Die Weiterleitung betrieblicher E-Mails durch Arbeitnehmer auf deren private Accounts sollte stets wohl überlegt sein. Dies zeigt abermals eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg vom 16.05.2017. Denn nicht selten stellt eine solche Weiterleitung betrieblicher E-Mails eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, die eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 16.05.2017 – 7 Sa 38/17

Der Kläger war seit dem Jahre 2011 bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Aufgrund eigener Unzufriedenheit mit der persönlichen Weiterentwicklung bei der Beklagten nahm der Kläger ab Ende 2015 Verhandlungen zu anderen, mit der Beklagten konkurrierenden Unternehmen auf. Am 08.04.2016 bot der Geschäftsführer einer Konkurrentin der Beklagten dem Kläger eine neue Stelle zum 01.07.2016 an. Der Kläger nahm dieses Angebot an. Zur Vorbereitung auf seine neue Stelle übersandte der Kläger am 25.04.2016 von seinem Arbeitsplatz aus zahlreiche dienstliche E-Mails, die konkrete Angebots- und Kalkulationsgrundlagen, technische Daten, Berechnungsparameter sowie Vertragsentwürfe zu einem von der Beklagten betreuten Projekt enthielten, an seine private E-Mail-Adresse. Diesen Vorgang stellte die Beklagte bei einer Überprüfung des dienstlichen E-Mail-Accounts im Beisein des Klägers und mit vorheriger Zustimmung des Betriebsrats fest. Der Kläger wurde darauf von seiner Arbeit freigestellt, zudem wurde ihm Hausverbot erteilt. In der für den 28.04.2016 anberaumten Anhörung äußerte der Kläger, dass er bereits seit Jahren dienstliche E-Mails an seine private E-Mail-Adresse versandt hatte, um auch von zu Hause aus arbeiten zu können. Die am 25.04.2016 versendeten E-Mails habe er konkret benötigt, da ein Kunde ihn auf dieses Projekt angesprochen habe. Mit Schreiben vom 29.04.2016 kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31.07.2016. Zuvor hatte der Kläger seinerseits am selben Tag das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2016 gekündigt. Zum 01.07.2016 trat der Kläger die neue Stelle beim Konkurrenzunternehmen der Beklagten an. Zuvor hatte der Kläger am 19.05.2016 Klage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht, mit der er sich gegen die fristlose Kündigung wehrte, da dieser seiner Auffassung nach ein wichtiger Grund fehlte. Die Klage vor dem Arbeitsgericht hatte Erfolg, da das Arbeitsgericht in dem gegebenen Sachverhalt keinen wichtigen Grund, welcher eine fristlose Kündigung rechtfertige, erkennen konnte. Die Berufung hiergegen hatte Erfolg.

Das LAG Berlin-Brandenburg bejahte das Vorliegen eines wichtigen Grundes und wies die Klage gegen die fristlose Kündigung ab. Im Wesentlichen begründete das LAG die Entscheidung damit, dass auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten an sich" geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darzustellen. Denn § 241 Absatz 2 BGB verpflichte jede Partei zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter, und Interessen des Vertragspartners. Der Arbeitnehmer habe daher die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Diese Pflicht sei durch das Weiterleiten der E-Mails im konkreten Fall verletzt. Denn zum Zeitpunkt des Weiterleitens habe sich der Kläger bereits in sehr konkreten" Vertragsverhandlungen mit seinem neuen Arbeitgeber befunden, der zudem auch in direkter Konkurrenz mit der Beklagten stand. Diese Tatsache sowie die Anzahl der E-Mails führten zur Überzeugung des LAG Berlin-Brandenburg, dass der Kläger die weitergeleiteten E-Mails für seine neue Arbeitsstelle verwenden wollte. Unter anderem, aber insbesondere deshalb, falle die Interessenabwägung zu Ungunsten des Klägers aus, denn die Pflichtverletzung sei so erheblich, dass sie in großem Maße geeignet sei, die geschäftlichen Interessen der Beklagten erheblich zu schädigen.

Anmerkung:

Die Entscheidung liegt auf einer Linie mit der ständigen Rechtsprechung. Aufgrund des Gebots zur Rücksichtnahme hinsichtlich der arbeitgeberseitigen Interessen ist es Arbeitnehmern regelmäßig verwehrt, betriebliche Daten oder Unterlagen für betriebsfremde Zwecke zu vervielfältigen. Zudem ist vielen Arbeitnehmern nicht bewusst, dass solche Daten oftmals Betriebsgeheimnisse darstellen, so dass bei solchen Vervielfältigungen nicht selten gar eine Strafbarkeit nach § 17 Absatz 2 Nr. 2 b UWG im Raum steht. In der Praxis sind solche Handlungen von Arbeitnehmern zur Vorbereitung auf eine neue Stelle zwar oftmals für den bisherigen Arbeitgeber nicht nachvollziehbar. Doch auch wenn im Einzelfall der begründete Verdacht solcher Handlungen gegeben ist, muss der Arbeitgeber stets die Grenzen zulässiger Überwachung von Arbeitnehmern beachten. Soweit sich ein Verdacht bestätigt und dem Arbeitnehmer daraufhin fristlos gekündigt wird, ist im anschließenden Kündigungsschutzprozess in jedem Fall seitens des Arbeitgebers darzulegen, dass im konkreten Fall die Weiterleitung betrieblicher Daten eine unmittelbare Gefährdung der Geschäftsinteressen dargestellt hat.

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