Als Teil des Green Deals der Europäischen Kommission ("EK")1 wurde am 07.06.2021 der mit Spannung erwartete Entwurf der Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2022 ("Leitlinien 2022")2 zur Konsultation veröffentlicht. Die Leitlinien 2022 bilden die Nachfolge zu den Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2012-2020 ("Leitlinien 2012-2020").3 Die Frist zur Einbringung von Stellungnahmen läuft noch bis zum 02.08.2021.

Durch den Erlass von Leitlinien schafft sich die EK selbst einen Regelungskatalog, nach dem sie bei der Prüfung der Vereinbarkeit von staatlichen Beihilfen mit dem Binnenmarkt vorgeht.4 Dementsprechend sind die Leitlinien 2022 eines der Schlüsselinstrumente, um die Erreichung der ambitionierten Dekarbonisierungsziele des jüngst erlassenen "Europäischen Klimagesetzes"5 zu unterstützen.

Wie schon der um den Aspekt des Klimaschutzes erweiterte Titel der Leitlinien 2022 vermuten lässt, liegt der Fokus des Entwurfs auf Beihilfen zur Förderung des Klimaschutzes. Entsprechend werden neue Beihilfekategorien eingeführt (bspw Beihilfen zur Reduktion oder Vermeidung von Treibhausgasen, Beihilfen für saubere Mobilität, Schließungsbeihilfen für Kraftwerke, die Kohle, Torf oder Ölschiefer verbrennen).  Beihilfen zur Förderung der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen bilden nunmehr keine eigene Beihilfekategorie, sondern sind ein Teil der neu geschaffenen Beihilfekategorie zur Reduktion oder Vermeidung von Treibhausgasemissionen.

In der Folge werden die wesentlichen Punkte und Neuerungen der Leitlinien 2022 zur Beihilfengewährung zur Förderung der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen abgebildet.

Es gilt zu beachten, dass es sich bei den Leitlinien 2022 nur um einen Entwurf handelt, der entsprechend der zu erwartenden regen Teilnahme an der öffentlichen Konsultation noch abgeändert werden kann.

1. Öffentliche Konsultation

Noch vor der Anmeldung der Beihilfe bei der Kommission ist nunmehr eine öffentliche Konsultation durch die Mitgliedstaaten durchzuführen. Je nach Beihilfenhöhe variiert die verpflichtend vorgeschriebene Konsultationsdauer und der sachliche Konsultationsumfang.

Eine Ausnahme von diesem Konsultationsprozess ist für Beihilfen mit einer durchschnittlichen Beihilfenhöhe von weniger als 150 Mio EUR pro Jahr vorgesehen, die in einer Ausschreibung gewährt werden und keine Förderung von Investitionen in die Energieerzeugung / Industrieproduktion auf Basis fossiler Brennstoffe beinhalten.

2. Vergabeprozess

Grundsätzlich sollten die Beihilfenvergabe sowie die Ermittlung der Beihilfenhöhe in Form von technologieneutralen Ausschreibungen erfolgen.

Ausnahmen von der technologieneutralen Beihilfenvergabe können durch objektive Erwägungen begründet werden. Falls die Durchführung einer technologieneutralen Beihilfenvergabe ein "suboptimales Ergebnis" befürchten lässt, war schon nach den Leitlinien 2012-2020 eine technologiespezifische Ausschreibung zulässig. Dabei wurden beispielhaft einige Fallkonstellationen aufgezählt, in denen eine technologiespezifische Beihilfenvergabe zulässig war. Die Leitlinien 2022 erweitern diese beispielhaften Fallkonstellationen nunmehr um: (i) spezifische Beihilfen für Demonstrationsprojekte, (ii) Maßnahmen, die neben der Dekarbonisierung auch die Verringerung anderer Umweltverschmutzungen zum Ziel haben, (iii) Maßnahmen, deren Ziel die Erreichung unionsrechtlich vorgeschriebener sektor- oder technologiespezifischer Ziele ist sowie (iv) Fälle, in denen eine technologiespezifische Ausschreibung das gleiche Umweltschutzlevel bei niedrigeren Kosten erreicht und/oder zu einer geringeren Wettbewerbsverzerrung führt.

Es sind weiterhin Ausnahmen von der Beihilfenvergabe sowie Ermittlung der Beihilfenhöhe durch Ausschreibung vorgesehen. Ein Abgehen von der wettbewerblichen Vergabe ist dann zulässig, wenn (i) das potenzielle Angebot nicht ausreicht, um einen Wettbewerb zu gewährleisten und (ii) soweit es sich bei den Beihilfeempfängern lediglich um kleine Vorhaben handelt (ua Stromerzeugungsanlagen / -speicheranlagen mit einer Kapazität von weniger als 400 kW). Damit wurde die Ausnahme für kleine Erzeugungsanlagen von vormals 1 MW nach den Leitlinien 2012‑2020 auf 400 kW reduziert.

Soweit eine Beihilfe nicht durch Ausschreibung vergeben wird, kann die EK eine Einzelanmeldung für Beihilfen vorsehen, die besonders neuartig oder komplex sind oder eine Wettbewerbsverzerrung befürchten lassen. Bei der Beurteilung, welche Maßnahmen "besonders neuartig" und/oder "komplex" sind, kommt der EK ein weiter Ermessensspielraum zu, weil diese Begriffe in den Leitlinien nicht näher konkretisiert werden.

3. Beihilfenform

An die Form der Beihilfe werden nunmehr keine bestimmten Voraussetzungen gestellt. So wird ausgeführt, dass Beihilfen in der Form von vorab gewährten Zuschüssen oder laufenden Beihilfezahlungen gewährt werden dürfen. Als explizit zulässige Beihilfenform werden Differenzverträge (Contracts for Difference – " CfD") genannt. CfD berechtigen den jeweiligen Begünstigten zu einer Zahlung in der Höhe der Differenz zwischen einem festen Ausübungspreis und einem Referenzpreis. Soweit der Referenzpreis an den Emissionszertifikatspreis gebunden ist, spricht man von Carbon-CfD.

Wie auch schon nach den Leitlinien 2012-2020 soll die Beihilfe nicht dazu führen, dass der Anreiz für einen effizienten Betrieb der Anlage anhand von Preissignalen vermindert wird. Dahingehend sollte die Beihilfe vor allem nicht dazu führen, dass Anreize für eine Vermarktung unterhalb der Grenzkosten geschaffen werden. Die Beihilfe sollte auch nicht bei negativen Preisen gewährt werden.

4. Evaluierung

Wie bisher kann bei der Genehmigung von Beihilferegelungen die Durchführung einer  ex post-Evaluierung aufgetragen werden. Im Rahmen der Evaluation soll abgeklärt werden, ob die Annahmen und Voraussetzungen, unter denen eine Beihilferegelung genehmigt wurde, zutreffen.

Eine solche Evaluierung ist bei Beihilferegelungen mit hoher Mittelausstattung, neuartigen Merkmalen oder mit der Beihilferegelung einhergehenden wesentlichen marktbezogenen, technischen oder rechtlichen Veränderungen verpflichtend. Aufgrund des offenen Wortlauts besteht hier ein weiter Ermessensspielraum der EK.

Neu ist dabei, dass zwei Erheblichkeitsschwellen festgelegt werden, bei deren Überschreitung in jedem Fall die Durchführung einer ex post-Evaluierung verpflichtend ist: (i) die Mittelausstattung oder verbuchten Ausgaben überschreiten in einem Jahr 150 Mio EUR oder (ii) 750 Mio EUR in der Gesamtlaufzeit der Beihilferegelungen.

5. Anwendbarkeit und Übergangsfrist

Der Entwurf sieht vor, dass die Leitlinien 2022 ab 01.01.2022 anwendbar sind. Die Mitgliedstaaten müssen bis 31.12.2023 sicherstellen, dass ihre bestehenden Umweltschutz- und Energiebeihilferegelungen den Voraussetzungen der Leitlinien 2022 genügen.

Footnotes

Europäische Kommission, Mitteilung: Der europäische Grüne Deal, COM(2019) 640 final.

2  Verordnung (EU) 2021/1119 zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität, ABl L 2021/234, 1.

3  Abrufbar unter

4  Lülsdorf in Theobald/Kühling, § 55 EEG 2014 (2021) Rz 7.

5 Abrufbar unter

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