Key Take-aways
1. Die 7. Version der SIAC Schiedsordnung ist am 1. Januar 2025 in Kraft getreten. Gleichzeitig gilt auch eine überarbeitete Gebührenordnung.
2. Die SIAC Schiedsordnung 2025 führt innovative Verfahren ein und umfasst Verbesserungen bestehender Verfahren sowie einige weitere willkommene Änderungen der SIAC Schiedsordnung 2016.
3. Die Revision der SIAC Schiedsordnung zielt darauf ab, die Effizienz von Schiedsverfahren und die Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen weiter zu verbessern.
1 Einführung
Am 1. Januar 2025 trat die 7. Version der Schiedsordnung des Singapore International Arbitration Centre (SIAC Schiedsordnung 2025") in Kraft.
Die revidierte Schiedsordnung ist das Ergebnis eines umfassenden öffentlichen Konsultationsprozesses mit Schiedspraktikern, Unternehmen, Unternehmensjuristen, Regierungsvertretern und Wissenschaftlern und berücksichtigt die umfassende Erfahrung im Bereich des Case-Managements, die das SIAC-Sekretariat unter der SIAC Schiedsordnung 2016 erworben hat. Sie führt innovative Verfahren ein und umfasst Verbesserungen bestehender Verfahren und andere begrüssenswerte Änderungen, um die Fairness und Effizienz von Schiedsverfahren sowie die Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen weiter zu verbessern.
Die SIAC Schiedsordnung 2025 ist auf alle Schiedsverfahren anwendbar, die am oder nach dem 1. Januar 2025 eingeleitet werden. Verträge, die sich ausdrücklich auf die SIAC Schiedsordnung 2016 beziehen, unterliegen auch nach Inkrafttreten der SIAC Schiedsordnung 2025 weiterhin der SIAC Schiedsordnung 2016, es sei denn, die Parteien vereinbaren etwas anderes.
Zusammen mit der SIAC Schiedsordnung 2025 trat am 1. Januar 2025 auch die überarbeitete SIAC Gebührenordnung in Kraft.
Dieser Newsletter gibt einen Überblick über die eingeführten Neuerungen und ihre möglichen Auswirkungen auf künftige Schiedsverfahren.
2 Streamlined Procedure
Die SIAC Schiedsordnung 2025 führt ein neues sog. Streamlined Procedure ein (Artikel 13 und Schedule 2), welches für weniger komplexe Angelegenheiten mit tieferem Streitwert konzipiert ist.
Das Streamlined Procedure findet neben dem bereits etablierten beschleunigten Verfahren (siehe unten Abschnitt 5) Anwendung und soll eine schnellere und kostengünstigere Option der Streitbeilegung darstellen. Es findet Anwendung, wenn die Parteien seine Anwendung zu einem beliebigen Zeitpunkt vor der Konstituierung des Schiedsgerichts vereinbart haben oder wenn der Streitwert SGD 1 Mio. nicht übersteigt, es sei denn, der Präsident des SIAC Schiedsgerichtshofs bestimmt, dass das Streamlined Procedure nicht anwendbar ist. Die Parteien können die Anwendung des Streamlined Procedure auch schriftlich ausschliessen.
Das Streamlined Procedure ist für Fälle mit tieferem Streitwert und geringerer Komplexität konzipiert
Alle Streamlined Procedures werden vor einem Einzelschiedsgericht geführt.
Innerhalb von fünf Tagen nach seiner Konstituierung muss das Schiedsgericht eine Case Management Conference mit den Parteien durchführen, um den Zeitplan für das Schiedsverfahren zu besprechen, einschliesslich der Entscheidung etwaiger vorläufiger Anträge. Sofern das Schiedsgericht nichts anderes bestimmt, wird ein Schiedsverfahren nach den Regeln des Streamlined Procedure nur auf der Grundlage schriftlicher Eingaben und Dokumenten entschieden. Die Parteien können zudem keine Editionsbegehren stellen oder Tatsachen- oder Expertenbeweise führen, und es findet grundsätzlich keine mündliche Verhandlung statt. Der Schiedsspruch muss innerhalb von drei Monaten ab dem Datum der Konstituierung des Schiedsgerichts ergehen, was der Hälfte der Zeit entspricht, die ein Schiedsgericht zum Erlass eines Schiedsspruchs im beschleunigten Verfahren hat.
Die Gebühren des Schiedsgerichts und die SIAC Verwaltungsgebühren sind auf 50% des Höchstbetrags gemäss der Gebührenordnung begrenzt, um die Kosteneffizienz zu erhöhen.
3 Vorabbeurteilung (Preliminary Determination)
Gemäss des neuen Artikels 46 kann eine Partei beim Schiedsgericht eine endgültige und verbindliche Vorrabbeurteilung einer Frage beantragen, die zur Entscheidung ansteht, (a) wenn die Parteien vereinbaren, dass das Schiedsgericht eine solche Frage vorab beurteilen soll, (b) der Gesuchsteller nachweisen kann, dass die Vorabbeurteilung der Frage wahrscheinlich zu Zeit- und Kostenersparnissen führen wird, oder (c) wenn die Umstände des Falles sonstwie die Vorabbeurteilung einer Frage rechtfertigen.
Nachdem es den Parteien das rechtliche Gehör gewährt hat, entscheidet das Schiedsgericht, ob es das Gesuch auf Vorabbeurteilung weiterbehandelt. Lässt es das Gesuch zu, muss das Schiedsgericht seine Entscheidung, seinen Beschluss, seine Anordnung oder seinen Schiedsspruch innerhalb von 90 Tagen erlassen.
Artikel 46 erfordert nicht, dass ein Gesuchsteller nachweist, dass eine Vorabbeurteilung tatsächlich zu Zeit- und Kostenersparnissen führt. Es bleibt daher abzuwarten, wie streng der Standard wahrscheinlich zu Zeit- und Kostenersparnissen führt" von Schiedsgerichten angewendet werden wird.
Da die SIAC Schiedsordnung 2016 keine ausdrückliche entsprechende Bestimmung enthielt, zögerten Schiedsgerichte, Rechts- oder Sachfragen in einem frühen Stadium zu entscheiden. Artikel 46 bestätigt die inhärente Befugnis von Schiedsgerichten, als Teil ihrer Verpflichtung Verfahren effizient und rasch durchzuführen, Fragen in einem frühen Stadium des Verfahrens zu entscheiden. Die Aufnahme von Artikel 46 kann daher dazu beitragen, eine raschere Beurteilung bestimmter Fragen zu fördern.
4 Dringlicher Rechtsschutz (Emergency Arbitrator Procedure)
Die SIAC Schiedsordnung 2025 verbessert die Möglichkeit der Parteien, in besonders dringlichen Fällen wirksame einstweilige und sichernde Massnahmen im Rahmen eines Schiedsverfahrens zu erwirken, insbesondere in Situationen, in denen vor der formellen Konstituierung des Schiedsgerichts sofortiges Handeln erforderlich ist. Unter der neuen SIAC Schiedsordnung können Gesuchsteller nun die Ernennung eines Eilschiedsrichters (Artikel 12 und Schedule 1) vor der Einreichung der Notice of Arbitration beantragen. In diesem Fall muss das Schiedsverfahren innerhalb von sieben Tagen nach Eingang des Gesuchs um Eilrechtsschutz eingeleitet werden.
Die SIAC Schiedsordnung 2025 bietet Parteien nun auch die Möglichkeit ex parte eine dringliche Massnahme zu beantragen, d.h. ohne Benachrichtigung der anderen Partei, um sicher zu stellen, dass der Zweck der beantragten einstweiligen oder sichernden Massnahme, durch die Vermögenswerte gesichert oder die Vernichtung von Beweismitteln verhindert werden soll, nicht vereiteln wird. Dies ist eine bedeutende Änderung, da nur wenige andere institutionelle Schiedsordnungen es den Parteien erlauben, dringliche Massnahmen ohne Anhörung der Gegenpartei zu beantragen (so z.B. die Swiss Rules of International Arbitration). Der Eilschiedsrichter muss innerhalb von 24 Stunden nach seiner Ernennung über den Antrag auf eine dringliche Massnahme entscheiden.
Parteien können bei einem Eilschiedsrichter dringliche Massnahmen ohne Anhörung der Gegenpartei beantragen
Um ein ordnungsgemässes Verfahren zu gewährleisten, muss der Gesuchsteller innerhalb von 12 Stunden, nachdem das SIAC-Sekretariat den Beschluss des Eilschiedsrichters an alle Parteien übermittelt hat, eine Kopie aller im Schiedsverfahren eingereichten Unterlagen, den Beschluss des Eilschiedsrichters und alle anderen Mitteilungen, einschliesslich des Inhalts jeder mündlichen Kommunikation an jeder mündlichen Verhandlung zwischen dem Gesuchsteller und dem Eilschiedsrichter, den anderen Parteien übermitteln und dem SIAC Registrar und dem Eilschiedsrichter gegenüber eine Erklärung abgeben, dass dies geschehen ist. Gibt der Gesuchsteller keine solche Erklärung ab, erlischt jede vom Eilschiedsrichter erlassene dringliche Massnahme innerhalb von drei Tagen nach ihrem Erlass. Ansonsten erlischt eine dringliche Massnahme 14 Tage nach dem Datum ihres Erlasses, wenn der Eilschiedsrichter keine Anordnung oder keinen Schiedsspruch erlässt, mit dem die dringliche Massnahme übernommen oder modifiziert wird, nachdem alle Parteien Gelegenheit erhalten haben, ihre Argumente vorzutragen.
5 Beschleunigtes Verfahren (Expedited Procedure)
Mit der Einführung des Streamlined Procedure wurde gleichzeitig eine Mindestgrenze für das beschleunigte Verfahren (Artikel 14 und Schedule 3) eingeführt, wonach der Streitwert für die Anwendung dieses Verfahrens nun SGD 1 Mio. übersteigen muss. Dies soll eine Überschneidung zwischen dem Streamlined Procedure und dem beschleunigten Verfahren verhindern. Das beschleunigte Verfahren kann jedoch ausnahmsweise auch Anwendung finden, wenn der Streitwert SGD 1 Mio. nicht übersteigt, sofern der Präsident des SIAC Schiedsgerichtshofs entschieden hat, dass das Streamlined Procedure nicht anwendbar ist. Gleichzeitig wurde die Obergrenze für die Anwendung des beschleunigten Verfahrens von zuvor SGD 6 Mio. auf SGD 10 Mio. erhöht.
Das beschleunigte Verfahren steht bei einem Streitwert zwischen SGD 1 Mio. und SGD 10 Mio. zur Verfügung
Unter der SIAC Schiedsordnung 2016 war das beschleunigte Verfahren nicht nur in Fällen anwendbar, in denen der Streitwert einen bestimmten Betrag nicht überstieg oder auf der Grundlage einer Vereinbarung der Parteien, sondern auch in Fällen aussergewöhnlicher Dringlichkeit". Letzteres Kriterium ist in der SIAC Schiedsordnung 2025 nicht mehr enthalten, sondern das beschleunigte Verfahren ist stattdessen auch anwendbar, wenn die Umstände des Falles die Anwendung des beschleunigten Verfahrens rechtfertigen"
6 Koordinierte Verfahren (Coordinated Proceedings)
Der neue Artikel 17 führt einen Mechanismus für die koordinierte Erledigung mehrerer Schiedsverfahren ein, wenn in zwei oder mehr Schiedsverfahren dasselbe Schiedsgericht bestellt wurde und sich aus oder im Zusammenhang mit allen Schiedsverfahren eine gemeinsame Rechts- oder Tatsachenfrage stellt.
In dieser Situation kann eine Partei beantragen, dass (a) die mehreren Schiedsverfahren gleichzeitig oder nacheinander durchgeführt werden, (b) die Schiedsverfahren zusammen verhandelt werden und die Verfahrensschritte aufeinander abgestimmt werden oder (c) eines der Schiedsverfahren ausgesetzt wird, bis eine Entscheidung in einem der anderen Schiedsverfahren ergangen ist.
Sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, bleiben koordinierte Schiedsverfahren separate Verfahren, und das Schiedsgericht erlässt in jedem Schiedsverfahren separate Entscheide, Beschlüsse, Anordnungen und Schiedssprüche. Dies unterscheidet koordinierte Schiedsverfahren von konsolidierten Schiedsverfahren, bei denen zwei oder mehr Schiedsverfahren zu einem Schiedsverfahren zusammengefasst werden.
Die Einführung von Artikel 17 wird dazu beitragen, die Verfahrenseffizienz in zusammenhängenden Verfahren zu verbessern, wo eine Konsolidierung der Verfahren nicht möglich ist, womit das Risiko inkonsistenter Entscheidungen zusammenhängender Fragen minimiert und doppelte Verfahren und mündliche Verhandlungen vermieden werden.
7 Offenlegung von Prozessfinanzierung
Der neue Artikel 38 verpflichtet Parteien, die Existenz einer Prozessfinanzierungsvereinbarung sowie die Identität und die Kontaktdaten des Prozessfinanzierers in der Notice oder der Response oder so bald wie möglich nach Abschluss einer Prozessfinanzierungsvereinbarung offenzulegen.
Parteien müssen Prozessfinanzierung offenlegen
Artikel 38 ermächtigt das Schiedsgericht, eine solche Offenlegung anzuordnen, auch in Bezug auf Einzelheiten bezüglich des Interesses des Prozessfinanzierers am Ausgang des Verfahrens sowie bezüglich der Frage, ob der Prozessfinanzierer sich zur Haftung für die Verfahrenskosten der Gegenpartei verpflichtet hat. Kommt eine Partei ihrer Offenlegungspflicht nicht nach, kann das Schiedsgericht eine Anordnung oder einen Schiedsspruch über Sanktionen, Schadensersatz oder Kosten erlassen.
Nach der Konstituierung des Schiedsgerichts darf eine Partei keine Prozessfinanzierungsvereinbarung abschliessen, die zu einem Interessenkonflikt mit einem Mitglied des Schiedsgerichts führen könnte. Andernfalls kann das Schiedsgericht die Partei anweisen, von der Prozessfinanzierungsvereinbarung zurückzutreten.
Das Schiedsgericht kann bei der Verteilung der Kosten eine Prozessfinanzierungsvereinbarung berücksichtigen, das Vorliegen einer Prozessfinanzierungsvereinbarung allein darf aber nicht als Hinweis auf die finanzielle Situation einer Partei gewertet werden.
Diese neue Regel soll zur Transparenz beitragen und mögliche Interessenkonflikte adressieren und spiegelt die wachsende Rolle der Prozessfinanzierung in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit wider.
8 Weitere nennenswerte Änderungen
8.1 Beendigungsverfügung (Termination orders)
Der neue Artikel 43.2 verpflichtet das Schiedsgericht im Falle eines Vergleichs eine Beendigungsverfügung zu erlassen, oder, wenn die Parteien dies beantragen, kann das Schiedsgericht den Vergleich in Form eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut festhalten. Die SIAC Schiedsordnung 2025 schreibt nun auch andere spezifische Situationen vor, in denen das Schiedsgericht eine Beendigungsverfügung erlassen muss.
8.2 Tribunal Secretaries
Der neue Artikel 24.1 kodifiziert die Befugnis der Schiedsgerichte, sog. Tribunal Secretaries zu ernennen, wobei das Schiedsgericht keine Entscheidungsfunktionen an Tribunal Secretaries delegieren darf.
8.3 Zeitrahmen für die Einreichung von Entwürfen des Schiedsspruchs
Die SIAC Schiedsordnung 2025 verlangt, dass das Schiedsgericht innerhalb von 30 Tagen ab dem Datum der letzten mündlichen oder schriftlichen Eingabe gegenüber den Parteien und dem SIACSekretariat eine Einschätzung der Zeitdauer abgibt, innerhalb derer es beabsichtigt den Entwurf des Schiedsspruchs zur Prüfung einzureichen, sowie den Entwurf des Schiedsspruchs in jedem Fall spätestens innerhalb von 90 Tagen ab dem Datum der letzten Eingabe dem SIAC-Sekretariat zur Prüfung vorzulegen (Artikel 53). Gemäss der SIAC Schiedsordnung 2016 betrug die Frist für die Einreichung des Entwurfs des Schiedsspruchs 45 Tage ab dem Datum, an dem das Schiedsgericht das Verfahren für geschlossen erklärte. Diese Änderung wird dazu beitragen, die Dauer von Schiedsverfahren besser abschätzen zu können.
9 Fazit
Die SIAC Schiedsordnung 2025 stellt eine bedeutende Aktualisierung der bisherigen Schiedsordnung dar. Sie führt nicht nur innovative Verfahren ein, die den Parteien helfen, ihre Streitigkeiten effektiver und effizienter beizulegen, sondern verbessert auch bestehende Verfahren und Bestimmungen signifikant, wodurch Schiedsverfahren nach der SIAC Schiedsordnung im Allgemeinen noch effizienter und kostengünstiger werden.
The content of this article is intended to provide a general guide to the subject matter. Specialist advice should be sought about your specific circumstances.