Die beiden aktuellen Entscheidungen T 1989/18 und T 1444/20 könnten Anmeldern dabei helfen, umfangreiche Anpassungen der Beschreibung und die daraus resultierenden Probleme zu vermeiden. Denn gemäß diesen Entscheidungen liefere das EPÜ bereits keine rechtliche Grundlage für das Erfordernis der Änderung der Beschreibung:

1. Hintergrund

Bereits seit Jahren ist es gängige Praxis beim EPA, die Beschreibung vor der Erteilung eines europäischen Patents anzupassen, um sicherzustellen, dass der Gegenstand der gewährten Ansprüche und die Beschreibung konsistent sind. Seit 2021 sind die Anforderungen diesbezüglich deutlich strenger. Die 2021 vorgenommene Aktualisierung der Prüfungsrichtlinien sah vor, dass Ausführungsformen in der Beschreibung, die nicht mehr unter die unabhängigen Ansprüche fallen ... zu streichen [sind], es sei denn, sie können nach vernünftigem Ermessen als zweckmäßig angesehen werden, um bestimmte Aspekte der geänderten Ansprüche hervorzuheben". In einem solchen Fall muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass eine Ausführungsform nicht unter die Ansprüche fällt". Dieser extrem strenge Ansatz wurde in der aktuellen Version der Prüfungsrichtlinien 2022 zwar etwas gelockert. Dennoch reichen die minimalen Änderungen, die noch bis 2021 gängige Praxis waren, nun nicht mehr aus (oft war es ausreichend, die Beschreibung mit Aussagen wie die Erfindung wird durch die Ansprüche definiert" zu ergänzen).

Es ist entscheidend, dass Anmelder leichtfertige Änderungen an der Beschreibung in letzter Minute am Ende des Patenterteilungsverfahrens gründlich überdenken, da diese zu einer Beschränkung des Schutzbereichs führen können. Insbesondere könnte die explizite Angabe, eine Ausführungsform fällt nicht unter die Ansprüche" zu einer Lücke" im Schutzumfang führen, deren Umfang schwer abzuschätzen ist. Um eine solche Lücke" zu vermeiden, sollte eine solche Ausführungsform generell eher aus der Beschreibung gelöscht werden, anstatt anzugeben, dass diese nicht unter die Ansprüche fällt". Insbesondere mit Blick auf eine äquivalente Patentverletzung vor den deutschen Verletzungsgerichten sollte besonders darauf geachtet werden, dass die Beschreibung keine Basis dafür liefert, dass die beanspruchte Erfindung eine Auswahl aus beschriebenen Möglichkeiten ist. Laut der Entscheidung X ZR 76/14 des Bundesgerichtshofs (V-förmige Führungsanordnung", Rn. 27) führt eine solche Auswahl aus mehreren Möglichkeiten, die eine bestimmte technische Wirkung erzielen, in der Regel dazu, dass die nicht beanspruchten Möglichkeiten nicht als Äquivalente angesehen werden können.

Die beiden aktuellen Entscheidungen T 1989/18 und T 1444/20 könnten Anmeldern dabei helfen, umfangreiche Anpassungen der Beschreibung und die daraus resultierenden Probleme gänzlich zu vermeiden. Denn gemäß diesen Entscheidungen liefere das EPÜ bereits keine rechtliche Grundlage für das Erfordernis der Änderung der Beschreibung:

2. T 1989/18

Im Fall T 1989/18 entschied die Beschwerdekammer 3.3.04, dass es keine rechtliche Grundlage für die Anforderung gibt, die Beschreibung müsse mit den Ansprüchen übereinstimmen. Die Prüfungsabteilung hatte eine Anmeldung allein aus dem Grund zurückgewiesen, dass die Beschreibung Ausführungsformen als Teil der Erfindung identifiziert hatte, die laut den Ansprüchen nicht Teil der Erfindung waren. Im Beschwerdeverfahren berücksichtigte die Beschwerdekammer 3.3.04 verschiedene potenzielle Rechtsgrundlagen (Art. 84, Art. 69 EPÜ sowie R. 42(1)(c) und 48(1)(c) EPÜ) für das Erfordernis, die Beschreibung entsprechend anzupassen. Allerdings wurden sie letztendlich allesamt verworfen, sodass die Entscheidung aufgehoben wurde.

Die Beschwerdekammer wies darauf hin, dass Art. 84 EPÜ voraussetzt, dass die Ansprüche klar sind und von der Beschreibung in dem Umfang gestützt werden, dass die Ansprüche keinen Gegenstand beinhalten, der in der Beschreibung keine Grundlage hat (vgl. Entscheidungsgründe, Rn. 4, 5). Allerdings sind nicht beanspruchte Gegenstände in der Beschreibung nicht verboten. Die vorliegenden Ansprüche wurden als in sich klar und durch die Beschreibung gestützt angesehen (vgl. Entscheidungsgründe, Rn. 15). Die Beschwerdekammer befand, dass die Klarheit der Ansprüche nicht davon beeinflusst wurde, dass die Beschreibung einen nicht beanspruchten Gegenstand enthielt.

Bezüglich Art. 69 EPÜ stellte die Beschwerdekammer fest, dass dieser für die Anpassung der Beschreibung irrelevant ist, da er sich eher auf die Anspruchsauslegung bezieht als auf die Definition des Gegenstands, für den Schutz begehrt wird (vgl. Entscheidungsgründe, Rn. 6).

Bezüglich R. 42(1)(c) EPÜ entschied die Beschwerdekammer, dass die von der Prüfungsabteilung beanstandeten Passagen das Verständnis des technischen Problems und seiner Lösung nicht beeinträchtigten, und dass deshalb die Voraussetzungen der R. 42(1)(c) EPÜ erfüllt seien (vgl. Entscheidungsgründe, Rn. 8). Abschließend bemerkte die Beschwerdekammer bezüglich R. 48(1)(c) EPÜ, dass es insgesamt der Zweck von R. 48 EPÜ sei, die Veröffentlichung von Inhalten zu verhindern, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen. Es könnte nicht der Zweck von R. 48(1)(c) EPÜ sein, eine Patentschrift von unnötiger Information freizuhalten, und deshalb könnte R. 48 EPÜ ebenfalls nicht als rechtliche Grundlage für die Zurückweisung dienen (vgl. Entscheidungsgründe, Rn. 10 bis 12).

3. T 1444/20

In dem weiteren Fall T 1444/20 hat die Beschwerdekammer 3.3.01 den Fall betrachtet, ob anspruchsähnliche Abschnitte" (claim-like clauses")aus der Beschreibung entfernt werden müssen. Solche werden der Beschreibung von europäischen Anmeldungen oftmals als anspruchsähnliche Rückfallpositionen hinzugefügt, für die keine Anspruchsgebühren entrichtet werden müssen. Bemerkenswerterweise war es vor der Einführung der Prüfungsrichtlinien 2021 sogar bereits Standard, solche anspruchsähnlichen Abschnitte vor der Erteilung zu entfernen. Allerdings entschied die Beschwerdekammer, dass es keinen Grund dafür gäbe, warum die Existenz des Abschnitts konkrete Ausführungsformen der Erfindung" in der Beschreibung die Klarheit der Ansprüche beeinflussen sollte (vgl. Entscheidungsgründe, Referenz 2.5), da die nummerierten Ausführungsformen nicht mit Ansprüchen verwechselt werden könnten. Es wäre offensichtlich, dass diese Teil des Beschreibungstextes sind und auch nicht als Ansprüche bezeichnet werden (vgl. Entscheidungsgründe, Rn. 2.4). Die Beschwerdekammer kritisierte zudem, dass die Richtlinien inkonsistent seien, da sie einerseits anerkennen, dass anspruchsähnliche Abschnitte Grund für mangelnde Klarheit sein können (aber nicht müssen), aber andererseits erfordern, dass solche anspruchsähnlichen Abschnitte immer entfernt werden müssen (vgl. Entscheidungsgründe, Rn. 2.6).

Die Beschwerdekammer entschied daher, dass, solange die anspruchsähnlichen Abschnitte in der Beschreibung nicht zu einer Unklarheit der Ansprüche führten, Art. 84 EPÜ deren Entfernung nicht rechtfertigen könne.

Zusammenfassung und Ausblick

Die beiden oben genannten Fälle liefern Anmeldern Argumente, um umfangreiche Anpassungen der Beschreibung abzuwehren. Allerdings gibt es einige Fälle, wie die T 1024/18, T 2766/17 und T 2293/18 (die nach der Entscheidung T 1989/18 ergingen), die der Standardargumentation des EPA folgen, wonach Art. 84 EPÜ eine rechtliche Grundlage für das Erfordernis der Beschreibungsanpassung biete. Im Gegensatz zu den Entscheidungen T 1989/18 und T 1444/20, die den niedrigsten Verteilungscode D" erhielten (d. h. die Entscheidungen werden nicht an andere Beschwerdekammern weitergeleitet), erhielten die anderen Entscheidungen den Verteilungscode C" (d. h. sie werden alle an andere Beschwerdekammern weitergeleitet). Das heißt, dass die beiden Entscheidungen T 1989/18, T 1444/20 von den EPA-Prüfern wahrscheinlich als Ausnahmen behandelt werden, und sie wohl weiterhin auf umfangreiche Anpassungen der Beschreibung bestehen werden. Anmelder müssen daher umso aufmerksamer sein, um die Beschreibung so anzupassen, dass damit einhergehende Beschränkungen des Schutzbereichs minimiert werden.

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