Das Wachstum der digitalen Wirtschaft Vietnams ist beeindruckend. Nach einem Bericht Googles betrug der geschätzte Umfang der digitalen Wirtschaft in Vietnam im Jahr 2020 14 Milliarden USD, was einem Wachstum von 450 % seit 2015 entspricht. Mit der aktiven Umsetzung des nationalen digitalen Transformationsprogramms bis 2025 und einer Perspektive bis 2030 wird ein Wachstum von rund 30 % im Zeitraum zwischen 2020 und 2025 vorhergesagt. Im Rahmen dieses Programms zielt Vietnam darauf ab, in die Top 50 der Länder betreffend des E-Governments einzusteigen und sicher zu gehen, dass der Anteil der digitalen Wirtschaft am nationalen BIP bis zum Jahr 2030 30 % beträgt. Allerdings könnte Vietnam scheitern, die darin genannten Ziele zu erfüllen, falls die im Folgenden zu besprechenden aktuellen Probleme, denen Investoren derzeit im Informations- und Kommunikations(ICT-)sektor gegenüberstehen, nicht rechtzeitig angegangen werden:

Verwaltungstechnische Belastung für ICT-Produkte

ICT-Produkte müssen gemäß Dekret Nr. 127/2007/ND-CP, Dekret 132/2008/ND-CP, Dekret 74/2018/ND-CP, etc. bestimmte Lizenzierungs- und Anmeldungsverfahren durchlaufen. Auch wenn nachgewiesen werden könnte, dass die Produkte etablierten internationalen Standards entsprechen, ist es nicht erlaubt, dass diese an der vietnamesischen Grenze ohne länderspezifische Tests verzollt werden. Des Weiteren entstehen mangels eines vollständigen E-Government-Modells sowie dem Fehlen der Möglichkeit einer automatisierten und elektronischen Genehmigung rund um die Uhr und innerhalb eines Tages 24/7, gewisse Verzögerungen beim Produktimport.

Gesetzgeberische Herausforderungen

Dekret Nr. 71/2022/ND-CP

Zusätzlich zu der vorherigen Anforderung einer 30 % Grenze an ausländischen Kanälen im Fall der Übertragung im Rahmen von "Bezahlfernsehen" in Vietnam, wird mit Dekret Nr. 06/2016/ND-CP und Dekret Nr. 71/2022/ND-CP eine neue Bedingung örtlicher Präsenz eingeführt. Diese Bedingung macht es für Anbieter grenzüberschreitender internetgestützter over-the-top (OTT) -Dienste erforderlich, ein lokales Unternehmen in Vietnam einzurichten. Aufgrund der komplizierten und langwierigen Lizenzierungsverfahren in diesem Sektor sind letztendlich bestimmte Arten an Diensten in Vietnam nicht verfügbar, da die Vorteile, diese in Vietnam anzubieten, gegenüber dem Erfordernis einer örtlichen Präsenz nicht überwiegen.

Geändertes Gesetz über E-Transaktionen

Die Gesetzesänderung führt neue Konzepte aus dem europäischen Digital Markets Act (DMA) und dem Digital Services Act (DSA) hervorgehend bezüglich digitaler Plattformen/intermediärer digitaler Plattformen ein. Diese EU-Gesetzgebung wurde in einem ganz anderen politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Kontext als in Vietnam erlassen. Ohne die richtige Umsetzung könnte dies zu Verwirrung und Unsicherheiten sowohl bei inländischen als auch ausländischen Anbietern digitaler Dienste führen und somit negative Auswirkungen auf die Innovation in Vietnam haben. Der wage und weitgefasste Begriff der Informationssysteme, die elektronischen Transaktionen dienen, bedarf weiterer Klärung.

Die Gesetzesänderung sollte "Dienste zur Authentifizierung von Datennachrichten" auf eine Weise klar definieren, sodass sich OTT-Nachrichtendienste mit Ende-zu-Ende Verschlüsselung nicht hierunter subsumieren lassen. Ohne weitere Klärung könnten Dienste zum Senden und Empfangen von gesicherten Datennachrichten so weit ausgelegt und verstanden werden, dass alle Dienste hierunter fallen, welche zum Senden von Datennachrichten genutzt werden.

Die Gesetzesänderung sollte die Verpflichtung der Administratoren von Informationssystemen, die elektronischen Transaktionen dienen, klarstellen, die Verfügbarkeit für die technische Verbindung mit dem Überwachungssystem des Staats sicherzustellen.

Die Vorschrift über die Verantwortung der Administratoren digitaler Plattformen, die elektronischen Plattformen bedienen dem Ministerium für Information und Kommunikation vergangene Vorfälle oder Anzeichen und Risiken eines Missbrauchs des Informationssystems zur Begehung von Taten, die gegen das vietnamesische Recht verstoßen, zu melden, ist recht weit gefasst. Es ist unklar, in welchen Fällen überprüft und bewertet werden muss.

Entwurf der Änderung des Telekommunikationsgesetzes

Der Entwurf der Änderung des Telekommunikationsgesetzes wurde erheblich ausgeweitet und umfasst nun auch Nicht-Telekommunikationsdienste. Dienste wie Internet-Anwendungsdienste in der Telekommunikation (oder "OTT-Telekommunikationsdienste") oder Datenzentren unterscheiden sich von Telekommunikationsdiensten und wurden durch das Telekommunikationsrecht anderer Länder nie geregelt. Die Regulierung dieser Dienste durch diese Gesetzesänderung ist unangemessen und wird einen unnötigen Verwaltungsaufwand sowie steigende Kosten für diese Diensteanbieter schaffen, insbesondere für jene ohne physische Präsenz in Vietnam. Um sich der internationalen Praxis anzuschließen und Bedingungen für die Entwicklung digitaler Diensteanbieter zu schaffen, empfehlen wir OTT-Telekommunikationsdienste, Cloud-Computing sowie Datencenter-Dienste aus dem Anwendungsbereich des Entwurfs der Änderung des Telekommunikationsgesetzes zu entfernen.

Auswirkungen des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Vietnam (EVFTA), des Investitionsschutzabkommens zwischen der EU und Vietnam (EVIPA) sowie des umfassenden und fortschrittlichen Abkommens für Trans-Pazifische Partnerschaft (CPTPP)

Vietnams Gesetze bezüglich der Telekommunikation sind grundsätzlich mit den Verpflichtungen gemäß dem EVFTA und dem CPTPP vereinbar.

Im Falle einer investitionsbezogenen Streitigkeit (z.B. Enteignung ohne Kompensation, Investitionsdiskriminierung) ist ein Investor einer Vertragspartei befugt, jene Streitigkeit mit der Regierung der anderen Vertragspartei das Investitionsgericht anzurufen, um eine Einigung zu erreichen. Falls eine Seite der streitenden Parteien mit der Entscheidung des Gerichts nicht einverstanden ist, kann diese Berufung zum Berufungsgericht einlegen. Zwar unterscheidet sich dies vom gewöhnlichen Schiedsgerichtsverfahren, so ist jedoch dem zweistufigen Streitbeilegungsmechanismus der WTO recht ähnlich (Gremium und Berufungsinstanz).

Wir glauben, dass dieser Mechanismus Zeit und Kosten für das gesamte Verfahren sparen kann. Der endgültige Schiedsspruch ist bindend und ohne die Überprüfung der Gültigkeit durch die lokalen Gerichte durchsetzbar. Die Regierung Vietnams muss diese Verpflichtung innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des EVIPAs vollständig umsetzen. Zu Ihrer Information: Mit Stand zum Februar 2023 haben 11 der 27 EU-Mitgliedsstaaten das EVIPA ratifiziert. Das bedeutet, dass wir auf die Ratifizierung durch die verbleibenden 16 EU-Mitgliedsstaaten warten müssen, damit es in Kraft tritt und mithin die Deadline für die direkte Durchsetzbarkeit von Schiedssprüchen für die Regierung Vietnams auslöst.

Während das CPTPP dem Investor einer Vertragspartei zwar ermöglicht, mit dem gleichen Mechanismus gegen die Regierung der anderen Vertragspartei vorzugehen, sieht es keine fünfjährige Übergangsphase vor wie das EVIPA. Folglich würde sich die Durchsetzbarkeit des Schiedsspruchs gemäß CPTPP nach NYC-Vorschriften richten. Allerdings glauben wir, dass die Regierung Vietnams die derzeitigen Regelungen bezüglich Schiedsverfahren anpassen wird, um ihre Verpflichtungen gemäß EVIPA zu erfüllen. Investoren, die im Rahmen des CPTPP agieren, könnten dann die Vorteile einer solchen Verbesserung nutzen

Bitte zögern sie nicht, Dr. Oliver Massmann unter omassmann@duanemorris.com zu kontaktieren, falls sie Fragen haben sollten. Dr. Oliver Massmann ist der General Director von Duane Morris Vietnam LLC.

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