Hoher administrativer Aufwand für Arbeitgeber

Die Inflationsrate in Deutschland erreicht immer wieder neue Höchststände. Zuletzt lag der für die Bemessung der Inflationsrate heranzuziehende Verbraucherpreisindex im August 2023 bei 6,1%. Eine hohe Inflation hat auch Auswirkungen auf die Höhe der Betriebsrenten, da sich diese grundsätzlich nach dem Verbraucherpreisindex bemisst. Um eine solche (hohe) Anpassung zu vermeiden, müssen Arbeitgeber einen großen administrativen Aufwand betreiben und wirtschaftlich sensible Daten gegenüber den Arbeitnehmern offenbaren. Ohne dies droht ihnen eine lange Zeit der Rechtsunsicherheit.

Voraussetzungen

Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zuprüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen (§ 16 Abs. 1 BetrAVG).

Die Belange des Versorgungsempfängers sind unter anderem dann betroffen, wenn seit dem Rentenbeginn bis zum Prüfungsstichtag ein Kaufkraftverlust der Versorgungsleistung eingetreten ist. In diesem Fall hat der Versorgungsempfänger grundsätzlich einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf eine Anpassung seiner Versorgungsleistungen anhand des Kaufkraftverlusts. Dabei kommt es maßgeblich auf den Verbraucherpreisindex an. Infolgedessen erfüllt ein Arbeitgeber den Anspruch der Versorgungsempfänger auf Anpassung ihrer Versorgungsleistungen unter anderem dann, wenn die Anpassung der Versorgungsleistung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindex für Deutschland (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG).

Unterlassen

Besteht seitens des Arbeitgebers grundsätzlich eine Anpassungsverpflichtung, weil der Verbraucherpreisindex gestiegen ist, kann die Anpassung der Versorgungsleistungen dennoch zu Recht unterbleiben, wenn die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers eine Anpassung nicht zulässt. Dies ist dann der Fall, wenn die erwarteten Gewinne eine Finanzierung der durch die Anpassung entstehenden Mehrbelastungen nicht erlauben. Für die Beantwortung dieser Frage ist eine Prognoseentscheidung erforderlich, die sich nach einem längeren repräsentativen Zeitraum (üblicherweise mindestens drei Jahre) richtet.

Der Arbeitgeber muss die wirtschaftliche Lage so detailliert und ausführlich schildern, dass der Versorgungsempfänger allein hierdurch in die Lage versetzt wird, die Entscheidung des Arbeitgebers auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen."

Auch wenn der Arbeitgeber zu dem Ergebnis kommen sollte, dass seine wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Versorgungsleistung nicht erlaubt, so besteht für ihn trotz allem bezüglich der Anpassung der Betriebsrenten noch eine lange Zeit der Rechtsunsicherheit. Denn der Versorgungsempfänger kann noch binnen drei Jahren, nachdem er von der Nichtanpassungsentscheidung des Arbeitgebers Kenntnis erlangt hat, dieser widersprechen. Ab dem Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruchs hat der Versorgungsempfänger weitere drei Jahre Zeit, um Klage gegen den Arbeitgeber auf Anpassung seiner Versorgungsleistung zu erheben.

Vermutungsregelung

Diesen Zeitraum der Rechtsunsicherheit kann der Arbeitgeber durch die Vermutungsregelung des § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG erheblich verkürzen. Denn danach gilt eine Anpassung als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde.

Bei der Darlegung der wirtschaften Lage hat der Arbeitgeber die maßgebenden Gründe für die Nichtanpassung zu erläutern, damit der Versorgungsempfänger die Entscheidung nachvollziehen kann, weshalb der Arbeitgeber voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die Anpassungen zu leisten. Der Arbeitgeber muss die wirtschaftliche Lage so detailliert und ausführlich schildern, dass der Versorgungsempfänger allein hierdurch in die Lage versetzt wird, die Entscheidung des Arbeitgebers auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung so detailliert darzustellen hat, dass der Versorgungsempfänger nachvollziehen kann, weshalb die Anpassung seiner Betriebsrente unterblieben ist. Dabei muss der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die sich aus den Bilanzen der letzten drei Jahre ergebenden Daten zum Eigenkapital und zur Berechnung der Eigenkapitalverzinsung für jedes zur Erstellung der Prognose herangezogene Jahr angeben. Auch muss er dem Versorgungsempfänger für die seiner Prognose zugrunde gelegten Jahre das jeweils durchschnittliche Eigenkapital und dessen Verzinsung auf der Basis der handelsrechtlichen Jahresabschlüsse mitteilen.

Um die Anforderungen an die Vermutungsregelung zu erfüllen, müssen Arbeitgeber also einen großen administrativen Aufwand betreiben und sie müssen wirtschaftlich sensible Daten (zum Beispiel Eigenkapitaldaten) gegenüber den Versorgungsempfängern offenbaren. Sie befinden sich dadurch in einem Interessenkonflikt zwischen ihrem Rechtssicherheits- und Geheimhaltungsinteresse.

Praxishinweis

Im Zuge seiner Entscheidung über die Nichtanpassung der Betriebsrenten muss der Arbeitgeber entweder die Offenbarung wirtschaftlich sensibler Unternehmensdaten oder die mit der Rechtsunsicherheit einhergehenden Prozessrisiken in Kauf nehmen. So oder so ist die Entscheidung des Arbeitgebers in der Praxis keine leichte.

Originally published by Deutscher AnwaltSpiegel, Ausgabe 22.

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