Am 19. Juni 2020 wurde die «grosse» Aktienrechtsrevision vom Schweizer Parlament verabschiedet. Ziel der Aktienrechtsrevision war die Modernisierung des Schweizer Aktienrechtes. Die Gesetzesänderung bringt viele Vereinfachungen, Flexibilität und Erleichterungen mit sich. Im Folgenden finden Sie eine Zusammenfassung der wesentlichen Neuerungen.

Aktienkapital und Dividenden

  • Der Nennwert einer Aktie kann neu auch kleiner als CHF 0.01 sein, solange er das Minimum von Null übersteigt.
  • Das Aktienkapital kann in funktionaler Währung geführt werden. Bisher war das Aktienkapital ausgeschlossen.
  • Ausschüttungen von Interimsdividenden aus dem Gewinn des laufenden Jahres sind zulässig. Zum jetzigen Zeitpunkt wird dies von einigen Revisionsstellen nicht akzeptiert.
  • Ausschüttungen dürfen aus den Kapitalreserven, d.h. aus Agio und andere Aktionärseinlagen über den Nennwert hinaus, erfolgen. (Harmonisierung mit dem Rechnungslegungsrecht).

Kapitalband und Kapitalherabsetzungen

  • Innerhalb des Kapitalbandes von +/- 50% des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitales kann der Verwaltungsrat das Kapital innert maximal fünf Jahren beliebig erhöhen oder herabsetzen.
  • Bei jeder Kapitalherabsetzung erfolgt der Gläubigerschutz (Schuldenruf und Prüfbericht).
  • Das Kapitalband ersetzt das heutige genehmigte Kapital, welches nur Kapitalerhöhungen zulässt und max. zwei Jahre gilt.
  • Die Übergangsfrist für das genehmigte Kapital beträgt 2 Jahre nach Inkrafttreten des neuen Aktienrechts.
  • Der Schuldenruf bei Kapitalherabsetzungen wird neu nur noch einmal publiziert statt wie bisher dreimal.
  • Bei der Kapitalherabsetzung können Gläubiger innerhalb 30 Tagen nur noch die Sicherstellung ihrer Forderungen verlangen statt wie bisher die Sicherstellung oder Befriedigung von innerhalb 3 Monaten.
  • Die Prüfbestätigung bei Kapitalherabsetzung muss sich auch auf den Schuldenruf beziehen.
  • Schuldenruf und Prüfbestätigung können vor oder nach der Generalversammlung, welche die Kapitalherabsetzung beschliesst, erfolgen.

Sanierungsrecht

  • Der Verwaltungsrat überwacht die Liquidität des Unternehmens und hat bei Illiquidität Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit und Sanierungsschritte, wenn nötig, einzuleiten.
  • Bei hälftigem Kapitalverlust ist die Einberufung der Generalversammlung nicht mehr zwingend.
  • Bei Überschuldung muss der Verwaltungsrat die Bilanzen nicht mehr beim Richter deponieren, wenn innert 90 Tage nach geprüftem Zwischenabschluss begründete Aussichten bestehen, die Überschuldung zu beheben. Dabei ist sicherzustellen, dass die Gläubigerforderungen nicht zusätzlich gefährdet werden.
  • Rangrücktritte müssen neu auch die Zinsforderungen während der Überschuldung berücksichtigen.
  • Der Konkursaufschub wird abgeschafft, bei Insolvenz verbleibt das Nachlassverfahren.

Aktionärsrechte

Bei nicht kotierten Gesellschafen gelten neu folgende Mitwirkungs- und Kontrollrechte der Aktionäre:

  • Aktionäre, die mindestens 5% der Aktien oder der Stimmen halten, dürfen Traktandierungen von Verhandlungsgegenständen verlangen (bisher 10% der Aktien oder CHF 1 Mio. Nennwert) und ohne Ermächtigung der Generalversammlung Einsicht in die Geschäftsbücher und Korrespondenzen nehmen, wenn dies für die Ausübung Ihrer Aktionärsrechte notwendig ist (bisher kein Schwellenwert).
  • Aktionäre, die mindestens 10% der Aktien oder der Stimmen halten, dürfen eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen (bisher 10% der Aktien), dem Verwaltungsrat neu jederzeit Fragen stellen, die dieser innert 4 Monaten beantworten muss (dies war bisher nicht zulässig) und Sonderuntersuchungen verlangen (bisher 10% der Aktien oder CHF 2 Mio. Nennwert).

Bei kotierten Gesellschafen gelten neu folgende Mitwirkungs- und Kontrollrechte der Aktionäre:

  • Aktionäre, die 0.5% des Aktienkapitals oder Stimmrechts halten, dürfen Traktandierungen von Verhandlungsgegenständen verlangen (bisher 10% der Aktien oder CHF 1 Mio. Nennwert).
  • Aktionäre, die mindestens 5% der Aktien oder der Stimmen halten, dürfen eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen (bisher 10% der Aktien), ohne Ermächtigung der Generalversammlung Einsicht in die Geschäftsbücher und Korrespondenzen nehmen, wenn dies für die Ausübung Ihrer Aktionärsrechte notwendig ist (bisher kein Schwellenwert) und Sonderuntersuchungen verlangen (bisher 10% der Aktien oder CHF 2 Mio. Nennwert).
  • Bei der Dekotierung von Aktien wird neu die Zustimmung der Generalversammlung mit einer Zweidrittelmehrheit der vertretenen Stimmen und der Hälfte des vertretenen Kapitals verlangt.

Generalversammlung

  • Virtuelle Generalversammlungen sind neu unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, wenn dies in den Statuten vorgesehen ist.
  • Multilokale Generalversammlungen und Generalversammlungen an einem ausländischen Tagungsort sind ebenfalls erlaubt, wenn dies in den Statuten vorgesehen ist.
  • Schriftliche oder elektronische Generalversammlungsbeschlüsse werden in Zukunft akzeptiert. Sie können auf dem Zirkularweg gefasst werden.
  • Vor der ordentlichen Generalversammlung müssen die Geschäfts- und Revisionsberichte nicht mehr physisch aufgelegt werden, es reicht wenn diese elektronisch zugänglich sind.
  • Beschlüsse und Wahlergebnisse bei kotierten Gesellschaften müssen den Aktionären innert 15 Tagen elektronisch zugänglich gemacht werden, und bei nicht kotierten Gesellschaften können die Aktionäre verlangen, dass Ihnen das Protokoll innert 30 Tage zugänglich gemacht wird.
  • Bei börsenkotierten Gesellschaften muss ein unabhängiger Stimmenvertreter die Weisungen der Aktionäre bis zur Generalversammlung vertraulich behandeln und darf der Gesellschaft frühestens drei Tage vor der Generalversammlung allgemeine Auskünfte geben.
  • Die Generalversammlung kann die Revisionsstelle neu nur noch aus wichtigen Gründen abberufen. Die Gründe müssen im Anhang zur Jahresrechnung offengelegt werden.

Verwaltungsrat

  • Zirkulationsbeschlüsse sind neu auf elektronischem Weg und ohne Unterschrift zulässig.
  • Bei Interessenskonflikten sind die Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitglieder verpflichtet den Verwaltungsrat unverzüglich und vollständig zu informieren.
  • Neu gehören zu den Pflichten des Verwaltungsrates die Einreichung eines Nachlassstundungsgesuches und bei kotierten Gesellschaften die Erstellung eines Vergütungsberichtes.
  • Verwaltungsratsmitglieder sind zur Rückerstattung von ungerechtfertigt bezogenen Leistungen verpflichtet.

Weitere wichtige Aspekte

  • Bei bedeutenden börsenkotierten Gesellschaften muss jedes Geschlecht mit mindestens 30% im Verwaltungsrat und mit 20% in der Geschäftsleitung vertreten sein. Kann ein Unternehmen dies nicht einhalten, müssen die Gründe und die Massnahmen zur Änderung offengelegt werden.
  • Überführung der «Verordnung gegen übermässige Vergütung bei börsenkotierten Aktiengesellschaften» (VergüV) ins Obligationenrecht.
  • Statuten können eine Schiedsklausel für gesellschaftliche Streitigkeiten enthalten.
  • Rohstoffunternehmen, die im Bereich der Rohstoffgewinnung tätig sind, müssen neu in Anlehnung an die EU Richtlinie 2013/34 und 2013/50 einen Bericht über Zahlungen an staatliche Stellen von mehr als CHF 100'000 veröffentlichen.

Inkrafttreten

Am 8. Oktober 2020 läuft die Referendumsfrist ab. Bleibt diese ungenutzt, wird die Aktienrechtsrevision frühestens im zweiten Halbjahr 2021 in Kraft treten. Nach Inkrafttreten der Revision haben die Gesellschaften zwei Jahre Zeit, um die Neuerungen in Ihren Statuten aufzunehmen.

Durch die Aktienrechtsrevision wird der Unternehmensstandort Schweiz noch attraktiver. Die ansässigen Unternehmen sollten sich überlegen welche Vorteile sie aus der bevorstehenden Aktienrechtsrevision und der damit eingehenden Vereinfachung und Erhöhung der Flexibilität ziehen können. Es ist empfehlenswert die eigenen Statuten hinsichtlich der Neuerungen frühzeitig zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Die Mandaris AG hilft Ihnen sehr gerne dabei.

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