Das Bundesgericht hat seine Rechtsprechung bestätigt, wonach auch ein gering-fügiger Diebstahl zu Lasten des Arbeitgebers eine fristlose Kündigung des Ar-beitsverhältnisses zu rechtfertigen vermag.

In einem Entscheid vom 22. Juni 2017 (4A_177/2017) befasste sich das Bundesgericht mit einer fristlosen Kündigung, welche der Arbeitgeber aufgrund eines Diebstahls der Arbeitnehmerin von Waren mit bloss geringem Wert ausgesprochen hatte.

Die Arbeitnehmerin war seit 2004 als Kassiererin beim Arbeitgeber tätig. Am 4. November 2014 wurde der Arbeitnehmerin der Diebstahl von zwei Packungen Vollkorncracker und zwei Packungen Aufschnitt vorge-worfen, nachdem am Ausgang der Filiale eine Mitarbei-terkontrolle stattgefunden hatte. Die Waren wurden in der privaten Handtasche der Arbeitnehmerin unter einer Zeitung gefunden. Die Arbeitnehmerin erklärte, dass sie die Waren eigentlich habe bezahlen wollen, es aber vergessen habe. Am 5. November 2014 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos.

Die Arbeitnehmerin focht die Kündigung an, wobei sowohl das erstinstanzliche wie auch das zweitinstanz-liche Gericht die Klage abwiesen. Die zweite Instanz stellte dabei fest, dass die Arbeitnehmerin den Auf-schnitt sowie die Vollkorncracker vor dem Verlassen der Filiale absichtlich nicht bezahlt hatte. Die Arbeit-nehmerin erhob dagegen Beschwerde ans Bundesge-richt. Die vorinstanzliche Feststellung, wonach sie die fraglichen Lebensmittel mit Absicht nicht bezahlt hatte, focht die Arbeitnehmerin dabei nicht an.

Eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber ist gemäss Art. 337 OR nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüt-tern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Ver-trags nicht mehr zuzumuten ist. Andererseits müssen sie auch tatsächlich zu einer Zerstörung oder Erschüt-terung des Vertrauensverhältnisses geführt haben.

Das Bundesgericht führte unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung aus, dass anerkannt sei, dass Straftaten, welche der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit oder auch im Privatleben zu Lasten des Arbeitgebers begehe, einen wichtigen Grund für eine fristlose Entlassung ohne vorgängige Verwarnung bilden könnten. Es komme indessen auch in diesen Fällen massgebend auf die Umstände des Einzelfalles an, insbesondere auf die Schwere der Straftat. Darüber hinaus sei relevant, ob die Straftat unmittelbare Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis habe. Das Entwenden von Handelswaren des Arbeit-gebers sei als schwerwiegender Verstoss gegen die Treuepflicht des Arbeitnehmers zu qualifizieren. Uner-heblich sei dabei der geringe Wert des Diebesguts. Nach der Rechtsprechung sei auch ein geringfügiger Diebstahl geeignet, das Vertrauensverhältnis zu zerstö-ren, woran die lange Dauer des Arbeitsverhältnisses nichts ändere.

Das Bundesgericht hielt fest, dass die Arbeitnehmerin als Kassiererin für die Kontrolle des Warenhandels verantwortlich sei und daher in einem besonderen Vertrauensverhältnis stehe. Die Arbeitnehmerin habe in ihrer Funktion die Verantwortung für einen reibungslo-sen Verkaufsabschluss und Zahlungsverkehr an der Kasse getragen. Zu deren Aufgabenbereich hätten unter anderem das Bedienen der Kasse, die Bedienung von Kunden, das Sicherstellen des Geldflusses sowie das Erstellen der Kassenabrechnung gehört. Diesen besonderen Aufgaben und der Treuepflicht entspre-chend sei es offenkundig, dass der Arbeitgeber ihr im besonderen Masse habe vertrauen müssen.

Der von der Arbeitnehmerin begangene Diebstahl habe somit eine schwere Verfehlung im Kernbereich ihrer Aufgaben dargestellt und eine fristlose Kündigung auch ohne vorgängige Verwarnung gerechtfertigt. Soweit die Arbeitnehmerin auf ihre lange Anstellungsdauer ver-wies, bemerkte das Bundesgericht, dass ihr von vorn-herein bekannt gewesen sei, dass laut internem Be-triebsreglement bei Diebstahl fristlos gekündigt werde, weshalb nicht massgeblich sei, dass das Arbeitsver-hältnis bereits mehr als zehn Jahre gedauert habe und es sich um eine einmalige Verfehlung gehandelt habe. Die Grundlage für das Vertrauensverhältnis sei auf-grund des Diebstahls in schwerwiegender Weise ge-stört worden und die Fortsetzung des Arbeitsvertrags unter diesen Umständen nicht mehr zumutbar gewe-sen.

KOMMENTAR

Das Urteil bestätigt den anerkannten Grundsatz, dass auch ein Bagatelldelikt eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Relevant sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalles, wobei jeweils die Frage zu beantworten ist, ob es nach Treu und Glauben noch zumutbar gewesen wäre, bis zum nächsten ordentlichen Vertragsende mit dem Arbeitnehmer zusammenzuarbeiten. Relevante Prüfungskriterien sind etwa die Schwere des Delikts, ob der Arbeitnehmer mit Vorsatz oder lediglich fahrlässig gehandelt hat oder auch die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb (bspw. Kaderposition oder besondere Vertrauensstellung). Wie der vorliegende Entscheid zeigt, ist zudem auch von Relevanz, ob der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag oder reglementarisch auf die Folgen eines Delikts im Rahmen des Arbeitsverhältnisses hingewiesen worden ist. Insofern ist Arbeitgebern zu empfehlen, Arbeitnehmer vorgängig auf die Kündigungsfolgen zu sensibilisieren, die ein Delikt am Arbeitsplatz haben kann.

Abschliessend ist zu bemerken, dass ein Stichentscheid des Vorsitzenden in der Generalversammlung – vor allem bei paritätischen Zweimanngesellschaften oder wenn sich paritätische Aktionärsgruppen gegenüberstehen – regelmässig problematisch ist. Die statutarische Einführung eines Stichentscheides muss deshalb sehr gut überlegt werden bzw. ist in der Regel nicht empfehlenswert.

OKTOBER 2017

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