Die EK hat jüngst ihre Pläne zur Förderung des ökologischen Verbraucherverhaltens und der Verhinderung von Greenwashing veröffentlicht. Der Entwurf der RL zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen" soll ua die RL über unlautere Geschäftspraktiken um neue Werbebeschränkungen und Informationspflichten zur Haltbarkeit sowie Reparierbarkeit von Produkten ergänzen. Ob diese in der Form zielführend und erforderlich sind, bleibt fraglich.

A. Einleitung und Problemaufriss

Klimaneutralität bis 2050 - das ist das große Ziel des europäischen Green Deal. Dabei kommt Verbrauchern eine Schlüsselrolle zu. Denn ihr Kaufverhalten bestimmt das Marktangebot und kann Unternehmer zur nachhaltigen, sauberen und kreislauforientierten Produktion motivieren. Die EK sieht daher Greenwashing" bzw Grünfärberei" (dh irreführende Umweltaussagen), Praktiken der frühzeitigen Obsoleszenz (dh frühzeitiger Verschleiß von Waren) und die Verwendung unzuverlässiger oder intransparenter Nachhaltigkeitssiegel bzw vergleichbarer Angaben als Bremsklötze dieses ökologischen Wandels. Sie verhindern nachhaltige Verbrauchsmuster.

Vor diesem Hintergrund hat die EK am 30. 3. 2022 den Vorschlag für eine RL zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen beschlossen.1) Sie soll diese Risiken regulieren und neue Umwelttatbestände in der RL über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL)2) und der VerbraucherrechteRL (VR-RL)3) ergänzen. Die UGP-RL soll insb mit neuen Irreführungsverboten bei Nachhaltigkeitswerbung und Informationspflichten über die Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Waren angereichert werden.

Das Unionsrecht kennt aber bereits eine Reihe von Regelungen zur Umweltwerbung.4) Die effektivste und relevanteste Rechtsgrundlage bildet das allgemeine Irreführungsverbot des § 2 UWG und dessen Anhang (Schwarze Liste"). Auch die nationale Rsp hat sich auf Basis dieser Rechtsgrundlagen bereits mit unterschiedlichsten Greenwashing-Vorwürfen befasst. Demnach sind Nachhaltigkeitsclaims aufgrund ihrer starken emotionalen Wirkung und Einflussnahme auf das Verbraucherverhalten irreführungsgeneigter und strenger als andere Werbeaussagen zu beurteilen:5)

  • Nachhaltigkeitsaussagen und Öko-Claims müssen eindeutig belegt sein und eine Irreführung der umworbenen Verkehrskreise ausschließen. Bei mehrdeutigen Werbeaussagen gilt dies für jede Auslegung des Claims.
  • Für die Täuschungseignung des Zielpublikums ist auf einen ökobewussten, sozialen, sensiblen Durchschnittsverbraucher abzustellen.
  • Soweit Hinweise auf soziale und ökologische Aspekte missverstanden werden können, ist der Werbende zur näheren Aufklärung verpflichtet.

Soweit ersichtlich, haben sich in der Rsp auch keine Fälle ergeben, in denen sich Lücken bei der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung von Nachhaltigkeitsaussagen ergeben hätten. Im Gegenteil, dass die aktuellen europäischen Rechtsgrundlagen bereits in ihrer jetzigen Fassung in der Lage sind, einen wirksamen Schutz gegen Greenwashing zu bieten, belegen auch die aktualisierten Leitlinien der EK zur UGP-RL.6) Sie widmen dem Thema Nachhaltigkeit einen eigenen Abschnitt.7) Im Folgenden prüfen wir anhand von Praxisbeispielen, inwieweit die neuen lauterkeitsrechtlichen Vorschriften des Kommissionsentwurfs dennoch notwendig und zielführend sind.

B. Der Kommissionsentwurf

Der Kommissionsentwurf umfasst Änderungen in drei Bereichen der UGP-RL:8) Ergänzung der Tatbestände der (1) irreführenden Handlungen, (2) irreführenden Unterlassungen und (3) per se-Verbote in der Schwarzen Liste. Begleitend dazu sollen umweltbezogene Definitionen ergänzt werden.

1. Irreführende Handlungen

Gem der geltenden Rechtslage gilt eine Geschäftspraktik als irreführend, wenn sie entweder falsche Angaben enthält oder in sonstiger Weise beim angesprochenen Publikum einen falschen Eindruck erweckt.9) Im letzten Fall ist die Täuschung allerdings nur dann spürbar, wenn sie sich auf eine der produkt- oder unternehmensbezogenen Fallgruppen des Art 6 Abs 1 UGPRL bezieht, ein Imitationsmarketing begründet oder eine Verletzung von Verhaltenskodizes vorliegt. Mit der geplanten Nov sollen die sonstigen irreführenden Geschäftspraktiken wie folgt ergänzt werden:

  • Art 6 Abs 1: Konkretisierung der Fallgruppe wesentliche Produktmerkmale" um die Kriterien ökologische und soziale Auswirkungen", Haltbarkeit" und Reparierbarkeit";
  • Art 6 Abs 2 lit d: Ergänzung der Irreführung über künftige Umweltleistungen; und
  • Art 6 Abs 2 lit e: Ergänzung der irreführenden Werbung mit Selbstverständlichem im Nachhaltigkeitsbereich (die letzteren beiden Punkte als eigenständige Irreführungstatbestände).

a) Ökologische und soziale Auswirkungen, Haltbarkeit und Reparierbarkeit

Zu den ökologischen und sozialen Auswirkungen", die die beispielhaft aufgelisteten Produktmerkmale in Art 6 Abs 1 UGP-RL ergänzen sollen, zählen nach den ErwGr des Kommissionsvorschlags bspw Informationen über Arbeitsbedingungen, Wohltätigkeitsbeiträge oder den Tierschutz. Wie die nachfolgenden Bsp verdeutlichen, werden diese Angaben bei entsprechender Täuschungseignung schon bisher nach Art 6 Abs 1 UGP-RL bzw § 2 Abs 1 UWG als irreführend qualifiziert:

Beispiele

  • Erwecken Slogans wie Wir handeln fair!" oder Wir verbessern nachhaltig die Arbeitsbedingungen, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern." einen falschen Eindruck, sind sie bei potentieller Beeinflussung der Geschäftsentscheidung bereits nach § 2 Abs 1 UWG irreführend.
  • Auch Wohltätigkeitsbeiträge sind nach einem strengen Maßstab zu beurteilen. Sie appellieren schließlich an die soziale Verantwortung der Verbraucher. Werden die angepriesenen Beiträge daher nicht zweckgemäß genutzt, handelt der Unternehmer irreführend und uU sogar aggressiv iSd § 1a UWG.10)

Der Begriff Haltbarkeit" soll in Art 2 lit b näher definiert werden und meint die Fähigkeit einer Ware, ihre erforderlichen Funktionen und ihre Leistung bei normaler Verwendung zu behalten". Reparierbarkeit" wird dagegen nicht definiert. Damit sind wohl Aussagen über die Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit eines Produkts gemeint.11)

Auch Irreführungen zu diesen beiden Merkmalen können bereits jetzt ohne diese Ergänzung nach aktueller Rechtslage zwanglos als irreführend qualifiziert werden. So begründet bspw die Vortäuschung der Langlebigkeit eines Produkts eine irreführende Angabe. Das gilt insb bei Verletzung von gesetzlichen oder vertraglichen Aufklärungspflichten über die Lebensdauer oder Reparaturfähigkeit eines Produkts.12)

Insgesamt handelt es sich bei der Konkretisierung der wesentlichen Produktmerkmale uE daher vielmehr um bloße Klarstellungen der aktuellen Praxis und um eine gewollte Betonung der schon gelebten Praxis als um eine Ausweitung des lauterkeitsrechtlichen Schutzumfangs der UGP-RL.

b) Umweltaussagen über künftige Umweltleistungen

Der Kommissionsentwurf sieht weiters vor, Art 6 Abs 2 lit d UGP-RL um einen speziellen Irreführungstatbestand zu ergänzen. Zukünftig soll das Treffen einer Umweltaussage über die künftige Umweltleistung ohne klare, objektive und überprüfbare Verpflichtungen und Ziele sowie ohne ein unabhängiges Überwachungssystem" täuschungsgeeignet sein. Mit dieser Anpassung will die EK verbieten, dass Unternehmer Verbraucher mit allgemeinen, unüberprüfbaren und damit nicht objektivierbaren Umweltaussagen über ihr Engagement blenden. Dies ist konsequent, da gerade in Zeiten steigenden Umweltbewusstseins das Vorgaukeln entsprechender Aktivitäten dazu geeignet ist, positive Assoziationen bei Verbrauchern hervorzurufen und ihre Kaufentscheidung massiv zu beeinflussen. Jede allgemeine Umweltaussage über zukünftige Umweltleistungen soll nach dem neuen Konzept daher belegbar sein.

Im Vergleich zur aktuellen Rechtslage handelt es sich dabei uE um eine Ausweitung des Irreführungsverbots. Vage Hinweise auf Pläne und Ziele eines Unternehmers werden bislang in der Lit und Rsp nämlich als zulässig erachtet. Unternehmer müssen derzeit ihr vage ausgelobtes Engagement im Nachhaltigkeitsbereich nicht im Detail belegen oder nachvollziehbar machen. Nur überschießende Werbung, die nicht mehr von den tatsächlichen Aktivitäten des Unternehmens gedeckt ist, kann irreführend sein.13)

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Footnotes

1. COM(2022) 143 final v 30. 3. 2022; Der Vorschlag gehört zu den Initiativen der neuen Verbraucheragenda und des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft und ist eine Folgemaßnahme des europäischen Green Deals.

2. RL 2005/29/EG des EP und des Rates v 11. 5. 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der RL 84/450/EW des Rates, der RL 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/ EG des EP und des Rates sowie der VO (EG) 2006/2004 des EP und des Rates, ABl L 2005/149, 22 v 11. 6. 2005.

3. RL 2011/83/EU des EP und des Rates v 25. 10. 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der RL 93/13/EG des EP und des Rates, ABL L 2011/304, 64 v 22. 11. 2011.

4. Alexander, Green Deal: Verbraucherschutz und ökologischer Wandel, WRP 2022, 657.

5. Vgl dazu auch Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG2 § 2 Rz 250 und Anderl/Ciarnau, Die Grenzen des Marketings, in Zahradnik/Schöller, Praxishandbuch Nachhaltigkeitsrecht (2021) 77.

6. Würtenberger/Freischem, Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag, GRUR 2022, 970.

7. ABl C 2021/526, 1 v 29. 12. 2021.

8. Sofern nicht explizit andere Rechtsgrundlagen referenziert werden, beziehen sich die Artikel-Verweise auf die aktuelle UGP-RL.

9. Vgl Art 6 Abs 1 lit b UGP-RL.

10. Anderl/Ciarnau in Zahradnik/Schöller, Praxishandbuch Nachhaltigkeitsrecht, Die Grenzen des Marketings 84.

11. Alexander, WRP 2022, 657 (660).

12. Anderl/Ciarnau in Anderl (Hrsg), Praxishandbuch UWG (2021) 71f.

13. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG36 § 5 Rz 5.4.

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