Die Steuerfolgen einer Sanierungsfusion von Schwestergesellschaften werden insbesondere bereits im Kreisschreiben Nr. 32 vom 23. Dezember 2010 der Eidg. Steuerverwaltung (Sanierung von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften) abgehandelt. Weniger eindeutig ist die Rechtslage, wenn Minderheitsaktionäre betroffen sind, die neu an der sanierungsbedürftigen Gesellschaft beteiligt werden.

1. EINLEITUNG

1.1 Handelsrecht. Aus handelsrechtlicher Sicht liegt eine Sanierungsfusion dann vor, wenn eine Gesellschaft, die einen hälftigen Kapitalverlust oder eine Überschuldung aufweist, mit einer anderen Gesellschaft fusioniert wird (Art. 6 Abs.1 Fusionsgesetz, FusG). Um einen hälftigen Kapitalverlust handelt es sich, wenn die Hälfte des Aktien- (inkl. Partizipations-) bzw. Stammkapitals zuzüglich der gesetzlichen Reserven nicht mehr gedeckt ist 1. Von einer Überschuldung spricht man, wenn die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger weder zu Fortführungs- noch zu Veräusserungswerten gedeckt sind 2.

1.2 Steuerrecht. Im Steuerrecht ist der Begriff der Sanierung nicht ausdrücklich definiert. Gemäss Praxis beinhaltet die Sanierung steuerrechtlich eine aussergewöhnliche und nach aussen erkennbare Mittelbeschaffung eines notleidenden Unternehmens zum Zweck der Weiterexistenz 3. Die Sanierungsmassnahmen bezwecken die Wiederherstellung des kapitalmässigen Gleichgewichts der in Not geratenen Gesellschaft, wobei die erhaltenen Sanierungserträge zur Ausbuchung von handelsrechtlichen Verlustvorträgen verwendet werden 4. Als Voraussetzung der für Gewinnsteuer zwecke anerkannten Sanierungsbedürftigkeit muss beim betroffenen Unternehmen eine «echte Unterbilanz» vorliegen. Eine solche ist gegeben, wenn Verluste bestehen und die Kapitalgesellschaft über keine offenen und/oder stillen Reserven verfügt, über welche die ausgewiesenen Verluste ausgeglichen werden können 5. Der handelsrechtliche Sanierungsbegriff ist somit nicht deckungsgleich mit dem steuerrechtlichen, da im Gesellschaftsrecht bereits bei einer unechten Unterbilanz von Sanierung gesprochen wird. Dies ergibt sich daraus, dass im Steuerrecht nicht der Gläubigerschutz im Vordergrund steht, sondern stattdessen der Untergang von latentem Einkommens- und Verrechnungssteuersubstrat verhindert werden soll 6. Als steuerlich anerkannte Sanierungsmassnahmen gelten jene Massnahmen, mit welchen eine echte Unterbilanz beseitigt werden kann 7. Die Sanierung einer Gesellschaft kann dabei nicht nur durch Afonds- perdu-Zuschüsse, Forderungsverzichte oder Kapitalherabsetzung, sondern auch durch grundsätzlich steuerneutrale Umstrukturierungen bewirkt werden 8. Die nachfolgende steuerliche Analyse beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit der Sanierung durch Fusion von Schwestergesellschaften in der besonderen Konstellation, dass Minderheitsaktionäre der sanierten bzw. sanierenden Gesellschaft durch eine vorangegangene Transaktion mitbetroffen sind.

2. STEUERFOLGEN DER SANIERUNGSFUSION VON SCHWESTERGESELLSCHAFTEN IM ALLGEMEINEN

Eine Sanierungsfusion zwischen Schwestergesellschaften liegt dann vor, wenn eine Gesellschaft mit echter Unterbilanz und eine andere Gesellschaft mit verfügbaren Reserven, die mindestens die Höhe des Verlusts der anderen Gesellschaft abdecken, verschmolzen werden, wobei die beiden Gesellschaften durch einen oder mehrere gemeinsame Anteilsinhaber beherrscht sind 9.

2.1 Direkte Steuern auf Ebene der fusionierten Schwestergesellschaften. Die Fusion von Schwestergesellschaften kann grundsätzlich steuerneutral durchgeführt werden, d. h. die Übertragung der Aktiven und Passiven inklusive sämtlicher verknüpfter stiller Reserven wird nicht besteuert, sofern gemäss Art. 61 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die direkten Steuern (DBG) bzw. Art. 24 Abs. 3 des Steuerharmonisierungsgesetzes (StHG) die Steuerpflicht in der Schweiz fortbesteht und die bisher für die Gewinnsteuer massgeblichen Werte übernommen werden. Die übernehmende Schwestergesellschaft kann bei der Berechnung des steuerbaren Reingewinns noch nicht berücksichtigte Vorjahresverluste der übertragenden Gesellschaft nach Art. 67 Abs. 1 DBG bzw. Art. 25 Abs. 2 StHG grundsätzlich geltend machen 10.

2.2 Direkte Steuern auf Ebene der Gesellschafter. Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Sanierung einer notleidenden Gesellschaft Sache der Gesellschafter 11. Bei den Steuerfolgen auf Stufe der Anteilsinhaber ist zu unterscheiden, ob die Anteile im Privatvermögen oder im Geschäftsvermögen von juristischen oder natürlichen Personen gehalten werden. Sofern die Beteiligungsrechte im Privatvermögen gehalten werden, kommt die reine Dreieckstheorie zur Anwendung 12. Darunter wird im Steuerrecht die Regelung verstanden, wonach nicht marktkonforme Zuwendungen unter nahestehenden Gesellschaften als verdeckte Gewinnausschüttungen an den Aktionär einerseits und als verdeckte Kapitaleinlage des gleichen Aktionärs an die empfangende Gesellschaft andererseits betrachtet werden. Die im Rahmen der Sanierungsfusion von Schwestergesellschaften erbrachte Leistung wird im Umfang der Reduktion der latenten Ausschüttungssteuerlast (Reserven) der gesunden Gesellschaft bei den Anteilsinhabern als Einkommen oder Gewinn besteuert 13. Mit der Umstrukturierungsmassnahme geht latentes Ausschüttungssubstrat aus Gewinn- und übrigen Reserven auf Stufe der sanierenden Gesellschaft unter. Deshalb findet beim Gesellschafter eine Abrechnung im Umfang der untergegangenen übrigen Reserven, die nicht als Reserven aus Kapitaleinlage qualifizieren, statt 14.

Werden die Anteilsrechte der zu sanierenden Schwestergesellschaft im Geschäftsvermögen einer einfachen Gesellschaft, einer Kollektivgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder von einer juristischen Person gehalten, so findet die modifiziere Dreieckstheorie Anwendung 15. Die Gesellschaft realisiert bei Anwendung des Buchwert- und des Gestehungskostenprinzips zwar keinen steuerbaren Beteiligungsertrag, die Gestehungskosten und Gewinnsteuerwerte der beiden fusionierten Beteiligungen werden jedoch addiert und bleiben gesamthaft betrachtet unverändert. Bei juristischen Personen wären wiedereingebrachte Abschreibungen voll steuerbar 16.

2.3 Verrechnungssteuer. Übernimmt eine sanierungsbedürftige Gesellschaft eine über Reserven verfügende Schwestergesellschaft, gehen Reserven im Umfang der bei der sanierungsbedürftigen Gesellschaft bestehenden Verluste unter. Allfällige stille Reserven der sanierungsbedürftigen Gesellschaft sind dabei zu berücksichtigen und mindern den Betrag des untergehenden Verrechnungssteuersubstrats 17. Weil die Sanierung einer notleidenden Gesellschaft als Sache des Gesellschafters gilt 18, kommt in solchen Fällen ausnahmsweise die Dreieckstheorie – statt der grundsätzlich für Verrechnungssteuerzwecke anwendbaren Direktbegünstigungstheorie – zur Anwendung 19. Gleiches gilt auch im umgekehrten Fall, wenn die Gesellschaft, die über Reserven verfügt, ihre sanierungsbedürftige Schwestergesellschaft übernimmt und dabei Reserven untergehen 20. Die Verrechnungssteuer ist auf den untergehenden Reserven, unter Berücksichtigung des Kapitaleinlageprinzips auf den übrigen Reserven, geschuldet und auf den oder die Inhaber der Beteiligungsrechte zu überwälzen 21. Sofern die Voraussetzungen von Art. 24 der Verrechnungssteuerverordnung (VStV), Art. 26a VStV oder für das internationale Meldeverfahren erfüllt sind, kann die Steuerpflicht durch Meldung der steuerbaren Leistung erfüllt werden 22.

2.4 Emissionsabgabe. Wenn die sanierungsbedürftige Gesellschaft die gesunde Schwestergesellschaft übernimmt, handelt es sich grundsätzlich um einen von der Emissionsabgabe ausgenommenen Sachverhalt i. S. v. Art. 6 Abs. 1 Buchstabe abis des Stempelsteuergesetzes (StG) 23. Bei einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung der übernehmenden Gesellschaft und wenn die Merkmale der Abgabeumgehung erfüllt sind, unterliegt derjenige Teil des neu geschaffenen Aktienkapitals, welcher das nominelle Aktienkapital der übernommenen Gesellschaft übersteigt, der Besteuerung 24.

3. FALLBEISPIEL

Die juristische Person X AG hält 100% der Beteiligung an der sanierungsbedürftigen Z AG und erwirbt 80% der Aktien der Y AG von einer natürlichen Person, wobei diese als 20%-Minderheitsaktionär an der Y AG beteiligt bleibt (nachfolgend «Minderheitsaktionär»). Nach Abschluss der Transaktion wird die Y AG in die Z AG fusioniert. Alle beteiligten Personen und Gesellschaften sind rechtlich und steuerlich in der Schweiz ansässig. Der Minderheitsaktionär der Y AG wird für seinen 20%-Anteil durch Aktien der Z AG entschädigt, sodass er nach der Fusion rund 10% der Anteile an der Z AG hält. Der Austausch der (untergehenden) Y-AG-Anteile gegen (übernehmende) Z-AG-Anteile findet kurz vor der Fusion statt («logische Sekunde»). Zum Zeitpunkt der Übernahme verfügt die Y AG über positives Eigenkapital mit Gewinnreserven von rund CHF 6 Mio. Die Z AG hingegen ist sanierungsbedürftig und weist ein negatives Eigenkapital von rund CHF 5 Mio. auf. Durch die Fusion gehen somit Reserven der Y AG in Höhe von CHF 5 Mio. unter. Die Ausgangsbzw. Endsituation ist in der Abbildung 1 dargestellt.

4. MÖGLICHE STEUERFOLGEN

Die Steuerfolgen der beschriebenen Transaktion für die beteiligten Personen und Gesellschaften hängen davon ab, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung abgestellt wird, d. h. ob die ursprüngliche Ausgangslage, die Konstellation unmittelbar vor der Fusion oder die Zielstruktur massgebend ist.

4.1 Betrachtungsweise 1: Ursprüngliche Ausgangslage.

Die sanierungsbedürftige Z AG wird ursprünglich, und insbesondere im gesamten Zeitraum, in welchem die fraglichen Verluste entstanden sind, von der X AG gehalten. Es ist somit Aufgabe der X AG, die notleidende Z AG zu sanieren. Durch ihre Mehrheitsbeteiligung an der Y AG kann sie die Sanierung durch eine Fusion mit der Y AG herbeiführen. Im Umfang der Sanierungsleistung handelt es sich somit vollumfänglich um eine geldwerte Leistung der Y AG an der X AG:

  • Für die Gewinnsteuer käme auf Stufe X AG die modifizierte Dreieckstheorie 25 zur Anwendung und würde somit nicht unmittelbar zu einer Besteuerung führen. Die Verrechnungssteuer könnte mit dem Formular 102 in Verbindung mit dem Formular 106/112 gemeldet werden.
  • Weitere Steuerfolgen dürften sich für die beteiligten Personen und Gesellschaften bei dieser Betrachtungsweise keine ergeben.

4.2 Betrachtungsweise 2: Situation unmittelbar vor der Fusion.

Nach dem Aktientausch (Z-AG-Anteile für Hingabe Y-AGAnteile), jedoch vor der formellen Fusion (Y AG wird in sanierungsbedürftige Z AG fusioniert), hält die X AG für eine logische Sekunde 100% der Anteile an der sanierungsleistenden Y AG. Der Minderheitsaktionär ist zu diesem Zeitpunkt mit 10% an der Z AG beteiligt, aber nicht mehr an der Y AG. Bei einer formellen Betrachtungsweise wäre somit im Zeitpunkt vor der Fusion die Sanierung der notleidenden Z AG die Aufgabe aller Anteilsinhaber. Da die Z AG im Zeitpunkt der Fusion zu 90% von der X AG und zu 10% vom Minderheitsaktionär gehalten wird, die sanierungsleistende Y AG jedoch zu 100% durch die X AG, trägt nur die X AG (als Alleinaktionärin der Y AG) zur Sanierung bei. Bei dieser Betrachtungsweise könnte somit eine geldwerte Leistung von der Y AG an die X AG sowie eine steuerbare Leistung von der X AG an den Minderheitsbeteiligten konstruiert werden:

  • Auf Stufe X AG käme für die Gewinnsteuer die modifizierte Dreieckstheorie 26 zur Anwendung und würde somit nicht unmittelbar zu einer Besteuerung führen. Für die Verrechnungssteuer könnte das Meldeverfahren 27 angewandt  werden.
  • Der Minderheitsaktionär hätte anteilig zu seiner 10%-Beteiligung an der Z AG möglicherweise eine Leistung von der X AG erhalten, welche der Einkommenssteuer unterläge. Nennwertverluste aus dem Aktientausch könnten verrechnet werden 28.
  • Auf Stufe Y AG und Z AG kann die Fusion gewinnsteuerneutral durchgeführt werden, sofern die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt werden 29.

4.3 Betrachtungsweise 3: Gesamtbetrachtung aus Sicht der Zielstruktur.

Die X AG und der Minderheitsaktionär haben bereits bei der Akquisition der 80%-Beteiligung an der Y AG in einem Aktionärsbindungsvertrag die Fusion und das Austauschverhältnis der verbleibenden 20%-Beteiligung an der Y AG gegen Anteile an der notleidenden Z AG festgehalten. Es wäre daher ebenso denkbar, im Rahmen der steuerlichen Würdigung der Sanierungsfusion auf eine Gesamtbetrachtung abzustellen, welche von der Zielstruktur und somit gesamthaft von einem Beteiligungsverhältnis 90%/10% an der fusionierten Z AG ausgeht. In einem solchen Fall wäre die Sanierung der Z AG zu 10% auch Aufgabe des Minderheitsaktionärs. Die Sanierungsleistung der Y AG wäre entsprechend zu 90% eine geldwerte Leistung an die X AG und zu 10% eine an den Minderheitsaktionär:

  • Auf Stufe X AG käme für die Gewinnsteuer die modifizierte Dreieckstheorie 30 zur Anwendung und würde somit nicht unmittelbar zu einer Besteuerung führen. Für die Verrechnungssteuer könnte das Meldeverfahren 31 angewandt werden.
  • Auf Stufe des Minderheitsaktionärs hingegen qualifizierte die geldwerte Leistung als steuerbarer Vermögensertrag unter Berücksichtigung des Teilbesteuerungsverfahrens, wenn die entsprechenden Voraussetzungen auf Stufe des Aktionärs erfüllt wären. Auf 10% der Sanierungsleistung wäre die Verrechnungssteuer abzuführen und könnte vom Minderheitsaktionär anschliessend zurückgefordert werden, sofern die allgemeinen Voraussetzungen für eine Rückerstattung 32 erfüllt werden.
  • Auf Stufe Y AG und Z AG könnte die Fusion gewinnsteuerneutral durch- geführt werden, sofern die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt werden 33.

5. KRITISCHE WÜRDIGUNG DER BETRACHTUNGSWEISEN

5.1 Erbringer der Sanierungsleistung. Die höchstrichterliche Rechtsprechung 34 und entsprechend das KS ESTV Nr. 32 (2010) lassen nicht viel Interpretationsspielraum zu − «es sei grundsätzlich Aufgabe des Anteilsinhabers, seine Gesellschaft zu sanieren» 35, wird regelmässig vorgebacht. Es ist somit nach dieser Meinung in erster Linie im Interesse des Anteilsinhabers, die Wiederherstellung einer Rentabilität der Gesellschaft zu erreichen und einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage entgegenzuwirken 36.

Zum dargestellten Fall: Die Z AG ist bereits seit Längerem zu 100% im Besitz der X AG. Mit Übernahme der 80%-Beteiligung an der Y AG ergab sich für die X AG die Gelegenheit, mittels Fusion der beiden Beteiligungen nicht nur deren Betriebe zusammenzuführen, sondern gleichzeitig die Z AG zu sanieren. Die Initiative zur Fusion und die entsprechende vertragliche Ausgestaltung (Aktienkaufvertrag und Aktionärsbindungsvertrag) mit dem Eigentümer der Y AG gingen daher von der X AG aus. Die Vertragskonditionen wurden so auch Aufgabe und im Interesse des ursprünglichen Y-AGAktionärs. Vielmehr hat er die Sanierung und damit die Vernichtung von Reserven auf Stufe der Y AG in Kauf genommen, damit die Verkaufstransaktion zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden konnte. Für den ursprünglichen Y-AG-Aktionär geht diese steuersystematische Betrachtungsweise mit seiner «ratio» der gesamten Verkaufstransaktion einher.

5.2 Wirtschaftliche Betrachtung. Die wirtschaftliche Betrachtung geniesst in der Rechtsanwendung einen hohen Stellenwert. Unter diesem Grundsatz werden nicht nur Steuerregelungen ausgelegt, sondern der wirtschaftliche Gehalt einer Transaktion kann dazu führen, dass ein zivilrechtlicher Sachverhalt für die steuerrechtliche Beurteilung umqualifiziert wird 37. Es rechtfertigt sich demnach grundsätzlich, die Sanierungsleistungen von Schwestergesellschaften unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Aspekte zu betrachten 38. Bei einer notleidenden Gesellschaft hat der Gesellschafter in der Regel zwei Möglichkeiten zur Auswahl: Sanierung oder Liquidation. Eine Sanierungsfusion ist innerhalb der Gruppe einfacher und weniger kostspielig als eine Liquidation 39. Art. 6 FusG normiert die Sanierungsfusion ausdrücklich; diese steht unter dem Zeichen des Fortbestands, indem zwei wirtschaftliche Einheiten zusammengeführt werden und als eine Einheit weiterbestehen.

Ein Minderheitsanteil kann dazu führen, dass materiell der Wille eines einzelnen Mehrheitsgesellschafters sämtliche Beschlussfindungen einer Gesellschaft dominiert. Demzufolge können die Minderheitsgesellschafter auch bei Genehmigung des Fusionsvertrags dem Willen eines Mehrheitsgesellschafters ausgesetzt sein, ohne dass sie mit der Ausübung ihres Stimmrechts einen massgeblichen Einfluss auf die Beschlussfassung nehmen könnten 40. Wirtschaftlich betrachtet ist somit eine Sanierungsfusion mit Minderheitsanteilen eine Entscheidung des Mehrheitsgesellschafters. Diesem faktischen Gedanken ist in der Rechtsanwendung gebührend Rechnung zu tragen.

6. EXKURS: INDIREKTE TEILLIQUIDATION

Grundsätzlich sind Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen steuerfrei (Art. 16 Abs. 3 DBG/Art. 7 Abs. 4 lit. b StHG). Das Gesetz sieht verschiedene Ausnahmetatbestände vor, welche eine mögliche Steuerumgehung verhindern. Einer dieser Ausnahmetatbestände ist die sogenannte indirekte Teilliquidation gemäss Art. 20a Abs. 1 lit. a DBG/Art. 7a Abs. 1 lit. a StHG, bei deren Vorliegen ein grundsätzlich steuerfreier Kapitalgewinn nachträglich in steuerbaren Vermögensertrag umqualifiziert werden kann. Veräussert eine natürliche Person eine Beteiligung von mindestens 20% an einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft aus dem Privatvermögen in das Geschäftsvermögen einer anderen natürlichen oder juristischen Person, liegt eine der Tatbestandsvoraussetzungen der indirekten Teilliquidation vor («Systemwechsel»). Der Tatbestand der indirekten Teilliquidation ist auf eine fünfjährige Frist beschränkt, wobei unter normalen Umständen ab Verpflichtungsgeschäft gezählt wird. Er ist ausserdem nur erfüllt, wenn, unter Mitwirkung des Verkäufers 41, innerhalb dieses Zeitraums eine offene oder verdeckte Substanzausschüttung aus Reserven stattfindet, welche nicht betriebsnotwendig und im Zeitpunkt des Verkaufs bereits vorhanden und handelsrechtlich ausschüttbar waren 42. Auch steuerneutrale Umstrukturierungen können zu einer Mittelentnahme führen und somit eine schädliche Ausschüttung darstellen 43.

Bei einer Sanierungsfusion zwischen Schwestergesellschaften gehen Aktiven und Passiven auf die übernehmende Gesellschaft über und die vorhandenen Reserven bei der gesunden Gesellschaft gehen im Umfang der bei der sanierungsbedürftigen Gesellschaft bestehenden Verluste unter. Je nach Konstellation können die Tatbestandselemente der indirekten Teilliquidation erfüllt sein 44. Wird aber vor dem Aktienverkauf sichergestellt, dass die zu übernehmende Gesellschaft über keine nicht betriebsnotwendigen ausschüttbaren Reserven verfügt, stellt sich die Problematik der indirekten Teilliquidation grundsätzlich nicht. Verbleiben jedoch nicht betriebsnotwendige Mittel in der übernehmenden Gesellschaft, wird in der Praxis der Steuerbehörden davon ausgegangen, dass der Verkäufer bereits mit dem Aktienverkauf stillschweigend sein Einverständnis für die Entnahme von Mitteln aus der veräusserten Gesellschaft gegeben hat und somit eine schädliche Mitwirkung vorliegt 45. Somit besteht im Einzelfall das Risiko, dass selbst wenn der Minderheitsaktionär bei der Sanierungsfusion in einem ersten Schritt keine Einkommenssteuerfolgen zu befürchten hätte 46, unter dem Aspekt der indirekten Teilliquidationsthematik die untergehenden Reserven zu einer Verletzung der Teilliquidationssperrfrist und somit zu einer nachträglichen Besteuerung des steuerfreien Kapitalgewinnes führen (allenfalls reduziert durch Anwendung des Teilbesteuerungsverfahrens).

7. FAZIT

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Sanierungsfusion für die involvierten Gesellschaften gewinnsteuerneutral möglich ist. Sind jedoch natürliche Personen als Minderheitsaktionäre involviert, können für diese Einkommens- und im Einzelfall nicht rückforderbare Verrechnungssteuerfolgen entstehen. Einkommenssteuerfolgen können sich ausserdem ergeben, wenn durch die Sanierungsfusion zusätzlich der Tatbestand der indirekten Teilliquidation verwirklicht wird. Im dargestellten Beispiel ist aus Sicht der Autoren eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zielführend, da die gesamte Transaktion vom Mehrheitsaktionär (X AG) kontrolliert wird, welcher die notleidende Gesellschaft während der ausgestaltet, dass sie für den Verkäufer annehmbar waren. Wirtschaftlich betrachtet ist es in diesem Kontext wohl schwierig zu argumentieren, die Sanierung der Z AG sei Zeit, in der die Verluste erwirtschaftet wurden, zu 100% hielt und es daher dessen Aufgabe war, diese zu sanieren. Bei dieser Betrachtungsweise sollten sich für den Minderheitsaktionär keine negativen Steuerfolgen ergeben. Die möglichen Steuerfolgen einer indirekten Teilliquidation bleiben jedoch vorbehalten. In einer solchen Konstellation drängt es sich daher auf, vor dem Aktienverkauf durch die natürlichen Personen die nicht betriebsnotwendigen, ausschüttbaren Mittel zurückzuführen und mittels Ruling von den Steuerbehörden bestätigen zu lassen, dass eine elementare Tatbestandsvoraussetzung der indirekten Teilliquidation (keine ausschüttbaren, nicht betriebsnotwendigen Mittel) nicht mehr vorliegt. Danach steht der Sanierungsfusion in dieser Konstellation aus steuerlicher Sicht nichts mehr im Wege.

Footnotes

Anmerkungen: * Die Autoren danken Victoria Rieplic, lic. iur., Rechtsanwältin, Consultant Transaction Tax, EY, Zürich, für die wertvolle Mithilfe.

1. Erni, in: FusG-Kommentar, 2. Aufl., Basel 2015, Art. 6 N 14; Art. 725 Abs. 1 OR.

2. Art. 725 Abs. 2 OR.

3. Brülisauer/Helbing, in: Martin Zweifel/Peter Athanas (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Band I/2a, 2. Aufl., Basel 2008, Art. 67 DBG N 19.

4. Athanas/Suter, Steuerliche Aspekte von Sanierungen, in: Vito Roberto (Hrsg.), Sanierung der AG – Ausgewählte Rechtsfragen für die Unternehmerpraxis, Zürich/Basel/Genf 2003, S. 164.

5. KS ESTV Nr. 32 (2010), Ziff. 2 und 3.1 d); Brülisauer/Helbing, Art. 67 N 27; Schalcher, Die Sanierung von Kapitalgesellschaften im schweizerischen Steuerrecht, Diss. Nr. 3528, Bern/Stuttgart/ Wien 2008, N 70 f.

6. Linder/Schalcher, Sanierung von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, in: ST 2014/1–2, S. 125.

7. Schalcher, N 82; KS ESTV Nr. 32 (2010), Ziff. 3.1 a).

8. Schalcher, N 591.

9. Art. 6 Abs. 1 FusG; KS ESTV Nr. 32 (2010), Ziff. 4.3; Schalcher, N 604.

10. KS ESTV Nr. 32 (2010), Ziff. 4.3.1.1 b); KS ESTV Nr. 5 (2004), Ziff. 4.1.4.3.2; Böhi/Fröhlich, StR 70 (2015), S. 405 mit Verweis auf S. 400 m. w. H. zur handels- und steuerrechtlichen Verbuchung; Oesterhelt/Taddei, in: Zweifel, Beusch, Riedweg, Oesterhelt (Hrsg.), Umstrukturierungen, Basel 2016, § 3 N 37; BGer 2C_351/2011 vom 4. Januar 2012 E 2.3; BGer 2C_696/2013 vom 29. April 2014.

11. KS ESTV Nr. 32 (2010), Ziff. 4.3.2. b); auch erwähnt in BGer 2A.583/2004 vom 21. April 2005 E. 4.2.

12. BGer 2A.53/2000 vom 15. August 2000 E. 2d; KS ESTV Nr. 32 (2010), Ziff. 4.3.2 b); KS ESTV Nr. 5 (2004), Ziff. 4.1.4.3.2; Oesterhelt/Taddei, § 3 N 132.

13. Oberson/ Peter/Kuster, Steuerliche Aspekte bei Sanierungsleitungen von Schwestergesellschaften, in: Festschrift für Peter Böckli zum 70. Geburtstag, Zürich 2006, S. 222; KS ESTV Nr. 32 (2010), Ziff. 4.3.1.2 b); Brülisauer/Poltera, in: Martin Zweifel/ Peter Athanas (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, I/2a, 2. Aufl., Basel 2008, Art. 58 DBG N 193.

14. KS ESTV Nr. 32 (2010), Ziff. 4.3.1.2 b).

15. Schalcher, S. 297 N 616; Brülisauer/ Poltera, Art. 58 N 194; Oesterhelt/Taddei, § 3 N 137.

16. KS ESTV Nr. 32 (2010), Ziff. 4.3.1.2 b).

17. KS ESTV Nr. 32 (2010), Ziff. 4.3.2 b).

18. Vgl. Hinweise in Abschnitt 2.2 oben.

19. ESTV MB S-02.141 Leistungsempfänger, Ziff. II.; Bauer-Balmelli, in: Zweifel/Beusch/Bauer-Balmelli (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer, Basel 2012, Art. 21 N 26.

20. Bauer- Balmelli, Art. 21 N 26; KS ESTV Nr. 29 (2010) Ziff. 5.2.2 b); KS ESTV Nr. 32 Ziff. 4.3.2 b).

21. Oesterhelt/ Taddei, § 3 N 139; KS ESTV Nr. 32 (2010) Ziff. 4.3.2 b).

22. KS ESTV Nr. 32 (2010), Ziff. 4.3.2 b).

23. KS ESTV Nr. 32 (2010), Ziff. 4.3.3 b).

24. Oesterhelt/ Taddei, § 3 N 141.

25. Vgl. dazu Abschnitt 2.2 oben.

26. Vgl. dazu Abschnitt 2.2 oben.

27. Vgl. dazu Abschnitt 4.1 oben.

28. KS ESTV Nr. 5 (2004), Ziff. 4.1.2.3.2.

29. Vgl. dazu Abschnitt 2.1 oben.

30. Vgl. dazu Abschnitt 2.2 oben.

31. Vgl. dazu Abschnitt 4.1 oben.

32. Art. 22 ff. VStG.

33. Vgl. dazu Abschnitt 2.1 oben.

34. BGer 2A.583/2004 vom 21. April 2005 E. 4.2.

35. Vgl. Abschnitt 2.2 oben.

36. Oberson/Peter/Kuster, S. 225; KS ESTV Nr. 32 (2010), Ziff. 4.3.2 b).

37. Reich, Steuerrecht, 2. Auflage, Zürich 2012, § 6 N 13 ff, m. w. H.

38. Ebenso: Oberson/Peter/Kuster, S. 225.

39. Linder/Schalcher, S. 127.

40. Della Torre, Die Sanierungsfusion – eine rechtliche und ökonomische Analyse, Bern 2007, S. 243.

41. Vgl. zur Mitwirkung Art. 20a Abs. 2 DBG, Art. 7a Abs. 2 StHG.

42. Reich, in: Martin Zweifel/ Peter Athanas (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, I/2a, 2. Aufl., Basel 2008, Art. 20a N. 19 ff; KS ESTV Nr. 14 (2007) Verkauf von Beteiligungsrechten aus dem Privat- in das Geschäftsvermögen eines Dritten («indirekte Teilliquidation »), Ziff. 4.6.1 ff.

43. KS ESTV Nr. 14 (2007), Ziff. 4.5; gemäss Art. 20a Abs. 1 lit. a DBG beschränkt sich das Besteuerungssubstrat auf die im Veräusserungszeitpunkt vorhandene nicht betriebsnotwendige Substanz, welche handelsrechtlich ausschüttungsfähig war.

44. Vgl. dazu Abschnitt 2.3 oben.

45. BGE 2A_537/2005, Erw. 3.3.

46. Vgl. dazu Abschnitt 4.1–4.3 oben.

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