Rechtsprechung des EuGH
EuGH 12.09.2024, C-17/22 ua, HTB Neunte Immobilien (Gesellschaftsrecht, Rechtsgrundlagen, vertragliche Verpflichtung, berechtigte Interessen)
EuGH Schlussanträge 12.09.2024, C-203/22, Dun & Bradstreet (automatisierte Entscheidung, Bonität, Auskunft)
EuGH Schlussanträge 12.09.2024, C-383/23, ILVA (Geldbuße, Unternehmensbegriff, Verhältnismäßigkeit)
EuGH Schlussanträge 12.09.2024, C-247/23, Deldits (Transgender, Berichtigung, Register)
Rechtsprechung des BVwG
BVwG 21.08.2024, W176 2281424-1 (Exekution, justizielle Tätigkeit, Zustellung)
BVwG 19.08.2024, W108 2286821-1 (Altstoffsammelzentrum, Interessenabwägung)
BVwG 08.08.2024, W282 2289350-1 (TKG, Werbeemail, Geldstrafe)
BVwG 17.05.2024, G305 2282006-1 (AMS)
Vorschau EuGH-Rechtsprechung
To the Point:
Rechtsprechung des EuGH
EuGH 12.09.2024, C-17/22 ua, HTB Neunte Immobilien
Gesellschaftsrecht, Rechtsgrundlagen, vertragliche Verpflichtung, berechtigte Interessen
- Mehrere an einem als Publikumspersonengesellschaft
organisierten Investmentfonds beteiligte Investmentgesellschaften
verlangten von zwei treuhänderischen
Beteiligungsgesellschaften Auskunft über Namen und Adressen
aller ihrer mittelbar beteiligten Mitgesellschafter. Die
Investmentgesellschaften verlangten diese Auskunft, um mit den
anderen Gesellschaftern Kontakt aufnehmen und über den Abkauf
ihrer Gesellschaftsanteile in Verhandlungen treten zu können.
Die Beteiligungsgesellschaften lehnten die Auskunft ab, weil im
Beteiligungsvertrag die Auskunftserteilung ausgeschlossen wurde.
Das vorlegende Gericht fragte den EuGH, ob die Auskunft auf die
Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung iSd Art 6
Abs 1 lit b DSGVO oder auf das berechtigte Interesse iSd
Art 6 Abs 1 lit f DSGVO gestützt werden
kann.
Der EuGH hat erwogen: Eine Datenverarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags dann erforderlich, wenn der Verantwortliche nachweisen kann, dass der Hauptgegenstand des Vertrags ohne die betreffende Verarbeitung nicht erfüllt werden kann. Die Daten müssen zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags wesentlich sein. Für die Verarbeitung der Daten darf keine praktikable und weniger einschneidende Alternative bestehen. Wenn in Beteiligungs- und Treuhandverträgen die Weitergabe von Daten anderer Gesellschafter ausdrücklich ausgeschlossen ist, ist eine Weitergabe der Daten für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich. Die Datenübermittlung kann daher nicht auf die Vertragserfüllung gestützt werden.
Bei der im Einzelfall durchzuführenden Interessenabwägung nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO ist das Interesse eines an dem Investmentfonds beteiligten Gesellschafters am Erhalt der Daten den Interessen anderer Gesellschafter an der Geheimhaltung ihrer Daten gegenüberzustellen. Ein Interesse der an einem Investmentfonds beteiligten Gesellschafter an einer Kontaktaufnahme wegen des Erwerbs ihrer Anteile kann nicht ausgeschlossen werden. Eine Verarbeitung der Daten im berechtigten Interesse muss jedoch zum Zeitpunkt der Erhebung der Daten erwartbar sein und darf für den Betroffenen nicht überraschend erfolgen. Ist die Weitergabe von Daten an andere Gesellschafter in einem Vertrag ausdrücklich ausgeschlossen, können die Gesellschafter nicht damit rechnen, von anderen Gesellschaftern kontaktiert zu werden.
Eine Datenverarbeitung gestützt auf Art 6 Abs 1 lit c DSGVO ist dann gerechtfertigt, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche gemäß dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats unterliegt. Das Recht des Mitgliedstaats kann dabei auch die nationale Rechtsprechung umfassen. Die Rechtsprechung muss aber klar, präzise formuliert und für die Rechtsunterworfenen vorhersehbar sein und ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen, zu dem sie in einem angemessenen Verhältnis steht.
EuGH Schlussanträge 12.09.2024, C‑203/22, Dun & Bradstreet
Automatisierte Entscheidung, Bonität, Auskunft
- Einer Betroffenen wurde von einem Mobilfunkanbieter wegen
mangelnder Bonität der Abschluss bzw die Verlängerung
eines Mobilfunkvertrags verweigert. Die Bonitätsdaten wurden
dem Mobilfunkanbieter von einer Bonitätsauskunftei zur
Verfügung gestellt, die die Bonitätsbeurteilung
automatisiert durchgeführt hat. Die DSB gab dem Antrag der
Betroffenen auf Erteilung relevanter Informationen über die
der automatisierten Entscheidungsfindung zugrunde liegende Logik
statt. Das BVwG bestätigte teilweise die Entscheidung der DSB
und stellte fest, dass das Auskunftsrecht der Betroffenen
gemäß Art 15 Abs 1 lit h DSGVO verletzt
wurde, weil ihr keine aussagekräftigen Informationen über
die bei der automatisierten Entscheidungsfindung in Bezug auf ihre
personenbezogenen Daten involvierte Logik zur Verfügung
gestellt wurde. Die Betroffene beantragte beim Magistrat der Stadt
Wien die Zwangsvollstreckung dieser Entscheidung, die abgelehnt
wurde. Nach Einlegen eines Rechtsbehelfs beim LVwG Wien ersuchte
dieses den EuGH um Vorabentscheidung.
Der Generalanwalt hat erwogen: Das Auskunftsrecht des Art 15 Abs 1 lit h DSGVO muss es der Betroffenen ermöglichen, ihre Rechte aus Art 22 DSGVO wahrzunehmen, die sich speziell auf eine Situation beziehen, in welcher die Betroffene einer auf einer automatisierten Verarbeitung beruhenden Entscheidung unterworfen wird. Die Aussagekraft von Informationen setzt voraus, dass diese Informationen präzise, leicht zugänglich, verständlich sowie in klarer und einfacher Sprache abgefasst sind. Zudem müssen sie hinreichend vollständig und kontextbezogen sein, um es der Betroffenen zu ermöglichen, ihre Richtigkeit sowie das Bestehen einer objektiv nachprüfbaren Übereinstimmung und eines objektiv nachprüfbaren Kausalzusammenhangs zwischen einerseits der verwendeten Methode und den herangezogenen Kriterien und andererseits dem Ergebnis der fraglichen automatisierten Entscheidung zu überprüfen.
Grundsätzlich muss der – naturgemäß technische – Prozess, der zu dieser Entscheidung geführt hat, verständlich gemacht werden. Der Verantwortliche ist aber nicht verpflichtet, Informationen offenzulegen, die aufgrund ihrer technischen Natur einen solchen Komplexitätsgrad aufweisen, dass sie von Personen ohne besondere technische Fachkenntnisse nicht nachvollzogen werden können. Dies gilt etwa für Algorithmen, die im Rahmen einer automatisierten Entscheidungsfindung eingesetzt werden. Der betroffenen Person sind Informationen über den Entscheidungsprozess, über die Gründe für das Ergebnis dieser Entscheidung und damit über die verwendete Methode und die berücksichtigten Kriterien sowie deren Gewichtung bereitzustellen, nicht aber die verwendeten Algorithmen ausführlich zu erläutern oder der gesamte Algorithmus offenzulegen.
EuGH Schlussanträge, C-383/23 12.09.2024, ILVA (Amende pour violation du RGPD)
Geldbuße, Unternehmensbegriff, Verhältnismäßigkeit
- Über die dänische Möbelhauskette ILVA, ein
Tochterunternehmen der übergeordneten Lars Larsen Group,
verhängte das Bezirksgericht Aarhus infolge einer Verletzung
der DSGVO eine Geldbuße. Gegen diese Entscheidung legte die
Staatsanwaltschaft Berufung an das vorlegende Gericht ein und
vertrat die Ansicht, dass für die Berechnung der
Geldbuße nicht nur der Umsatz des Tochterunternehmens ILVA,
sondern der Gesamtumsatz der Lars Larsen Unternehmensgruppe zu
berücksichtigen sei. Das vorlegende Gericht fragte nach der
Auslegung des Begriffs "Unternehmen" iSd Art 83
Abs 5 DSGVO.
Der Generalanwalt hat erwogen: Bei der Verhängung von Geldbußen nach der DSGVO sind die wesentlichen Garantien eines Strafverfahrens einzuhalten. Aus der Rechtsprechung des EuGH lässt sich ableiten, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer der fundamentalen Grundsätze des Unionsrechts ist und bei dessen Anwendung vor nationalen Gerichten und Behörden beachtet werden muss. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, die zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet sind und nicht über das hinausgehen, was für die Zielerreichung erforderlich ist.
Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht klar hervor, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erstens erfordert, dass die verhängte Strafe der Schwere der Straftat entspricht, und zweitens, dass bei der Festsetzung der Strafe und der Höhe der Geldbuße die individuellen Umstände des konkreten Falls berücksichtigt werden. Nach der Rechtsprechung des EGMR haben die Mitgliedsstaaten die Pflicht, sicherzustellen, dass die verhängte Strafe nicht überschießend – und somit unverhältnismäßig – ist.
Bei der Festsetzung des Höchstbetrags einer Geldbuße soll der Begriff "Unternehmen" den Art 101 und 102 AEUV entsprechen. Daher wird der weltweite Gesamtjahresumsatz des Unternehmens berücksichtigt, zu dem der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter gehört.
Bei der Bestimmung der tatsächlich zu verhängenden Geldbuße muss das nationale Gericht jedoch die speziellen Umstände zur Entscheidungsfindung berücksichtigen und sicherstellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird, wobei ein angemessener Ausgleich zwischen den Erfordernissen des allgemeinen Interesses der Gemeinschaft am Schutz personenbezogener Daten und den Erfordernissen des Schutzes der Grundrechte des Verantwortlichen, des Auftragsverarbeiters oder des Unternehmens, zu dem dieser gehört, hergestellt wird.
EuGH Schlussanträge 12.09.2024, C-247/23, Deldits
Transgender, Berichtigung, Register
- Ein Transgender-Mann mit iranischer Staatsangehörigkeit,
der als "Frau" geboren wurde, erhielt in Ungarn die
Flüchtlingseigenschaft. Die Fremdenpolizei nahm
personenbezogene Daten, einschließlich des Geschlechts
(weiblich), in das Flüchtlingsregister auf. Der
Transgender-Mann beantragte unter Vorlage von Bescheinigungen von
Psychiatern und Gynäkologen die Berichtigung des Registers
gemäß Art 16 DSGVO, was abgelehnt wurde, weil keine
geschlechtsangleichende Operation nachgewiesen wurde. Über die
daraufhin erhobene Klage des Transgender-Mannes, fragte das
vorlegende Gericht den EuGH, ob die Stelle, die ein nationales
Register führt, die Daten einer Betroffenen zu berichtigten
hat, wenn sich deren Daten, seit deren Eintragung ins Register
geändert haben und bejahendenfalls, welche Nachweise die
Betroffene zu erbringen hat.
Der Generalanwalt hat erwogen: Art 5 Abs 1 lit d DSGVO verlangt, dass personenbezogene Daten sachlich richtig und auf dem neuesten Stand sein müssen. Art 16 DSGVO gibt der betroffenen Person das Recht, die Berichtigung unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen. Die Eintragung des Geschlechts als "weiblich" ist unrichtig, weil sich die Person als Transgender-Mann identifiziert und entsprechende Nachweise vorgelegt hat. Art 8 Abs 2 der EU-Grundrechtecharta garantiert das Recht auf Berichtigung der Daten, Art 16 DSGVO spiegelt dieses Recht wider und trägt zur Einhaltung des Grundsatzes der Richtigkeit bei. Die Richtigkeit der Daten hängt vom Kontext und dem Zweck der Datenerhebung ab.
Das Flüchtlingsregister dient der Identifizierung, und das Geschlecht gehört zu den Identifikationsdaten natürlicher Personen. Art 16 DSGVO verlangt nicht, dass eine Person eine geschlechtsangleichende Operation nachweist, um die Berichtigung ihrer Daten zu beantragen. Der EGMR verurteilt die Auferlegung eines solchen Erfordernisses, weil es die vollständige Ausübung des Rechts auf Achtung des Privatlebens von der Aufgabe des Rechts auf körperliche Unversehrtheit abhängig macht. Eine Betroffene, die die Berichtigung von Daten beantragt, muss zwar Nachweise vorlegen, um die Unrichtigkeit einer fehlerhaften Eintragung nachzuweisen, aber sie muss nicht nachweisen, dass sie sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen hat.
Rechtsprechung des BVwG
BVwG 21.08.2024, W176 2281424-1
Exekution, justizielle Tätigkeit, Zustellung
- Der Schuldner eines Exekutionsverfahrens beantragte beim
Bezirksgericht die Aufschiebung der Exekution und eine Zustellung
in kroatischer Sprache. Zudem gab er dem Gericht bekannt, einen
sechswöchigen Rehabilitationsaufenthalt anzutreten und
beantragte, dass in diesem Zeitraum keine Zustellungen verfügt
werden mögen. Das Bezirksgericht lehnte den
Aufschiebungsantrag mit Beschluss ab und trug dem Schuldner auf,
für die Dauer seines Rehabilitationsaufenthalts eine
zustellfähige Adresse bekanntzugeben, widrigenfalls eine
Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch erfolgen
werde.
Dieser Aufforderung des Gerichts kam der Schuldner nicht nach. Daher stellte die zuständige Richterin des Exekutionsverfahrens ein Ersuchen an den zuständigen Rechtsträger um Bekanntgabe, in welcher Einrichtung sich der Schuldner befinde. Nachdem der Rechtsträger dem Ersuchen nachkam, wurden die Unterlagen des Exekutionsverfahrens dem Schuldner zugestellt. Dieser sah sich dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt und brachte eine Datenschutzbeschwerde bei der DSB gegen das Bezirksgericht ein.
Das Bezirksgericht brachte in seiner Stellungnahme vor, im Rahmen seiner justiziellen Tätigkeit agiert zu haben, weshalb die DSB gemäß Art 55 Abs 3 DSGVO unzuständig sei. Die DSB führte in ihrem Bescheid aus, grundsätzlich für die Datenschutzbeschwerde zuständig zu sein. Es handle sich nämlich um keine justizielle Tätigkeit iSd Art 55 Abs 3 DSGVO, sondern lediglich um die Vollstreckung des Exekutionstitels durch Zwangsmittel. Die Datenschutzbeschwerde sei jedoch abzuweisen, weil das Bezirksgericht gemäß § 8 Abs 2 ZustG berechtigt war, den Aufenthaltsort des Schuldners zu ermitteln. Die Bescheidbeschwerde des Schuldners wurde vom BVwG abgewiesen und das BVwG änderte den Spruch des Bescheids dahingehend ab, dass die Datenschutzbeschwerde zurückgewiesen wird.
Das BVwG hat erwogen: Der Vollzug der Exekution ist eine justizielle Tätigkeit, weil dabei weiterhin die richterliche Unabhängigkeit zu wahren ist. Zudem wird der Vollzug der Exekution nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung im Auftrag und unter der Leitung des Gerichts durchgeführt. Die Zustellung von Schriftstücken in einem Exekutionsverfahren ist ebenso eine justizielle Tätigkeit iSd Art 55 Abs 3 DSGVO.
Die DSB war sohin zur Prüfung der Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch das Bezirksgericht unzuständig. Die Unzuständigkeit der DSB ist gemäß § 27 VwGVG vom BVwG von Amts wegen aufzugreifen, unabhängig davon, ob dies in der Bescheidbeschwerde eingewendet wird oder nicht. Bei einer Unzuständigkeit der Behörde haben die Verwaltungsgerichte den Bescheid grundsätzlich ersatzlos zu beheben. Infolge des ersatzlosen Behebens darf die Behörde über den gleichen Gegenstand nicht erneut entscheiden. Da dem Bescheid der DSB jedoch ein Parteiantrag zugrunde liegt, ist eine kassatorische Entscheidung nicht zulässig. Daher war die Datenschutzbeschwerde des Schuldners durch das BVwG zurückzuweisen.
BVwG 19.08.2024, W108 2286821-1
Altstoffsammelzentrum, Interessenabwägung
- Ein Abfallbesitzer fuhr in ein Altstoffsammelzentrum (ASZ), um
dort einen Sack mit künstlichen Mineralfasern und
Verpackungsmaterial zu entsorgen. Ein Mitarbeiter des ASZ machte
den Abfallbesitzer darauf aufmerksam, dass – mit Ausnahme von
Verpackungsmaterial – nur die Bewohner einer bestimmten Stadt
ihren Müll in diesem ASZ entsorgen dürfen. Nachdem der
Abfallbesitzer dies ignorierte und den Sack mit künstlichen
Mineralfasern im ASZ liegen ließ, erhielt er per Post eine
Rechnung für seine Abfallentsorgung, die seiner Meinung nach
zu hoch war.
Der Abfallbesitzer brachte Datenschutzbeschwerde ein, weil das ASZ seines Erachtens die Zulassungsdaten des von ihm gelenkten Pkw für die Zusendung der Rechnung nicht hätte erheben dürfen. Das ASZ führte in seiner Stellungnahme aus, es sei bereits in der Einfahrt klar erkennbar gewesen, dass der Abfallbesitzer keine Berechtigung zur Müllentsorgung in dem ASZ hatte. Die Kosten seien angemessen, weil die Entsorgung gefährlicher Abfälle erhebliche Kosten verursacht. Gegen den abweisenden Bescheid der DSB brachte der Abfallbesitzer eine (erfolglose) Bescheidbeschwerde ein.
Das BVwG hat erwogen: Die Erhebung der Zulassungsdaten des vom Abfallbesitzer gelenkten Fahrzeugs ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten. Das ASZ ist als Verantwortlicher iSd Art 4 Z 7 DSGVO zu qualifizieren. Das Grundrecht auf Datenschutz umfasst auch den Schutz vor der Ermittlung und Weitergabe personenbezogener Daten. Die Ausforschung des Zulassungsbesitzers durch ein Ersuchen an die Bezirkshauptmannschaft berührt daher jedenfalls das Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 DSG.
Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist gemäß Art 6 Abs 1 lit f DSGVO rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist und die Interessen oder Grundrechte der Betroffenen nicht überwiegen. Das ASZ hat ein berechtigtes Interesse an der Erhebung der Daten, um die entstandenen Kosten für die unrechtmäßige Abfallentsorgung weiterverrechnen zu können. Der Abfallbesitzer hat den Sack Mineralwolle trotz Hinweis des Mitarbeiters, dass dies nur für Bürger der Stadt erlaubt sei, im ASZ zurückgelassen. Dadurch sind ein erheblicher Aufwand und Kosten für die ordnungsgemäße Entsorgung entstanden, zumal es sich um Abfall einer gefährlichen Art handelte. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Abfallbesitzers war erforderlich, um die Forderung gegen ihn zu betreiben. Es gab keine alternativen Mittel zur Ermittlung der benötigten Daten.
Die erhobenen Daten waren weder sensible noch strafrechtlich relevante Daten. Der Abfallbesitzer musste mit einer Verarbeitung seiner Daten rechnen, weil er den Abfall unerlaubterweise zurückgelassen hat. Die berechtigten Interessen des ASZ überwogen daher die Interessen des Abfallbesitzers an der Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten. Die Verarbeitung war auch verhältnismäßig und auf das notwendige Maß beschränkt.
Überdies kann sich das ASZ auf Art 6 Abs 1 lit e DSGVO stützen, weil es gemäß § 8 der Abfallordnung der Stadt, die aufgrund des § 6 Oö Abfallwirtschaftsgesetzes 2009 erlassen wurde, im öffentlichen Interesse handelt und eine gesetzliche Aufgabe erfüllt. Im Zusammenhang mit dieser Aufgabe ist das ASZ jedenfalls berechtigt, personenbezogene Daten zu erheben und zu verarbeiten, wenn etwa unzulässigerweise gefährlicher Abfall hinterlassen wird.
Aus der weiteren Rechtsprechung des BVwG:
- Beim Versand einer unerbetenen
Werbeemail kommt keine Ermahnung in Betracht, denn
die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts ist in
Ansehung des Strafrahmens iHv bis zu EUR 50.000 nicht als
gering zu betrachten. Wurde aufgrund der Werbeemail eine Anzeige
erstattet, kann auch von keiner völlig unerheblichen
Störung ausgegangen werden, weil der Empfänger beim
Ausbleiben der Störung keine Anzeige erstattet hätte (
BVwG 08.08.2024, W282 2289350-1).
- Setzt ein Arbeitsloser keine Bemühungen zum Erlangen einer ihm zugewiesenen konkreten Arbeitsstelle, sind datenschutzrechtliche Einwände nicht geeignet, um das Unterlassen der Bewerbung zu rechtfertigen ( BVwG 17.05.2024, G305 2282006-1).
Vorschau EuGH-Rechtsprechung
- Am 26.09.2024 wird das Urteil in der
Rs
C-768/21, Land Hessen (Obligation d'agir de
l'autorité de protection des données),
veröffentlicht. Der EuGH wird entscheiden, ob eine
Aufsichtsbehörde, wenn sie eine Datenschutzverletzung
feststellt, ihre Aufsichtsbefugnisse auszuüben hat. Anm:
Die Zusammenfassung der Schlussanträge kann in der 15.
Ausgabe des Schönherr Datenschutzmonitors vom
17.04.2024 nachgelesen werden.
- Am 04.10.2024 wird das Urteil in der
Rs
C-446/21, Schrems (Communication de données au
grand public), veröffentlicht. Der EuGH wird Fragen
des OGH zu verhaltensorientierter Online-Werbung
beantworten. Anm: Die Zusammenfassung der Schlussanträge
kann in der 17.
Ausgabe des Schönherr Datenschutzmonitors vom
03.05.2024 nachgelesen werden.
- Am 04.10.2024 wird das Urteil in der
Rs
C-21/23, Lindenapotheke, veröffentlicht. Der
EuGH wird Fragen zur Klagebefugnis von Mitbewerbern und zu
Gesundheitsdaten beantworten. Anm: Die Zusammenfassung der
Schlussanträge kann in der 17.
Ausgabe des Schönherr Datenschutzmonitors vom
03.05.2024 nachgelesen werden.
- Am 04.10.2024 wird das Urteil in der
Rs
C-200/23, Agentsia po vpisvaniyata,
veröffentlicht. Geklärt wird die datenschutzrechtliche
Verantwortung eines Handelsregisters. Anm: Die Zusammenfassung
der Schlussanträge kann in der 22.
Ausgabe des Schönherr Datenschutzmonitors vom
05.06.2024 nachgelesen werden.
- Am 04.10.2024 wird das Urteil in der
Rs
C-621/22, Koninklijke Nederlandse Lawn
Tennisbond, veröffentlicht. Der EuGH wird den Begriff
"berechtigte Interessen" auslegen. Anm: Dem Urteil
sind keine Schlussanträge vorausgegangen.
- Am 04.10.2024 wird das Urteil in der
Rs
C-507/23, Patērētāju tiesību
aizsardzības centrs, veröffentlicht. Der EuGH
wird die Frage beantworten, ob es ausreichend sein kann, sich
für einen verursachten immateriellen Schaden zu
entschuldigen. Anm: Dem Urteil sind keine Schlussanträge
vorausgegangen.
- Am 17.10.2024 wird das Urteil in der Rs C-302/23, Jarocki, verkündet. Der EuGH wird sich mit der eIDAS-Verordnung auseinandersetzen. Anm: Dem Urteil sind keine Schlussanträge vorausgegangen.
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