Die fatalen wirtschaftlichen Folgen des Shut-down für die Tourismusbranche werfen die Frage nach Rechtsschutz und Entschädigungsansprüchen auf. Immerhin handelt es sich um einen massiven Grundrechtseingriff mit womöglich existenzvernichtenden Folgen. Nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt einer ordentlichen Geschäftsleitung sollten sich betroffene Unternehmen daher mit dieser Thematik jetzt befassen.

Möglicher Entschädigungsanspruch wegen Unrechtmäßigkeit der behördlichen Maßnahmen

Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken sind nicht erlaubt (vgl. beispielhaft § 2 Abs. 2 der Vierten Verordnung zur Bekämpfung des Corona­Virus des Landes Hessen vom 17. März 2020 (GVBl. S. 167), in der am 01.05.2020 in Kraft getretenen Änderungen). Geschäftliche Übernachtungen aber gibt es wegen der eingeschränkten Reisefreiheit und der Kontaktsperre kaum noch. Kann also ein Hotelbetrieb Ansprüche auf Entschädigung der dadurch entstandenen Schäden geltend machen (etwa aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG sowie aus enteignungsgleichem Eingriff)?

Verwaltungsgerichte und Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 07.04.2020, Az. 1 BvR 755/20 zu den bayerischen Allgemeinverfügungen) haben behördliche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie wie das Verbot der Vermietung von Ferienunterkünften zu touristischen Zwecken, Betriebsschließungen und andere Maßnahmen in ersten Eilverfahren für rechtmäßig befunden. In einer Abwägung der zu schützenden Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit einerseits und der Geschäftstätigkeit andererseits sei ersteren Vorrang zu gewähren. In den bisherigen Eilverfahren wurde allerdings nur eine summarische Prüfung vorgenommen. Ob diese Rechtsauffassung in den noch ausstehenden Hauptsacheverfahren bestätigt wird, bleibt folglich noch abzuwarten.

Die Gerichte haben bereits in den Eilverfahren die Rechtmäßigkeit der behördlichen Maßnahmen mit ihrer Befristung begründet. Danach trifft die Behörden bei der Verlängerung oder weiteren Anordnungen der Maßnahmen mit fortschreitender Zeitdauer eine vertiefte Prüf- und Rechtfertigungsverpflichtung, ob diese auch weiterhin notwendig und damit noch verhältnismäßig sind. Zu prüfen ist konkret, ob der Hotelbetrieb nicht doch unter Einhaltung strenger Hygienevorschriften wieder aufgenommen werden kann, ohne die Gesundheit der Allgemeinheit zu gefährden. Damit dürften umfassende Verbote und Quasi-Stilllegungen von Hotels nicht per se dauerhaft zu rechtfertigen und unbegrenzt aufrecht zu erhalten. Entschädigungsansprüche könnten unter diesem Gesichtspunkt begründet sein.

Die kürzlich in Kraft getretenen Lockerungsmaßnahmen, welche bestimmten Wirtschaftszweigen die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs erlauben, könnten zudem als eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung einzustufen sein. Auch solche Ungleichbehandlungen können Entschädigungsansprüche begründen.

Soweit sich eine behördliche Maßnahme als rechtswidrig darstellt, ist das Unternehmen gehalten, sie gerichtlich anzugreifen. Nimmt das Unternehmen den Grundrechtseingriff hingegen hin, kann es später auch keine Entschädigung verlangen. Dies gilt es unbedingt zu beachten.

Ausgleichsanspruch wegen eines Sonderopfers

Selbst wenn sich die behördlich ausgesprochenen Verbote in ihrer derzeitigen Ausgestaltung aus Gründen des Allgemeinwohls als gerechtfertigt erweisen sollten, könnte gleichwohl ein Ausgleichsanspruch aus enteignendem Eingriff oder ein sog. Aufopferungsanspruch bestehen. Derartige Ersatzansprüche sind auf außergewöhnliche Einzelbelastungen beschränkt und berechtigen zu einer Entschädigung, wenn dem Betroffenen durch das behördliche Handeln ein Sonderopfer abverlangt wird.

Ein solches Sonderopfer setzt eine Ungleichbehandlung zwischen dem Betroffenen im Vergleich zu anderen und damit dessen besondere Belastung voraus. Zwar betrifft das behördliche Verbot touristischer Vermietungen das gesamte Hotelgewerbe. Allerdings dürfte argumentiert werden können, dass diesem Wirtschaftszweig im Vergleich zu anderen Sektoren, die mittlerweile wieder öffnen dürfen, ein Sonderopfer abverlangt wird, soweit sich die verschiedenen gewerblichen Tätigkeiten vergleichen lassen.

Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz

Ein Entschädigungsanspruch auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dürfte ausscheiden.

§ 65 Abs. 1 IfSG gewährt zwar Entschädigung für nicht nur unwesentliche Vermögensnachteile, die durch Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten verursacht werden. Mit diesen Maßnahmen sind aber nach überwiegender Ansicht nicht die behördlichen Anordnungen im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie gemeint.
§ 56 Abs. 4 IfSG gewährt einen Entschädigungsanspruch für Betriebsangehörige und damit Individuen, welche ihre berufliche Tätigkeit aufgrund einer Infektion nicht ausüben können und normiert nach derzeit überwiegender Ansicht damit auch keinen Anspruch für das von einer Zwangsmaßnahme betroffene Unternehmen.

Zusammenfassend gilt:

  • Das dauerhafte Verbot der Vermietung von Hotelzimmern zu touristischen Zwecken könnte mit zunehmender Dauer als unverhältnismäßige behördliche Maßnahme einen Entschädigungsanspruch betroffener Unternehmen begründen.
  • Ein Anspruch auf Entschädigung könnte sich zudem aus einer Ungleichbehandlung des Hotelgewerbes gegenüber anderen Wirtschaftszweigen ergeben, die ihren Geschäftsbetrieb inzwischen wieder aufnehmen dürfen.
  • Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach dem IfSG erscheint nicht als überwiegend erfolgsversprechend.

Welche Schritte sollten Sie als betroffenes Unternehmen jetzt einleiten?

Gerade mit Blick auf die für Hotels noch auf unbestimmte Zeit geltenden Anordnungen ist es damit mit zunehmender Wahrscheinlichkeit möglich, dass betroffenen Unternehmen ein Anspruch auf Entschädigung ihrer Umsatzeinbußen zusteht. Sie sollten daher die rechtlichen Voraussetzungen prüfen lassen und bei hinreichender Aussicht auf Erfolg rechtzeitig aktiv werden, um mögliche Schadensersatzansprüche wahren und später durchzusetzen zu können.

Originally published May 05 2020

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