Mit einer Entscheidung Ende des letzten Jahres zu Raumordnungsverträgen in Tirol stärkte der OGH den Gemeinden bei der Vertragsgestaltung den Rücke und traf sehr spannende über die Grenzen Tirols hinausreichende allgemeine Aussagen zu Raumordnungsverträgen und den desbezüglichen Gestaltungsmöglichkeiten insbesondere im Zusammenhang mit dem Ziel nach leistbarem Wohnen.
Ausgangslage
Mit der Entscheidung vom 19.11.2024 zu 1 Ob 57/24z beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof grundlegend mit dem Thema Raumordnungsverträgen und der Zulässigkeit von bestimmten Vertragsklauseln. Den Ausgangsrechtsstreit bildet ein zwischen einer Tiroler Gemeinde (Beklagte) und einem Bauträger (Kläger) geschlossener Raumordnungsvertrag. Die Streitparteien vereinbarten darin, dass die Beklagte für die Errichtung einer Wohnanlage das klägerische Grundstück von Freiland zu Wohngebiet umwidme, wogegen die Veräußerung aller entstehenden Einheiten nur zu den Bedingungen der Tiroler Wohnbauförderung erfolgen dürfe und das Vergaberecht nur der Beklagten zukomme. Nach Fertigstellung des Wohnhauses klagte der Bauträger auf Nichtigerklärung des Vertrages, Löschung der Vorkaufsrechte und Feststellung der Gemeinde für den Vermögensschaden.
Das Erstgericht wies die Klage ab, die Instanz gab der Berufung keine Folge. Der OGH gab der ordentlichen Revision zwar keine Folge, nutzte aber die Gelegenheit grundlegende Aussagen zu den Raumordnungsverträgen zutreffen.
Definition, Handlungsform und Zulässigkeit
Mangels Legaldefinition definiert der OGH die Raumordnungsverträge zunächst als zivilrechtliche Verträge, die zwischen der öffentlichen Hand und Privaten im Zusammenhang mit der Änderung von Flächenwidmungs- und/oder Bebauungsplänen abgeschlossen werden".
Im Zuge dessen wird auch klargestellt, dass im Rahmen derartiger Verträge öffentliche Aufgaben mit privatrechtlichen Mitteln erfüllt werden und insofern als Akte der Privatwirtschaftsverwaltung zu qualifizieren sind. Die Grenzen dieses privatwirtschaftlichen Handelns finden sich zum einen in der Fiskalgeltung der Grundrechte, zum anderen dort wo der Gesetzgeber zu erkennen gibt, dass eine hoheitliche Gestaltung zwingend ist. Aufgrund des Aufeinandertreffens öffentlicher Interessen und grundrechtlich geschützter Rechtspositionen des Einzelnen ist bei solchen Raumordnungsverträgen auch das Sittenwidrigkeitskorrektiv nach § 879 ABGB zu beachten.
Im Hinblick auf die Zulässigkeit von Raumordnungsverträgen verweist der OGH auf die bestehende Judikatur des VfGH: Demnach unzulässig - weil verfassungswidrig - ist die zwingende (gesetzliche) Verknüpfung zwischen hoheitlichen Maßnahmen in Verordnungsform (Planverordnungen) und privatrechtlichen Verträgen (obligatorische Raumordnung"). Dies gilt jedoch nur, wenn diese zwingende Verknüpfung die einzige Voraussetzung für die Umwidmung zu Bauland darstellt (sogenanntes Kopplungsverbot). Verträge, die der Umsetzung von öffentlichen Interessen der Raumordnung dienen, können jedenfalls eine Grundlage für die Erlassung oder Änderung von Planverordnungen sein (fakultative Raumordnung").
Offen lies der OGH die Auswirkungen der mit 15.07.2024 in Kraft getretene Novellierung des Art 15 Abs 5 B-VG und die Frage, ob durch diese neue dezidierte verfassungsrechtliche Grundlage Raumordnungsverträge in weiterem Umfang (Entfall des Koppelungsverbots") als nach bisheriger Rechtslage zulässig wurden.
Zivilrechtliche Aspekte im Allgemeinen
Für die Beurteilung, ob ein Raumordnungsvertrag mit Gesamt- oder Teilnichtigkeit behaftet ist, sind die bereits bestehenden allgemeinen Regeln heranzuziehen. Daher ist primär auf den Zweck des Verbots abzustellen, ob Gesamtnichtigkeit oder die Restgültigkeit des übrigen Vertrags anzunehmen ist. Verhält sich der Verbotszweck in diesem Zusammenhang neutral, ist auf den hypothetischen Parteiwillen abzustellen. Bestehen auch dann noch Zweifel, ist von der Restgültigkeit des übrigen Vertrags auszugehen.
Ein vertraglich vereinbarter Anfechtungsverzicht wegen Irrtum, List, Zwang oder ähnlicher Rechtsinstitute ist - wie auch sonst bei zivilrechtlichen Verträgen – unwirksam. Wird ein derartiger Verzicht dennoch vereinbart, so führt dies aufgrund des Ergebnisses der durchzuführenden Normzweckprüfung nur zur Teilnichtigkeit der betroffenen Klausel.
Im Zusammenhang mit der Kombination von unterschiedlichen, raumordnungsgesetzlich vorgesehenen Vertragstypen (zB § 33 Abs 1 Fall 1 mit Fall 2 TROG 2016) wird ausgesprochen, dass dies gerade deshalb zulässig ist, als zum einen die privatautonome Gestaltungsfreiheit der Gemeinden ohnehin eingeschränkt ist, und zum anderen das typische Raumordnungsziel, den Bedarf nach leistbarem Bauland zu decken, leichter erreicht wird als durch andere, in die Grundrechte eingreifende Maßnahmen (zB Enteignung, Bodenpreis).
Der Gemeinde können bestimmte Rechte (wie zB Vorschlags- und Zustimmungsrechte nach § 33 Abs 4 TROG 2016) zur Sicherung der Einhaltung des Raumordnungsvertrags eingeräumt werden. Die inhaltliche Grenze für deren Ausgestaltung dieser Rechte bildet das Sittenwidrigkeitskorrektiv nach § 879 ABGB.
Fazit
Aus der Entscheidung des OGH lassen sich allgemein gültige Grundsätze für die Vertragsgestaltung von Raumordnungsverträgen ableiten:
- Bei Abschluss eines Raumordnungsvertrages liegt privatwirtschaftliches Handeln seitens der Gemeinde vor. Diese Handlungsform wird durch die Fiskalgeltung der Grundrechte, sowie das Sittenwidrigkeitskorrektiv nach § 879 ABGB beschränkt und ist bei gesetzlicher Anordnung von hoheitlicher Gestaltung unzulässig.
- Ein (raumordnungs-)vertraglicher Anfechtungsverzicht wegen Irrtum, List, Zwang, etc. ist unwirksam und führt grundsätzlich nur zur Nichtigkeit der entsprechenden Klausel.
- Die Kombination von unterschiedlichen, raumordnungsgesetzlich vorgesehenen Verträgen ist zulässig, insbesondere wegen der eingeschränkten privatautonomen Gestaltungsfreiheit der Gemeinden.
- Der Gemeinde dürfen bestimmte Rechte zur Sicherung der Einhaltung des Raumordnungsvertrags eingeräumt werden. Die inhaltliche Grenze der Ausgestaltung bildet § 879 ABGB.
Zusammenfassend stärkt der OGH mit seinem Urteil den Gemeinden bei der Vertragsgestaltung den Rücken und gibt diesen insbesondere im Zusammenhang mit der Zielsetzung der Sicherung von leistbarem Wohnen mehr Rechtssicherheit, wobei auch hier nach Ansicht des OGH die Grenzen im Einzelfall zu beurteilen sein werden. Für Bauträger ergibt sich aus der Entscheidung des OGH einerseits der Bedarf, die Vertragsbestimmungen besser im Rahmen ihrer Kalkulation zu berücksichtigen und insbesondere beim Ankauf von Liegenschaften mit bereits abgeschlossenen Raumordnungsverträgen diesen vermehrt Aufmerksamkeit im Rahmen des Liegenschaftsankaufs und bei der Vertragsgestaltung zu schenken.
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