Wird ein Arbeitnehmer, der regelmäßig in einem bestimmten Betrieb des Unternehmens tätig ist und dort seinen Dienstsitz hat, zum Vorgesetzten von Arbeitnehmern eines anderen Betriebs bestellt, kann darin betriebsverfassungsrechtlich eine Einstellung liegen, zu der der Betriebsrat dieses anderen Betriebs nach § 99 BetrVG zu beteiligen ist. Dem steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer daneben bereits in den Betrieb seines Dienstsitzes eingegliedert ist.
BAG, Beschluss vom 12.06.2019 – 1 ABR 5/18
Die Arbeitgeberin, ein Telekommunikationsunternehmen, unterhält in Deutschland mehrere Betriebe. In der Zentrale, für die ein eigener Betriebsrat gebildet ist, wurde ein dort tätiger Mitarbeiter zum Leiter des Bereichs TK befördert. Dieser Bereich untergliedert sich in mehrere Abteilungen, unter anderem die Abteilungen Produktion sowie Steuerung, deren Arbeitnehmer überwiegend in der Betriebsstätte in R tätig sind. Der Leiter des Bereichs TK nimmt seine Funktion im Wesentlichen von der Zentrale aus wahr. Er ist dort räumlich angesiedelt und nur gelegentlich in der Betriebsstätte R anwesend. Für die Betriebsstätte R ist ein anderer Betriebsrat zuständig als für die Zentrale.
Im Rahmen eines von der Arbeitgeberin eingeleiteten Zustimmungsersetzungsverfahrens war zwischen den Betriebsparteien streitig, ob die Übertragung der Vorgesetztenfunktion für in R tätige Arbeitnehmer auf den Leiter TK in Bezug auf diesen eine Einstellung in die Betriebsstätte R darstellt, so dass der dort zuständige Betriebsrat zu beteiligen ist. Dies wurde vom Bundesarbeitsgericht bejaht. Die Entscheidung stellt maßgeblich darauf ab, dass der Vorgesetzte in die Arbeitsprozesse der von ihm geführten Abteilungen eingebunden ist und seine Tätigkeit auch dem arbeitstechnischen Zweck der Betriebsstätte R dient. Unerheblich war für das Bundesarbeitsgericht hierbei, dass der Vorgesetzte nur unregelmäßig vor Ort in R anwesend ist. Es komme auch nicht darauf an, wie häufig die entsprechenden Führungsaufgaben ausgeübt werden oder wieviel Zeit sie in Anspruch nehmen.
Schließlich stehe der Annahme einer Einstellung in die Betriebsstätte R auch nicht entgegen, dass der Leiter des Bereichs TK daneben auch in den Betrieb der Zentrale eingegliedert ist. Denn das Betriebsverfassungsgesetz enthält keine Einschränkungen dahingehend, dass ein Arbeitnehmer zwangsläufig nur in einen von mehreren Betrieben eines Unternehmens eingegliedert sein kann. Die – praktisch sehr relevanten – Fragen, ob diese betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung zu mehreren Betrieben dazu führt, dass der Arbeitnehmer auch in allen Betrieben wahlberechtigt bzw. wählbar ist, und ob er bei der Ermittlung von Schwellenwerten mitzählt, konnte das Bundesarbeitsgericht mangels Entscheidungserheblichkeit offen lassen.
Praxistipp:
Arbeitgeber sollten bei Matrixstrukturen oder anderen Formen der
betriebsübergreifenden Zusammenarbeit die Frage der
betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung im Auge behalten. Diese
kann in verschiedener Hinsicht relevant werden: Im Extremfall kann
die Frage, ob beispielsweise der Schwellenwert für eine
Betriebsänderung erreicht ist, davon abhängen, ob ein
Mitarbeiter einem bestimmten Betrieb zuzuordnen ist oder nicht. Bei
einer Kündigung eines mehreren Betrieben zuzurechnenden
Mitarbeiters können ggf. mehrere Betriebsräte oder
– sofern vorhanden – der Gesamtbetriebsrat
anzuhören sein. Es empfiehlt sich also, bei einer im Raum
stehenden mehrfachen Betriebszugehörigkeit schon im Vorfeld
von Maßnahmen die möglichen Auswirkungen sorgfältig
zu prüfen und das Vorgehen entsprechend anzupassen.
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