Nach den viel diskutierten Bundesgerichtsentscheiden 9C_837/2014 vom 8.4.2015 und BGE 141 V 634 vom 3.12.2015 zur Abgrenzung zwischen massgebendem Lohn und sozialabgabefreier Dividende hat das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) in seinem Nachtrag 9, gültig ab 1.1.2017, zur Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO (WML 2017) seine im Hinblick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung präzisierte Praxis publiziert.

Zuwendungen aus dem Reingewinn einer juristischen Person an Anteilsinhaber, welche zugleich zur juristischen Person in einem Arbeitsverhältnis stehen (z. B. der als Geschäftsführer tätige Alleinaktionär), sind unabhängig von ihrer Bezeichnung für die Zwecke der Sozialversicherung als massgebender Lohn zu qualifizieren, soweit das Arbeitsverhältnis «der ausschlaggebende Grund für ihre Ausrichtung bildet». Soweit Leistungen an bei der juristischen Person angestellte Anteilsinhaber jedoch aufgrund ihrer Beteiligungsrechte an der Gesellschaft ausgerichtet werden, sind sie als Kapitalerträge von der Sozialabgabepflicht ausgenommen.

Aufrechnungskriterien. Während die Ausgleichskassen grundsätzlich von der durch die Gesellschaft vorgenommenen und von den Steuerbehörden akzeptierten Aufteilung zwischen massgebendem Lohn und sozialabgabefreier Dividende ausgehen, können sie im Rahmen einer vollständigen oder teilweisen Aufrechnung von Dividenden davon abweichen, «wenn ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Entgelt bzw. eingesetztem Vermögen und Dividende besteht » (WML 2017, Rz. 2011/2). Ob ein «offensichtliches Missverhältnis » vorliegt, ist nach Ansicht des BSV und gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung danach zu beurteilen, ob eine «angemessene Entschädigung für die geleistete Arbeit» und «ein angemessener Ertrag für das investierte Kapital» gegeben ist (WML 2017, Rz. 2011/3). Das BSV konkretisiert, dass die «Dividendenzahlung [...] nur dann teilweise als massgebender Lohn zu betrachten [ist], wenn kein oder ein unangemessen tiefer Lohn und gleichzeitig eine offensichtlich überhöhte Dividende ausgerichtet wird. Eine Aufrechnung ist diesfalls bis zur Höhe eines branchenüblichen Gehalts vorzunehmen» (WML 2017, Rz. 2011/4). Unverändert gelten Dividenden, welche 10% oder mehr vom Steuerwert der Aktien an der Gesellschaft betragen, vermutungsweise als überhöht (WML 2017, Rz. 2011/7). Der Steuerwert der Aktien hängt von der Bewertungsmethode und von der Gewichtung ertrags- und substanzorientierter Parameter ab, was im Einzelfall zu analysieren ist.

Branchenüblichkeit der Entschädigung für Arbeitstätigkeit. Der Beurteilung der Branchenüblichkeit der Entschädigung für die durch den Anteilsinhaber geleistete Arbeit ist ein gewisses Ermessen imminent. Im Nachgang zu BGE 141 V 634 hat das BSV (WML 2017, Rz. 2011/5) die bereits in der WML 2016 bestehenden in die Beurteilung mit einzubeziehenden Kriterien konkretisiert und um die Elemente «Pflichtenheft», Vergleich des aktuell ausbezahlten Lohns mit dem in den Vorjahren ausgerichteten durchschnittlichen Lohn (abrupte Lohnrückgänge), generelle Lohnentwicklung im Unternehmen und «Lohnrechner des Bundesamtes für Statistik (Salarium)» ergänzt. Insbesondere das explizite Abstellen auf den Lohnrechner des Bundesamtes für Statistik (Salarium) gemäss BGE 141 V 634 erscheint als dem Einzelfall zu wenig gerecht werdendes Kriterium. Das Salarium ermöglicht die statistische Eruierung eines monatlichen durchschnittlichen Bruttolohns für eine nach bestimmten Parametern definierte Tätigkeit und nach bestimmten Parametern bestimmte Mitarbeiter. Bei der Planung und Strukturierung der Entschädigung der Anteilsinhaber gerade im KMU- und Start-up-Bereich, wo mitarbeitende Anteilsinhaber häufig anzutreffen sind, ist neben steuerlichen Überlegungen (Teilbesteuerung der Dividende) die Angemessenheit eines ausbezahlten Lohns für eine bestimmte Arbeitstätigkeit, wie vom Bundesgericht hervorgehoben (BGE 141 V 634, E. 3.2.2), sinnvollerweise mittels Vergleich mit marktüblichen Erfahrungswerten bereits durch die Gesellschaft zu plausibilisieren und dokumentieren. Ebenso ist im Einzelfall zu analysieren, welcher Lohn im Hinblick auf eine Aufrechnung dem «branchenüblichen Gehalt» entspricht (WML 2017, Rz. 2011/4), und wie die finanzielle Planung und Liquiditätsplanung der Gesellschaft über die nächsten Jahre ausgestaltet werden kann.

Previously published in EXPERT FOCUS 2017/3

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