Aktionärsaktivismus (Shareholder Activism) hat in den letzten Jahren weltweit markant an Einfluss auf die Geschicke von Publikumsgesellschaften gewonnen. Dieser Trend macht vor der Schweiz nicht halt. So verzeichneten wir im Jahr 2017 in der Schweiz den bisherigen Höhepunkt einer überaus regen Tätigkeit von Shareholder Activists mit einigen prominenten und – aus Aktivisten-Sicht – durchaus erfolgreichen Fällen.

1 VERMEHRTER AKTIONÄRSAKTIVISMUS I N DER SCHWEIZ

Ausgehend von den USA ist Shareholder Activism und insbesondere der Hedge Fund Activism seit der Finanzkrise weltweit - und zunehmend auch in Europa - im Aufwind. Dieser globale Trend macht inzwischen auch vor der Schweiz nicht halt. Nach prominenten Fällen wie dem gescheiterten Versuch von Elliott Advisors im Jahr 2011, die Kontrolle über den Verwaltungsrat von Actelion zu übernehmen, oder dem erfolgreichen proxy fight zwischen Carl Icahn und der damals noch an der SIX Swiss Exchange kotierten Transocean Ltd. im Jahr 2013, sowie weiteren vereinzelten Fällen in den vergangenen Jahren, verzeichneten wir namentlich im Jahr 2017 einen bisherigen Höhepunkt an Economic bzw. Hedge Fund Activism in Bezug auf schweizerische Publikumsgesellschaften.

Treiber dieser Entwicklung sind vor allem die überdurchschnittlich hohen Renditen von Activist Hedge Funds, die deutlich über den Renditen von Hedge Funds im Allgemeinen liegen. Zu den typischen Merkmalen des Hedge Fund Activism vgl. unseren Newsletter von Mai 2014, Ziffer 2.3.

2 AKTUELLE SCHWEIZER HEDGE FUND ACTIVIST FÄLLE IM JAHR 2017

2.1 GAM

Zu Beginn des Jahres 2017 kaufte der Schweizerische Aktionärsaktivist Rudolf Bohli durch seinen Hedge Fund RBR Strategic Value 3.3 Prozent des Aktienkapitals des Schweizerischen Vermögensverwalters GAM Holding AG und übte scharfe Kritik an der Vergütung des Managements. An der Generalversammlung vom 26. April 2017 blitzte Bohli jedoch mit seinen Zielen, den Verwaltungs rat mit drei seiner Wunschkandidaten neu zu besetzen, einen Vergütungsausschuss einzuführen und die Gruppenstruktur des Vermögensverwalters zu vereinfachen, ab. Immerhin konnte der aktivistische Aktionär einen Achtungserfolg erzielen: die Generalversammlung lehnte die variable Vergütung für die Geschäftsleitung und den Vergütungsbericht des Verwaltungsrates ab (vgl. dazu unten, Ziffer 4).

Ende Juni 2017 verkaufte RBR Strategic Value ihre GAMBeteiligung mit Gewinn. Im Nachgang zum aktivistischen Wirken von Rudolf Bohli setzte das Unternehmen einen Chief Restructuring Officer ein; zudem wurden die Vergütungsanreize der Geschäftsleitung einer näheren Prüfung unterzogen.

Bedeutende Hedge Fund Activism Fälle in zeitlich aufsteigender Reihenfolge von Januar bis November 2017

2.2 CLARIANT

Auch das Schweizer Chemieunternehmen Clariant geriet 2017 ins Visier von Hedge Fund Aktivisten. Nach Bekanntgabe der beabsichtigten Fusion von Clariant mit Huntsman im Mai 2017 erhöhte White Tale (eine eigens zu diesem Zweck gebildete Investmentpartnerschaft des aktivistischen US-Hedge Funds Corvex und der zum US-Bauzulieferer Standard Industries gehörenden Investmentgesellschaft 40 North) ihre ursprüngliche Aktienbeteiligung von weniger als 3 Prozent an Clariant innerhalb von rund vier Monaten schrittweise auf über 20 Prozent.

Dies geschah mit der Absicht, den beabsichtigten Zusammenschluss von Clariant mit Huntsman zu verhindern, welcher bei Clariant eine Kapitalerhöhung und damit die Zustimmung von zwei Dritteln der an der geplanten Generalversammlung vertretenen Stimmen benötigt hätte. White Tale erachtete den beabsichtigten Zusammenschluss als wertvernichtend, da Clariant in der von den Parteien abgeschlossenen Fusionsvereinbarung zu niedrig bewertet worden sei; zudem fehle der Fusion die strategische Logik und würde Clariant dadurch in ihrer Geschäftsentwicklung negativ beeinträchtigt werden.

Kurz nachdem White Tale das Überschreiten des Grenzwertes von 20 Prozent am Aktienkapital der Clariant offengelegt hatte, beendigten die Fusionspartner ihren Fusionsvertrag im gegenseitigen Einvernehmen; dies, nachdem aufgrund des von White Tale aufgebauten Stimmenblocks von über 20 Prozent absehbar wurde, dass sich die erforderliche Zweidrittelmehrheit an der geplanten ausserordentlichen Generalversammlung der Clariant realistischer Weise nicht mehr erreichen liess.

Nach der erfolgten Absage der beabsichtigten Fusion mit Huntsman verlagerte sich der Druck von White Tale auf die Forderung an Clariant, sämtliche Optionen für eine strategische Neuausrichtung der Gesellschaft, einschliesslich des erwägten Verkaufs der Plastics and Coatings Division, zu prüfen und die Wahl von White Tale Vertretern in den Clariant-Verwaltungsrat zu unterstützen.

2.3 NESTLE

Daniel Loeb und sein Hedge Fund Third Point, welcher über eine Minderheitsbeteiligung von etwas mehr als ein Prozent des Aktienkapitals der Nestlé AG verfügte, wandte sich am 25. Juni 2017 mittels eines offenen Briefes an die Aktionäre der Nestlé und legte darin seine Forderungen nach einer Erhöhung der Produktivität durch Einführung von konkreten Margenzielen, der Lancierung eines Aktienrückkaufprogramms unter gleichzeitiger Erhöhung des Nettoverschuldungsgrades sowie dem Verkauf von nicht zum Kerngeschäft zählenden Geschäftsbereichen, wie namentlich der 23 Prozent-Beteiligung von Nestlé an L'Oréal, dar.

Unmittelbar nach Publikation des offenen Briefes von Third Point gab die Geschäftsleitung von Nestlé am 27. Juni 2017 bekannt, das künftige Wertschöpfungsmodell auf Grundlage eines profitablen und selektiven Wachstums verbessern und damit die Marge steigern zu wollen, sowie selektive Devestitionen vorzunehmen. Zudem wurde die umgehende Lancierung eines Aktienrückkaufprogramms im Umfang von insgesamt CHF 20 Mrd. bekannt gegeben und die künftige Erhöhung des Nettoverschuldungsgrades von Nestlé in Aussicht gestellt.

Seit dieser Ankündigung von Nestlé konnten den Medien keine weiteren Neuigkeiten über das weitere Verhalten von Third Point bei Nestlé mehr entnommen werden. Es darf jedoch davon ausgegangen werden, dass der Hedge Fund weiterhin in einem regelmässigen Dialog und Austausch mit dem Unternehmen steht.

2.4 CREDIT SUISSE

Die Credit Suisse AG wurde dieses Jahr gleich zwei Mal Ziel einer aktivistischen Initiative (vgl. dazu auch unten, Ziffer 3.1).

Der jüngste aktivistische Vorstoss stammt von Mitte Oktober, als der Hedge Fund RBR Strategic Value des Schweizer Investors Rudolf Bohli die Aufgabe der Universalbank und die Aufspaltung der Credit Suisse AG in drei Teile forderte: eine Investmentbank, einen Asset-Manager und einen Vermögensverwalter. Gemäss Bohli könne durch die Unterteilung der Bank in drei Geschäftsbereiche eine Verdoppelung der derzeitigen Bewertung der Bank erreicht werden.

Bohlis Hedge Fund hielt laut eigenen Angaben einen Anteil zwischen 0,2 und 0,3 Prozent am Aktienkapital der Credit Suisse. Obwohl Bohlis Pläne eine grosse Medienpräsenz erhielten, wurde deren Umsetzung angezweifelt. So liess der grösste Aktionär der Credit Suisse, die Fondgesell schaft Harris Associates L.P., verlauten, dass sie den Plan von RBR ablehne. Ob Bohlis Hedge Fund weitere Grossinvestoren auf seine Seite ziehen kann, um seine Pläne umzusetzen, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen. Immerhin ergab sich für Bohli ein kurzfristiger Erfolg: nach Bekanntgabe seiner Pläne stieg der Aktienkurs der Credit Suisse um ca. 1.9 Prozent.

3 AKTUELLE SCHWEIZER SOCIAL POLICY ACTIVISM FÄLLE

Nebst den genannten klassischen Hedge Fund bzw. Economic Activism Fällen verzeichneten wir im Jahr 2017 in der Schweiz auch zwei typische Anwendungsfälle von Social Policy Activism (vgl. dazu unseren Newsletter von Mai 2014, Ziffer 2.2).

3.1 CREDIT SUISSE

Anlässlich der ordentlichen Generalversammlung der Credit Suisse AG vom 28. April 2017 verlangten mehrere aktivistische Kleinaktionäre sowie unabhängige Stimmrechtsberater sowie Greenpeace-Aktivisten die Abwahl des VR-Präsidenten aus gesellschaftspolitischen Gründen. Dem VR-Präsidenten wurde eine nicht nachhaltige Unternehmensführung sowie die Beteiligung der Credit Suisse an der Finanzierung der North Dakota Access Pipeline vorgeworfen, welche im US-Bundesstaat North Dakota durch heilige Stätten der Standing Rock Sioux Indianer verlaufen soll. Trotz dieser Kritik wurden sowohl der VR-Präsident sowie alle übrigen Mitglieder des Verwaltungsrates der Credit Suisse für ein weiteres Jahr bestätigt. Zudem wurde der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsrat mit 88.53 Prozent der Aktionärsstimmen die Décharge erteilt.

3.2 LAFARGEHOLCIM

Verschiedene Aktionäre – unterstützt durch die Stimmrechtsberater Ethos und Actares – forderten an der ordentlichen Generalversammlung der LafargeHolcim Ltd. vom 3. Mai 2017 die Ablehnung des Vergütungsberichts sowie die Verweigerung der Entlastung der Mitglieder des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung. Begründet wurde dies unter anderem mit der sogenannten Syrien-Affäre (der Konzern soll Schutzgelder an örtlich ansässige ISS Terrorismusgruppen entrichtet haben). An der Generalversammlung im Frühling 2017 erteilten die Aktionäre dem Verwaltungsrat und der Geschäftsführung die Décharge mit einer ungewöhnlich tiefen Zustimmungsrate von bloss 61 Prozent der Stimmen; die Wiederwahl sämtlicher Verwaltungsratsmitglieder erfolgte demgegenüber mit einer Zustimmungsrate von mehr als 90 Prozent der Aktionärsstimmen.

4 AKTUELLE SCHWEIZER CORPORATE GOVERNANCE ACTIVISM FÄLLE

Im Jahr 2017 ging es an den ordentlichen Generalversammlungen von Schweizer Publikumsgesellschaften auch in Sachen Corporate Governance aktivistisch zu und her (zum Governance Activism vgl. unseren Newsletter von Mai 2014, Ziffer 2.1).

Abstimmungsresultate betreffend Vergütung an den Generalversammlungen ausgewählter Schweizer Unternehmen unter Beschuss

Zwar liegen die Zustimmungsraten zu Governance Fragen – trotz teilweise hitziger Debatten namentlich im Bereich Managementvergütungen – in der Regel nach wie vor um oder über 90 Prozent der an der jeweiligen Generalversammlung vertretenen Stimmen. Jedoch weisen die Resultate bei einzelnen Publikumsgesellschaften zunehmend eine höhere Streuung auf; zudem sind Voraussagen über das Abstimmungsergebnis, insbesondere bei der konsultativen Abstimmung über den Vergütungsbericht, deutlich unsicherer geworden.

Wie sich der obigen Übersicht über die prominenteren Governance Activism-Fälle des Jahres 2017 entnehmen lässt, wurde sowohl bei Georg Fischer AG wie auch bei GAM die konsultative Abstimmung über den Vergütungsbericht von der Generalversammlung abgelehnt. Bei der Credit Suisse AG und auch bei der ABB Asea Brown Boveri AG waren die Zustimmungsquoten der Generalversammlung zum Vergütungsbericht im Vergleich zu den Vorjahren unterdurchschnittlich. So genehmigten die Aktionäre der Credit Suisse die der Konzernleitung retrospektiv zugeteilten Boni für das vergangene Geschäftsjahr mit einem Ja- Anteil von lediglich 59,6 Prozent. Zudem lehnte erstmals eine ordentliche Generalversammlung (bei GAM) den Antrag des Verwaltungsrates zu einer bindenden Abstimmung über die variable Vergütung der Geschäftsleitung ab.

5 FAZIT UND AUSBLICK

Ob man ihn mag oder nicht – Shareholder Activism ist nicht nur ein vorübergehendes Phänomen, sondern kann und wird auch in den kommenden Jahren potenziell jede schweizerische Publikumsgesellschaft jeglicher Ausrichtung und Grösse treffen und von einem Tag auf den anderen unverhofft ins Rampenlicht der Medien stellen. So verschiebt sich das Vorgehen der Aktivisten vermehrt von einem "Agieren im Hintergrund" zu einem immer publikumswirksameren Wirken im Spotlight der Medien.

Auch wenn nicht alle aktivistischen Vorstösse schlussendlich zu greifbaren Effekten führen, ist ihnen die Aufmerksamkeit der Medien und einer immer breiteren Öffentlichkeit gewiss. Dem Shareholder Activism können gerade im Hinblick auf den Governance und Social Policy Activism durchaus positive Auswirkungen auf die gesellschafts- und sozialpolitische Verantwortung einer Publikumsgesellschaft zugeschrieben werden. Die Stimmen, welche die (Hedge Fund-) Aktivisten pauschal als pflichtenlose Investoren bezeichnen, welche unsere heimische Wirtschaft attackieren und auf kurzfristige Gewinnmaximierung fokussiert sind, greifen oftmals zu kurz. Zu divers sind die Ziele und Handlungsmethoden der Aktivisten, sowie die Auswirkungen auf die betroffenen Gesellschaften.

In einem zunehmend aktivistischen Wirtschaftsumfeld sind Schweizer Publikumsgesellschaften gut beraten, allzeit gegen mögliche Initiativen von shareholder activists gewappnet zu sein und sich präventiv bereits vor einer aktivistischen Initiative über mögliche Abwehrdispositive Gedanken zu machen.

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