Die vom Bundesrat als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie ergriffenen Notfallmass-nahmen zwingen eine Vielzahl von Geschäften, ihre Türen vorübergehend zu schliessen, mit gravierenden Folgen für die betroffenen Unternehmen. Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat eine weitere Regelung im Zusammenhang mit COVID-19 erlassen, um den von den Notfallmassnahmen betroffenen Mietern verlängerte Fristen für die Zahlung fälliger Mietzinsen zu gewähren. Zudem forderte der Bundesrat Mieter und Vermieter auf, sich um gemeinschaftliche Lösungen zu bemühen.

Der Bundesrat hat eine Reihe von Massnahmen ergriffen, um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen. Unter anderem ordnete er die Schliessung einer Vielzahl von Geschäften (Einkaufsläden, Restaurants, Bars usw.) an (Lockdown). Die daraus resultierenden Folgen für die betroffenen Unternehmen sind drastisch und zwingen sie, alle verfügbaren Massnahmen zu ergreifen, um ihren Fortbestand zu sichern. Dazu gehören etwa die Beantragung von Kurz-arbeitsentschädigungen zur Senkung der Personalkosten, die Beantragung von staatlich verbürgten, zinslosen Überbrückungskrediten zur Wiederherstellung der Liquidität und zur Deckung der verbleibenden Fixkosten (wie etwa Mietzinszahlungen) oder die Inanspruchnahme von Zahlungsaufschüben bei Sozialversiche-rungsbeiträgen und Steuern.

Trotz der bemerkenswerten Stützungsmass-nahmen, die der Bundesrat zur kurzfristigen Unterstützung der betroffenen Unternehmen ergriffen hat, ist in Bezug auf Geschäftsmieten eine Kontroverse darüber entstanden, ob die betroffenen Unternehmen das Recht haben, ihre Mietzinszahlungen während des Lockdowns einzustellen oder herabzusetzen.

Als Reaktion auf die anhaltende Kontroverse hat der Bundesrat am vergangenen Freitag eine weitere Notverordnung erlassen, diesmal betreffend die Auswirkungen von COVID-19 auf das Mietund Pachtwesen (COVID-19 Verordnung Miete und Pacht). Gemäss dieser Verordnung

  • bleibt das Zügeln vorläufig unter Einhaltung der Abstands- und Hygienevorschriften des Bundesamts für Gesundheit gestattet;
  • wird die minimale Nachfrist, die der Vermieter bei Nichtbezahlung fälliger Mietzinse oder Nebenkosten anzusetzen hat, bevor er das Mietverhältnis ausserordentlich kündigen kann, von 30 auf 90 Tage (bei Wohn- und Geschäftsmiete) bzw. von 90 auf 120 Tage (bei Pacht) verlängert, sofern der Mieter aufgrund der Massnahmen des Bundesrates zur Bekämpfung von COVID-19 in Zahlungsrückstand geraten ist.

Mit dieser Verordnung unterstützt der Bundesrat betroffene Unternehmen, indem er ihnen de facto einen verlängerten Stillstand gewährt, bevor die Vermieter aufgrund von Zahlungsverzug ausser-ordentlich kündigen können. Die Verordnung verändert hingegen weder die Fälligkeit der Mietzinse und Nebenkosten noch die Verzugszinsen, die bei Zahlungsverzug anfallen. Die Verordnung trat per 28. März 2020 in Kraft und gilt bis 31. Mai 2020. Erfasst werden alle Mietzinse, die zwischen dem 13. März 2020 und dem 31. Mai 2020 fällig werden.

Auch wenn dies noch einer vertieften Analyse bedarf, hat der Bundesrat – beraten durch das Bundesamt für Justiz und das Bundesamt für Wohnungswesen – mit dem Erlass der Verordnung möglicherweise dazu beigetragen, die entstandene Kontroverse zwischen Mieter- und Vermieterverbänden und deren Rechtsexperten hinsichtlich der Mietzinszahlungspflicht während des Lockdowns zu lösen. Dies deshalb, weil die Verordnung gerade keine Herabsetzung oder Erlass von der Mietzinszahlungspflicht anordnet, sondern vielmehr die Rechtsfolgen des Zahlungsverzugs neu regelt und damit konzeptionell weiterhin im Grundsatz von einer Zahlungsverpflichtung der Mieter ausgeht.

Zudem ermahnte der Bundesrat die Vermieter und Mieter, sich um moderate, ausgewogene und für beide Seiten akzeptable Lösungen zu bemühen. Ausgewogene und auf den Einzelfall bezogene Lösungen scheinen in den meisten Fällen für Mieter und Vermieter gleichermassen von vitalem Interesse sein, um eine nachhaltige Fortführung des Mietverhältnisses über die COVID-19-Krise hinaus zu ermöglichen.

Während die COVID-19 Verordnung zur Miete und Pacht nicht direkt materiell-rechtliche Fragen beantwortet, nimmt sie zumindest Druck aus der Debatte und bietet somit Grundlage für vernünftige und einzelfallbezogene Lösungen. Bei der Beurteilung jedes Einzelfalls ist zunächst danach zu fragen, ob im Mietvertrag für die vorliegenden Umstände relevante Bestimmungen enthalten sind, wie etwa Vertragsklauseln betreffend höhere Gewalt (force majeure) oder vollständig umsatzbasierte Mietzinse. Weiter ist in die Beurteilung einzubeziehen, dass nach allgemeinen Grundsätzen des Schweizer Rechts Schadensminderungspflichten bestehen, die negativen Folgen der COVID-19-Pandemie nach Möglichkeit zu begrenzen. Betroffene Unternehmen sind deshalb auch aus mietrechtlicher Perspektive gut beraten, die zumutbaren Massnahmen zur Begrenzung der durch die Krise hervorgerufenen Schäden (wie bspw. die Beantragung von Kurzarbeit oder von staatlich verbürgten Überbrückungskrediten) zu ergreifen.

Ob Mieter tatsächlich einen Anspruch auf Erlass oder Herabsetzung des Mietzinses haben (etwa aufgrund eines Mangels am Mietobjekt oder auf Grundlage der clausula rebus sic stantibus) werden letztlich die Gerichte entscheiden müssen. Da allerdings in nützlicher Frist kaum mit einer gerichtlichen Klärung gerechnet werden darf und es noch Jahre gehen mag, bis eine höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichts zu diesen Fragen vorliegt, werden beide Seiten in zahlreichen Fällen gut beraten sein, schon vorher eine einvernehmliche Lösung zu suchen, um die rechtlichen Unsicherheiten zu beseitigen und eine tragfähige Grundlage für eine nachhaltige Fortführung des Mietverhältnisses zu schaffen.

Unser Real Estate-Team steht gerne bereit, betroffene Parteien bei der Wahl einer geeigneten und auf den Einzelfall angepassten Vorgehensweise zu unterstützen.

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