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5 February 2025

Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes

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Schellenberg Wittmer Ltd

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Am 1. Januar 2025 sind das teilrevidierte Mehrwertsteuergesetz und die teilrevidierte Mehrwertsteuerverordnung in Kraft getreten.
Switzerland Tax

Key Take-aways

1. Die Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes verfolgt das Ziel, mit der fortschreitenden Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaft mitzuhalten.

2. Eine der wichtigsten Neuerungen ist die Einführung der Plattformbesteuerung, die eine einheitliche Besteuerung von Warenverkäufen über elektronische Plattformen gewährleisten soll.

3.  Mit der Einführung einer gesetzlichen Fiktion, wonach eine Zahlung des Gemeinwesens als Subvention gilt, wenn die Zahlung explizit so bezeichnet wird, soll Klarheit geschaffen werden.

1 Einleitung

Am 1. Januar 2025 sind das teilrevidierte Mehrwertsteuergesetz und die teilrevidierte Mehrwertsteuerverordnung in Kraft getreten. Kernelement der Teilrevision bildet die Einführung der Plattformbesteuerung. Zudem werden mit der Teilrevision Vereinfachungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie neue Steuerausnahmen und -reduktionen eingeführt und die Betrugsbekämpfung verbessert.

2 Plattformbesteuerung

2.1. Hauptaspekte

Mit der am 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Teilrevision wurden ausländische Versandhändler mehrwertsteuerpflichtig, sobald sie mit sog. Kleinsendungen (Warenlieferungen mit einem Einfuhrsteuerbetrag unter CHF 5) einen Jahresumsatz von mehr als CHF 100'000 erzielten. Aufgrund dieser Anpassung haben sich zwar viele ausländische Versandhändler ins schweizerische Mehrwertsteuerregister eintragen lassen und sind seither mehrwertsteuerpflichtig. Trotzdem stieg die Anzahl der nicht mehrwertsteuerpflichtigen Sendungen aus dem Ausland weiterhin an, womit die damalige Teilrevision ihre Wirkung verfehlte. Als mögliche Ursachen werden vermutet, dass die ausländischen Versandhändler ihren mehrwertsteuerlichen Pflichten nicht vollumfänglich nachkommen, dass zu tiefe Warenwerte deklariert werden, und dass die Bestellungen über elektronische Plattformen erfolgen, die mehrwertsteuerlich nicht in den Verkaufsprozess eingebunden sind.

Onlinehändler sollten ihr Geschäftsmodell prüfen

Diese Schlupflöcher sollen mit der nun eingeführten Plattformbesteuerung geschlossen werden. Als «elektronische Plattform» wird eine elektronische Schnittstelle verstanden, die online direkte Kontakte zwischen mehreren Personen ermöglicht, um eine Lieferung oder eine Dienstleistung zu erbringen. Bei Lieferungen über solche elektronische Plattformen wird mehrwertsteuerlich ein zwischen dem Verkäufer, dem Plattformbetreiber und dem Käufer bestehendes «Dreipersonenverhältnis» fingiert. Gegenüber dem Käufer gilt als Leistungserbringer, wer mit Hilfe der elektronischen Plattform eine Lieferung ermöglicht, indem er Verkäufer mit Käufern zu einem Vertragsabschluss auf der Plattform zusammenbringt. 

Durch das gesetzlich fingierte Dreipersonenverhältnis kommt es beim Verkauf über eine elektronische Plattform aus Sicht der Mehrwertsteuer zu einem Reihengeschäft: Die erste Lieferung erfolgt vom Verkäufer an die Plattformbetreiberin, die zweite Lieferung von der Plattformbetreiberin an den Käufer. Eine mehrwertsteuerliche Zuordnung der zweiten Lieferung setzt voraus, dass (i) es sich um einen Verkauf eines Gegenstandes handelt, (ii) Käufer und Verkäufer von der Plattformbetreiberin auf der Plattform zusammengebracht werden und (iii) der Verkauf über die Plattform abgeschlossen wird. Die zweite, der Plattformbetreiberin zugeordnete Lieferung führt sodann nach Massgabe der üblichen Voraussetzungen zu einer Mehrwertsteuerpflicht. Vorausgesetzt wird damit, dass die Plattformbetreiberin ihren Sitz oder ihre Betriebsstätte im Inland hat oder Leistungen im Inland erbringt, und dass die Plattformbetreiberin innerhalb eines Jahres im In- und Ausland mehr als CHF 100'000 Umsatz mit nicht von der MWST ausgenommenen Leistungen erzielt.

Entgegen dem mehrwertsteuerlich fingierten Dreipersonenverhältnis wird die Lieferung der über die Plattform gekauften Ware tatsächlich aber direkt vom Verkäufer an den Käufer erfolgen. Die damit einhergehenden praktischen Konsequenzen sind nicht zu unterschätzen. So ist beispielsweise der Verkäufer zur Ausstellung der Rechnung verpflichtet, die MWST-Abrechnung hat aber über die elektronische Plattform zu erfolgen. Mitunter wird der Verkäufer die MWST nicht mehr ausweisen und abrechnen dürfen, da die Abrechnung der elektronischen Plattform obliegt. Trotzdem ist der Verkäufer nicht vollständig aus seinen mehrwertsteuerlichen Pflichten entlassen, da er subsidiär für die über die elektronische Plattform abzurechnenden Beträge haftet. Auf der anderen Seite besteht für Käufer das Risiko von Einfuhrverboten, Beschlagnahmung und entschädigungslosen Vernichtung von über elektronische Plattformen bestellten Gegenständen. Immerhin gelangt das im Rahmen der Plattformbesteuerung gesetzlich fingierte Dreipersonenverhältnis nur dann zur Anwendung, wenn die Beteiligung der Plattform ausreichend intensiv ist. Entsprechend sind bestimmte Fälle von der Plattformbesteuerung ausgeschlossen, in denen die Plattform nicht aktiv am Bestellprozess beteiligt ist oder keinen direkten Umsatz aus dem Liefergeschäft erzielt. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen die Plattform lediglich die Zahlungsabwicklung übernimmt, Werbeflächen bereitstellt oder Käufer auf andere Plattformen weiterleitet.

Risiko von Einfuhrverboten, Beschlagnahmung und entschädigungslose Vernichtung

Des Weiteren erhält die ESTV die Befugnis, gegen Versandhandelsunternehmen und Online-Plattformen administrative Massnahmen zu erlassen, die sich zu Unrecht nicht als steuerpflichtig eintragen lassen oder ihre Abrechnungs- und Zahlungspflichten nicht erfüllen, wobei die ESTV als erstes ein Einfuhrverbot für Lieferungen der betreffenden steuerpflichtigen Person verfügen muss.

Darüber hinaus müssen Online-Plattformen in Zukunft Informationen über Unternehmen bereitstellen, die Lieferungen oder Dienstleistungen auf ihren Plattformen anbieten. Diese Auskunftspflicht soll mehr Transparenz schaffen und die Verantwortlichkeit der Plattformen erhöhen.

2.2. Weitere Aspekte

Zusätzlich sind im Rahmen der Plattformbesteuerung folgende Aspekte zu beachten:

  • Die Plattformbesteuerung betrifft nicht nur grenzüberschreitende Warenlieferungen, sondern auch Inlandlieferungen. Warenlieferungen, die über eine Plattform erfolgen, unterliegen dieser Besteuerung, unabhängig davon, ob sie ins Land eingeführt oder innerhalb der Schweiz geliefert werden.
  • Es findet keine Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen sowie zwischen steuerpflichtigen und nichtsteuerpflichtigen Verkäufern statt. Entscheidend ist lediglich, ob der Verkauf über eine elektronische Plattform erfolgt. Dies bedeutet, dass die Plattformbesteuerung auch auf Verkäufe von Consumer-to-Consumer angewendet wird, womit Privatverkäufe steuerpflichtig werden.
  • Die Plattformbesteuerung bezieht sich nur auf Warenlieferungen, bei denen der Empfänger die Befähigung erhält, im eigenen Namen über einen Gegenstand wirtschaftlich zu verfügen. Ausgenommen sind Mietgeschäfte und werkvertragliche Lieferungen sowie alle Dienstleistungen.

Möglichkeit zur jährlichen Abrechnung stellt Vereinfachung dar

3 Weitere Neuerungen

3.1. Steuerermässigung und -ausnahmen

Produkte der Monatshygiene unterliegen neu dem reduzierten Mehrwertsteuersatz.

Neu sind zudem folgende Leistungen von der Mehrwertsteuer ausgenommen:

  • Reiseleistungen: Ausgenommen sind die durch Reisebüros weiterverkauften Reiseleistungen und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen der Reisebüros. Entsprechend sind nur inländische Reisebüros von dieser Neuerung unmittelbar betroffen, da ausländische Reisebüros mangels inländischen Leistungsorts keinen Anknüpfungspunkt haben.
  • Kulturelle Veranstaltungen: Gebühren für die aktive Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen sind ab sofort von der Mehrwertsteuer ausgenommen.
  • Heilbehandlungen: Leistungen der koordinierten Versorgung im Zusammenhang von Heilbehandlungen.
  • Infrastruktur für Belegärzte: Das Bereitstellen von Infrastruktur in Ambulatorien und Tageskliniken.
  • Spitex-Leistungen: Betreuungs- und hauswirtschaftliche Leistungen der privaten Spitex.
  • Personalbereitstellung: Bereitstellung von Personal durch alle nichtgewinnorientierten Organisationen.
  • Anlagegruppen von Anlagestiftungen: Das Anbieten und Verwalten von Anlagegruppen im Rahmen der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG).

3.2. Subventionen

Subventionen sind finanzielle Mittel, die ohne Entgeltcharakter gewährt werden und daher von steuerbaren Leistungsverhältnissen abgegrenzt werden müssen. Ein solches steuerbares Leistungsverhältnis setzt voraus, dass eine Leistung gegen Entgelt erbracht wird und eine innere wirtschaftliche Verknüpfung zwischen Leistung und Entgelt besteht. Bei Subventionen fehlt entweder die Leistung oder die wirtschaftliche Verknüpfung. In den meisten Fällen ist es klar, wer die Mittel bereitstellt und wer sie empfängt. Schwierigkeiten können auftreten, wenn der Leistungsempfänger nicht eindeutig bestimmt werden kann.

Neue Steuerausnahmen und -reduktion sind zu begrüssen

Mit der Teilrevision wird eine Fiktion eingeführt, wonach eine Zahlung des Gemeinwesens als Subvention oder öffentlich-rechtlicher Beitrag gilt und somit kein Leistungsverhältnis vorliegt, wenn die Zahlung explizit so bezeichnet wird. Das bedeutet, dass sich solche Zahlungen ausserhalb des Mehrwertsteuerbereichs befinden, da kein Leistungsaustausch stattfindet und folglich ein sog. Nicht-Entgelt vorliegt. Es wird jedoch klargestellt, dass die steuerbare Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen für den eigenen Bedarf des Gemeinwesens weiterhin vom Leistungsverhältnis betroffen bleibt und daher steuerpflichtig ist.

3.3. Betrugsbekämpfung

3.3.1 Serienkonkurse

Die ESTV ist nun ermächtigt, von den Mitgliedern der Geschäftsführung juristischer Personen Sicherheiten zu verlangen, wenn diese gleichzeitig in den Führungsgremien von mindestens zwei weiteren juristischen Personen tätig waren, die innerhalb kurzer Zeit in Konkurs gefallen sind. Diese Sicherheit dient einerseits dazu, die Steuerschulden des Unternehmens abzudecken und andererseits, um gegen Unternehmen vorzugehen, die wiederholt in Konkurs gehen.

3.3.2 Übertragung von Emissionsrechten, Zertifikaten und ähnlichen Umweltbescheinigungen

Die Übertragung von Emissionsrechten, Zertifikaten und ähnlichen Umweltbescheinigungen war bislang betrugsanfällig, weil beim Erwerb von ausländischen, nicht mehrwertsteuerpflichtigen ausländischen Verkäufern die inländischen Käufer die MWST mittels Bezugsteuer abrechnen mussten. Um solche Missbräuche zu verhindern, wurde eine generelle Bezugsteuerpflicht eingeführt. Diese gilt auch dann, wenn der Erwerb von einem inländischen Verkäufer erfolgt. Dadurch soll eine ordnungsgemässe Besteuerung sichergestellt und die Nutzung dieser Rechte und Bescheinigungen für illegale oder unzulässige Zwecke verhindert werden.

3.4. Vereinfachung der Mehrwertsteuer

Kleinen und mittleren Unternehmen steht nun die Möglichkeit offen, ihre Mehrwertsteuer jährlich abzurechnen, wobei die Wahl dieser Abrechnungsvariante die Verpflichtung zu Ratenzahlungen mit sich bringt. Diese Option bietet erhebliche Vorteile, insbesondere im Hinblick auf die Reduzierung des administrativen Aufwands und die Verbesserung der Liquidität. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie potenziell die Zahl der Zahlungsverzüge reduziert, da die Unternehmen nicht mehr durch eine einmalige hohe Zahlung belastet werden. Beim provisorischen Steuerbezug wird ohne vorherige Mahnung ein Verzugszins fällig, wenn die Zahlung nicht, nur teilweise oder verspätet erfolgt. Dies gilt für alle Arten von provisorischen Steuerbeträgen, egal ob sie in jährlichen, monatlichen, quartals- oder semesterweisen oder anderen Abrechnungen festgelegt sind.

Ausländische Unternehmen, die im Inland steuerpflichtig werden, müssen eine Vertretung benennen, die als Ansprechpartnerin der ESTV fungiert. Neu kann die ESTV die steuerpflichtige Person unter bestimmten Voraussetzungen von dieser Pflicht befreien.

4 Fazit

Unternehmen, die im Onlinehandel tätig sind, sollten die Auswirkungen der Plattformbesteuerung auf ihr Geschäftsmodell genau prüfen und nötigenfalls entsprechende Massnahmen treffen. Leider dürften zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht alle Detailfragen geklärt sein, zumal die Vernehmlassung für die relevante MWST-Branchen-Info betreffend elektronische Plattformen bis zum 10. Dezember 2024 lief. Folglich ist mit laufenden Anpassungen zu rechnen.

Abgesehen davon sind die mit der Teilrevision eingeführten Vereinfachungen, insbesondere die Möglichkeit zu jährlichen Abrechnungen, sowie die neuen Steuerausnahmen und neue -reduktion sehr zu begrüssen, und es empfiehlt sich, davon nach Möglichkeit Gebrauch zu machen.

 

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