ÖFFENTLICHES RECHT / VERWALTUNGSRECHT

Prof. Dr. Beat Stalder

Ich bin für die Aufrechterhaltung meines Metallbaubetriebs auf die Einfuhr von Material aus dem Ausland angewiesen. Darf mir das Material noch geliefert wer-den?

Ja. Der Warenverkehr wird durch die Covid-19-Verordnung 2 nicht eingeschränkt.

Ich habe ein Kleidergeschäft. Darf ich das Geschäft offenhalten, wenn ich nach-weisen kann, dass ich die Vorschriften des BAG zur Hygiene und zur sozialen Distanz einhalte?

Nein. Die Covid-19-Verordnung 2 vom 13. März 2020 (Stand 21. März 2020) verbietet in Art. 6 Abs. 2 das Offenhalten öffentlich zugänglicher Einrichtungen wie Einkaufslä-den, Märkte, Restaurants, Bars, Discos, jeglicher Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe wie Museen, Kinos, Sportzentren oder Skigebiete. Ebenfalls schliessen müssen Be-triebe mit personenbezogenen Dienstleistungen mit Körperkontakt wie Coiffeure und Massagen. Das Verbot gilt generell, auf die individuellen Sicherheitsmassnahmen kommt es nicht an. Die zuständige kantonale Behörde kann zwar nach Art. 7 der Ver-ordnung betriebsspezifische Ausnahmen bewilligen, wenn überwiegende Interessen dies gebieten und ihr ein Schutzkonzept vorgelegt wird. Diese Voraussetzungen dürf-ten aber bei einem Kleidergeschäft nicht gegeben sein.

Welche Geschäfte dürfen trotz des generellen Verbots weiterhin geöffnet haben?

Nach Art. 6 Abs. 3 der Verordnung dürfen unter anderem Lebensmittelläden und sons-tige Läden, soweit sie Lebensmittel oder Gegenstände für den täglichen Bedarf anbie-ten, Take-aways, Mahlzeiten-Lieferdienste, Hotels mit ihren Restaurants für Hotelgäs-te, Apotheken, Drogerien, Poststellen, Banken, Werkstätten für Transportmittel, die öffentliche Verwaltung und Gesundheitseinrichtungen geöffnet haben. Für diese Be-triebe gelten die Sicherheitsvorgaben des Bundesamtes für Gesundheit betreffend Hy-giene, sozialer Distanz und Limitierung der Personenzahl.

Ich habe einen Gartenbaubetrieb mit Verkaufsladen. Wie wirkt sich die Covid-19-Verordnung 2 auf meinen Betrieb aus?

Der Gartenbaubetrieb als solcher wird von den Betriebseinschränkungen der Verord-nung nicht erfasst, da es sich hier nicht um eine öffentlich zugängliche Einrichtung handelt. Einzuhalten sind hier selbstverständlich die Vorgaben des BAG betreffend Hygiene und sozialer Distanz. Hingegen muss das Verkaufsgeschäft geschlossen wer-den, da der Verkauf von Pflanzen und Gartenzubehör von der Ausnahmeregelung von Art. 6 Abs. 3 der Verordnung nicht erfasst wird. Zulässig ist allerdings ein Heimliefer-dienst. Gleich verhält es sich mit anderen Gewerbebetrieben mit Verkaufslokalitäten: Das Gewerbe als solches bleibt zulässig; verboten ist der Verkauf von Waren über die Theke, soweit nicht ein Ausnahmetatbestand von Art. 6 Abs. 3 der Verordnung vorliegt.

Dürfen Taxis weiterhin fahren?

Ja. Taxis gelten als Einrichtungen des öffentlichen Verkehrs und dürfen weiterhin be-trieben werden. Die Anforderungen an die soziale Distanz sind aber einzuhalten. So-weit der 2m-Abstand nicht eingehalten werden kann, muss die Sicherheit durch Ab-grenzung des Fahrgastraums, z.B. durch eine Plexiglasscheibe, gewährleistet werden.

Weshalb darf meine Physiotherapeutin weiterhin geöffnet haben, meine Kosme-tikerin aber nicht?

Gesundheitseinrichtungen wie Spitäler, Arztpraxen sowie Praxen und Gesundheits-fachpersonen dürfen ihre Leistungen weiterhin erbringen. Zu den Gesundheitsfachper-sonen gehören namentlich Physio- und Ergotherapeutinnen, Hebammen, Ernährungs-beraterinnen, Augenoptikerinnen und Psychotherapeutinnen. Zwar sollen alle Gesund-heitseinrichtungen nicht dringliche Behandlungen verschieben. Ärztlich verordnete Be-handlungen und Therapien gelten aber als nötig und nicht aufschiebbar.

Darf der Kanton weitergehende Beschränkungen anordnen, als dies der Bundes-rat in der Verordnung tut, z.B. Ausgangssperren verhängen oder Baustellen schliessen?

In der Anfangsphase nahm der Bund die Gesetzgebungskompetenz in Bezug auf die Anordnung von Massnahmen praktisch vollständig in Anspruch. Auf Veranlassung des Bundes nahm der Kanton Uri deshalb die Anordnung einer Ausgangssperre für über 65-jährige zurück; ebenfalls nahm der Kanton Tessin eine flächendeckend angeordne-te Schliessung sämtlicher Baustellen wieder zurück. Mit Verordnungsänderung vom 27. März 2020 hat der Bundesrat den Kantonen einen grösseren Handlungsspielraum eingeräumt. Aktuell kann der Bundesrat einzelnen Kantonen, in denen eine besondere Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung vorherrscht, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ermächtigen, für eine begrenzte Zeit und für bestimmte Regionen eine Einschränkung oder Einstellung der Tätigkeiten bestimmter Wirtschaftsbranchen anzuordnen, z.B. Baustellen zu schliessen (Art. 7e der COVID-19-Verordnung 2).

GESELLSCHAFTSRECHT

Dr. Oliver Künzler

Wir haben eine ordentliche Generalversammlung einberufen. Welche Hand-lungsoptionen haben wir?

  1. Verschiebung der ordentlichen Generalversammlung
    Der Verwaltungsrat kann die Verschiebung der Generalversammlung beschlies-sen und den Aktionären den Beschluss mitteilen. Die Mitteilung an die Aktionäre muss die Formvorschriften der Einladung bezüglich Frist, Form und Zustellart beachten. Ein Verschiebedatum muss zum heutigen Zeitpunkt nicht genannt werden.
    Gemäss OR muss der Generalversammlung der Geschäftsbericht innert sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres vorgelegt werden. Hierbei handelt es sich nach der Lehre jedoch um eine Ordnungsvorschrift und eine spätere Einbe-rufung kann in Ausnahmefällen sachlich begründet sein.
  2. Ernennung von Vertretern
    Grundsätzlich kann sich ein Aktionär mittels einer schriftlichen Vollmacht vertre-ten lassen. Der Vertreter kann ein beliebiger Dritter sein, sofern die Statuten nicht vorschreiben, dass nur Aktionäre als Vertreter ernannt werden müssen.
    In kleineren Verhältnissen ist es daher möglich, dass Aktionäre ihren Vertreter anweisen, für sie in der Generalversammlung abzustimmen. Eine solche Gene-ralversammlung kann dann mit einer minimalen Anzahl von Personen (bei feh-lendem Interessenkonflikt im Ausnahmefall alleinig durch den Vertreter) erfolgen.
  3. Notrecht: Elektronische oder schriftliche Stimmabgabe oder unabhängiger Stimmrechtsvertreter
    Der Bundesrat hat per Notrecht angeordnet ("COVID-19-Verordnung 2"), dass der Verwaltungsrat ohne Einhaltung der Einladungsfrist beschliessen kann, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Rechte ausschliesslich ausüben kön-nen:
    • auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form; oder
    • durch einen vom Veranstalter bezeichneten unabhängigen Stimmrechtver-treter
  4. Der Beschluss des Verwaltungsrates muss spätestens vier Tage vor der Veran-staltung schriftlich mitgeteilt oder elektronisch veröffentlicht werden (zum Beispiel auf der Website des Unternehmens).
  5. Der Bundesrat hat diese Möglichkeit vorläufig bis am 19. April 2020 befristet. Bis zu diesem Zeitpunkt muss der Verwaltungsrat entschieden haben, ob er die Ge-neralversammlung auf einem der per Notverordnung vorgesehenen Weg durch-führt und die entsprechenden Anordnungen getroffen haben. Die Generalver-sammlung selbst kann nach dem 19. April 2020 stattfinden.

Welche Handlungsoptionen haben GmbHs?

  1. Gleiche Optionen wie Aktiengesellschaften
    Mangels abweichender Statutenbestimmungen können die voranstehenden Aus-führungen zu den Aktiengesellschaften sinngemäss auf Versammlungen von Ge-sellschaftern einer GmbH übertragen werden.
  2. Schriftliche Beschlussfassung
    Abweichend zu den Generalversammlungen können Beschlüsse von Gesell-schaftern einer GmbH auch schriftlich gefasst werden, sofern nicht ein Gesell-schafter die mündliche Beratung verlangt.
  3. Notrecht: Elektronische oder schriftliche Stimmabgabe oder unabhängiger Stimmrechtsvertreter
    Die Ausführungen zur Aktiengesellschaft gelten gemäss dem Bundesamt für Jus-tiz sinngemäss auch für GmbHs.

Welche Handlungsoptionen haben Genossenschaften?

  1. Verschiebung der ordentlichen Generalversammlung
    Es kann sinngemäss auf die Ausführungen zur Aktiengesellschaft verwiesen werden.
  2. Urabstimmung
    Sofern in den Statuten vorgesehen, können Genossenschaften mit mehr als 300 Mitgliedern die Beschlussfassung durch schriftliche Stimmabgabe der Genos-senschafter vornehmen (Urabstimmung).
  3. Notrecht (COVID-19-Verordnung 2): Elektronische oder schriftliche Stimmabgabe oder unabhängiger Stimmrechtsvertreter?
    Die Ausführungen zur Aktiengesellschaft gelten gemäss dem Bundesamt für Jus-tiz sinngemäss auch für Genossenschaften (und insbesondere auch für die Dele-giertenversammlung einer Genossenschaft). Dennoch sind nach dem heutigen Stand verschiedene Fragen ungeklärt. Es sollte daher im Einzelfall beurteilt wer-den, ob die damit verbundene Unsicherheit getragen werden kann, oder ob ande-re, rechtssicherere Handlungsoptionen bestehen.

Welche Handlungsoptionen haben Vereine?

  1. Verschiebung der ordentlichen Mitgliederversammlung
    Es kann sinngemäss auf die Ausführungen zur Aktiengesellschaft verwiesen werden.
  2. Keine physische Mitgliederversammlung
    Die Vereinsversammlung muss nach herrschender Meinung nicht physisch statt-finden. Sie kann auch als Telefonkonferenz, Video-Konferenz oder auf ähnlichen Kommunikationswegen stattfinden. Voraussetzung dafür ist jedoch eine Grundla-ge in den Vereinsstatuten.
  3. Schriftliche Beschlussfassung
    Die Statuten können eine schriftliche Beschlussfassung der Mehrheit der abge-gebenen Stimmen vorsehen. Fehlt eine Bestimmung, ist für eine schriftliche Be-schlussfassung die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich.
  4. Stellvertretung
    Die stellvertretende Stimmausübung ist aufgrund der Personenbezogenheit des Mitgliedschaftsrechts nur in engen Linien und Ausnahmefällen möglich und dann nur durch Vereinsmitglieder. Fehlt eine entsprechende Statutenbestimmung, soll-te die stellvertretende Stimmabgabe zunächst genau überprüft und bedacht wer-den.
  5. Notrecht (COVID-19-Verordnung 2): Elektronische oder schriftliche Stimmabgabe oder unabhängiger Stimmrechtsvertreter?
    Die Ausführungen zur Aktiengesellschaft gelten gemäss dem Bundesamt für Jus-tiz sinngemäss auch für Vereine. Dennoch sind nach dem heutigen Stand ver-schiedene Fragen ungeklärt. Es sollte im Einzelfall beurteilt werden, welches die sinnvollste Handlungsoption ist.

Unser Verwaltungsrat und unsere Geschäftsführung arbeiten im Homeoffice. Können wir dennoch gültig Beschlüsse fassen?

Das Gesetz sieht vor, dass Beschlüsse des Verwaltungsrates auch auf dem Wege der schriftlichen Zustimmung gefasst werden können, sofern nicht ein Mitglied eine mündli-che Beratung verlangt. Grundsätzlich liegt es in der Kompetenz des Verwaltungsrates, die Organisation der Gesellschaft festzulegen. Er kann daher Besprechungen per Tele-fon oder Videokonferenz abhalten. Häufig sehen bereits die Statuten vor, dass der Verwaltungsrat sich auch per Telefon- oder Videokonferenz beraten kann.

RESTRUKTURIERUNG UND INSOLVENZ

Brigitte Umbach-Spahn, Stefan Bossart

Kann ich nach wie vor einen Schuldner betreiben oder selbst von einem Gläubi-ger betrieben werden?

Der Bundesrat hat für die Zeit vom 19. März bis und mit 4. April 2020 einen sog. Rechtsstillstand im Betreibungswesen angeordnet. Im Anschluss gelten bis zum 19. April 2020 die gesetzlichen Betreibungsferien. Seit dem 19. März bis zum 19. April 2020 können Gläubiger zwar weiterhin Betreibungsbegehren stellen (z.B. um die Ver-jährung einer Geldforderung zu unterbrechen), es dürfen den Schuldnern aber keine Betreibungsurkunden (z.B. Zahlungsbefehle) zugestellt oder sonstige Betreibungs-handlungen vorgenommen werden. Insbesondere ist auch eine Konkurseröffnung auf Begehren eines Gläubigers nicht möglich.

Welche Finanzhilfe bietet der Bund zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen aufgrund der Corona Krise?

Mit den Massnahmenpaketen vom 13. und 20. März 2020 hat der Bund verschiedene Liquiditätshilfen für Unternehmen beschlossen:

  1. Soforthilfe mittels verbürgten Überbrückungskrediten für KMU
    Damit betroffene KMUs von den Banken Überbrückungskredite rasch und unbü-rokratisch erhalten, wird der Bundesrat ein Garantieprogramm zur Verfügung stellen. Dabei sollen Beträge bis zu CHF 0.5 Mio. von den Banken sofort ausbe-zahlt und vom Bund zu 100% garantiert werden. Darüber hinaus gehende Beträ-ge sollen vom Bund zu 85% garantiert werden und eine kurze Bankprüfung vo-raussetzen. Damit sollen Unternehmen gemäss Bundesrat Ueli Maurer ab 26. März 2020 zu ihrer Hausbank gehen können und in einer halben Stunde" ei-nen Kredit zu tiefem Zins erhalten. Die Modalitäten sollen in einer entsprechen-den Notverordnung des Bundes festgelegt werden, welche bis am 25. März 2020 verabschiedet und veröffentlicht wird.
  2. Übernahme von Kosten und Risikoprämien für das Jahr 2020 für Bürgschaften von vier anerkannten Bürgschaftsorganisationen zur Absicherung von Bankkredi-ten (BG Mitte, BG Ost-Süd, Bürgschaft Westschweiz und SAFFA für Frauen)
    Für ein Gesuch um eine entsprechende Bürgschaft müssen detaillierte Unterla-gen zur finanziellen Situation des Gesuchstellers beigebracht werden (u.a. Bilan-zen und Erfolgsrechnung, Betreibungsregisterauszüge, Bankauszüge Geschäfts-konten, Nachweis der stabilen Ertragslage vor virusbedingter Beeinträchtigung, Berechnung des virusbedingten Finanzierungsbedarfes, Liquiditätsplanung). Die Gewährung der Bürgschaft erfolgt erst nach Prüfung des Gesuches.
  3. Zahlungsaufschub für Sozialversicherungsbeiträge
  4. Liquiditätspuffer im Steuerbereich und für Lieferanten des Bundes
    Für bestimmte Steuern (u.a. Mehrwertsteuer, Zölle, direkte Bundessteuer etc.) muss bei Erstreckung der Zahlungsfristen für die Zeit vom 21. März 2020 bis En-de 2020 kein Verzugszins bezahlt werden.

Zusätzlich zu den Massnahmen im Arbeitsrecht (insbesondere Kurzarbeit), soll damit verhindert werden, dass grundsätzlich solvente Unternehmen in Schwierigkeiten gera-ten.

Zudem hat der Bundesrat Entschädigung bei Erwerbsausfällen für Selbständige sowie Soforthilfe und Ausfallentschädigungen für den Kulturbereich sowie Finanzhilfe für Sportorganisationen beschlossen.

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