Am 1. Januar 2023 wird der Pflichtteil von Kindern reduziert und der Pflichtteil von Eltern entfällt. Dies führt dazu, dass Erblasser neu über einen grösseren Teil ihres Nachlasses frei verfügen können. Trotz dieser erhöhten Verfügungsfähigkeit bestehen für die Übertragung von Familienunternehmen weiterhin erbrechtliche Hürden. Zur Beseitigung dieser Hindernisse hat der Bundesrat eine Vorlage und Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet.

Ausgangslage

Eine Vielzahl von Unternehmen in der Schweiz wird privat gehalten. Die Geschäftsführung sowie Inhaberschaft sind auf wenigen oder gar nur einer Person vereint. Ein Wechsel der Geschäftsführung zieht häufig einen Inhaberwechsel nach sich. Bei den Inhabern kann die Übertragung eines wesentlichen Teils des Nachlasses zu Pflichtteilsverletzungen führen. Die (familieninterne) Unternehmensnachfolge kann durch diese erbrechtlichen Hürden u.U. ganz verhindert werden, sodass das Unternehmen liquidiert werden muss.

Zusätzlich zum neuen Pflichtteilsrecht sollen deshalb weitere Massnahmen im Erbrecht die Unternehmensnachfolge erleichtern.

Einschränkend ist anzumerken, dass die Vorlage steuerrechtliche Fragen nicht berücksichtigt. Bei der Nachlassplanung sind allfällige Einkommenssteuern und Sozialversicherungsaspekte sowie Schenkungs- und Erbschaftssteuerfolgen bei der Übertragung von Unternehmen an Geschwister oder an nicht verwandte Personen besonders zu beachten.

Betroffene Unternehmen

Im Fokus der vorgeschlagenen Massnahmen des Bundesrates stehen Familienunternehmen und KMU (wirtschaftlich tätige Einzelunternehmen, Personengesellschaften oder Handelsgesellschaften). Folgende Unternehmen sind vom Geltungsbereich ausgeschlossen:

  • börsenkotierte Gesellschaften;
  • Genossenschaften;
  • Unternehmen, die ausschliesslich das eigene Vermögen verwalten (u.a. passive Holdinggesellschaften wie z.B. single family offices – erfasst sind dagegen aktive Holdinggesellschaften mit Beteiligungen an operativen Gesellschaften, deren Tätigkeit weit über das reine Halten dieser Beteiligungen hinausgeht);
  • landwirtschaftliche Gewerbe, deren Übernahme und Anrechnung bereits im separaten Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht geregelt werden.

Nachfolgend werden die Vorschläge des Bundesrates in ihren Grundzügen dargelegt.

Recht auf Integralzuweisung bei fehlener Teilungsvorschrift durch den Erblasser

Der Erblasser hat die Möglichkeit, letztwillige Teilungsvorschriften vorzusehen. Er kann bspw. sein Unternehmen einem Erben zuweisen. Beim Fehlen einer solchen Vorschrift müssen sich die Erben gemeinsam über die Teilung einigen. Die Vermögenswerte im Nachlass werden entsprechend den Erbquoten verteilt.

Ohne Vorschriften des Erblassers soll neu jeder Erbe die Möglichkeit erhalten, die Integralzuweisung des Unternehmens oder der Beteiligung, welche ihm die Kontrolle über das Unternehmen einräumt, zu verlangen. Wird der Antrag auf Integralzuweisung durch mehrere Personen einzeln gestellt, entscheidet das Gericht, wer zur Führung des Unternehmens am besten geeignet ist. Der Gesetzesvorschlag erlaubt auch den Antrag auf Zuweisung an mehrere Erben.

Zahlungsaufschub gegenüber den anderen Erben und Vermächtnisnehmern

Bei der Übertragung von Unternehmen kann es zu Forderungen unter Erben und Vermächtnisnehmern kommen. So zum Beispiel, wenn der Wert des Unternehmens die Erbquote des übernehmenden Erben (sog. Unternehmererbe) überschreitet, sodass die Miterben bei der Erbteilung auszubezahlen sind.

Die mit der Übertragung von Unternehmen einhergehenden Ausgleichsforderungen sind häufig substanziell und für den Schuldner nicht tragbar. Dennoch sind solche Forderungen grundsätzlich sofort zu begleichen.

Der Bundesrat schlägt deshalb neu ein Recht auf Stundung vor. Bringt die sofortige Zahlung der Ausgleichsforderungen den Unternehmererben oder Vermächtnisnehmer in ernstliche Schwierigkeiten, so kann das zuständige Gericht unter Berücksichtigung der Interessen der Erben die Modalitäten des Zahlungsaufschubs bestimmen. Der Aufschub darf die Höchstdauer von zehn Jahren nicht überschreiten. Die gestundeten Beträge sind angemessen zu verzinsen. Wenn immer möglich, soll eine Sicherstellung erfolgen. 

Spezifische Regeln für den Anrechnungswert von Unternehmen im Rahmen der Erbteilung

Ohne Verfügungen des Erblassers sieht das Erbrecht vor, dass die gesetzlichen Erben bestimmte lebzeitige Zuwendungen zur Ausgleichung bringen müssen. Diese Ausgleichungsregelung beruht auf der Annahme, dass ein Erblasser seine Nachkommen gleich behandeln möchte.

Für die Ausgleichung ist nach aktuellem Recht der Wert des Unternehmens am Todestag heranzuziehen. Dies hat zur Folge, dass die Erbengemeinschaft an positiven sowie negativen Wertveränderungen seit der Zuwendung bis zum Todestag teilhat. Diese gesetzlich festgeschriebene Wertverteilung wird insbesondere für die Zuwendung von Unternehmen als unbillig erachtet. Sie führt dazu, dass der Unternehmererbe den Mehrwert, den er durch seinen unternehmerischen Einsatz generiert hat, mit seinen Miterben teilen muss. Andererseits haben die Miterben einen Verlust, welcher auf Fehlentscheide des Unternehmererben zurückzuführen ist, mitzutragen.

Der Gesetzesvorschlag adressiert diesen unbefriedigenden Umstand, indem für Unternehmen eine Ausnahme vorgesehen wird. Unternehmen sollen grundsätzlich zum Wert im Zeitpunkt der Zuwendung bzw. der Erlangung der Kontrolle durch den Unternehmererben angerechnet werden. Für die Zwecke der Bewertung wird weiter zwischen betriebs- und nicht betriebsnotwendigen Vermögensteilen unterschieden. Die letzteren, z.B. ein ungenutztes Baugrundstück im Eigentum des Unternehmens, sollen zum Wert im Zeitpunkt der Teilung angerechnet werden.

Mit dieser Neuregelung ergibt sich ein erhöhter Bewertungsaufwand. Damit die Anrechnungsausnahme für die betriebsnotwendigen Werte greift, muss im Zeitpunkt der Zuwendung bzw. Kontrollübernahme eine Unternehmensbewertung nach anerkannten Grundsätzen erstellt werden. Diese ist innert Jahresfrist zusammen mit Belegen der zuständigen kantonalen Amtsstelle unwiderruflich zu übergeben. Können sich die Erben über den Anrechnungswert nicht einigen, wird der Wert durch eine gerichtlich bestellte sachverständige Person geschätzt.

Bestimmungen zum Schutz von Pflichtteilserben

Die beschriebenen Erleichterungen für Unternehmererben stellen u.U. Eingriffe in die Rechte der pflichtteilsberechtigten Miterben dar. Der Bundesrat schlägt deshalb einige Verbesserungen ihrer Position vor:

  • Im Rahmen der Erbteilung sollen Pflichtteilserben die Anrechnung einer Minderheitsbeteiligung an ihren Pflichtteil ablehnen können.
  • Hat ein Pflichtteilserbe als Zuwendung unter Lebenden eine Minderheitsbeteiligung erhalten und die Kontrolle des Unternehmens war im Zeitpunkt des Todes beim Erblasser, so soll dieser Erbe die Minderheitsbeteiligung in Natur in die Erbschaft einwerfen dürfen.
  • Übt ein ausgleichungspflichtiger Erbe im Todeszeitpunkt die Kontrolle über ein Unternehmen aus, welches ihm zu Lebzeiten des Erblassers übertragen wurde, so darf das Unternehmen nur mit Einverständnis der Miterben in Natur eingeworfen werden.
  • Hat ein Erbe als Zuwendung unter Lebenden eine Beteiligung erhalten und übt er im Todeszeitpunkt die Kontrolle über das Unternehmen aus, so kann jeder Pflichtteilserbe mit Wirkung für alle vom Unternehmererben verlangen, die Minderheitsbeteiligung aus dem Nachlass zu übernehmen oder seine Beteiligung in Natur einzuwerfen.
  • Hat der Erblasser Anteile an einem Unternehmen einem Vermächtnisnehmer ohne Erbenstellung zugewiesen, welcher bereits Kontrolle über das Unternehmen ausübt oder durch die Zuweisung Kontrolle erlangt, so muss dieser u.U. die Minderheitsbeteiligung aus dem Nachlass mitübernehmen und abgelten.

Ausblick

Die Gesetzesvorlage muss als Nächstes durch das Parlament beraten werden. Wir rechnen ca. im Jahr 2025 mit einer Inkraftsetzung.

Das neue Recht soll grundsätzlich für Todesfälle nach dem Inkrafttreten gelten. Der Anrechnungswert zur Berücksichtigung des unternehmerischen Risikos soll jedoch möglichst bald herangezogen werden können. Die Übergangsbestimmungen des Vorschlags sehen hier eine Sonderregelung vor. Sofern die neuen Bedingungen für den Anrechnungswert (Nachweis und Zeitpunkt der Bewertung) erfüllt sind, sollen diese Bestimmungen auch für Zuwendungen gelten, welche vor dem Inkrafttreten erfolgen. Hierfür sind die notwendigen Unterlagen innerhalb eines Jahres seit dem Inkrafttreten der zuständigen kantonalen Amtsstelle zu übergeben.

Handlungsbedarf im Hinblick auf die Reduktion der Pflichtteile

Losgelöst von dem dargelegten Gesetzesvorschlag tritt am 1. Januar 2023 der vom Parlament bereits beschlossene erste Teil der Erbrechtsrevision in Kraft, welcher u.a. die Pflichtteile reduziert. Dadurch erhöht sich die verfügbare Quote des Erblassers, d.h. er kann über einen grösseren Teil seines Nachlasses bestimmen. Bestehende erbrechtliche Verfügungen sind auf Klarheit der Anordnungen in Anbetracht der Gesetzesänderung zu überprüfen, um Streitigkeiten über den Willen des Erblassers zu vermeiden. Anzupassen sind u.U. bestehende Verfügungen, welche Erben auf ihren Pflichtteil setzen.

Für weitere Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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