1. Das Außenwirtschafsrecht als wesentlicher Parameter in M&A-Transaktionen - eine kurze Einleitung 

Das Außenwirtschaftsrecht ist in den letzten Jahren zu einer wesentlichen und frühzeitigen Überlegung in M&A-Transaktionen gereift. Sollte sein Prüfregime anwendbar sein, ist eine enge Abstimmung der Transaktion mit den Vorschriften und dem Timing der außenwirtschaftlichen Regelungen geboten. Denn ein Prüfverfahren kann mehrere Monate dauern. Möchte ein Nicht-EU/Nicht-EFTA Käufer eine deutsche Zielgesellschaft, direkt oder indirekt, erwerben, die im Bereich der kritischen Infrastruktur operiert, sollten die Parteien frühzeitig die notwendigen Schritte abstimmen, um in Einklang mit den außenwirtschaftlichen Vorschriften den M&A-Prozess zu steuern. Dies gilt nun insbesondere wegen des implementierten Vollzugsverbots mit strafrechtlichen Sanktionen. 

2. Verschärfungen des Außenwirtschaftsrechts - das deutsche Prüfregime wird (noch) enger

Am 27. April 2021 beschloss das Bundeskabinett weitere Verschärfungen des Außenwirtschaftsrechts. Danach ist die Eintrittsschwelle in das Prüfverfahren geringer, die Intensität des Prüfverfahrens höher und die Prüffrist länger geworden. Des Weiteren wurden die zu prüfenden Industrien (nochmals) erweitert. Zwar betont der Gesetzgeber, dass Deutschland offen und attraktiv für ausländische Direktinvestitionen bleiben soll, allerdings deuten die Änderungen des Gesetzgebers in eine andere Richtung. Begründet wird dies vor allem damit, dass ein Ausverkauf deutschen Knowhows verhindert und dem Grundsatz der Reziprozität (wie Du mir, so ich Dir") gefolgt werden soll. In der Tat haben in der Vergangenheit viele (potentielle) Transaktionen, gerade mit chinesischen Käufern, große Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen (bspw. Aixtron, KUKA, 50Hertz, Leifeld). Doch nur zwei Transaktionen mündeten bisher in einer Untersagungsverfügung.

3. Die außenwirtschaftlichen Prüfregime: die sektorspezifische und die sektorübergreifende Prüfung

3.1 Überblick

Das Außenwirtschaftsrecht setzt sich vor allem aus dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG") und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV") zusammen; von europäischer Seite kommt die EU-Screening-Verordnung hinzu, die in nationales Gesetz umgesetzt wurde und in erster Linie einen Koordinierungsrahmen schafft, inhaltlich aber kaum wirkt. Während das AWG den groben Rahmen vorgibt, bestimmt die AWV die Details des deutschen außenwirtschaftlichen Prüfregimes. Dieses gliedert sich in eine sektorspezifische und eine sektorübergreifende Prüfung. Verallgemeinert gesprochen schaut die sektorspezifische Prüfung auf Rüstungs- und Verteidigungsgüter, die sektorübergreifende Prüfung auf alle Industrien mit einem Fokus auf die sog. kritische Infrastruktur". Beide Prüfregime nehmen auch indirekte Erwerbe in den Blick, d.h. wenn eine deutsche Gesellschaft nur als Tochter einer nicht-deutschen Gesellschaft miterworben" wird. Auch bei einem Hinzuerwerb weiterer Anteile (sog. Anteilsaufstockung") kann die außenwirtschaftsrechtliche Dimension des Investments (nochmals) überprüft werden. Im Rahmen der Anteilsaufstockung wurden aber lediglich bestimmte gesellschaftsrechtlich relevante Schwellenwerte festgelegt (z.B. Erwerb führt zur Mehrheitsgesellschafterstellung). Zuständig für die Investitionsprüfung  in Deutschland ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi").

3.2 Die sektorspezifische Prüfung der §§ 60 ff. AWV: Verteidigungsgüter"

Die Vorschriften der §§ 60 ff. AWV beziehen sich auf sicherheitssensible Bereiche, wie die Herstellung und Entwicklung von Waffen, Munition oder sonstigem Rüstungsmaterial. Auch im Bereich von Geheimpatenten und -gebrauchsmustern sowie im IT-Sicherheitsbereich findet eine sektorspezifische Prüfung statt. Verteidigungsrelevante Einrichtungen nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) unterfallen ebenfalls dem Anwendungsbereich. Eine Prüfung findet auch statt, wenn nur ein Teil des Unternehmens im sektorspezifischen Prüfbereich operiert (ohne bestimmte Umsatzschwellen). 

Die sektorspezifische Prüfung erfasst jeden ausländischen Erwerb (i.e. Nicht-Deutsch) von mehr als 10 % (Schwellenwert) des in Deutschland ansässigen Unternehmens, der stets durch den Erwerber dem BMWi gemeldet werden muss.

3.3 Die sektorübergreifende Prüfung der §§ 55 ff. AWV: alle Industrien mit einem Fokus auf die kritische Infrastruktur"

Der Anwendungsbereich der sektorübergreifenden Prüfung umfasst grundsätzlich alle Industrien. Er fokussiert sich allerdings auf die kritische Infrastruktur", die in einem Katalog bestimmter Industrien aufgezählt ist. Die 17. Änderungsnovelle fügte diesem Katalog nun weitere 16 sicherheitsrelevante Bereiche der Hoch- und Zukunftstechnologie (z.B. KI-Technologie, Robotertechnik in Hochanforderungsanwendung, Nuklear- und Quantentechnologie, Netztechnologie) hinzu.

Sektorübergreifende Prüfungen sind auf den Erwerb durch Nicht-EU-/Nicht-EFTA-Erwerber anwendbar. Eine Prüfung ist grundsätzlich erst ab einem Erwerb von 25 % der Stimmanteile möglich. In einzelnen Bereichen (z.B. kritische Infrastruktur) kann eine Prüfung schon bei einem Erwerb von 10 % bis 20 % (z.B. Emerging Technologies) der Stimmrechte erfolgen.

Eine generelle Meldepflicht besteht im Bereich sektorübergreifender Prüfungen nicht. Eine Meldung ist nur im Bereich der kritischen Infrastruktur zwingend (§§ 55a Abs. 4 AWV). Im Übrigen kann das BMWi eine Prüfung von Amts wegen einleiten.

3.4 Vergleichende Darstellung

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4. Das erfolgreiche Navigieren durch das außenwirtschaftliche Prüfregime im Rahmen einer M&A-Transaktion

Das Außenwirtschaftsrecht wandelt sich so schnell und tiefgreifend, dass eine umsichtige und koordinierte Prüfung anzuraten ist, wenn sein Prüfregime anwendbar ist. Dabei ist zunächst zu evaluieren, wie kritisch" die Zielgesellschaft für die deutsche Industrie ist. Als Faustformel hat sich gezeigt: Je innovativer und je wertvoller die Zielgesellschaft für die Interessen Deutschlands ist, desto wahrscheinlicher ist eine Prüfung. Das gilt auch, wenn nicht sogar besonders, für den deutschen Mittelstand. Im Fall von Leifeld wurde eindrucksvoll bewiesen, dass es zu einer Untersagung einer Unternehmenstransaktion kommen kann, wenn ein deutscher mittelständischer Betrieb als Marktführer in einer Nischenindustrie weltweit tätig ist, die zudem noch verteidigungsnah ist. Eine rechtlich abgestimmte Koordinierung mit dem BMWi verschafft in solchen Fällen Klarheit und Sicherheit, ob außenwirtschaftliche Probleme zu erwarten sind. Zudem wurde dem Außenwirtschaftsrecht ein Vollzugsverbot für bestimmte Transaktionen bis zur Freigabe hinzugefügt, welches von strafrechtlichen Sanktionen flankiert wird. Daher ist bereits in der Due Diligence zu prüfen, welche Informationen - neben den Einschränkungen des Kartellrechts - ausgetauscht werden dürfen.

5. Zusammenfassung und Ausblick - Qua vadis Außenwirtschaftsrecht?

Die letzte Verschärfung des Außenwirtschaftsrechts durch die 17. Änderungsnovelle wird auch in nächster Zeit nicht die letzte bleiben. Schon seit Jahren lassen Veränderungen der AWV und des AWG das Prüfregime enger werden. Sollte ein Nicht-EU/Nicht-EFTA Käufer eine deutsche Zielgesellschaft im Bereich der kritischen Infrastruktur ins Visier nehmen, stellt das Außenwirtschaftsrecht eine frühzeitige Überlegung im Prozess dar. Es ist dann zu fragen, wie stark das Außenwirtschaftsrecht die Transaktionssicherheit beeinflusst und welche Maßnahmen zur Abstimmung in dieser Hinsicht getroffen werden müssen.

Legislativer Druck kommt auf das Thema von Seiten des nationalen aber auch des europäischen Gesetzgebers. Schon bald wird der europäische Kooperationsmechanismus in der Praxis angekommen sein. Er wird offenlegen, wo weitere Nach- und Verschärfungen angezeigt sein werden. Gleichzeitig wird die Praxis zeigen, wie die (nationale) Verwaltung mit dem neuen Prüfregime umgehen wird. Es wäre zu wünschen, dass - ähnlich wie im Kartellrecht - mehr Transparenz durch Verwaltungsentscheidungen und Rechtsprechung bei den Parametern des Außenwirtschaftsrechts geschaffen wird.

Originally published 9 June 2021.

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