätigt.

BVwG 25.09.2024, W108 2284790-1

Materielle Wahrheit, Zurückverweisung

  • Der Nachbar eines Cafés erhob Datenschutzbeschwerde bei der DSB und brachte dabei vor, dass ein Gast des Cafés ihn widerrechtlich gefilmt und fotografiert. Er legte auch eine Filmaufnahme vor, die dies beweisen sollte, weil der Gast darauf selbst zugibt, ihn minutenlang gefilmt zu haben. Auch ist zu sehen und zu hören, wie der Gast laufend seine Handy-Aufzeichnung kommentiert. Der Gast brachte vor, dass er das Handy in der Zwischenzeit gewechselt hat und keine Bilder oder Videos des Nachbarn mehr gespeichert hat. Das BVwG gab der Bescheidbeschwerde des Nachbarn statt, hob den Bescheid auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die DSB zurück. Das BVwG hat erwogen: Ob eine Videoaufnahme/Bildaufnahme angefertigt wurde, ist grundsätzlich strittig. Dennoch hat die DSB zu dieser zentralen Tatfrage ihr Ermittlungsverfahren auf die Einholung von schriftlichen Stellungnahmen beschränkt. Die DSB unterließ es, auf die vom Nachbarn vorgelegten Beweismittel einzugehen und somit die Durchführung der erforderlichen Ermittlungen, ob eine Aufnahme stattgefunden hat.

    Im Interesse der Erforschung der materiellen Wahrheit wäre es zumindest erforderlich gewesen, die Parteien förmlich niederschriftlich einzuvernehmen. Es handelt sich dabei auch um einen rechtserheblichen Verfahrensmangel, weil nicht auszuschließen ist, dass die DSB bei dessen Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der für eine Entscheidung in der Sache erforderliche Sachverhalt steht daher nicht fest. Eine Zurückverweisung der Sache zur Durchführung notwendiger Ermittlungen gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG kommt bei gravierenden Ermittlungslücken in Betracht, insbesondere dann, wenn die DSB jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat.

BVwG 25.09.2024, W108 2274176-1

Materielle Wahrheit, Zurückverweisung

  • Eine Arbeitsinspektorin führte eine unangemeldete Besichtigung in der Praxis eines Arztes durch. Da der Arzt nicht an einem direkten Gespräch interessiert war, gab die Ordinationsassistentin der Arbeitsinspektorin die notwendigen Auskünfte und legte die erforderlichen Unterlagen vor. Im Zuge der Besichtigung stellte die Arbeitsinspektorin fest, dass Vorschriften zum Arbeitsschutz nicht eingehalten wurden. Auf Nachfrage gab die Ordinationsassistentin eine E-Mail-Adresse als Kontaktadresse für die Ordination bekannt, an welche in Folge das Besichtigungsergebnis übermittelt wurde. Daraufhin erhob der Arzt eine Datenschutzbeschwerde, weil er sich in seinem Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 DSG verletzt sah. Die E-Mail-Adresse sei nicht die offizielle Kontaktadresse der Praxis und es sei ausgeschlossen, dass seine Ordinationsassistentin diese angegeben habe. Das Arbeitsinspektorat führte aus, dass es vom Arzt bereits zuvor im Rahmen einer Meldung gemäß § 3 Mutterschutzgesetz für die Praxis des Arztes eine E-Mail von eben dieser Adresse erhalten hatte, weshalb davon ausgegangen werden konnte, dass die von der Ordinationsassistentin bekanntgegebene E-Mail-Adresse die offizielle Kontaktadresse der Praxis sei. Die DSB hat der Datenschutzbeschwerde teilweise stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsinspektorat durch die Übermittlung des Besichtigungsergebnisses an diese E-Mail-Adresse die Daten des Arztes unrechtmäßig an einen Dritten offengelegt und ihn damit in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt hat. Das Arbeitsinspektorat erhob eine (erfolgreiche) Bescheidbeschwerde aufgrund eines sekundären Feststellungmangels beim BVwG und erreichte die Aufhebung des Bescheides und die Zurückverweisung an die DSB.

    Das BVwG hat erwogen:  Die Entscheidung der DSB, dass eine Verletzung des § 1 DSG objektiv zu beurteilen ist und das Vorliegen eines individuellen Verschuldens irrelevant ist, ist grundsätzlich richtig. Jedoch ist die Frage, wie die Arbeitsinspektorin zur E-Mail-Adresse gekommen ist und diese verwendet hat, für die Beurteilung des Vorliegens einer Verletzung des § 1 DSG maßgebend. Bei Vorliegen einer Zustimmung in die Verarbeitung personenbezogener Daten ist eine Beschränkung des Anspruchs auf Geheimhaltung zulässig. Daher ist auf Tatsachenebene zu klären, ob der Arzt bzw seine Mitarbeiterin der Arbeitsinspektorin die E-Mail-Adresse zwecks Übermittlung des Besichtigungsergebnisses bekanntgegeben hat und – bejahendenfalls –, ob dadurch eine Zustimmung iSd § 1 Abs 2 DSG vorliegt.

    Die DSB hat die Rechtslage verkannt und es unterlassen, Feststellungen dazu zu treffen, wie das Arbeitsinspektorat an die E-Mail-Adresse gekommen ist. Zudem hat die DSB im Ermittlungsverfahren bloß schriftliche Stellungnahmen der Parteien eingeholt, obwohl diese widersprechende Behauptungen aufgestellt hatten. Die DSB ist als Behörde verpflichtet, von Amts wegen die materielle Wahrheit zu erforschen.

BVwG 16.09.2024, W137 2293092-1

Sozialversicherung, AMS, rechtliche Verpflichtung

  • Ein Sozialversicherungsträger wurde aufgefordert, dem AMS bekannt zu geben, wann der Versicherte die Voraussetzungen für eine frühestmögliche Alterspension sowie  Korridorpension erfüllt. Der Sozialversicherungsträger kontaktierte daraufhin mehrmals den Versicherten, um die bestehenden Lücken im Versicherungsverlauf zu klären. Es erging auch ein Schreiben, in welchem der Versicherte über die Einleitung eines Feststellungsverfahrens und die Konsequenzen bei mangelnder Mitwirkung informiert wurde. Nachdem der Versicherte auf keines dieser Schreiben reagierte, teilte der Sozialversicherungsträger dem AMS den frühestmöglichen Pensionsstichtag mit und informierte darüber, dass der Versicherte am Verfahren nicht mitgewirkt hat. Der Versicherte erhob daraufhin eine Datenschutzbeschwerde bei der DSB und behauptete eine Verletzung in seinem Recht auf Geheimhaltung. Nachdem die DSB die Datenschutzbeschwerde abwies, brachte der Versicherte eine (erfolglose) Bescheidbeschwerde an das BVwG ein. Das BVwG hat erwogen: 

    Jede Verarbeitung personenbezogener Daten muss den Grundsätzen des Art 5 DSGVO entsprechen und rechtmäßig iSd Art 6 DSGVO erfolgen. Eine Verarbeitung ist dann rechtmäßig, wenn neben den in Art 5 DSGVO geregelten Grundsätzen mindestens einer der in Art 6 Abs 1 DSGVO festgelegten Rechtsgründe vorliegt. Eine Verarbeitung personenbezogener Daten ist gemäß Art 6 Abs 1 lit c DSGVO rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt. § 69 Abs 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) verpflichtet die Sozialversicherungsträger dazu, die regionalen Geschäftsstellen des AMS bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Diese Pflicht umfasst unter anderem die Übermittlung von Daten über Versicherungszeiten der Arbeitnehmer. Der Sozialversicherungsträger hat den Versicherten mehrfach kontaktiert, um Lücken im Versicherungslauf zu klären, woran der Versicherte jedoch nicht mitgewirkt hat. Der Sozialversicherungsträger musste gemäß § 69 Abs 1 AlVG in Erfüllung einer gesetzlichen Auskunftspflicht iSd Art 6 Abs 1 lit c DSGVO die Informationen an das AMS übermitteln. Die Mitteilung über die mangelnde Mitwirkung durch den Versicherten war daher durch § 69 Abs 1 AlVG gedeckt und verstößt nicht gegen den Grundsatz der Datenminimierung iSd Art 5 Abs 1 lit c DSGVO. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Versicherten erfolgte daher gemäß Art 6 Abs 1 lit c DSGVO rechtmäßig.

Aus der weiteren Rechtsprechung des BVwG:
 

  • Eine Warnung gemäß Art 58 Abs 1 lit a DSGVO kann nur ausgesprochen werden, solange die Verarbeitung lediglich geplant ist (beabsichtigte Datenverarbeitung). Eine Warnung kann nicht mehr ausgesprochen werden, wenn die Verarbeitung bereits durchgeführt wird (BVwG 15.10.2024, W254 2291347-1).
     
  • Verfolgt der Beschwerdeführer offenbar ein Anliegen allgemein rechtspolitischer Art, dann ist die Datenschutzbeschwerde unzulässig. Beim Auslegen der Willenserklärung eines berufsmäßigen Parteienvertreters (hier ein Wirtschaftsprüfer und Steuerberater) ist ein strengerer Maßstab anzulegen als für unvertretene Beschwerdeführer (BVwG 23.09.2024, W274 2266396-1).
     
  • Richtet sich eine Säumnisbeschwerde zwar formal auch gegen den Bescheid über die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens, enthält sie jedoch keine Begründung, weshalb der Bescheid im Ausgangsverfahren die Verwaltungssache nicht zur Gänze erledigt haben soll, ist die Säumnisbeschwerde abzuweisen (BVwG 04.10.2024, W274 2291590-1).
     
  • Eine Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung kann nur dann vorliegen, wenn tatsächlich Daten des Betroffenen verarbeitet wurden. Den Betroffenen trifft eine Mitwirkungspflicht, den Nachweis der Verarbeitung zu erbringen (BVwG 02.10.2024, W287 2273330-1).
     
  • Gemäß § 24 Abs 4 DSG erlischt der Anspruch auf Behandlung einer Datenschutzbeschwerde, wenn der Betroffene sie nicht binnen eines Jahres, nachdem er Kenntnis von dem beschwerenden Ereignis erlangt hat, einbringt. Nach Ablauf dieser einjährigen subjektiven Präklusivfrist ist das Erheben einer Datenschutzbeschwerde nicht mehr zulässig, sofern keine "fortgesetzte Schädigung" gegeben ist (BVwG 20.09.2024, W214 2291552-1).
     
  • Das Recht auf Auskunft steht unter keinen Voraussetzungen. Es muss insb nicht mit einem Rechtsschutzinteresse begründet werden. Verarbeitet der Verantwortliche keine Daten des Betroffenen (mehr), hat er innerhalb eines Monats eine Negativauskunft zu erteilen. Eine Negativauskunft setzt jedoch voraus, dass der Verantwortliche tatsächlich keine Daten des Betroffenen (mehr) verarbeitet ( BVwG 20.09.2024, W214 2291834-1).
     
  • Ein Verfahren kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage, die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder Gerichten zu entscheiden wäre, ausgesetzt werden, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines beim für die Hauptfrage zuständigen Gericht anhängigen Verfahrens bildet. Eine Hauptfrage in diesem Sinn kann auch eine Vorlagefrage eines beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens sein. Der VwGH ersuchte den EuGH um Vorabentscheidung zur Auslegung des Begriffs "exzessiv" iSd Art 57 Abs 4 DSGVO. Da diese Frage auch im vorliegenden Verfahren präjudiziell ist, wird das Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt (BVwG 23.09.2024, W274 2294608-1).
     
  • Bestimmt die DSB irrtümlich den falschen Beschwerdegegner als Verantwortlichen, ist der Bescheid ersatzlos zu beheben (BVwG 03.10.2024, W258 2262116-1).
     
  • Die Zurückziehung der Datenschutzbeschwerde bewirkt den Wegfall der Zuständigkeit der DSB zur Erlassung des Erstbescheids und damit dessen Rechtswidrigkeit. Der Erstbescheid ist daher durch das BVwG (ersatzlos) aufzuheben. Bei dieser Art der Entscheidung handelt es sich um eine negative Sachentscheidung, womit auch das Beschwerdeverfahren erledigt wird. Eine darüber hinausgehende Einstellung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich daher (BVwG 04.10.2024, W211 2272474-1).
     
  • Das BVwG kann jederzeit von Amts wegen Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende Unrichtigkeiten in seinen Entscheidungen berichtigen. Einem Berichtigungsbeschluss kommt nur feststellende, nicht jedoch rechtsgestaltende Wirkung zu. (BVwG 15.10.2024, W176 2234682-1).

Rechtsprechung der LVwG

  • Eine Ausschreibung ist aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken hinsichtlich der Datenerhebung nicht rechtswidrig, wenn rechtmäßige Mittel zur Verfügung stehen, um die für die Auftragserfüllung erforderlichen Daten zu erlangen (LVwG Wien 18.10.2024, VGW-123/095/6508/2024).

Rechtsprechung der BDB

BDB 04.03.2024, 2022-0.711.297

Amtsmissbrauch, Befangenheit

  • Eine Finanzbeamtin griff ohne dienstliche Notwendigkeit wiederholt auf Steuerdaten von sich selbst, ihren Familienmitgliedern und Bekannten zu. Die Zugriffe kamen im Rahmen einer Überprüfung von Logfiles der Datenbankzugriffe hervor. Die Beamtin rechtfertigte die Zugriffe auf die Daten mit der Zustimmung der betroffenen Personen. Die BDB verhängte aufgrund der Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 iVm 47 BDG eine Geldbuße in der Höhe von EUR 800 gegen die Beamtin.

    Die BDB hat erwogen: Ein Beamter darf nur aus dienstlicher Veranlassung Daten verarbeiten. Wenn personenbezogene Daten ohne dienstliche Rechtfertigung ermittelt werden, liegen eine missbräuchliche Datenverarbeitung und ein Verstoß gegen § 1 DSG vor. Der damit verwirklichte Befugnismissbrauch löst auch ohne tatsächlichen Schadenseintritt bei Schädigungsvorsatz strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 302 Abs 1 StGB (Amtsmissbrauch) aus.

    Eine dienstliche Veranlassung eines Datenzugriffes kann bei Vorliegen von Verwandtschaft oder Bekanntschaft aufgrund der Befangenheit des Organs nicht gegeben sein. Eine Einwilligung kann bei Befangenheit auch den Zugriff auf die Daten nicht rechtfertigen.

    Zugriffe eines Beamten auf die eigenen Steuerdaten im System sind unrechtmäßig, weil damit die Akteneinsicht im Abgabenverfahren umgangen wird und auch auf Aktenteile Einsicht genommen werden kann, die sonst von der Einsicht ausgenommen sind.

    Durch eine abgelegte Fachprüfung wird die Kenntnis der anwendbaren Gesetze und Erlässe vorausgesetzt und von vorsätzlichem Verhalten ausgegangen.

    Bei der Schuldbemessung wirken das reumütige Geständnis und die bisherige disziplinarrechtliche Unbescholtenheit mildernd. Als erschwerend wird die Fortsetzung der strafbaren Handlungen über einen mehrjährigen Zeitraum gewertet.

EU-Rechtsakte

  • Am 05.11.2024 wurde die "Durchführungsverordnung (EU) 2024/2835 der Kommission vom 4. November 2024 zur Festlegung von Vorlagen für die Transparenzberichtspflichten der Anbieter von Vermittlungsdiensten und der Anbieter von Online-Plattformen gemäß der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates",  ABl L 2024/2835, 1, kundgemacht. Mit dieser DurchführungsVO werden  Transparenzberichtspflichten des  Digital Service Act konkretisiert.

Vorschau EuG- und EuGH-Rechtsprechung
 

  • Am 13.11.2024 wird das Urteil des EuG in der Rs  T-223/20, Orion / Kommission, verkündet. Gegenstand des Verfahrens ist der Datenschutz betreffend Arzneimittel.
     
  • Am 21.11.2024 wird das Urteil des EuGH in der Rs  C-336/23, Hrvatska pošta, veröffentlicht. Der EuGH wird Fragen zur PSI-RL (Richtlinie (EU) 2019/1024) beantworten.
     
  • Am 26.11.2024 wird eine mündliche Verhandlung vor dem EuGH in der Rs  C-97/23 P, WhatsApp Ireland, stattfinden. Gegenstand des Verfahrens ist ein Rechtsstreit zwischen WhatsApp und dem Europäischen Datenschutzausschuss.
     
  • Am 27.11.2024 wird eine mündliche Verhandlung vor dem EuGH in der Rs  C-654/23, Inteligo Media, stattfinden. Gegenstand des Verfahrens ist eine Geldbuße gegen die Herausgeberin eines Onlinemediums.
     
  • Am 28.11.2024 wird das Urteil in der Rs  C-169/23, Másdi, veröffentlicht. Der EuGH wird Fragen zur Informationspflicht bei  generierten Daten gemäß Art 14 Abs 5 DSGVO beantworten. Anm: Die Zusammenfassung der Schlussanträge kann in der 23. Ausgabe des Schönherr Datenschutzmonitors vom 12.06.2024 nachgelesen werden.
     
  • Am 28.11.2024 wird eine mündliche Verhandlung vor dem EuGH in der Rs  C-57/23, Policejní prezidium, stattfinden. Gegenstand des Verfahrens sind Identifizierungsmaßnahmen durch  Sicherheitsbehörden.

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