Die Mindestbesteuerung – Pillar II
Per. 1. Januar 2024 ist die Schweizer Mindeststeuerverordnung in Kraft getreten. Die Mindeststeuer beruht auf einer Einigung von über 140 OECD1-Staaten aus dem Jahr 2021 mit der Absicht, auf globaler Ebene gleiche Wettbewerbsbedingungen für internationale Konzerne zu schaffen.
Die Schweizer Stimmbevölkerung hatte am 18. Juni 2023 eine Verfassungsänderung angenommen, die die rechtliche Grundlage für die Umsetzung der Mindestbesteuerung in der Schweiz darstellt. Eine Übergangsbestimmung in der Bundesverfassung (Art. 197 Abs. 15 BV) gibt dem Bundesrat das Recht, die erforderlichen Vorschriften über die Mindestbesteuerung zu erlassen. Die vom Bundesrat erlassene Mindeststeuerverordnung gilt so lange, bis sie durch ein Bundesgesetz abgelöst wird. Der Bundesrat hat dem Parlament das Bundesgesetz innert sechs Jahren vorzulegen.
2024: Schweizerische Ergänzungssteuer (QDMTT)
Der OECD-Mindeststeuer unterliegen die multinational tätigen Unternehmensgruppen mit einem weltweiten Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro. Derzeit beträgt die unter den OECD-Staaten vereinbarte Mindeststeuer 15 % auf dem Gewinn vor Steuern, wobei dieser Gewinn in Anlehnung an die internationalen Rechnungslegungsstandards ermittelt wird. Aus Schweizer Sicht gilt eine Unternehmensgruppe als multinational, sofern mindestens eine Geschäftseinheit ausserhalb der Schweiz gelegen ist. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2023 hatte der Bundesrat die schweizerische Ergänzungssteuer als Qualified Domestic Minimum Top-up Tax (QDMTT) per 1. Januar 2024 eingeführt. Mit dieser neuen Bundessteuer soll der Abfluss von Schweizer Steuersubstrat ins Ausland verhindert werden. Würde die Schweiz auf die Erhebung einer schweizerischen Mindeststeuer verzichten, würde die Differenz zwischen der aktuellen Steuerbelastung eines betroffenen Unternehmens zur Mindestbesteuerung von 15 % mit hoher Wahrscheinlichkeit im Ausland besteuert werden. Mit der Einführung der schweizerischen Ergänzungssteuer kann verhindert werden, dass Schweizer Steuersubstrat durch ausländische Steuerbehörden besteuert wird. Wie die direkte Bundessteuer wird die schweizerische Ergänzungssteuer durch die Kantone veranlagt.
Die schweizerische Ergänzungssteuer erfasst wenige Hundert inländische sowie wenige Tausend ausländische Unternehmensgruppen mit Aktivitäten in der Schweiz. Somit sind die meisten Unternehmen in der Schweiz von der Reform nicht direkt betroffen und werden weiter wie bis anhin besteuert. In allen Kantonen ist eine Unternehmenssteuer unter 15 % nach wie vor zulässig. Kantone mit tiefer Steuerbelastung, in denen viele grosse und profitable Unternehmen angesiedelt sind, prüfen aktuell Massnahmen, um für solche Unternehmen nach wie vor attraktiv zu bleiben. Dabei sind Kantone unterschiedlich fortgeschritten in ihren Überlegungen, wobei zurzeit v.a. Subventionen für Forschung- und Entwicklung bzw. Innovation im Vordergrund stehen.
2025: internationale Ergänzungssteuer (IIR)
An der Sitzung vom 4. September 2024 beschloss der Bundesrat, die internationale Ergänzungssteuer (kurz: IIR; Income Inclusion Rule) per 1. Januar 2025 in Kraft zu setzen. Diese internationale Ergänzungssteuer ergänzt die im Jahr 2024 in Kraft getretene schweizerische Ergänzungssteuer. Mit der internationalen Ergänzungssteuer kann die Schweiz die Mindestbesteuerung ausländischer Tochtergesellschaften von Schweizer Unternehmensgruppen und von Zwischenholdings ausländischer Unternehmensgruppen sicherstellen, sofern die Tochtergesellschaften im Ausland unter dem Mindeststeuersatz besteuert werden.
Mit der IIR wird der Differenzbetrag zwischen dem Mindeststeuersatz von derzeit 15 % und einer allfällig niedrigeren effektiven Steuerbelastung einer Tochtergesellschaft in deren Ansässigkeitsstaat entweder im Ansässigkeitsstaat der obersten Muttergesellschaft oder im Ansässigkeitsstaat der zweithöchsten Zwischengesellschaft erfasst (falls im Ansässigkeitsstaat der obersten Muttergesellschaft keine IIR eingeführt wurde). Mit Einführung der internationalen Ergänzungssteuer durch die Schweiz wird die Mindestbesteuerung bei der obersten Muttergesellschaft (oder einer Zwischenholding) in der Schweiz sichergestellt, wenn die Tochtergesellschaften in anderen Staaten keiner Mindestbesteuerung unterworfen sind.
Verschoben: Under Taxed Profit Rule (UTPR)
Die meisten EU-Mitgliedstaaten sowie Staaten wie das Vereinigte Königreich, Kanada, Neuseeland und Australien haben diese zweite nachgelagerte internationale Ergänzungssteuer, die sogenannte UTPR (Undertaxed Profit Rule) per 2025 eingeführt. Mit der UTPR werden Gewinne erfasst, die weder einer QDMTT noch einer IIR unterliegen. Bei Einführung einer UTPR in der Schweiz würden niedrig besteuerte Gewinne von Geschäftseinheiten im Ausland, an denen weder eine schweizerische Gesellschaft beteiligt ist noch eine in der Schweiz ansässige, übergeordnete Holdinggesellschaft vorliegt, trotzdem der Besteuerung in der Schweiz unterworfen. Der Bundesrat verzichtet vorläufig auf die Einführung der UTPR aufgrund des tiefen Aufkommenspotentials der UTPR im Vergleich zur IIR und der Rechtsunsicherheiten im Zusammenhang mit der Völkerrechts- und Abkommenskonformität.
Registrierung und Deklaration: Weblösung der Kantone
Die ersten Steuererklärungen für die schweizerische oder internationale Ergänzungssteuer und die Mindeststeuererklärung (GloBE-Deklaration; "GIR") müssen innerhalb von 18 Monaten nach Ende des Geschäftsjahres der Unternehmensgruppe, d.h. bis zum 30. Juni 2026 für Unternehmensgruppen mit Geschäftsjahresende per 31. Dezember 2024, eingereicht werden. In den Folgejahren verkürzt sich diese Frist auf 15 Monate nach dem Geschäftsjahresende. Die Nachzahlungsbeträge der Ergänzungssteuer sind jeweils zum selben Zeitpunkt fällig, wodurch eine Angleichung der Fristen für Einreichung und Zahlung erfolgt. Zu beachten ist, dass die Mindeststeuer bereits in der nach internationalen Rechnungslegungsstandards erstellten Konzernrechnung des Geschäftsjahres 2024 berücksichtigt werden muss.
Die Einreichung der Steuererklärung erfolgt mittels Selbstdeklaration, die anschliessend von der kantonalen Steuerbehörde des zuständigen Kantons überprüft und veranlagt wird. Die Deklaration wird elektronisch über das speziell entwickelte Portal OMTax übermittelt. OMTax ist eine gemeinsame webbasierte Informatiklösung der Kantone, welche von der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK) entwickelt und betrieben wird. Die ergänzungssteuerpflichtige Geschäftseinheit kann sich ab 1. Januar 2025 in OMTax registrieren. Dies ist in der Regel die oberste inländische Geschäftseinheit oder die wirtschaftlich bedeutendste Geschäftseinheit. Der Kanton, in dem diese Geschäftseinheit steuerlich ansässig ist, überprüft die Deklaration zur Ergänzungssteuer und ist für deren Veranlagung und Erhebung verantwortlich.
Die Rechnungsstellung und der Bezug der Ergänzungssteuer sowie deren Abrechnung mit den Kantonen und dem Bund sind nicht Teil von OMTax und werden durch die Kantone mit ihren eigenen Systemen sichergestellt. OMTax ist in das ePortal des Bundes integriert und mit folgendem Link erreichbar: www.omtax.admin.ch. Die Registrierung kann durch die zuständige Geschäftseinheit, aber auch durch einen bevollmächtigten Vertreter durchgeführt werden.
Unklare Auswirkungen auf den Schweizer Steuerstandort durch die Umsetzung der IIR
Mit Inkraftsetzung der IIR hat der Bundesrat nun zwei von drei Instrumenten der OECD-Mindeststeuer in Kraft gesetzt. Der Bundesrat ist der Meinung, dass die Einführung der IIR für die Schweiz kaum Nachteile mit sich bringen wird, da der stark überwiegende Teil der noch unter 15 % besteuerten Gewinne ohnehin von der UTPR anderer Staaten erfasst werden würde. Vielmehr ist er der Meinung, dass sich der Verzicht auf das Inkrafttreten der IIR tendenziell nachteilig auf den Standort auswirken würde, da auf Einnahmen verzichtet würde, welche ihrerseits für die Stärkung des Standorts Schweiz eingesetzt werden könnten. Überdies würden mit Inkrafttreten der IIR in der Schweiz Schweizer Unternehmensgruppen vor zusätzlichen Steuerverfahren und vor der Anwendung der UTPR im Ausland geschützt.
Ob sich aus der Einführung der IIR für die schweiz kaum Standortnachteile ergeben werden, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Zum heutigen Zeitpunkt ist es unseres Erachtens unklar, ob sich die OECD-Mindeststeuer international durchsetzen wird. So wurde dieses Jahr von den USA kommuniziert, dass die USA die OECD-Mindeststeuer nicht umsetzen werden. Überdies haben auch Indien und China noch nicht entschieden, ob sie die OECD-Mindeststeuer einführen. Zudem gehen wir davon aus, dass von den Staaten, welche die OECD-Mindesteuer umsetzen, viele davon keine UTPR einführen werden. Es wird sich in Zukunft weisen müssen, ob diejenigen Staaten, welche eine UTPR einführen, also insbesondere die EU-Staaten, diese auch gegenüber einflussreichen Staaten wie den USA, Indien oder China durchsetzen werden. Möglich ist auch, dass sie die UTPR nur gegenüber kleinen Staaten wie der Schweiz geltend machen und auf die Durchsetzung der UTPR gegenüber grösseren Staaten unter einem Vorwand verzichten werden. Dass es so kommen könnte, ist nicht ausgeschlossen. So wird für die Jahre 2025 und 2026 auf eine Durchsetzung der UTPR verzichtet, falls die oberste Muttergesellschaft in einem Staat ansässig ist, welcher einen statutarischen Steuersatz von mindestens 20 % hat (sogenannter "UTPR-Safe-Harbour"). Damit sind beispielsweise in den USA ansässige oberste Muttergesellschaften für die Jahre 2025 und 2026 von der UTPR ausgenommen, da die USA einen statutarischen Steuersatz von 21 % kennen. Dieser statutarische Steuersatz ist aber nicht mit dem effektiven Steuersatz zu verwechseln. Durch Forschungs- und Entwicklungssteuergutschriften sowie weiterer Steuergutschriften kann der nach den OECD-Mindeststeuerregeln kalkulierte effektive Steuersatz auch in den USA unter 15 % sinken.
Wird die UTPR nicht gegenüber allen Staaten durchgesetzt, besteht die Gefahr, dass sich multinationale Unternehmen so umstrukturieren könnten, dass sich ihre obersten Muttergesellschaften in Staaten befinden, welche die IIR nicht eingeführt haben und von der UTPR nicht betroffen sind. Damit könnte sich die Einführung der IIR für die Schweiz in Bezug auf den Standort für Zwischen-Holdings als ein Standortnachteil erweisen. In diesem Falle wäre generell zu prüfen, ob die Fortsetzung des Mindeststeuerregimes in der Schweiz wirtschaftspolitisch noch sinnvoll ist.2
Footnotes
1 Organisation for Economic Co-operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung).
2 So auch im Kurzgutachten von Prof. Dr. iur René Matteoti, Steuerrechtliche Fragen/Folgen im Zusammenhang mit dem Entscheid der OECD-Mindestbesteuerung in der Schweiz, S. 39 (https://backend.efd.admin.ch/fileservice/sdweb-docs-prod-efdadminch-files/files/2024/04/30/67febc4b-7c97-4cdc-9f20-caae56cb2214.pdf).
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